[Amphitheatrum Flavium] Panem et circenses | Die Gladiatorenspiele des Aurelius Avianus

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    Am frühen Mittag warf die Sonne grelle, gleisende Sonnenstrahlen vom wolkenfreien, blauen Himmel auf das Amphitheatrum, erleuchtete und erhitzte die sandüberzogene Kampffläche der Arena. Eine leichte Frühjahrsbrise fuhr immerzu durch das Amphitheatrum Flavium, schaffte Abkühlung und wirbelte den trockenen Sand zu leichten Staubwolken auf, welche ziellos durch die Arena wanderten und sich in selbiger erneut elegant zu Boden fallen ließen. Die Pflanzenwelt war in der ganzen Stadt Rom aufgeblüht, um die Bevölkerung mit ihrem lieblichen, erfrischenden Frühlingsduft zu erheitern. Um es den Menschen einfacher zu machen, die Last der Plackerei und Schufterei zu stemmen. Der Geruch der gedeihenden Pflanzen, getragen von den sanften Frühlingswinden, schien förmlich einen Teil der Lasten und Sorgen, die auf jedem Einzelnen lasteten hinfort zu tragen. Und wo die Sorgen hinfort getragen wurden, dort war Platz für eine andere Beschäftigung, für die Ablenkung von den restlichen Sorgen und die Unterhaltung, die sich ein Jeder als Belohnung für die tägliche, harte Arbeit herbeisehnte.
    Einfach gesagt, war es einer der besten Tage, die man sich aussuchen konnte, um einer guten, römischen Tradition zu frönen: Den Gladiatorenspielen. Denn was war besser, als einen alten Volkssport zu zelebrieren, einem der größten Spektakel, die man damals kannte, bei dem niemand ausgeschlossen war, welches jeder bewundern konnte? Es gab keine nur halb so gute Alternative, den schweren Alltag zu vergessen und sich einfach gehen zu lassen und bei der Entscheidung zwischen Leben und Tod der Gladiatoren mitzufiebern.


    Noch war die Fläche des Kolosseums leer – kein Gladiator stand auf dem großflächigen, sandigen Platz, die Zuschauertribünen waren leergefegt. Es herrschte vollkommene Ruhe, in der man den Wind noch an einem vorbeisausen hören konnte. Bald jedoch würde ein Ansturm beginnen: Nicht nur wegen der freien Verpflegung bei der Volksspeisung, sondern auch wegen der Eröffnungszeremonie und dem öffentlichen Opfer. Bald würde sich die Ruhe in tosendem Jubel und tauschendfache Anfeuerungsrufe der jeweiligen Favoriten auflösen, wenn die Kämpfe zwischen den Gladiatoren begannen und das blutige Spektakel zwischen den Todgeweihten seinen Lauf nahm.


  • Im Grunde hatte Avianus schon Erfahrung damit, verschiedenste Feierlichkeiten für verschiedenste Anlässe zu planen und durchzuführen. Er hatte schon manch ein Abendessen veranstaltet, veranstaltete immer wieder Treffen bei den Salii Palatini, opferte regelmäßig den Göttern. Ja, man konnte ihm viel nachsagen, aber dass er noch nie etwas geplant hatte, das wäre wohl falsch gewesen.
    Dennoch stand es mit den Gladiatorenspielen, die am heutigen Tag eröffnet wurden, ein wenig anders, waren sie doch großen Ausmaßes und eine völlig andere Dimension der Herausforderung. Eine große, sehr anspruchsvolle Herausforderung, der Avianus in jedem Fall gewachsen sein wollte, wäre dies noch so schwer. Gladiatorenspiele abzuhalten war so herausfordernd, dass Avianus in den letzten Wochen alles stehen und liegen ließ, was nicht unmittelbar mit der Organisation zu tun hatte. Denn er durfte nicht vergessen, dass die Qualität der Spiele unmittelbar Einfluss nahm auf die Meinung der Bevölkerung gegenüber dem Veranstalter. Er wusste genau, wenn die Spiele nicht zur Zufriedenheit der Zuschauer gereichten, wäre es besser, gar keine Spiele abzuhalten. Und das wiederum war auch ein Übel, war dies doch eine seiner Hauptaufgaben als Ädil. Nein, alles musste perfekt sein, denn immerhin brauchte er auch die Zustimmung im Senat, wenn seine Karriere kein jähes Ende finden sollte. Und das war für einen Karrieremenschen nicht unbedingt das Gelbe vom Ei, einfach zu scheitern.


    Das Bild, welches er heute und in den nächsten zwei Tagen über die Gladiatorenspiele von sich preisgab, musste ein Positives sein. Zwar mochte der Pöbel keinen direkten Einfluss auf ihn im Senat ausüben, sehr wohl aber indirekten: Davon abgesehen, dass zweifelsohne mehr oder weniger einflussreiche Senatoren zu den Spielen erscheinen würden, so war es doch auch ein Argument für eine Gegenstimme im Senat, wenn man behauptete, die Bevölkerung wurde einen hassen. Ein Argument, welches er auf keinen Fall nähren durfte. Avianus musste sich für diese Pflicht genug Zeit nehmen und natürlich spielte auch politisches Kalkül eine Rolle, dass er so viel Energie in diesen Volkssport zu stecken gedachte. Eigentlich steckte einzig und allein politisches Kalkül dahinter und nichts anderes. Aber dies war sein eigenes, kleines Geheimnis, denn solange die Leute einen liebten, sollten sie ruhig glauben, dass er die Spiele rein ihrer Wohlergehen und der Belustigung wegen abhielt.
    Es war einfach: Sie wollten Blut sehen? Sie sollten es bekommen! Davon würde nun drei Tage lang zur Genüge vergossen werden, sei es nun tierischer oder menschlicher Lebenssaft.


    So wurde den Menschen der Eintritt in das Amphitheatrum Flavium gegönnt und auch Avianus stand am Rande des Eingangs zu den Katakomben, umhüllt von Schatten in Bereitschaft, um als Veranstalter möglichst prunkvoll auf einem Pferdewagen in die Arena hineingefahren zu werden und der Eröffnungsveranstaltung beizuwohnen.
    Während er angespannt darauf wartete, dass sich die Arena mit Menschen füllte, spürte er allmählich dieses unangenehme, dumpfe Klopfen in seiner Brust.

  • Zwar hielt Macer nicht allzu viel von Gladiatorenspielen, sondern hielt es bekanntlich viel mehr mit den Wagenrennen, aber wenn sein Klient Spiele ausrichtete, dann wollte er doch nicht auf eine Teilnahme verzichten. Immerhin konnte er sich als patron so zumindest ein ganz kleines bisschen mit in diesem Ruhm sonnen und außerdem war gerade wieder Wahlkampf, wo man ohnehin nicht genug öffentliche Termine haben konnte. So konnte man sehen, wer sich mit wem traf, wer mit wem sprach, wer an wessen Seite erschien, wer wen mied und wer gar nicht da war. Und man konnte angesprochen werden, andere ansprechen und zuhören, was andere sprachen. Dass sich dabei ein paar Gladiatoren unten im Sand der Arena blutige Kämpfe lieferten, verkam dabei fast zur Nebensache.

  • Die aurelische Sänfte mit ihrem wertvollen Inhalt drängelte sich durch die dicht gedrängten Menschenmassen. Immer wenn es eine Volksspeisung gab und Gladiatorenspiele oder ein Wagenrennen veranstaltet wurde, dann strömten die Menschen durch die engen Straßen Roms, bildeten Knäul und pöbelten herum, wenn sie gestoßen wurden. Doch die Sänfte suchte sich ihren Weg, gut ausgebildete custodes stießen einige der besonders sturen Bürger aus dem Weg, wenn sie denn keinen Platz machen wollten. Langsam und gemächlich erreichte sie schließlich einen der Eingänge des Amphitteatrum Flavium, einer jener Eingänge die nur den patrizischen und senatorischen Familien freigehalten wurde und der zu den einzelnen Logen der einflussreichen Familien führte. Veleda und Lysandra hatten bei ihr in der Sänfte sitzen dürfen, sie hatte ein wenig Mitleid mit den beiden Sklavinnen und wollte nicht, dass diese sich durch die vielen Zuschauer drängen mussten. Außerdem konnte sie sich auf diese Weise weiter mit Veleda unterhalten und ein wenig näher kennen lernen.


    Zu ihrer eigenen Überraschung war sie anscheinend eines der ersten Familienmitglieder, das seinen Platz in der Loge genau im Zentrum einnahm. Zwar wuselten bereits einige der aurelischen Sklaven umher und stellten Erfrischungen bereit, aber von den Verwandten war noch keiner zu sehen. Avianus würde wohl erst nach dem er die Spiele eröffnet hatte dazu kommen. Kaum betrat sie die Loge, hatte sie das Gefühl, dass sich unzählige Blicke auf sie richteten, Köpfe zusammen gesteckt wurden und Finger auf sie deuteten. Flora hatte plötzlich das Gefühl, dass es keine so gute Idee gewesen war, an diesem Spektakel teil zu nehmen. Sie kam sich vor wie auf dem Silbertablett vor. Flora konnte sich lebhaft ausmalen, dass man über sie redete, ihren Verlust und auch ihre Verlobung. Mit einem Male war es ihr wieder zu viel. Kurz hatte sie auch das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Warum nur hatte sie sich von ihren Sklavinnen überreden lassen. Sie suchte sich einen Platz im Schatten, dort wo sie nicht auffiel. Sie wollte nicht im Mittelpunkt stehen. Nah am Ausgang, damit sie still und heimlich gehen konnte, wenn sie es nicht mehr ertragen konnte. Einer der Sklaven reichte ihr einen Becher mit Saft. Ihre Miene war starr und maskenhaft. Die Lebendigkeit, die sie noch im Gespräch mit Veleda gezeigt hatte, war verschwunden. Kurz strich sie sich über das rote Seidenkleid, nervös und angespannt. Ihre Finger spielten mit den güldenen Armreifen und entlockten den Schmuckstücken leises klimpern.
    Lysandra bemerkte diesen Stimmungsumbruch sofort und warf Veleda einen ratlosen Blick zu. Es war offensichtlich, dass Flora sich in ihrer Haut nicht wohl fühlte. Schließlich versuchte sie sich an einem sehr gezwungen wirkendem Gespräch mit Veleda. „Du warst also noch nie bei Gladiatorenkämpfen? Dann wirst du staunen, solche Kämpfe hast du noch nie gesehen. Das ist nicht irgend ein Hauen und Stechen sondern ein ästhetischer Kampf, in dem alles können der besten Gladiatoren gezeigt wird! Domina Flora war bei Spielen des Claudius Menecrates, aber er hat nur seine eigenen persönlichen Sklaven antreten lassen… Die Kämpfe waren zu schnell zu Ende und die Kämpfer nicht gut ausgebildet. Ein eher enttäuschendes Spektakel. Aber diese Spiele werden ganz anderes. Aurelius Avianus weiß was das Volk sehen will und lässt nur die Besten Kämpfer gegeneinander antreten!“ Lysandra geriet ein wenig ins Schwärmen und hoffte dass Flora auch noch den einen oder anderen Eindruck der letzten Kämpfe diesem Gespräch beitrug. Doch die Aurelia saß nur mit starrer Miene da und starrte hinunter in die sandige leere Arena. Mit den Gedanken ganz wo anders. „Domina, du hattest doch einen Favoriten bei den letzten Kämpfen, wer war das noch gleich?“ versuchte Lysandra Flora mit am Gespräch zu beteiligen.
    Nur langsam sickerten die Worte zu Flora durch. „Ich… weiß es nicht mehr… ein Nubier… aber es war ein Unentschieden!“ Unsicher sah Flora ihre Sklavin an. Sie hätte nicht her kommen sollen.

  • Veleda lauschte den Schwärmereien Lysandras über die Spiele und auch ihren Bericht von den letzten Spielen. „So die waren also nicht so gut, nun dann werde diese die anderen wohl übertreffen?“
    Veleda war nicht entgangen, das Flora sich hier nicht wohl fühlte. Auch ihr waren die Blicke, teils neugierig, teils bemitleidend nicht entgangen. ‚Dummes Volk.‘ dachte Veleda bei sich.
    Sie kniete sich neben Flora in den Schatten. „Ein Nubier? Warum war er dein Favorit? Was hatte er denn, dass du ihm die Daumen gehalten hast und wer war sein Gegner?“ Sie wollte die Aurelia von den Blicken der Menschen ablenken, sie sollte sich nicht darum kümmern. Nur war Veleda heute schon reichlich weit gegangen, so dass sie es jetzt vorzog das Thema nicht anzusprechen, sondern einfach ein unverfängliches Thema wählte.

  • Zu den öffentlichen Spielen ging man weil man sehen und gesehen werden wollte. Klatsch und Tratsch standen im Mittelpunkt, die ölglänzenden Kämpfer waren nur das Sahnehäubchen. Die untersten Ränge waren bevölkert von Senatoren und einflussreichen Männern. Nur wenige Frauen fanden sich in dem Publikum wieder und auch nur in den vereinzelten Logen. Ganz oben drängte sich das neugierige Weibsvolk und die Sklaven. Es war also kein Wunder, dass die Menschen gafften, als sie die Loge der Aurelia betrat, zumal ihr rotes Kleid mit dem goldenem Schmuck seine Aufmerksamkeit erregte. Es war nicht Gehässigkeit, sondern nur der Wunsch einmal einen Blick auf die schönsten jungen Frauen Roms einen Blick zu werfen. Und dennoch kam es ihr so vor, als würde man sich das Maul über sie zerreißen. Unruhig drehte sie den Becher zwischen ihren Fingern umher. Es war noch zu früh, viel zu früh.
    „Natürlich werden die Spiele die Avianus ausrichtet eindrucksvoller sein, wie die des Claudiers“, trotz dem mulmigen Gefühl, gelang es ihr dennoch sehr überzeugt zu klingen. Sie glaubte, was sie da sagte. Man hatte sicherlich nichts dem Zufall überlassen. Schließlich ging es an diesem Tag darum das wankelmütige Volk für sich einzunehmen. Dafür scheute man keine Kosten und Mühen. „Ich weiß nicht… sein Sieg schien mir nahe. Sein Gegner war ein Germane, groß und etwas zu langsam… aber der Kampf war enttäuschend. Die beiden Kämpfer haben viele Möglichkeiten einen Treffer zu landen vergehen lassen. Am Ende hat der Claudier Beide zum Sieger ernannt…“, berichtete sie. Dieses Ende hatte für einigen Unmut gesorgt. „Der Claudier wusste sich zu inszenieren. Er kam gut weg. Doch bin ich davon überzeugt, dass es Avianus besser machen wird.“ Eigentlich hatte sie ja helfen wollen, wenn einer ihrer Verwandten Spiele ausrichtete, doch Narcissas Tod hatte solche Pläne und Vorstellungen vollkommen überschattet und auch zu nichte gemacht.

  • Nach und nach strömten die nach Unterhaltung begierigen Menschen in die Zuschauertribünen und nahmen Platz. Immer lauter wurde es in der Arena, nahm doch jeder Einzelne noch ein oder zwei Gespräche mit hinein, so dass man bald tausende Gespräche, tausende Worte auf einmal hörte, die sich zu einer lauten Masse an Gesprächen verbanden und nunmehr nur unverständliche Laute in der Arena bildeten. Nun war es an Avianus, zu erscheinen, eine Eröffnungsrede zu halten und das Opfer einzuläuten. Eine ehrenvolle Aufgabe, die jedoch zugleich vollen Anspruch von seinen angespannten Nerven nahm, präsentierte er sich hier doch als Veranstalter von Spielen, die tausende unterhalten wollten.
    Dementsprechend geschmückt war sein Äußeres, welches sich in seiner edelsten, teuersten Toga präsentierte, die reich verziert und mit seinem Standessymbol, dem Purpurstreifen versehen war. Die Toga war strahlend weiß, würde im Sonnenschein grell aufleuchten und Blicke auf sich ziehen. Sie war dezent verziert mit künstlerischen Stickereien und einem mit Gold aufgestickten Familienwappen.


    Auf der gegenüberliegenden Seite von Avianus öffneten sich die Gittertore, aus welchen die Opferhelfer hinaustraten und welche das Opfertier hinter sich herzogen. Kurz darauf öffnete sich das Gittertor vor Avianus' Pferdewagen. Tief nahm er Luft, machte sich darauf gefasst, dass bald tausend Blicke auf ihm lasten würden, jede seiner Bewegungen und Regungen nicht unbemerkt blieb. Kurz klopfte der Aurelier dem Wagenlenker auf die Schulter, welcher eifrig nickte und die Pferde mit einem behutsamen Schwung mit den Zügeln in Bewegung setzte. Langsam setzte sich der Wagen in Bewegung und sie traten zum Vorschein. Wurden kurz geblendet vom gleisenden Sonnenschein, der ihre an die Dunkelheit gewöhnten Augen angriff. Als seine Augen sich wieder an die Helligkeit gewohnt hatten, erblickte Avianus diesen prachtvollen Anblick, der seinen Atem stocken ließ: Eine Arena voll mit Menschen, die neugierig auf das Geschehen in der Arena hinab blickte.


    Auf seinem von Rassepferden gezogenen, ebenso reich verzierten Wagen winkte Avianus theatralisch der Menge zu, während sie sich dem Zentrum der Arena näherten, um sich mit den Opferhelfern zu treffen.

  • Die Opferhelfer hatten im Zentrum der Arena Aufstellung genommen. Selbstverständlich verfügte das Amphitheater für derartige Zwecke über einen Altar, der aus dem Boden der Arena hinaufgefahren werden konnte und heute mit Girlanden geschmückt und einer frischen Rasensode versehen worden war. Daneben standen die Ministri mit ihren farbigen Schürzen, während ein Priester des Apoll dem Wagen des Aedils entgegen ging, um ihm bei dem Opfer zu assistieren.


    Der weiße Ochse, der heute dem Apollo für das Wohl des Kaisers geopfert werden sollte, stand mit seinem prächtigen Kopfschmuck ein wenig nervös am Rande...

  • Zitat

    Original von Aurelia Flora


    Ihr blieb nicht verborgen, das Flora sich bei weitem nicht wohl fühlte in ihrer Haut, aber sie hielt sich erstaunlich gut.
    „Natürlich werden diese Spiele bestimmt alle bisherigen in den Schatten stellen. Und es wird bestimmt keine langweilige Kämpfe geben. Vielleicht gewinnt dieses Mal dein Favorit.“
    Veleda ließ ihre Blicke schweifen. Sie war noch nie bei solchen Spielen gewesen und wusste nicht was nun folgte.
    Ein verzierter von Rassepferden gezogener Wagen befuhr die Arena.
    „Ein imposanter Auftritt.“ Kommentierte sie, mehr für sich selbst.
    „Oh ein Ochse. Ist er das Opfertier?“ Veleda schaute fragend zu Lysandra, bevor sie wieder wie gebannt in die Arena starrte.

  • Flora mochte sich nicht wohl in ihrer Haut fühlen, innerlich mochte sich auch alles dagegen sträuben, weiter still sitzen zu bleiben und sich den neugierigen Blicken zu präsentieren. Aber sie war nun einmal eine Aurelia, sie würde aus Pflichtgefühl ihre Familie würdevoll vertreten. Sobald sich ihr die Gelegenheit ergeben sollte, würde sie diesem Spektakel dem Rücken kehren. Nach Feiern war ihr nicht zu Mute. Aber man musste dem Pöbel schließlich zeigen, dass an den Gerüchten, die Götter zürnen den Aurelii, nichts dran war. Dass sie nachwievor eine der mächtigsten Familien Roms waren und sich durch nichts erschüttern ließen.
    Hoffentlich ließ sich wenigstens Lupus noch blicken, dann würde sie sich davon stehlen können. Nigrina würde wohl nicht kommen, deren Schwangerschaft war schon weit fortgeschritten und dieser Aufregung wollte sie sich sicherlich nicht aussetzen. Nicht dass sie das Kind bei blutigen Kämpfen bekam. Dieser Gedanke hatte kurz etwas Erheiterndes. Auf diese Weise wären die Spiele wohl noch lange in aller Munde.


    Veleda hatte anscheinend verstanden, was Flora ihr hatte sagen wollen. Veleda gehörte zum Haushalt der Aurelia und sie sollte zumindest in der Öffentlichkeit davon überzeugt sein, dass es keine bessere, mächtigere und einflussreichere Gens wie die Aurelii gab. „Ich weiß nicht wer gegeneinander antritt“, gab sie zu und warf dann einen fragenden Blick den anderen anwesenden Sklaven zu. Irgendeiner würde sicherlich wissen, was Avianus geplant hatte. Welche Gladiatoren er ausgewählt hatte. Eine Antwort erhielt sie nicht, denn kurz verstummten die unzähligen Gespräche und alle Aufmerksamkeit richtete sich auf das Rund der Arena. Die großen Tore wurden aufgezogen und Avianus präsentierte sich einem siegreichen Feldherrn gleich der Menge. Jubel brandete auf, denn sein Auftritt war beeindruckend. Er wirkte wie ein junger Gott, strahlend und prachtvoll. Bestimmt lagen ihm in diesem Augenblick die Herzen der jungen Frauen zu Füßen.
    Erleichtert konnte Flora ein wenig aufatmen, nun lag keine Aufmerksamkeit auf ihr, alle Blicke hatten sich in die Arena gerichtet. Kurz nippte sie an ihrem Becher und klatschte auch etwas zaghaft in die Hände.


    Lysandra konnte sich nur mit Mühe vom Anblick des Aureliers auf dem Wagen lösen. Sie folgte Veledas Fingerzeig und nickte dann. „Ja, das ist das Opfertier. Die Götter sollen von diesem Tag schließlich auch etwas haben. Du bist mit den römische n Riten nicht vertraut?“

  • Zitat

    Original von Aedituus
    Die Opferhelfer hatten im Zentrum der Arena Aufstellung genommen. Selbstverständlich verfügte das Amphitheater für derartige Zwecke über einen Altar, der aus dem Boden der Arena hinaufgefahren werden konnte und heute mit Girlanden geschmückt und einer frischen Rasensode versehen worden war. Daneben standen die Ministri mit ihren farbigen Schürzen, während ein Priester des Apoll dem Wagen des Aedils entgegen ging, um ihm bei dem Opfer zu assistieren.


    Der weiße Ochse, der heute dem Apollo für das Wohl des Kaisers geopfert werden sollte, stand mit seinem prächtigen Kopfschmuck ein wenig nervös am Rande...


    Der Wagen kam am Zentrum der Arena an und Avianus stieg von selbigem ab, während ein Priester des Apoll ihm entgegen ging. Der Aurelier lächelte und verneigte vor dem Priester respektvoll sein Haupt. "Salve", grüßte er, "Lasst mich einige Worte an das Volk richten, bevor wir zur Tat schreiten." Mit diesen Worten bestieg der Aurelier den prachtvoll geschmückten, ausgefahrenen Altar und erhob die Hände. Kurz feuchtete er seine Kehle an, sammelte sich innerlich.


    "Bürger Roms", rief er laut hinaus, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Natürlich war seine Stimme einzig und allein nicht genug, um in dieser großen Arena gehört zu werden. Deshalb standen in Hörweite über die Arena verteilt Bedienstete, die seine Worte erneut durchriefen, so dass sie von jedem Einzelnen, selbst hoch oben in den Rängen gehört werden konnten.


    "Heute ist ein bedeutsamer Tag, denn heute beginnen die Spiele, die ich zu Ehren des Genius unseres geliebten Imperators veranstalte! Heute habt ihr euch eingefunden, um einem bedeutenden Feiertag, dem Beginn dieser Spiele, beizuwohnen! Heute ist der Tag, an dem eure Treue und euer Dienst für den Kaiser belohnt werden soll und an dem zugleich der Genius unseres Kaisers geehrt werden soll! Euch erwarten drei Tage der Unterhaltung - esst, so viel euer Herz begehrt, trinkt, bis ihr nicht mehr könnt! NIEMAND muss hungern und dursten, denn für jeden soll vorgesorgt sein! Jeder soll an diesen Tagen belohnt werden, gleich welchen Ranges, vom einfachen Bürger bis zum Senator, vom jung bis alt, von Plebejer bis Patrizier! Egal, welche Probleme und Sorgen euch alle plagen - die Gladiatorenspiele sollen sie vergessen machen, euch belohnen und ablenken von der alltäglichen Plackerei!"


    Avianus legte eine kurze, künstlerische Pause ein.


    "Gewiss dürstet euch schon nach Gelagen und Unterhaltung - doch bevor wir beginnen, lasst uns ein Opfer darbringen an den mächtigen Apollo, auf dass der Imperator wieder genesen möge, auf dass er uns mit seiner grenzenlosen Weisheit und mit starker Hand führen möge!"


    Seine Pflicht war es zunächst, das Opfertier zu überprüfen. Natürlich war dieses sorgsam für ihren Zweck ausgewählt worden, weshalb es höchst unwahrscheinlich war, dass Avianus eine Ungereimtheit finden würde. Er kam dem Ochsen näher und sah ihn sich genau an, blickte in seine dunklen, nervösen Augen. Das Tier schien Angst zu haben vor der Menge, oder ahnte es, was auf ihn zukommen würde?
    Avianus fand nichts und signalisierte den Opferhelfern mit einem Nicken, alle Utensilien vorzubereiten und in Stellung zu gehen.

  • "...auf dass der Imperator wieder genesen möge." In der flavischen Loge, welche im Amphitheatrum Flavium naturgemäß besonders geräumig und prächtig ausgefallen war, neigte sich Flavius Flaccus, Sproß eben jener Gens, welche auch die Erbauer dieses unfassbar gewaltigen Bauwerks hervorgebracht hatte, nachdenklich und mit gerunzelter Stirn zu Myson, seinem greisen griechischen Leibsklaven, der sich, wie üblich, direkt hinter der Liege seines Herren niedergelassen hatte, und flüsterte jenem zu: "Das geben die Götter! Aber die Hoffnung schwindet mit jedem Tag der seltsamen Abwesenheit des princeps. An eine Krankheit glaubt doch schon lange niemand mehr...." Die Augen immernoch gebannt auf das Geschehen in der Arena gerichtet, tastete Flaccus mit den Fingern nach einer Weintraube, welche er, als er sie erfolgreich aufgespürt hatte, langsam in den Mund schob, seine volle Konzentration den Rufern widmend, welche die Worte des Aureliers zeitversetzt weitergaben, um jenen so gut wie möglich zu folgen. Erst nachdem der Aedil das Opfer für Apollon angekündigt hatte, und sich anschickte das Opfertier, wenigstens pro forma, zu begutachten, ließ der junge Flavier seinen Blick über die Ränge der Arena schweifen, wo sich eine schier unzählbare Masse an Zuschauern eingefunden hatte, um den kommenden Spektakeln beizuwohnen. "Weißt du ...", richtete er seine Worte wieder an den Griechen, während er seinen Blick weiter über das bunte Menschenmeer wandern ließ, " ... es ist schon unglaublich, wie leicht man sich das Volk, wenigstens für den Augenblick, zum Freund machen kann. Aber schon nach wenigen Tagen, spätestens einigen Wochen, sind selbst die großartigsten Spiele wieder" Plötzlich stockte Flaccus, als er in der Gegend der senatorischen und patrizischen Logen, obwohl etwas im Schatten verborgen, ein bekanntes Gesicht erblickte. In einem roten Seidenkleid mit funkelnden goldenen Spangen erkannte er Flora, und konnte sich nur mit Mühe zwingen, den angefangen Satz zu beenden, so erfreut war er über den unerwarteten Anblick und die Aussicht auf ein, wenigstens kurzes, Treffen, hatte er doch in letzter Zeit nur wenig von ihr gehört. "...vergessen."

  • Auch einige Claudier hatten sich im Amphitheatrum Flavium eingefunden, darunter auch Quintus Claudius Felix. Auch wenn er fest davon überzeugt war, dass die Spiele des Aurelius Avianus keineswegs an die seines Großvaters heranreichen würden, waren Spiele dieser Größenordnung dennoch stets etwas besonderes und vor allem als Patrizier sollte man doch jede Möglichkeit wahrnehmen, wenn es darum ging sich öffentlich sehen zu lassen. Der junge Mann saß, gut geschützt von einigen Leibwächtern und ein paar wenigen claudischen Sklaven die das Glück gehabt hatten, ihm am Morgen über den Weg gelaufen zu sein und ihn nun zu den Spielen hatten begleiten dürfen, inmitten der claudischen Loge. Sie war neben der flavischen und der des Kaisers eine der größten und schönsten und hatte eine ideale Lage, sodass man auch vom schlechtesten Platz in ihr besser sehen konnte, als jeder Plebejer auf den einfachen Rängen.


    Gespannt beobachtete der Claudier das Treiben in der Arena. Ein Großteil der Menge hatte sich längst auf den Rängen niedergelassen und nur wenige waren noch dabei sich freie Plätze zu suchen, als die Vorstellung begann.
    Aurelius Avianus fuhr auf einem Streitwagen in die Arena und hielt eine, das Volk doch recht mitreißende, Eingangsrede. Auch Quintus klatschte dezent Beifall, einerseits weil er diesen Aurelier mochte, andererseits weil es sich, allein des Themas seiner Rede wegen, gehörte.
    Dann sah der Claudier sich ein wenig im Stadion um und sein Blick fiel auf die Loge der Aurelier. Zu seinem Erstaunen und seiner heimlichen, nicht nach außen hin sichtbaren, Freude, war Aurelius Lupus nicht anwesend. Hielt der es etwa nicht für nötig bei den Spielen seines Verwandten anwesend zu sein?
    Dann erblickte Quintus eine junge Frau in der Loge. Sie war umringt von Sklaven, trug ein rotes Kleid und goldenen Schmuck.
    Sie war außergewöhnlich schön mit ihrer hellen Haut und ihren honigfarbenen Locken.
    Der Claudier beobachtete sie für ein paar Augenblicke und wandte sich dann wieder dem geschehen in der Arena zu.

  • Wie die Zufälle im Leben so spielen, traf an diesem Morgen der junge Claudier Quintus auf Menochares. Er befahl ihm, ihn als Leibwächter zu den Gladiatorenspielen zu begleiten. Natürlich war er über diese Abwechslung erfreut, ließ es sich aber mit keiner Mine anmerken. "Ja Dominus", war seine schlichte Antwort.


    Dort angekommen stellte er sich hinter Quintus. Von seinem Platz aus hatte er eine sehr gute Sicht. Für ihn war es ein vollkommen neues Erlebnis die Spiele aus dieser Perspektive zu betrachten.
    Beim letzten Mal war er noch selber als Kämpfer angetreten. Heute nun konnte er alles aus der Sicht eines Patriziers betrachten.
    Dabei hatte er nicht nur die Arena im Blick, sondern alles was sich in der Nähe abspielte.
    Er konnte die Gesichter der Zuschauer genau beobachten.
    Die Skala ging von gelangweilt, man muss sich ja sehen lassen, bis hin zur Faszination.


    Es war schon ein besonders Schauspiel als Aurelius Avianus auf einem Streitwagen einfuhr.
    Wie das Publikum gebannt an seinen Lippen hing. Trotz allem entgingen ihm nicht die neugierigen Blicke die zwischendurch von den einzelnen Logen gewechselt wurden.


    Nun folgten die Opfervorbereitungen, interessiert verfolgte Menochares dies. Als Gladiator hatte er immer eine eingeschränkte Sicht gehabt. Jetzt fühlte er sich als Herr über den Dingen.

  • Priscus hatte einen der wenigen noch freien Plätze ergattern können, es war das erste Mal, dass er in Rom war und hatte sich gerade nur den Reisestaub abgewaschen, als er hörte, dass die Spiele eines gewissen Aurelius Avianus heute beginnen würden. Getrieben von der Neugier hatte er sich in den frühen Morgenstunden auf den Weg gemacht, die große Stadt zu erkunden und hatte das Amphitheatrum Flavium gefunden, von dem er schon so viel gehört hatte.


    Mit einem kleinen Vorrat an Essen setzte er sich in einen der oberen Ränge, neben einen kleinen untersetzten Mann und begann an einem Stück Wurst zu kauen. Sein Nachbar blickte ihn an und Priscus hielt ihm ein Stück seiner lukanischen Wurst hin und schaute ihn fragend an. Zufrieden nickte der Andere und schob sich das Stück in den Mund. "Manke mein Mfreund, mich sterbe vor Munger", nuschelte er kauend, während Priscus lächelnd die Umgebung betrachtete. Nie hatte er eine größere Menschenmenge gesehen, die sich zu einem solchen Spektakel traf und er war tief beeindruckt.


    Plötzlich konnte man unten in der Arena Bewegungen erkennen, die Menge begann zu murmeln und zu jubeln, als sich mehrere Tore öffneten und eine Prozession mit einem Opfertier erschien. Gleichzeitig für ein Wagen direkt in die Mitte des Sandplatzes und ein Mann stieg herunter. Nur langsam verebbte der Jubel und man konnte die Rede des Aureliers hören, der ganz offensichtlich der Ausrichter dieser Festivitäten war.
    Stirnrunzelnd wandte er sich an seinen Sitznachbarn. "Der Imperator ist krank?" fragte er ungläubig. In Griechenland brauchten Nachrichten schon länger, aber von einer Erkrankung des Imperators hatte er nichts gehört.
    Der Gefragte neigte den Kopf und musterte Priscus mit zusammengekniffenen Augen. "Du bist nicht von hier, was? Der Imperator scheint schon seit längerer Zeit angeschlagen zu sein, letztes Jahr verbrachte er den Sommer in seiner Villa in Misenum." Er beugte sich etwas näher, um auch sicher gehört zu werden. "Seitdem ist er nicht mehr nach Rom zurückgekehrt und der Praefectus Urbi leitet scheins die Staatsgeschäfte. Natürlich nur zum Wohle Roms," setzte er vorsichtig hinzu. Dann drehte er sich abrupt wieder nach vorne, so als wäre nichts gewesen.


    Nachdenklich blickte auch Priscus wieder nach unten. Er hatte gehört, dass Rom ein heißes Pflaster mit Machtkämpfen war, in den zwei Tagen hatte er allerdings noch nichts vergleichbares gehört. Während er auf einer Brotkruste kaute, nahm er sich vor, seine Verwandten zu fragen. Dann lenkte er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Geschehnisse in der Arena.

  • Über den Weg gelaufen war gut. Eine Frage, die das Mitgehen anbetraf gab es nicht. Es hieß " Du gehst mit." Kein Problem , sie hatte nichts wichtiges vor und in der Villa liefen ausreichend Sklaven herum. Da fiel es nicht auf, wenn ein dutzend davon mal eben mit Claudius Felix ins Theater gingen.


    Mit Claudius Felix gab es noch kein Diskrepanzen, eine angenehmer Ausflug, wenn es dabei blieb. In der Loge angekommen, hatte sich Menochares hinter Quintus postiert. Für Wein und Erfrischungen war gesorgt. Mansuri kontrollierte die Schalen mit Weintrauben, Datteln und Nüssen. Alles auf einem Tablett, dazu ein Glas, stellte sie auf dem kleinen Tisch vor Claudius Felix ab. " Dominus." Sie entfernte sich leise. Blieb seitlich hinter ihm stehen um nachzuschenken, falls er es wünschte.

  • Ein Sklave stellte vor ihr eine kleine silberne Schale mit kandierten Früchten und Trauben hin. Ganz leicht verzog sie das Gesicht, nach Süßigkeiten war ihr nicht zu Mute. Ihre innere Unruhe schlug ihr auf den Magen. Die Anspannung hatte zwar ein wenig nachgelassen, seit dem Avianus das Rund der Arena betreten hatte, doch hatte sie nach wie vor das Gefühl, dass viele Blicke auf ihr ruhten. Vermutlich bildete sie sich dies ein, doch sie konnte sich der feierlichen Stimmung einfach nicht anschließen. Mehr denn je spürte sie die Leere die Narcissa hinterlassen hatte. Ohne sie hatte sie einfach keine Freude an diesem Spektakel. Es kam ihr so falsch vor hier zu sitzen und zu Leben, während die Asche ihrer Schwester irgendwo auf dem Landgut ihrer Mutter einen Platz gefunden hatte. Kurz biss sie sich auf die Unterlippe. Sie hatte nicht einmal die Möglichkeit bekommen, sich zu verabschieden. Tränen brannten in ihren Augen. Mit den Handrücken rieb sie sich über den Augenwinkel. Reiß dich zusammen, sagte sie zu sich selbst. Nicht hier!
    Kurz nippte sie noch einmal an ihrem Becher und lehnte sich leicht auf ihrer Kline zurück, während auch in der aurelischen Loge die Worte ihres Verwandten weiter getragen wurden. Jede Ablenkung von ihren eigenen Gedanken war ihr willkommen.
    Es war ein geschickter Schachzug, dass Avianus diese Spiele zu Ehren des Kaisers veranstaltete. Sie konnte von ihrem Platz aus erkennen, wie sehr die Menge von seinen Worten beeindruckt war und wie sie ihn feierten. Ein paar Männer hoben gefüllte Krüge. Sicherlich von der Volksspeisung mitgenommen. Mit starrer Miene folgte sie den Vorbereitungen zum Opfer. Bis Lysandras Stimme sie aus der Betrachtung riss.


    "Oh, domina, sieh nur, ist das nicht der Flavier mit dem du bei den letzten Spielen warst?" Sie deutete auf die flavische Loge. Floras ließ ihren Blick nun selber einmal über die Ränge gleiten und erkannte Flaccus. Kurz hob sie ihre Hand zu einem Gruß. Zum Zeichen, dass sie ihn gesehen hatte. Mit einem Mal kam ihr eine Idee. "Lysandra... geh doch hinüber und frage Flavius Flaccus ob er mir Gesellschaft leisten will!" Ein Gespräch mit dem jungen Poeten wäre Besser, als allein hier zu sitzen und in Kummer zu ertrinken.
    Die Sklavin sah sie überrascht an und nickte dann eilig. "Natürlich, domina!" sagte sie eilig und flitzte davon.



    Bei der flavischen Loge angekommen wandte sie sich an einen der dortigen Sklaven. Natürlich wurde sie nicht so einfach durchgelassen, aber sie konnte ihre Bitte schon einmal vortragen. "Meine domina, Aurelia Flora, lädt Quintus Flavius Flaccus ein, sich zu ihr zu gesellen und die Spiele gemeinsam aus der aurelischen Loge zu verfolgen!"

  • So wie auf den Rängen der Zuschauer viel los war, hatte auch Avianus als Opferherr alle Hände voll zu tun. Dem Ritus entsprechend wurde sein Haupt verhüllt, während die Opfergegenstände aufgebaut wurden. Der Priester des Apollo stand bereit, ein Schlächter, um den blutigen Teil ihres Opfers zu übernehmen und genauso ein Haruspex, um den Willen der Götter zu deuten. Sie alle gesellten sich zu den Ministri, den Opferhelfern, die verschiedene Aufgaben übernahmen, wie zum Beispiel den Weihrauch zu tragen. Auch die Musikaten standen bereit, um den Umgebungslärm während des Opfers zu verdecken - denn Umgebungslärm galt als schlechtes Omen und würde womöglich ungewollt das vorzeitige Ende dieser Spektakel einläuten, wollte doch niemand entgegen schlechter Vorzeichen diese Spiele sehen oder veranstalten. Zudem sollte Avianus, während er das Gebet sprach, nicht abgelenkt werden, was jedoch auch mit Musik sehr schwierig war. Er musste sich zum einen darauf konzentrieren, eine gute Figur zu machen, die Aufregung und die Last tausender auf ihn gerichteter Blicke zu überspielen, indem er seiner Pflicht nachkam. Dann sollte er das Opfer leiten - so erforderten viele Dinge seine Aufmerksamkeit, doch er zweifelte nicht daran, diesen Dingen gewachsen zu sein und tat eifrig erhobenen Hauptes seine Aufgabe. Selbstverständlich wurde auch der rituellen Reinheit genüge getan, so dass alle hier auf dem Altar weiß gekleidet waren und sogar Avianus kurzfristig seine Caligae auszog.


    Nun begann der eigentliche Opferritus. Von den Helfern wurden die Beteiligten auf dem Altar symbolisch gereinigt, indem sie mit Wasser besprengt wurden. Diese Geste war auch für die Herolde in der Arena ausschlaggebend, die angewiesen wurde, bei Sichtung der Vollziehung dieses Ritus laut "Favete linguis*" hinauszurufen. Mehrfach hörte man daraufhin in allen Rängen diese Worte laut erschallen:


    "Favete linguis! Favete linguis! Favete linguis!"


    Und je weiter diese Worte durch die Ränge glitten, desto mehr verstummten die Gespräche, desto mehr schwieg die große Masse götterfürchtig, welche zuvor die Arena mit Gelächter und Unterhaltungen füllte. Die Flötenspieler begannen mit ihrem Spiel, natürlich nicht so laut, denn die Worte des Gebets mussten noch von den Herolden in die Ränge getragen werden, welche wiederum hören mussten, was gesprochen wurde. Anschließend wurden die Hände gewaschen und mit dem Mallium Latum abgetrocknet. Nun konnten die Opferhelfer den Ochsen Apollo weihen.
    Danach ließ sich Avianus das Opfermesser reichen, um dem sichtlich nervösen Ochsen über die Stirn zu fahren, weiter den Hals entlang, bis er ihm die Wolldecke vom Rücken striff und am Schwanz angelangt war. Während der ganzen Zeremonie regte sich das Tier nicht, stand wie paralysiert da, wohl in dem Wissen, dass es sich nicht losreißen konnte und vielleicht auch ahnend, dass sein Ende in Sicht war. Avianus gab das Opfermesser wieder ab und wandte sich von dem Stier ab, um nach vorne zu blicken und die Handflächen nach oben zum Gebet zu erheben:


    "Mächtiger Apollo, Gott der Musik, der Gesundheit, des Lichts und der Wahrheit,
    der Du nicht lügen kannst und uns lehrtest, Arzneien anzufertigen, der Du mit Pfeilen töten und Wunden heilen kannst,
    bitte nimm diesen Ochsen als Gabe von uns frommen Sterblichen,
    und verhilft unserem Imperator zur Genesung, auf dass uns seine weise Regentschaft lange Zeit erhalten bleiben möge!"


    Das Flötenspiel wurde lauter und es lag am Schlächter, traditionellerweise die Worte "Agone" zu fragen, bevor er den Ochsen erschlug.


    Sim-Off:

    :* "Hütet eure Zunge!"

  • Auch wenn dieses Mal die Spiele nicht von einem Familienmitglied ausgerichtet wurden, hatte sich Livineia auf den Weg zu dieser Veranstaltung gemacht. Frische Luft war nichts Verkehrtes und immerhin waren es wieder hochkarätige Spiele. Sie wurden schließlich wieder von einem Patrizier ausgerichtet. Wer weiß, was man hier noch für Kontakte knüpfen konnte. Allein wäre sie nicht hierhergekommen, sondern hätte den Tag entspannt im Garten verbracht. An der Seite ihres Bruders allerdings war es in Ordnung hier zu sein.
    So hatte sie sich neben diesem niedergelassen, den nubischen Leibwächter hinter sich. Mit ihm lief wirklich alles Bestens, sie waren schon eine ganze Weile nicht mehr aneinandergeraten. Aber sie sahen sich auch kaum noch ohne offizielle Anlässe - glücklicherweise. Sonst hätte es sicherlich wieder zu Reibereien geführt. Und an besonders heißen Tagen, in denen Kopf und Kreislauf ziemlich verrückt spielten, war es gut, Ärger vermeiden zu können.
    Gerade hatte sie sich mit einer Frage an ihren Bruder wenden wollen, als ihr seine geistige Abwesenheit auffiel. Wenngleich sie nur für wenige Momente anhielt, hatte Livineia dies augenblicklich bemerkt, war sie doch eine ausgezeichnete Beobachterin. Sie folgte seinem Blick, konnte aber nur erahnen wohin dieser ging. Dieses Erahnen war allerdings nicht schwer, denn dort war eine wirklich schön anzusehende Frau unter den Patriziern - Felix war unverheiratet. Sie schmunzelte.
    Als dann die Opferung begann, hatte sie noch immer nichts gesagt. Nun war es auch ungehörig den Mund aufzumachen, aber sobald es sich anbot, würde sie Quintus den kleinen Finger für ein kleines Gespräch reichen. Aufmerksam beobachtete sie die Opferung, aber zwischendurch sprang ihr Blick wieder zu der gutaussehenden Frau, nur für einen winzigen Moment.

  • So sehr er sich auch bemühte, seit er Flora in der aurelischen Loge erblickt hatte, vermochte Flaccus den fortschreitenden Opferhandlungen im Rund der Arena nicht mehr die beabsichtigte Aufmerksamkeit zu schenken, denn immer wieder pendelte sein Blick wie von selbst zu der wunderschönen jungen Frau in ihrem tiefroten Kleid, die sich mit ihrer Leibsklavin zu unterhalten schien. Plötzlich wandte sie sich jedoch in seine Richtung und hob ihre Hand. Lächelnd erwiderte Flaccus den Gruß und beobachtete neugierig, wie Flora erneut einige Worte mit der Sklavin wechselte, ehe jene hastig aus der aurelischen Loge eilte. Der junge Flavier richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Opfer, welches zügig voran schritt, denn schon war der Aurelier dabei, dem Ochsen mit dem Opfermesser über Stirn, Hals und Rücken bis zum Schwanz zu streichen. Während der Aedil das Messer wieder abgab und sich auf das Gebet vorbereitete, entstand ein wenig Unruhe am Eingang zur flavischen Loge, sodass Flaccus sich etwas genervt umblickte, um die Sklaven, die zu einem so unpassenden Moment sprachen, zurechtzuweisen. Als er jedoch zum Eingang blickte, erkannte er hinter dem stämmigen nubischen Sklaven, der als Türsteher zur Loge fungierte, die Leibsklavin der Aurelia, die offenbar eine Botschaft zu überbringen hatte. Geistesgegenwärtig, wie der alte Grieche nun mal war, war auch Myson sofort zur Stelle, um die Nachricht bis an das Ohr seines Herrn weiterzutragen. "Sie soll der Aurelia sagen, dass ich mich überaus geehrt fühle, über die freundliche Einladung, und mich gleich aufmache.", flüsterte Flaccus dem Griechen ins Ohr, der nun seinerseits die Antwort an die aurelische Sklavin weitergab.


    Und wirklich, nach dem Gebet und der Tötung des Opfertiers erhob sich der Flavier von seiner Kline, strich seine dunkelblaue Toga zurecht und machte sich auf den Weg zur aurelischen Loge. Dort angekommen, ließ er sich von Myson ankündigen. "Dominus Quintus Flavius ist hier auf Einladung der Aurelia Flora, um den Spielen aus dieser Loge beizuwohnen."

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