Triclinium Minor | Obskure Gespräche

  • Tatsächlich plante Durus dies, aber seine Äußerung hatte sich eher auf die blumigen Träume seines Klienten bezogen, die Senatsherrschaft wiedereinzurichten. So hatte Flaccus den Spieß nun doch umgedreht - ein verzwickte Situation für den alten Tiberier. Sein Klient wirkte erschrocken, wobei kaum abzuschätzen war, ob dies nur wegen der Erkenntnis des Plans oder aber auch seiner Furcht vor diesem Schritt - oder gar seiner Loyalität gegenüber dem Kaiser - geschehen war.


    Er machte eine kurze Pause, dann erwiderte ruhig und ernst:


    "Ich spreche im Augenblick nur davon, was die Konsequenzen deines Planes wären - der aber im Übrigen ebenso hochverräterisch wäre wie die Ermordung des Kaisers."


    Damit verwies Durus auf Absatz (2) des betreffenden Paragraphen, der sicherlich auch dem Flavier bekannt war.


    "Allerdings bin ich der Meinung, dass wir alle Möglichkeiten in Betracht ziehen müssen, um den Staat zu retten und ein Gesetz, das die erbliche Herrschaft für eine Familie - um nicht zu sagen eine Königsherrschaft formal gestattet, kann wohl kaum der Maßstab sein, an dem wir uns orientieren."


    fuhr er dann fort. Damit stellte er sich nicht zu deutlich auf die Seite eines Kaisermords, beließ ihn jedoch wie eine stumme Drohung im Gespräch. Es blieb abzuwarten, was Flaccus von dieser Ansicht hielt.

  • Zwar hatte der alte Tiberier das Gedankenkonstrukt seines cliens offensichtlich nicht im selben Sinne verstanden, wie es von jenem intendiert gewesen war, und doch schien der Kern seiner Überlegungen, in letzter Konsequenz den Senat wieder an der Macht zu wissen, bei dem Pontifex auf Ablehnung zu stoßen. Die Wirren vor Augustus' Regentschaft konnten schließlich nicht der Idee der Republik an sich zur Last gelegt werden, sondern lediglich der hoffnungslos verrotteten Ausformung derselben in ihren letzten Jahrzehnten. Dennoch war die Konsequenz seines Planes keinesfalls den Kaiser zu töten und jemanden an dessen Stelle zu setzen, sondern durch einen starken Senat die Last der Tyrannis zu beenden. (Und im konkreten Falle die Nachfolge durch den Sohn des princeps zu verhindern, weshalb er, wenigstens in Gedanken, keineswegs nach Absatz 2 des betreffenden Paragraphen, sondern vielmehr nach dem vierten Absatz desselben hochverräterisch handelte.) Doch all diese Überlegungen schienen im Moment ohnehin bedeutungslos, da die Frage des Kaisermords, nun endgültig, ob willentlich oder nicht, in den Raum gestellt, schwer über der Situation lastete. Schon die nächsten Worte des Tiberiers ließen seinen cliens jedoch erneut nachdenklich die Stirn runzeln, denn nun verkündete er, dass ein Gesetz, welches eine Königsherrschaft formal gestattet, wohl kaum Maßstab zur Orientierung sein konnte. "Nun ...patronus ...", begann Flaccus überaus nachdenklich, "du sprichst davon, den Staat zu retten. Was bedeutet das für dich?", seine dunklen Augen musterten den älteren Tiberier fragend.

  • Zuerst sah Durus seinen Klienten etwas verwirrt an - was war denn an "den Staat retten" nicht zu verstehen? Vielleicht wusste ein Plebejer aus der Subura nicht, was der Staat war, aber ein Spross vornehmer Familie? Er sog hörbar Luft ein und begann dann zu sprechen - über die Res Publica ließ sich so einiges sagen...


    "Die Res Publica zu retten bedeutet für mich, die Form, in der sie besteht und von unseren Ahnen bis zu Iunius Brutus, zu erhalten, seine öffentliche Ordnung, das Zusammenleben untereinander und - vor allem - die politische Ordnung, das harmonische Spiel zwischen Senat, Kaiser, Magistraten und Volk."


    Natürlich war auch dem alten Tiberier klar, dass die Magistrate heutzutage kaum mehr als höhere Verwaltungskräfte waren, die ihr Privatvermögen in den Dienst des Staates stellen durften - er hatte ja selbst genügend Magistraturen bekleidet - aber dennoch gehörten sie und ihre traditionellen, wenn auch heute eher formellen Rechte zur Mos Maiorum.


    "All das sehe ich durch Salinators Gebaren gefährdet, sodass er entmachtet werden und für sein Verhalten zur Rechenschaft gezogen werden muss."


    Dass dies seinen Tod bedeutete, lag vermutlich auf der Hand.

  • Die Frage des jungen Flaviers mochte Durus zunächst etwas verwirren, dennoch schien sie dem Jüngeren durchaus berechtigt, hatten sie doch offenbar nicht gänzlich dieselben Vorstellungen davon, was es bedeuten mochte den Staat zu retten. Was der Senator daraufhin über seine Ansicht der Rettung der res publica zu verstehen gab, hatte jedoch, wenigstens für den Flavier den Anschein schwammiger Diplomatie ohne konkrete Aussage. Natürlich wollte auch er die öffentliche wie politische Ordnung wahren und das harmonische Spiel der Kräfte am Leben erhalten, doch schien ihm das durch einen mit Allmachten in nahzu jedem erdenklichen Bereich ausgestatteten princeps kaum möglich, hatten doch die Alten aus diesem Grunde die Prinzipien der Annuität und Kollegialität geschaffen, um die Macht nicht für lange Zeit auf den Schultern derselben Menschen zu wissen. Und doch schienen diese weisen Überlegungen der Vergangenheit in diesen Tagen nichts mehr zu gelten, ja geradezu mit Füßen getreten zu werden, indem die Macht über den Staat und das römische Volk in die Hände eines einzigen Mannes gelegt wurde, und offensichtlich auch nach dem Umsturz wieder gelegt werden sollte. Doch Flaccus war klug genug, um einzusehen, dass er mit seiner Sicht der Dinge nicht unbedingt den Beifall seines Patrons bewirkte, sodass er nun schlichtweg nickte und etwas pragmatisch feststellte: "Wie ich bereits sagte, dieser Meinung bin auch ich, da es zum Wohle Roms wohl unvermeidlich ist." Bei dem Namen der Stadt hob er seine Stimme leicht, nur um sie daraufhin wieder in eine entspannte Sprechlage fallen zu lassen. Er musterte den Tiberier berechnend, um herauszufinden, worauf jener tatsächlich hinaus wollte.

  • "Nun stellt sich die Frage, wie man sich Salinators entledigen könnte."


    leitete Durus die weiteren Überlegungen ein. Vielleicht ließ es sich doch noch bewerkstelligen, dass Flaccus selbst das Unausweichliche einsah.


    "Natürlich habe ich bereits darüber nachgedacht. Man könnte ihn öffentlich niederstechen und dem Kaiser unmissverständlich zeigen, was der Senat von seinem Stellvertreter hält. Die unausweichliche Folge wäre allerdings, dass Valerianus dem Senat den Krieg erklärt - anderes kann er nicht auf sich sitzen lassen, ohne jegliche Autorität zu verlieren."


    Das war die eine Sache...


    "Eine weitere wäre, dem Praefectus Urbi etwas anzuhängen, allerdings erscheint er mir dazu bereits zu mächtig - er hat einen ihm genehmen Praefectus Praetorio eingesetzt, kontrolliert selbst die Cohortes Urbanae, also die zentralen Ermittlungsorgane. Schließlich dürfte es schwer sein, ihn dem Kaiser abspenstig zu machen, da dieser - wie erwähnt - fest hinter seinem Stellvertreter steht."


    ...auch diese Variante schloss Durus daher aus...


    "Eine dritte Alternative wäre natürlich die unauffällige Beseitigung Salinators, etwa durch Gift. Doch auch hier ergibt sich eine gefährliche Unwägbarkeit: Wen wird der Kaiser an seine Stelle setzen? Haben nicht die Vertrauensleute des Praefectus Urbi den einzigen direkten Zugang zu Valerianus?"


    Er sah den jungen Flavier fragend an - er erkannte hoffentlich die zwingende Konsequenz.

  • Flaccus schwieg. Er schwieg und lauschte den Worten seines Patrons so aufmerksam er konnte. Bei dessen erstem Vorschlag begannen seine Augen kaum merklich zu funkeln, empfand er die öffentliche Ermordung Salinators doch als die rechtschaffenste, ja urrömischste Art, unliebsame Politiker loszuwerden. Nun würde jedoch wohl gerade diese erste Möglichkeit nicht die vom Tiberier präferierte darstellen, so weit glaubte der junge Flavier den Senator mittlerweile durchschaut zu haben. Auch war er nun klug genug, den Mund zu halten, und stillschweigend die weiteren Ausführungen hinzunehmen. Sein Wort hatte wohl schlichtweg zu wenig Gewicht, um in diesen Kreisen und in Angelegenheiten solch staatstragender Bedeutung wirksam zu werden, so dass er seine einzige Möglichkeit nun darin sah, den zweifellos ohnehin bereits gefassten Entschluss seines Patrons nach Kräften zu unterstützen. Er schluckte und nickte ernst. "So ist es also deiner Meinung nach unmöglich die Makel am Staat unter Valerianus' Herrschaft zu beseitigen?" Eine rhetorische Frage in sonorem Ton, die erkennen ließ, dass Flaccus erkannt hatte, jedoch ohne die ultima ratio tatsächlich in Worte zu kleiden.

  • "Ich wünschte, dem wäre nicht so."


    erwiderte Durus und legte die Fingerspitzen aufeinander. Tatsächlich hatte er sich inzwischen geistig schon längst von dem Gedanken verabschiedet, gemeinsam mit Valerianus eine gute Res Publica zu schaffen - er war einfach unfähig.

  • Und so blieb dem jungen Flavier nichts anderes übrig, als erneut ernst zu nicken. "Wenn es zum Wohle Roms unerlässlich ist, so darf keine falsche Furcht dem rechten Handeln im Wege stehen.", zeigte er sich auf etwas kryptische Weise damit einverstanden, den Pontifex in all seinen Plänen zur Wahrung der res publica zu unterstützen. Dennoch wagte er es nicht, das Unvermeidliche auszusprechen, oder den Tiberier nach seinen konkreten Plänen zu fragen, sodass er den älteren Mann lediglich tiefsinnig anblickte und es ihm überließ, das Gespräch fortzuführen.

  • Zumindest schien Flaccus nun auch die Konsequenzen tragen zu wollen - zumindest interpretierte Durus die Worte des Flaviers in diese Richtung. Dementsprechend beschloss er, dass es auch akzeptabel war, etwas weniger vorsichtig vorzugehen und seinem Klienten den Plan zu präsentieren - zumindest, soweit dies notwendig war.


    "Ich bin ganz deiner Meinung. Und deshalb habe ich mich bereits mit diversen Senatoren und angesehenen Persönlichkeiten ausgetauscht, die unsere Meinung ebenfalls teilen."


    Da doch noch nicht aller Zweifel ausgeräumt war, inwieweit sein Klient ihm zu folgen bereit war, machte er erneut eine Pause und blickte sein Gegenüber erwartungsvoll an.


    "Wir arbeiten gemeinsam an einem Plan, wie wir das Angesicht der Res Publica wieder reinwaschen können."


    Dass er damit auf die Ermordung des Kaisers anspielte, war wohl klar - und es zeigte, dass sie bereits daran arbeiteten.

  • Gespannt folgte der junge Flavier den Worten seines Patrons. Offenbar war dessen Überlegung, das Angesicht der Res Publica wieder reinzuwaschen, bereits weit über den Zustand eines hypothetischen Gedankenkonstruktes hinaus zu einem konkreten Plan gereift. Jedenfalls klang es so, als ob Quintus Flavius bei weitem nicht der Erste war, mit dem der Tiberier über dieses Thema sprach. Ob der Andeutung breiter Unterstützung des Plans in den Reihen der ehrwürdigen Senatoren, die Flaccus aus den Worten seines Gegenüber herauszuhören glaubte, entspannte er sich merklich. Und doch stürmten dutzende offene Fragen auf ihn ein. "Wie weit ist dieser Plan bisher gediehen?", erkundigte er sich also, durchaus Bereitschaft signalisierend, selbst an jenem mitzuwirken, falls sich eine Möglichkeit bieten würde.

  • "Nun, wir haben uns auf die Grundlagen geeinigt - die Details sind noch in der Diskussion."


    meinte Durus nach kurzem Nachdenken. Zwar war er prinzipiell bereit, seinem Klienten den Plan zu enthüllen, doch wirkten die Fragen noch immer etwas ausweichend.


    "Ehe ich dir Genaueres erkläre, möchte ich dich aber dennoch um dein Wort als Ehrenmann bitten, die Inhalte dieses Gesprächs unter keinen Umständen nach draußen zu tragen, da große Risiken für mich, aber auch deine Familiaren damit verbunden sind."


    Zwar hatte er sich vorgenommen, die Namen seiner Mitverschwörer nicht zu offenbaren, aber möglicherweise motivierte diese Erwähnung Flaccus doch zu seinem Ehrenwort - und damit war Durus sich sicher, dass er keine Eide benötigte, denn der junge Flavier war ein Mann von Ehre.

  • Der ernste Ausdruck versteinerte die Züge des Flaviers, als sein Patron ihn um sein Wort als Ehrenmann bat. "Du hast mein Wort, und ich bin bereit, jeden Eid zu leisten, der dir nötig erscheint." Nur um schon kurz darauf einzuwenden: "Du hast meine Familiaren erwähnt... Sie stehen also hinter der Sache?" Er sprach zögerlich und hoffte, dass die Antwort des Tiberiers ihm Erleichterung verschaffen würde. Jener würde doch gewiss bereits die männlichen Verwandten in machtvolleren Positionen ins Vertrauen gezogen haben, zumal sie im Pontifikat vereint waren, ehe er ausgerechnet Flavius Flaccus, wiewohl sein Klient, so doch erst am Beginn seiner Laufbahn befindlich, in die Angelegenheit verstrickte.

  • "Durchaus, dein Onkel Flavius Gracchus zählt ebenfalls zu der Verschwörung."


    erklärte Durus, wobei er wegen der temporären Unsicherheit, wie genau sein Klient mit Gracchus verwandt war, auf die eher allgemeine Bezeichnung 'Onkel' zurückgriff - Familiar war er als Mitbewohner von Flaccus in jedem Fall.


    "Aber kommen wir zu unseren Plänen - ich bitte dich, diesen erst vollständig vorstellen zu können, ehe du Fragen stellst - vieles ergibt sich aus Späterem. Wir haben beschlossen, sowohl Valerianus, als auch seinen Sohn Maioranus zu beseitigen, im Augenblick halte ich Gift hierbei für den vorteilhaftesten Weg.


    Im Folgenden liegt jedoch der wahrhaft komplexe Teil unseres Unterfangens: Wir planen, bereits im Vorfeld das Testament des Kaisers zu modifizieren - es befindet sich im Tempel der Vesta, wo wir als Pontifices sicherlich Zutritt erhalten können. Dabei werden wir die Erbfolge dahingehend verändern, dass ein von uns auserkorener Senator zum Nachfolger bestimmt wird, sollte Maioranus frühzeitig ableben Zugleich werden wir Vescularius Salinator den Mord an der kaiserlichen Familie in die Schuhe schieben - bei seinem Verhalten sollte sein Wunsch nach dem Kaiserthron wohl niemanden verwundern.


    Zentral erscheint uns daher zum ersten die Findung eines geeigneten Kandidaten - woran ich bereits arbeite. Zum Zweiten benötigen wir schlagkräftige Unterstützung, da Salinator inzwischen mehr und mehr seiner Klienten und Freunde ich machtvolle Positionen bringt, die den Fall wirklich für einen Staatsstreich nutzen könnten. Wir arbeiten an Kontakten zu den italischen Militäreinheiten, die im Falle des Falles nach Rom marschieren werden, um eine Festnahme und möglichst rasche Hinrichtung Salinators zu erwirken - falls dies nicht durch die in Rom befindlichen Amtsträger gelingen sollte. Durch eine schnelle Enthauptung des Feindes sollte es uns gelingen, diesen zu neutralisieren."


    Er beendete seine kurze Erklärung und wartete ab, was Flaccus davon hielt. Dem jungen Mann schien zumindest klar zu sein, in welche Situation er sich hier begab...

  • Wenig verwundert und doch etwas erschüttert vernahm der junge Flavius, dass auch der ehrenvolle Gracchus Teil der Verschwörung zu sein schien. Erst die Erinnerung, dass der Plan einzig zum Ziele hatte, die Res Publica zu erhalten und zu festigen, vermochte sein kurzfristig ins Wanken geratenes Bild des unfehlbaren und gleichsam makellosen Mannes erneut zu festigen. Nun legte der Tiberier den Plan, den die Gruppe der Verschwörer offenbar bereits bis zu einem hohen Grade gefasst hatte, in seinen Einzelheiten dar, und Flaccus lauschte still und konzentriert. Im Grunde schienen alle Punkte desselben, mit Ausnahme des doch sehr gewichtigen Aspekts der Nachfolge des princeps, so denn eine solche stattfinden sollte, woran er nach den zuvor vernommenen Worten Durus' nicht mehr zu zweifeln wagte, bereits relativ klar durchdacht, sodass Flaccus nach der kurzen Erklärung zunächst einige Augenblicke lang das Gehörte vertiefte. Dann allerdings, und es war nicht viel Zeit des Nachdenkens verstrichen, ergriff er doch das Wort. "Der Plan klingt überaus wohlüberlegt und durchführbar, doch erlaube mir, ein paar Fragen zu stellen. Du sprachst von den italischen Militäreinheiten. Wurde der legatus der ersten Legion bereits ins Vertrauen gezogen? Es ist für das Gelingen des Plans wohl unvermeidlich, dass die Soldaten zum vereinbarten Zeitpunkt nicht nur marschfertig sind, sondern bereits gen Rom ziehen, käme doch eine Nachricht über etwaige Probleme in Bezug auf die ... Neuordnung der Macht ... unter Umständen zu spät. Im besten Falle wird diese militärische Unterstützung allerdings wohl nicht gebraucht werden... Der Schlüssel zum Erfolg des Plans, so ich ihn richtig verstanden habe, liegt wohl in einer raschen Umsetzung der einzelnen Punkte, sodass die Bevölkerung, am besten bis hinauf zu den höchsten Amtsträgern, und vor allem den Klienten Salinators, nicht ahnen kann, dass die Dinge keinem natürlichen Lauf folgen. Nur so bestünde wenigstens die Possibilität, dass die Prätorianer und die Urbaner sich gegen den Vescularier wenden, da der Mord am Kaiser offensichtlich ihm anzulasten ist. Nach Möglichkeit auch die Vigilen zu kontrollieren hielte ich für nicht unwichtig, stellen sie doch ebenfalls eine nicht zu unterschätzende militärische Macht in der Stadt dar.", überlegte Flaccus weiter, "Ein weiterer überaus wichtiger Aspekt, der für die schnellstmögliche Durchführung des Plans spricht, ist die Überlegung, dass die Statthalter der Provinzen und besonders die Legaten der außerhalb Italiens stationierten Legionen im besten Falle bereits mit der Nachricht von der Ermordung Valerians vor vollendete Tatsachen dessen Nachfolge betreffend gestellt werden sollten. Nur so kann es wohl gelingen, die Zahl übermütiger Feldherren, die mit dem Tod des Kaisers ihre eigene Chance auf den Thron gekommen sehen, zu minimieren und ausschreitende Auseinandersetzung zwischen Bürgern zu unterbinden."

  • Erwartungsvoll blickte Durus sein Gegenüber an, während dieses das Gehörte verarbeitete. Für einen jungen Mann, der gerade eben erst von dem Plan erfahren hatte, waren seine Einwände dafür aber äußerst scharfsinnig und wohlformuliert - wieder einmal bewunderte der alte Tiberier seinen jungen Klienten.


    "Sehr richtig, alles hängt von einem raschen und konzertierten Vorgehen ab, ehe die schädlichen Kräfte zum Handeln kommen. Leider ist der Praefectus Vigilum allerdings ebenfalls zumindest ein Freund des Vescularius - vielleicht wäre es eine Möglichkeit, die Stadteinheiten auf der subalternen Führungsebene zu infiltrieren - etwa die Tribuni."


    Die Tribunen waren zwar weitgehend ritterlich und damit traditionell eng mit dem Kaiser verknüpft, aber zumindest war hier ein senatorischer Zugriff leichter.


    "Allerdings kann ich wohl verraten, dass auch Aurelius Ursus auf unserer Seite ist, ebenso einige Statthalter bedeutender Provinzen mit beträchtlicher militärischer Macht. Ich hoffe allerdings, dass wir diese nicht zum Einsatz bringen müssen."

  • Konzentriert folgte Flaccus den Ausführungen seines Patrons. Der Präfekt der Vigilen schien ebenfalls mit dem ruchlosen Salinator verbandelt, sodass jener nun offensichtlich bereits alle drei der militärischen Gruppierungen in Rom direkt oder indirekt unter sein Kommando gestellt hatte. Als Durus den Vorschlag machte, etwa die Tribunen der Vigilen zu infiltrieren, schüttelte Flaccus reflexartig leicht den Kopf und runzelte die Stirn. "Das halte ich für sehr riskant. Im Zweifelsfall müssen wir eben so rasch vorgehen, dass die militärischen Einheiten in Rom sofort mit der Nachricht vom Tod des Kaisers auch jene der - in unserem Sinne geänderten - Nachfolge erhalten, sodass sie ohnehin gezwungen sein werden, den neuen princeps zu unterstützen. Sollten sich dennoch sowohl die Urbaner, wie auch die Vigilen und gar die Prätorianer aus widernatürlicher Loyalität gegenüber dem Vescularier gegen den neuen Kaiser stellen - was die Götter verhüten mögen! - so ruht unsere Hoffnung alleine auf der ersten Legion, die sich aus diesen Gründen, wie bereits erwähnt, zu jenem Zeitpunkt bereits auf dem Marsch gen Rom befinden sollte. Um Planlosigkeit und unkontrolliertem Vorgehen, verbunden mit unnötiger Gewalt gegen römische Bürger, vorzubeugen, halte ich es darüber hinaus für vorteilhaft, dass bereits vor diesem Zeitpunkt genaue und detaillierte Pläne für die Prima ausgearbeitet wurden, sodass jene, wenn sie Rom erreicht, ohne unnötiges Zögern die strategisch wichtigsten Posten unter ihre Kontrolle bringt und besetzt hält. Vor allem der Zugang zum Meer muss unter allen Umständen gehalten werden. Obwohl derartige Handlungen bei einer konzentrierten und eleganten Durchführung des Plans nicht vonnöten sein sollten, müssen sie dennoch für den schlechtesten Fall bereits im Voraus überlegt und in Erwägung gezogen werden, sodass nicht überraschende Umstände, die nicht vorhergesehen wurden, den diffizilen Plan ins Wanken bringen. Die Unterstützung der Statthalter militärisch mächtiger Provinzen ist zwar für den unmittelbaren Sturz des Kaisers und die geänderte Thronfolge nicht direkt von Bedeutung, wohl aber um die Herrschaft des neuen princeps durch ihre Unterstützung zu festigen und gleichsam über Valerians Testament hinaus zu legitimieren." Seine Überlegungen für einen Augenblick unterbrechend, brachte Flaccus seine Gedanken schließlich auf den Punkt. "Am wichtigsten ist also zweifellos, dass der Plan rasch, konzentriert und vor allem von der Öffentlichkeit unbemerkt voranschreitet. Alle Handlungen müssen so gestaltet werden, dass sie zwingend zur Überführung und Verurteilung des Vesculariers führen und unseren Mann auf den Thron bringen."

  • Der Gedanke eines im Vorfeld erarbeiteten militärischen Planes war Durus noch gar nicht in den Sinn gekommen - aber er hatte auch nie gedient und beruhigte sich damit, dass zweifellos einer der erfahreneren Militärs daran gedacht hätte.


    "Ein durchaus sinnvoller Gedanke. Sicherlich werden Aurelius Ursus und die militärisch erfahreneren Mitverschworenen die strategischen Punkte ausmachen und einen Plan ausarbeiten können."


    Der zweite Aspekt hingegen war durchaus auch für Flaccus geeignet - er besaß ebenfalls eine juristische Schulung und würde als heller Kopf sicherlich auch gute Ideen einbringen können.


    "Der zweite Fall birgt hingegen ein gewisses Risiko, da die Prätorianer als Ermittlungsbehörde bekanntlich unter dem Einfluss Salinators stehen. Ideal wäre selbstverständlich ein Zeuge, doch wären wir alle vermutlich nicht dazu geeignet...es sei denn..."


    Plötzlich kam Durus der Annaeer in den Sinn - er hatte durchaus bereits eine gewisse Nähe zu dem unseligen Präfekten gezeigt und konnte daher bestätigen, dass der kaiserliche Stellvertreter aufrücken wollte. Allerdings weilte er im fernen Germania, sodass ein rasches Vorgehen unmöglich war.


    "Ich hatte daran gedacht, ihn mittels Liktoren verhaften und aus der Stadt bringen zu lassen - möglicherweise zur manövrierenden Legio I, sollte uns dies gelingen. Wenn der neue Kaiser erst benannt ist und dieser Salinator verurteilt, werden beliebige Indizien für ein Todesurteil ausreichen."

  • Dass es gerade dem jungen Flavier ein Anliegen war, die Pläne bereits im Vorfeld so umsichtig und vorsorglich zu prüfen und zu ordnen, mochte nicht weiter verwundern, sah er doch die größte Gefahr für das erfolgreiche Gelingen der Unternehmung darin liegen, dass das Auftreten etwaiger unvorhergesehener Umstände möglicherweise rasches Handeln würde erforden, welches ob des Mangels an entsprechenden Plänen unkontrollierte und unüberlegte Formen annehmen und schließlich in einem dem Flavier so verhassten und dem Erfolg der Sache gänzlich abträglichen Zustand des Chaos enden könnte. Diesen Überlegungen konnte offenbar auch der alte Tiberier einiges abgewinnen, lobte er doch den entsprechenden Gedanken Flaccus' als einen durchaus sinnvollen. Dennoch ließen die weiteren Worte des Senators den jungen Mann abermals die Stirn runzeln. Gedachte Durus tatsächlich mit einer Handvoll Liktoren den Praefectus Urbi nicht nur in Gewahrsam, sondern darüber hinaus auch aus der Stadt zu bringen? "Wird es den Liktoren denn möglich sein, zum Vescularier vorzudringen, ihn festzusetzen und unbeschadet aus der Stadt zu bringen? - Werden die Urbaner und besonders die persönlichen Kämpfer, die er um sich zu scharen pflegt, einen solchen Zugriff nicht mit Gewalt verhindern?" Jedenfalls würde Salinator sich gewiss nicht kampflos ergeben. "Die Chance liegt wohl im Moment der Überraschung ....", überlegte Flaccus weiter, allerdings befand sich doch stets wenigstens die Leibgarde um den verruchten Präfekten und eine Verhaftung in den Castra Praetoria war wohl gänzlich unmöglich.

  • Wie auch bei der vorherigen Frage, so war es auch hier für Durus problematisch, eine klare Einschätzung abzugeben - welche Schlagkraft die Truppe des Vesculariers aufbieten konnte oder welche polizeiliche Brauchbarkeit die Liktoren aufwiesen, war nicht sonderlich klar. Allerdings glaubte er zumindest, dass der Plan möglich war, denn...


    "Richtig, die Überraschung. Ich denke, dass es einem offiziellen Amtsträger durchaus gelingen könnte, in das Haus des Vesculariers einzudringen, wenn Salinator nicht ahnt, worum es sich handelt. Ebenso wäre jeder gute Bürger zur Hilfe verpflichtet, wenn sein Magistrat ihn darum bittet - wir könnten also in diesem Falle unsere Klienten und Sklaven als Unterstützung heranziehen. Wenn wir zusätzlich das Gerücht streuen, der Praefectus Urbi hätte die Ermordung des Kaisers und seines unschuldigen Sohnes veranlasst, wird dies die stadtrömischen Einheiten zumindest in einen Loyalitätskonflikt bringen, der sie möglicherweise einige Zeit lang lähmt."


    Vor dem geistigen Auge des Tiberiers tauchte bereits eine Reiterstaffette auf, die von Misenum her die frohe Botschaft von Valerianus' Tod zu den Verschwörern trug, die daraufhin sofort vor der Casa Vescularia auftauchten...

  • Als der Tiberier den Überlegungen seines Klienten beipflichtete, nickte jener nochmals grave, ehe ihm schließlich ein Gedanke kam, der, wiewohl so offensichtlich, doch bisher nicht von dem jungen Mann bedacht worden war: Die Forderung nach der aktiven participatio des Flaviers, welche wohl mit dem Faktum seiner Einweihung in die verschwörerischen Pläne verbunden sein musste, bisher jedoch nicht zur Sprache gekommen war.


    "Der Plan scheint ausgereift, wiewohl das zentrale Element der Nachfolge zweifellos in Bälde geklärt werden muss, vor allem aber jener Punkt, ob der neue princeps unseren Reihen entstammen, oder jedoch ein in dieser Hinsicht Unbeteiligter sein sollte. Wie auch immer jedoch in dieser Angelegenheit entschieden werden sollte, so stellt sich mir doch die Frage, in welcher Weise ich selbst zum erfolgreichen Gelingen dieses Plans zur Rettung der res publica beitragen kann ..."


    Sanft lenkte der junge Mann auf diesen seinen neuen Gedanken der persönlichen Verstrickung in die diffizilen Handlungsabläufe des komplexen Plans ein, welche von dem Consular wohl angestrebt werden musste, konnte sich Flaccus den bloßen Umstand dieses Gesprächs doch nur dadurch erklären. Es musste schließlich unvernünftig, wenn nicht gar verrückt anmuten, Männer in dieses höchst brisante Vorhaben einzuweihen, deren Mithilfe weder essentiell, noch wenigstens wünschenswert erschien.

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