Ziemlich titelhafter Titel...

  • Sirius
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    "Einen GLADIATOR?", murrte Sirius, der treudoof und ausnahmsweise mal stocknüchtern seinem Herrn über einen der vielen Mercati der Stadt hinterhertrottete, "Vala... Alrik... DOMINUS!! Ich bitte dich! Wofür brauchen wir einen Gladiator? Für das Prestige solltest du dir lieber einen griechischen Lyriker oder so zulegen.. irgendetwas, was den artes bonorum entspricht... aber einen Gladiator? Solltest du vorhaben, deinen Ruf als togisiertem Barbaren zu festigen, so wäre das jedoch genau das richtige."
    Es war nicht die Sorge um den Ruf seines Herrn, der Sirius zu so derartigem Widerstand gegen das Vorhaben seines Herrn führte, sondern schlicht die Sorge um seinen eigenen Vorteil. Der Wahlkampf hatte seinen Herrn quasi ruiniert. Mehr als das, säßen sie nicht immernoch in der Casa Prudentia, weil sein Herr sich mit der Hausherrin außerordentlich gut verstand, so säßen sie nun auf der Straße, und Vala müsste seine Verbündeten und Feinde unter die Brücken des Tiber einladen. Und jetzt kam er mit einer solchen Metidee an!


    "Würdest du es einem Abkömmling von Peregrinen abkaufen, wenn dieser plötzlich Sabellus und Tibulus zitieren lässt? Oder irgendwas von den Hellenen? Dafür, dass du mir dein.."


    "Die Bemühung würde sicherlich honoriert!", insistierte Sirius, der genau wusste, dass sein Herr sich einen feuchten Marderdreck um die schönen Künste scherte, und sie nur als Zeitverschwendung betrachtete, "Ein Abkömmling von Barbaren der dem Lichte der römischen und griechischen Dichtkunst entgegenstrebt. Das hat doch was?! Die bauchzerreißende Komik des Plautus! Die sophoklische Tragik! Die fantastische Rhythmik im Meter der Worte der ovidischen Phaenomena! Und wo wir gerade dabei sind: die Liebeskünste über die Ovid schreibt wären dir sicherlich auch zuträglich!"


    "Findest du, ich habe da Nachholbedarf?", war die konternde Frage, die so sehr nach Falle stank, dass sie Sirius' Nase nicht nur beleidigte sondern sich auch gleich wimmernd in einer Ecke verkriechen ließ. Ein hastig nachgeworfenes "Neeeeeeeein, nein! Wie könnte ich nur? Das wäre doch, als würde man Perikles vorwerfen im Geiste ein Einfältiger und mit den Worten ein tumber Narr zu sein! Eh... die FINANZEN! Richtig... wir sind pleite, wusstest du das schon?"


    "Ich werde nach Mogontiacum schreiben, um um mehr Geld zu bitten!", wischte Vala den Einwand weg, um sich ein Exemplar von Daker anzusehen, dem man durch die Augen geradewegs bis auf den Hinterkopf schauen konnte. Aber der Kerl war ein Hühne, jung und hatte mehr Muskeln im Hals als Sirius im ganzen Körper.


    "Die Ausbildung! Und der Unterhalt? Und sowieso! Das kann deine Familie garnicht alles zahlen...", näselte Sirius, der sich von dem Anblick sichtbar angewidert gab.


    "Wird sie auch nicht müssen. Ich habe.. Freunde ..in Rom.", winkte Vala sowohl den Einwurf seines Sklaven als auch das schleichende Angebot des Sklavenhändlers ab. Natürlich tat er so, als wäre ihm die Ware nicht gut genug... letztlich aber war sie einfach weit über seinem Budget.


    "Die sicherlich besseres zu tun haben als dich zu fördern. Immerhin müssen sie sich erst einmal selbst fördern!", quäkte Sirius, der mittlerweile Lunte roch. Er kannte seinen Herrn zwar keine halbe Ewigkeit, aber doch lange genug um die kleinen Zeichen und Hinweise genau mitzubekommen. Und genau deshalb deutete er auf einen kleinen schäbigen Stand, an dem genau ein vollkommen heruntergekommen ausschauender Mann eine Gestalt anpries, die man mit sehr viel Fantasie und nochmehr Boshaftigkeit als potentiellen Gladiator bezeichnen konnte. "DA! Der da... ich glaube, genau DAS ist unser Mann!"


    Valas Blick wanderte von einem beeindruckenden und für ihn unbezahlbaren Exemplar zu dem von Sirius gemeinten Stand. Ein Stirnrunzeln folgte, als er erkannte was Sirius genau meinte: "Willst du mich zum Narren halten?"


    "Dominus, wie könnte ich?", soufflierte Sirius mit einem gewinnenden Lächeln, "Ich bin absolut überzeugt, dass dieser Mann genau das ist was du suchst! Was kann er, guter Mann, und wieviel soll er kosten?"


    "Dieser Mann kann unsere Sprache!", jammerte der Sklavenhändler, den man gut und gerne für einen Teil des elenden Angebots halten könnte, "Und er kostet fünfhundert Sesterzen!"


    "Dass er unsere Sprache kann, versteht sich ja wohl von selbst..", brummte Sirius hörbar verstimmt, "Ich meine: was für Fähigkeiten hat er? Kann er kämpfen? Ist er stark? Was hat er vorher gemacht?"


    Während Sirius den Sklavenhändler anging, um sofort die Details zu klären sah Vala sich den angepriesenen Kerl erst einmal genauer an. Aus den Augen sprach keinerlei erkennbarer Intellekt, aber von dieser Sorte hatte er heute schon einige gesehen. Allerdings glomm hinter den Augen dieses Mannes ein seltsamer Funke, den Vala sich nicht erklären konnte. Bei den anderen blickte man wie gesagt direkt auf den Hinterkopf, aber hinter den Augen schien etwas zu stecken, das nichts mit Intelligenz gemeinsam hatte. Vom Ort einmal abgesehen.
    Der Kerl war kein Riese. Er war nicht einmal das, was man als von normaler Größe bezeichnen könnte. Und dazu war er untersetzt, um nicht dick zu sagen. Wieviel Kraft schlummerte in diesem massigen Körper?


    "Ehm... er kann unsere Sprache!", wiederholte der Sklavenhändler einer Panik nahe, "Und das sogar recht gut! Sag etwas... na los... sag etwas!"


    Brocculus die Rübe
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    Es dauerte eine Weile, bis der Kopf des kompakten Mannes mit unendlicher Langsamkeit nach links wanderte, um den Sklavenhändler fragend anzublicken. Dieser wiederholte die Aufforderung, und erst als sie ein drittes Mal gestellt wurde, wanderte der Kopf wieder zurück zu dem großen Kerl. Man konnte dem Kerl ansehen, dass es in ihm arbeitete, allerdings schaffte er es dabei nicht allzu nachdenklich auszusehen.


    "Ich bin Brocculus.... die Rübe!"


    "WUNDERBAR!!!", rief Sirius begeistert über soviel natürliche Dummheit aus, "Den nehmen wir!"


    "Das entscheide immernoch ich..", brummte Vala, der sich ob des Preises den Kerl zumindest einmal genauer anschauen sollte, "...eh... warum nennt man dich so, Brocculus?"


    "Brocculus mag Rüben."


    "Ich bin hingerissen!", lachte Sirius.


    "Na, ich weiß nicht... kannst du kämpfen, Brocculus?"


    "Wenn Brocculus keine Rübe, Brocculus böse!"


    "Ein absoluter Glücksgriff, dominus! Mehr kann ich dazu nicht sagen... ein absoluter Glücksgriff!"


    "Das ist doch eine Farce...", brummte Vala, der kaum glauben konnte, dass er in dieser Lage steckte! Quaestor! Tribun der ersten Legion! Und trotzdem mit den Finanzen so sehr am Ende, dass er sich tatsächlich in Erwägung ziehen musste diesen Klotz zu kaufen, wenn er sein Ziel erreichen wollte.


    "Ich weiß...", flötete Sirius, "...aber eine verdammt lustige."

  • Eigentlich mochte Axilla den Sklavenmarkt nicht. Im Grunde genommen hasste sie ihn sogar fast. Sie hatte sicher nichts gegen Sklaven. Es war eine Notwendigkeit, welche zu besitzen, es gehörte zum Leben dazu. Und sie behandelte ihre Sklaven auch allesamt sehr gut. Und sie hatte auch nichts gegen die Verkäufer, die ihre Sklaven anpriesen wie ein paar Märkte weiter die Viehhändler ihre Rinder. Das gehörte zu diesem Geschäft ebenfalls dazu. Sie hatte zwar auch Mitleid mit den Sklaven, die verängstigt, halb nackt und zitternd dastanden und auf ihren Verkauf warteten, aber nicht so viel, als dass sie sich bemüßigt fühlen würde, irgendwie dagegen vorzugehen. So war das Leben.
    Nein, der Grund, warum sie den Sklavenmarkt nicht mochte, war der, dass er ihr die Austauschbarkeit der Menschen so vor Augen führte. Noch immer war sie über Leanders Tod nicht hinweg, würde wohl auch nie darüber gänzlich hinwegkommen. Sie hatte sich fest vorgenommen, den Griechen nie zu vergessen, ihr Leben lang nicht. Sie hoffte nur, dass ihre einzige Erinnerung an ihn nicht seine Augen wären, wie er tot zu ihr hinaufstarrte.


    Aber es war nicht wirklich zu umgehen, Axilla brauchte eine neue Ornatrix. Ihre Frisuren jetzt waren zwar nicht schlecht, aber keine ihrer Sklavinnen konnte diese Aufgabe auch nur halb so gut bewältigen, wie Leander es damals gekonnt hatte. Der Grieche hatte ein Geschick für das Erfinden neuer Frisuren gehabt, das unübertreffbar war. Er hatte filigrane Kunstwerke mit ein paar Spangen erschaffen, die nicht nur wunderschön, sondern vor allem immer neu waren. Und auch, wenn Axilla sich nicht wirklich darum scherte, ob sie modern frisiert war, es störte sie doch, wenn über sie getratscht wurde. Sie wollte diesen dämlichen Weibern, die sie sowieso nicht leiden konnte, nicht noch mehr Grund geben, sie nicht leiden zu können. Folglich musste eine neue Ornatrix her.


    Mit Malachi als Schutz lief Axilla also über den Markt. Sie hätte sich auch in einer Sänfte tragen lassen können, aber sie wollte lieber laufen. Ihr fehlte die Bewegung ohnehin, und wenn sie nicht gerade in die Thermen ging, um die Palästra auf und ab zu hetzen, hatte sie nur sehr wenig körperlichen Ausgleich. Da tat es ihr gut, irgendwo hinzugehen, auch wenn es über den teilweise doch sehr matschigen Boden der Sklavenmärkte war.
    “Der Lärm hier ist wirklich schlimm. Wie soll man da denn hören, wo es eine brauchbare Ornatrix gibt?“
    Sie sah fragend zu Malachi auf, der aber erst nicht reagierte. Es dauerte einen Moment, bis er gewahr wurde, dass seine Herrin eine Antwort auf die eigentlich rhetorische Frage erwartete. “Ich weiß es nicht, Herrin. Vielleicht versuchen wir es weiter dort drüben?“
    Er nickte in eine Richtung, und Axilla folgte dem Blick. Und entdeckte ihn. Er stand da, mit Sirius, und unterhielt sich gerade mit einem Sklavenhändler. Er war einfach da. Einfach so. Von jetzt auf gleich, ohne Vorwarnung.
    Axilla hatte natürlich gehört, dass er wieder in Rom war. Die Graffiti und die schreienden Werbungsmacher mit ihrem Brot waren im Wahlkampf auch in ihrer Wohngegend schwer zu überhören gewesen. Sie hatte sogar überlegt, ihn zu besuchen, oder wenigstens ihm zu schreiben. Dass sie sich freuen würde, dass er wieder da war, oder sowas. Aber eine fiese, kleine Stimme hatte sie wieder und wieder an die letzten Worte erinnert, die sie von ihm gehört hatte. Sie ist niemand... Und da hatte sie es gelassen. Hatte sich gesagt, dass sie ihn ja sowieso gar nicht sehen wollte. Dass ihre Sorge allen Menschen in Mantua gegolten hätte, weil er ihr auch nichts mehr bedeutete. Gar nichts.
    Aber jetzt stand er da, keine zehn Schritte von ihr entfernt. Er sah irgendwie anders aus, auch wenn sie es nicht genau sagen konnte, weswegen. Vielleicht war es auch nur, weil sie ihn so lange nicht gesehen hatte. Und Axilla merkte, dass sie nicht aufhören konnte, ihn anzusehen. Und auch nichts sagen konnte, fast, als wäre sie zu Stein gefroren. Überhaupt war mit einem Mal alles seltsam dumpf, als wäre die Welt um sie herum in tiefsten Winter getaucht, alle Geräusche gedämpft und ganz weit entfernt. Erst als Malachi sie an der Schulter berührte, merkte sie, dass er sie etwas gefragt hatte, aber sie hatte es nicht mitbekommen.
    “Oh, äh, ja, bestimmt“, antwortete sie ihm, ohne zu wissen, was er gesagt hatte. Sie hoffte nur, dass es halbwegs passte. Sie sah zu Malachi auf, dann wieder zu Vala. Sie wollte weglaufen, denn noch hatte er sie nicht bemerkt. Sie konnte einfach in der Menge verschwinden. Ganz einfach so, musste sich dem nicht stellen. Und sie wollte auch weg. Aber das war albern und kindisch, und überhaupt, es bedeutete ja nichts. Sie konnte genausogut hingehen und ihm kurz guten Tag sagen, ihm beweisen, dass es ihr nichts bedeutete, dass er ihr nichts bedeutete. Er war immerhin ein Homo Novus aus Germania, und sie würde bald schon wieder verheiratet sein, wenn alles glatt lief. Nein, er bedeutete ihr nichts.
    Und trotzdem hielt sie ihre Hände hinter ihren Rücken, damit er die Gänsehaut darauf nicht sehen konnte, als sie näher zu ihm trat. “Salve, Duccius. Salve, Sirius.“ Ihrer Stimme fehlte die rechte Kraft, und vor allem wollte Axilla viel gleichgültiger klingen, viel kälter. Sie versuchte es noch einmal. “Du suchst einen Arbeiter?“ Ja, das klang schon viel gleichgültiger. Axilla war fast zufrieden mit sich, als sie zu dem groben Klotz neben dem Händler schaute.

  • "..wenn ich dich daran erinnern darf, wer hier Dominus ist, und wer Servus?", nölte Vala, dem das Gehabe seines Sklaven zunehmend auf den Senkel ging. Der... Klotz... der sich hier wortgewandt als Brocculus vorgestellt hatte, war mit fünfhundert Sesterzen nicht billig. Für Vala, so gesehen, waren im Moment selbst fünfzig Sesterzen nicht billig. Aber der Mann würde eine Investition in Valas Bekanntheitsgrad darstellen.. und daher hoffentlich später Früchte tragen. Und dann würde er immernoch die Chance haben, sich einen Gladiator zu leisten, der diesen Namen auch verdiente.


    "Qualis dominus talis servus.", witzelte Sirius unbeirrt fort, "Ich bin mir sicher, du nimmst das garnicht so ernst.. außerdem weißt du, dass ich recht habe. Guter Mann...", wandte er sich nun an den untoten Sklavenhändler, der die Konversation mit müden Augen und müdem Fleisch wortlos verfolgt hatte, "Wir bieten dir einhundert Sesterzen für diesen... dieses... dies... Ding... Klopps... Rübe."


    "Wir??"


    "Ich meine natürlich: er. Titus Duccius Vala. Er hat die letzte Wahl gewonnen, weißt du? Er wird jetzt Quaestor!"


    "Hmhmh... wenn das so ist..", brummte der Sklavenhändler, dessen Worte so langsam die Lippen verließen als hätten sie Angst vor dem freien Fall, "..dann will ich eintausend Sesterzen für Brocculus."


    Ein lautes Klatschen folgte, als Vala sich die linke Hand gegen die Stirn schlug, und ein weiteres, als Sirius die rechte flach am Hinterkopf erwischte.


    "Arghl. Nein, so war das nicht gemeint...", wollte Sirius gerade widersprechen als sich jemand mit recht weiblicher Stimme von abseits in die Konversation schob. Sämtliche Köpfe drehten sich zu besagter Person um, wobei der von Brocculus doppelt so lange brauchte wie die anderen. Die Reaktionen der vier Männer fielen dabei so gegensätzlich aus, wie man es von einer Truppe Männer garnicht erwarten mochte.
    Sirius, der die Frau als erstes erkannte, weiteten sich die Augen vor Schreck, und es gelang ihm mit nur einem Satz hinter dem drei Schritte entfernt stehenden Brocculus zu verschwinden um sich gänzlich hinter dem nicht geringfügig kleineren Mann zu verstecken. Ein ängstlicher Blick über die Schulter des Zwergs war so ziemlich alles, was die Dame fürderhin von ihm zu sehen bekam.
    Der Zombie-Sklavenhändler reagierte auf die ihm eigene Art und Weise, und erhöhte den Preis nölend auf "1500 Sesterzen...", offensichtlich darauf pokernd, dass der potentielle Kunde der Frau imponieren wollte.
    Brocculus, als er die Frau weit genug in sein Sichtfeld geschoben hatte, gelang ein dümmliches Lächeln und die eloquenteste Begrüßung seit Erfindung des gesprochenen Worts: "Hmhmh... Frau."
    Vala hingegen zeigte sich recht unbeeindruckt, beziehungsweise: ahnungslos, und grüßte die Frau mit einem knappen Nicken und band sie sofort in das Vorhaben ein: "Axilla. Keinen Arbeiter... einen Gladiator. Mir wurde.. eh.. Ich bin der Überzeugung, dass ein Gladiator in den Arenen Roms eine Investition ist, deren politischer Mehrwert durch die Verbreitung meines Namens sich bald auszahlen dürfte. Meine.. nun.. meine Möglichkeiten.. nein... ich denke, für den Anfang sollte ich vielleicht nicht allzu sehr auftrumpfen um die gesetzten Teilnehmer in den Arenen nicht zu brüskieren, und deshalb besehe ich mir gerade dieses Exemplar.. stell dich vor, Mann."


    "Hörr.. ich bin Brocculus... die Rübe!", donnerte plötzlich die Stimme des Klotzes über den Platz, in einer Lautstärke die nicht nur den Sklavenhändler zusammenfahren ließ, sondern ihnen auch die Aufmerksamkeit vieler umstehender Händler und Kaufinteressierten einbrachte. Sirius war ob des Schrecks umgefallen und sah sich plötzlich mit uneingeschränkter Sichtbarkeit konfrontiert. Einem Käfer gleich strampelte er ein zwei mal mit den Beinen, um sich dann umzudrehen und hinter den Sklavenhändler zu krabbeln..


    "Nun...", ächzte derselbe, als er sich wieder gefasst hatte, "..ich glaube das bedeutet: er mag dich. Ehm.... zweitausend... Sesterzen?"


    "Oh.. nun... sich bemerkbar machen kann er anscheinend.", runzelte Vala irritiert die Stirn, bevor er sich wieder an die Iunia wandte, "Nun.. was denkst du?"

  • Das war so ungerecht! Axilla gab sie die größtmögliche Mühe, und Vala schien es nicht einmal zu bemerken! Er nannte sie ganz freundschaftlich einfach beim Cognomen – und hatte dabei noch nicht einmal bemerkt, dass sie seinen nicht benutzt hatte! - und stapselte nur etwas zusammen von wegen und er suche einen Gladiator. Derjenige, den er sich dafür wohl ausgeguckt hatte, brüllte sie auch sogleich halb nieder. Und Sirius ganz, der irgendwie hinter ihn geflitzt war und sich nun hinter dem Sklavenhändler versteckte. Was hatte der denn? Der sah fast so aus, als hätte er Angst vor ihr.
    Einen Moment lenkte sie das ab, so dass sie verdutzt zu ihm herüberschaute und dabei ganz vergaß, dass sie unnahbar und abweisend scheinen wollte. Auch wenn dieser Holzkopf neben ihr nichtmal bemerkte, dass sie es war. Er sollte verdammtnocheins bemerken, dass sie ihn ignorierte! Dass sie ihn nicht brauchte und auch gar nicht wollte und allerbestens ohne ihn auskam! Er sollte, er... Axilla wusste nicht, was sie wollte, aber er sollte wenigstens realisieren, was sie machte. Sie wusste zwar nicht, wie das aussehen sollte, aber es sollte nicht so aussehen!
    “Nun, ich selbst bin im Besitz eines Gladiators. Malachi hier ist aus dem Ludus Dacicus, wo ich ihn im vergangenen Jahr erstanden habe.“ Sie erzählte mit unbeteiligter Stimme, ohne auch nur einmal zu Vala hinzusehen. Er sollte es bemerken, sie wollte, dass er es bemerkte. “Was nun Broccolus angeht, scheint er mir etwas zu undiszipliniert für einen Gladiator, und nicht groß genug. Wäre er in einem ordentlichen Ludus ausgebildet worden, würde er dort noch immer trainieren, und auch ein Lanista trennt sich nur selten von einem seiner Schützlingen und übergibt ihn einem Sklavenhändler, der nicht die Möglichkeiten zur ordentlichen Präsentation besitzt.“ Bei letzterem bekam der Sklavenhändler ein leicht entschuldigendes Lächeln. “Sofern der gute Mann also nicht Sesterzen mit Assen verwechselt hat, würde ich sagen, er haut dich übers Ohr. Aber wer bin ich schon, sowas zu wissen?“ Ich bin niemand...
    Sie sah noch immer nicht zu ihm herüber. Wenn sie zu ihm sah, würde sie am Ende noch schwach werden. Sie würde bemerken, wie er da stand, wie er aussah. Würde den Blick in seinen Augen sehen. Würde seine Nähe bemerken, seine Wärme. Die Art, wie sein Haar widerspenstig an manchen Stellen leicht abstand. Würde sich darauf konzentrieren, wie er roch, den wundervollen Duft wahrnehmen. Sie würde näher zu ihm treten, nur ganz leicht, um näher bei ihm zu sein. Würde sehen, ob an seinen armen die fürchterlichen Narben von dem letzten Mal, als sie sich gesehen hatten, gut verheilt waren. Würde seine Hände ansehen, so groß und kräftig und sicher. Sie würde einfach nur zufrieden sein, bei ihm zu sein.
    Es tat so unendlich weh! Selbst jetzt, wo sie nicht hinsah! Er sollte es doch einfach nur bemerken! Dann konnte sie gehen, als Siegerin. Auch wenn sie nicht einmal wusste, was sie dann gewonnen hätte.

  • Mit nachdenklicher Miene hörte Vala sich die Ausführungen der Iunia an, nach denen Brocculus nicht allzu gut wegkam. Was natürlich ein ordentliches Problem darstellte.. gerade im Vergleich mit benanntem Malachi schnitt Brocculus schlecht ab. War ersterer groß, durchtrainiert und ruhig, war Brocculus klein, unförmig und... ruhiger. Vala betrachtete den Gladiator und musste sich eingestehen, dass der wohl in einer anderen Liga spielte. Beziehungsweise: in anderen Arenen kämpfte.


    "Nun..", brummte er mehr als missvergnügt über die jehe Erkenntnis, dass sein Vorhaben nicht einer großen Portion Naivität entbehrte, "..an dieser Stelle muss ich wohl zugeben, absolut ahnungslos zu sein. Kann man diesen Mann in eine Schule schicken, um doch noch was aus ihm heraus zu holen? Wie macht man sowas?"
    Er hatte kein Problem damit, sich an dieser Stelle als recht einfältig zu offenbaren, hatte er doch vor, an diesem Malus etwas zu ändern.. und wenn die Iunia da offensichtlich bescheid wusste, war das doch umso eher ein guter Grund das hier und sofort in Angriff zu nehmen.


    "Also... ich meine.. ich habe hier einen... ehm... Klotz.. kann man aus dem in einem solchen Ludus irgendwas machen? Ohne mich zu ruinieren, versteht sich. Wieviel hast du für deinen Mann bezahlt?"


    Der Sklavenhändler, der bei den Worten der Iunia gleichwohl ertappt wie beleidigt dreinsah, wurde erst einmal ignoriert. Vala hatte die Preisvorschläge eh mit einem missbilligenden Blick beiseite gewischt.. und würde später genauer darauf eingehen, was er für dieses Wesen zu zahlen bereit war. Wenn es sich überhaupt lohnte.


    "Also.. ich will ihn nicht im Amphitheatrum Flavium kämpfen lassen... ich, als Niemand? Nein.. klein fängt man an. Bei Kämpfen in kleineren Arenen habe ich Männer kämpfen sehen, die geringer wirkten als dieser hier. Was brauche ich also, um einen Gladiator aus diesem Mann zu machen?"

  • Er bemerkte es nicht! Wie konnte er das nicht bemerken?
    Langsam kamen neue Gefühle in Axilla hoch. Zuallererst war da Ärger. Wieso bemerkte er nicht, dass sie ihn ignorierte? Noch kälter konnte sie ihm gar nicht die Schulter zeigen. Sie zeigte sie ihm ja geradezu wortwörtlich, da sie sich nicht auch nur einen Fingerbreit ihm zugewandt hatte. Und sie hatte geradezu schnippisch auf seinen Gladiator reagiert. Und dennoch merkte er das nicht! Dann war da noch langsam aufkeimende Verzweiflung. Was sollte sie denn noch machen, damit er es bemerkte? Kurz sah sie doch zu ihm herüber, verbittert, ehe sie sich wieder steif dem groben Klotz vor ihr zuwandte. Musste sie denn wirklich noch viel Kälter werden, damit er es wenigstens registrierte. Vielleicht – und das war Resignation – vielleicht war sie ihm nur wirklich nicht wichtig genug. Nicht einmal wichtig genug, sie einmal anzusehen und zu bemerken, dass etwas nicht stimmte. Sie hatten sich nun so lange nicht gesehen, seit er sein Tribunat angetreten hatte, und dennoch kein Blick, kein Wort, nicht ein Kompliment, kein gar nichts. Axilla war sich nicht einmal sicher, ob er sie als Frau wahrnahm oder einfach nur als Ding.
    Trotzig sammelte sie sich und kniff kurz ganz leicht die Lippen zusammen. Sie war eine Iunia. Ihre Gens hatte wahrlich schlimmeres durchgestanden. Sie hatte wahrlich schlimmeres durchgestanden! Ihr Vater war tot. Ihr Ehemann hatte Selbstmord begangen, der Mann, der seinen Besitz beschlagnahmt hatte, hatte mit ihr gegen ihren Willen geschlafen, sie hatte ein Kind verloren und ihr bester Freund war vor ihren Augen auf offener Straße ermordet worden. Wen kümmerte es da, wenn Vala sie nicht bemerkte?
    Mich...


    “Für Malachi? Für ihn selber tausend Sesterzen, und für seine Ausbildung bislang noch einmal dasselbe. Aber ich möchte auch nur, dass er trainiert ist, und nicht, dass er kämpft.“ Nicht, dass er stirbt. Axilla wollte nie wieder jemanden sterben sehen, der ihr nahe stand. Nicht blutend im Dreck mit weit aufgerissenen Augen, die zu ihr hochschauten. Nie mehr.
    “Wenn du ihn zu einem Ludus bringst und ihn dort trainieren lässt, ohne ihm den Director respektive Lanista zu überschreiben, schätze ich, dass es schon zwei bis dreihundert Sesterzen pro Monat kosten wird.“ Axilla bemühte sich, abweisend und gelangweilt zu klingen, auch wenn ihre Bemühungen zunehmend bröckelten. Was nützte es ihr denn, wenn er es bemerkte? Sie war für ihn so sehr niemand, so sehr Ding wie er wohl für die feinere Gesellschaft Roms, wenn er sich selbst als Niemand bezeichnete.
    Das Wort aus seinem Mund zu hören tat weh, auch wenn es diesmal nicht ihr galt. Axilla kratzte sich am Arm und wandte sich noch ein wenig mehr ab, sah zu Malachi, um Vala auch aus dem Blickwinkel zu verlieren. Sie wollte jetzt nicht einbrechen, aber sie wusste nicht, wie lange sie diese Maskerade durchhielt.
    “Allerdings hat Malachi auch keinen berühmten Namen. Es gibt Gladiatoren, die leicht das fünfzehnfache seines Preises kosten. Ich denke, um so einen aufzubauen solltest du dir aber einen jüngeren... Klotz aussuchen.“ Das beste Einstiegsalter war bei bei vielen anderen Dingen auch 15 Jahre. “Für die kleinen Arenen mag er genügen... und ich meine, gehört zu haben, im Ludus Magnus seien die Preise auch sehr... günstig.“ Um nicht zu sagen, dort wurden Gladiatoren verscherbelt wie andernorts Sandalae.
    “Ich würde vorschlagen, du lässt dir von Sirius einen Termin bei einem Lanista oder einem der Directores der Ludi machen. Ich meine, mich zu erinnern, dass er jeden in ganz Rom kenne.“

  • Während er angestrengt ihren Worten lauschte, fiel Vala etwas an der Iunia auf. Sie hatte ihren Blick von ihm abgewandt, und musterte den Klotz oder ihren eigenen Hünen, ihn keines Blickes würdigend. Mit kritischen ebensolchem musterte er die Iunia, trat einen kurzen Schritt auf sie zu und musterte die zierliche Frau noch einmal gründlich. Da war doch etwas..


    "Moment mal.. Axilla...", murrte er schließlich, um die Aufmerksamkeit der Iunia wieder auf sich zu lenken, "...irgendwas stimmt mit dir nicht. Etwas ist anders.." Noch näher beugte er sich zu ihr rüber, der Blick konzentriert auf sie gerichtet, bis er ihr schließlich beinahe hautnah war. Dann erkannte er, was nicht stimmte, und seine Augen verengten sich Sorgenerfüllt.. er hob eine Hand, und führte sie mit beinahe andächtiger Langsamkeit in die Nähe ihres Gesichts... bis er blitzschnell vorstieß, die Finger punktgenau auf eine Stelle ihres Halses heftete und ebenso schnell wieder von diesem entfernte.


    "HAH!!! Hab ich dich...", rief er triumphierend aus und hielt Axilla die Wespe hin, die er gerade von ihrem Hals entfernt hatte. Letztere war über diesen doch sehr unorthodoxen Transport kaum erbaut und revanchierte sich bei Vala, in dem sie ihm in den Finger stach.
    "ARGH... GOTTVERDAMMTE AXT.", fluchte der junge Germane laut, warf das ohnehin nach dem Stich verendete Vieh auf den Boden und trat einmal mit seiner Sandale nach, nur um sich selbst die Genugtuung zu geben die Rache zu rächen. Den schmerzenden Finger in den Mund steckend sah er die Iunia mit einem schuldbewussten Lächeln an und zuckte mit den Schultern, bevor er nonchalant zurück zum Thema kam.


    "Alfo kann iff den Keöhl doff aufbilden laffen?", begann er hoffnungsfroh, "Daff wäöh doff waff... sifferliff gibf eff noff Ludi, die etwaff humaneöe Pöeife maffen... hoff iff fumindefft. Du, Händleö... iff biefe diö hundeöf Fefterfen!!!"

  • Er kam näher, und immer näher. Axilla traute sich erst nicht, zu ihm hochzuschauen, aber irgendwann war er ihr so nah, dass ihr Widerstand nicht nur brökelte, sondern ganz brach. Erst zögerlich, dann doch mehr sah sie zu ihm hoch. Hoffnungsvoll. Er war so nah. Sie konnte seinen Atem riechen, mit diesem leichten Duft von Süßholz. Sie wollte kalt sein, abweisend sein, aber einen Moment lang blickte sie einfach nur in seine Augen, wie er sie so fixierte, und ihr Herz ging schneller. Bemerk es...


    Und dann zuckte seine Hand vor und wieder zurück, und wie ein kleiner Junge hielt er ihr triumphierend eine Wespe unter die Nase. Axilla hatte das blöde Vieh nichtmal bemerkt, es war auch gar nicht wichtig gewesen. Selbst wenn die Wespe sie gestochen hätte, wäre das nicht wichtig gewesen. Aber unter all den Dingen, die Vala hätte bemerken können, die er hätte bemerken sollen, war diese Wespe das einzige, was er gesehen hatte. Axilla holte einmal Luft, kämpfte nur mühsam die Gefühle nieder, die in ihr hochschwappten und sie zu überwältigen drohten. Genau da stach die Wespe ihn und beraubte sie auch noch der Möglichkeit, ihn selbst zu bestrafen – göttliche Gerechtigkeit war da kein Ausgleich für das, was er ihr just in diesem Moment gerade antat. Sie sah nur, wie er das gelbschwarze Ding zu Boden warf und zertrat, ehe er sich den Finger in den Mund steckte und sie wieder nach dem Gladiator fragte.
    Axilla sah zu ihm auf, sah ihn direkt an. Sie wusste, dass Tränen in ihren Augen standen, die aber den Göttern sei dank nicht rannen. Ihr fehlten die Worte. Wie konnte ein Mann, ein angehender QUAESTOR, der sonst so präzise, so charmant und zuvorkommend sein konnte, der sonst selbst Dinge sah, die Axilla nie aufgefallen wären, der so sehr lenken und führen konnte, wie konnte so ein Mann so verdammt blind sein?
    “Du...“ vor aufkeimender Wut und Verzweiflung fehlten ihr die Worte. Aber nur einen zitternden Moment land. “Du HOLZKOPF!“ erhob sie ihre Stimme, sicher nicht so laut wie Brocculus, aber nicht minder effektvoll. Sie schüttelte den Kopf, drehte sich von ihm weg, ging zwei Schritte. Malachi stand vor ihr und ging ihr schon aus dem Weg, aber sie blieb stehen, zitterte einen Moment vor Wut – und wusste, wie kindisch und albern sie sich benahm. Sie ist niemand..., hallten die Worte durch ihren Geist. Sie war schlicht nicht wichtig genug für ihn, als dass er irgendwas bemerken würde. Und weshalb auch sollte er das? Warum sollte sie das wollen? War doch alles egal. Vollkommen egal.
    “Ich nehme an, dass du über den Preis des Trainings verhandeln kannst. Vor allem, wenn du Gewinngelder mit dem Ludus teilst. Sofern Brocculus gewinnen kann.“ Sie drehte sich nicht um zu Vala, weil sie nicht wusste, ob sie ihn wieder anschreien würde. Sie wollte nur warten, ob er noch was zu sagen hatte, und nicht wie ein Kind davonstürmen. Wenigstens ein bisschen Würde bewahren. Ein kleines bisschen.

  • Weiber! Vala schaute ungläubig in die tränenerfüllten Augen der Iunia, und zuckte einen Moment später zusammen als sie ihn wirkungsvoll als Holzkopf betitelte. Er fragte sich nicht, was mit der Frau los war, denn Frauen waren ob ihrer inneren Instabilität sowieso gefährlich nah am Ozean gebaut. Irgendwie fiel ihm gerade der alte Cato ein, der Frauen generell eine geistige Beschränktheit attestiert hatte, und just in diesem Moment wurde Vala klar, was der Patriarch der alten Zeit überhaupt gemeint hatte! Kein Wunder dass man römische Frauen ins Haus steckte, würde man ihnen ein Schwert in die Hand drücken, so wäre das Reich verloren. Oder nicht einmal entstanden, was bei genauerer Betrachtung sogar weitaus wahrscheinlicher wirkte.
    Die laute Beschimpfung ließ ihn unwillkürlich zusammenzucken und mit offenem Mund, verdattertem Blick und schwellendem Finger zurück. Auch das noch... und schon wieder Cato! Frauen hatten einen unbeständigen Charakter! Genau hier! Vor seinen Augen! Römische Geschichte, zum Greifen nahe!


    "Aber...", stammelte Vala immernoch vollkommen perplex, "...aber... es war doch nur eine Vespa! Axilla!" Er folgte ihr, weil sie sich wahrscheinlich aus Angst um ihn nicht weiter diesem schrecklichen Anblick preisgeben wollte, doch er musste das arme Ding doch beruhigen, so konnte er sie nicht von dannen gehen lassen. Das gebot ihm seine Ehre als Mann, als derjenige von beiden, für den Vernunft nicht nur ein hübsches Wort zum an die Wand malen und dekorieren war!
    "Nun schau doch...", brummte er versöhnlich, genau darauf bedacht das verschreckte Weib nicht noch weiter mit dieser lächerlich tödlichen Wunde zu ängstigen, "..es war doch nur ein kleines Biest. Tut auch überhaupt nicht mehr weh.. keine Angst!"
    Der Dreckskerl, der er nunmal zwangsläufig war, speicherte er die Informationen die sie ihm gab durchaus ab, setzte den Gladiator aber ob der aufgelösten Frau erstmal nach hinten auf die Rangliste. Mit verschmitzt-versöhnlicher Miene schob er sich vor die Iunia und hielt ihr seinen dicken Finger vor die Augen: "Also... jetzt beruhig dich wieder.. ist doch alles in Ordnung! Schau hin... ist nur ein wenig dick geworden, ich werd da sicher nicht dran sterben!"

  • Und jetzt dachte er, sie sei wegen dieser dämlichen Wespe so aufgelöst! Axilla sah schon fast schicksalsergeben einfach nach oben in den Himmel, als ob einer der Lichtgottheiten eine Antwort für sie haben würde, wie man diesem KERL hier erklären konnte, was los war. Oder besser noch, wie man es ihm nicht erklären musste. Sie wollte es ihm gar nicht erklären! Er hatte keine Erklärung verdient, dieser grobe, blöde, egoistische Holzkopf. Sollte er doch hingehen, wo der Pfeffer wuchs, es war ihr gleich. Vollkommen gleich.
    Und er kam näher, sprach so versöhnlich mit ihr, dass es alles nur noch viel schlimmer machte. Sie wollte ihm nicht verzeihen, und schon gar nicht wegen dieser blöden Wespe. Trotzig blickte sie beiseite und schnaubte einmal, fast wie ein störrisches Muli, als er sich vor sie schob und ihr den Finger direkt hinhielt, damit sie sehen konnte, dass er sich nicht weh getan hatte. Nicht einmal dieses bisschen Gerechtigkeit bekam sie, dass es ihm ordentlich weh tat. Elender Holzkopf.
    Kurz hob sich ihre Hand, als wollte sie seine wegschieben. Aber sie berührte ihn nicht. Sie hatte ihm ihr Wort gegeben, und selbst jetzt noch hielt sie sich daran. Kraftlos ließ sie sie nur wieder sinken, ohne ihn berührt zu haben. Ihr Mund wurde kurz zu einer harten Linie, als sie das letzte bisschen Trotz in sich versammelte. Es war schwer, jemandem sauer zu sein, der so friedlich zu einem kam, aber es ging.
    “Das ist mir egal“ schnappte sie beleidigt, und sah ihn dann nach einem weiteren trotzigen Atemzug doch wieder direkt an. Nicht verträumt. Nicht bewundernd. Nur verletzt. “Was interessiert dich, was ich denke? Meine Meinung bedeutet dir nichts. Ich bin niemand.“ Die Worten taten auch dann weh, wenn sie sie selber und aus reinem Trotz heraus sagte. Und ein Teil von ihr hoffte, er würde ihr widersprechen, während der andere Teil genau darauf wartete, um mit Zorn auf seine Beteuerungen antworten zu können. Aber sie erwartete es nicht. Sie wusste nicht, was sie erwartete, sie wollte nur dieser verzweifelten Wut irgendwie Luft machen.

  • Vala war nun nicht unbedingt einer jener Männer, die man in ihrem Alter schon als überaus reif, erwachsen und weise betrachten würde. Nein, ganz und garnicht, eigentlich hatte er bei all dem was er durchgemacht hatte eine gewisse Kindlichkeit bewahrt, die dafür sorgte, dass man es bei Vala vornehmlich mit einem verdammt großen, verdammt gemeinen und verdammt gewaltbereiten bösen Jungen zu tun hatte. Außerdem pflegte er es den Mädels nicht mehr an den Haaren zu ziehen, sondern an den Klamotten.
    Allerdings hatten auch ein Petrus Panus wie Vala seine Altherren-Momente, und solch einer stellte sich in dem Moment ein, in dem Axilla meinte sich aufführen zu müssen wie ein bockiges kleines Kind, das durchaus verdient hätte an den Haaren gezogen zu werden.


    "IUNIA AXILLA!", grollte Vala gerade laut genug, dass dieses trotzige Weib vor ihm ihn hörte, er aber nicht allzu viel Aufmerksamkeit auf die beiden zog. Seine Miene hatte sich von einen Moment auf den anderen verfinstert, seine Haltung sich aufgerichtet, und er blickte Axilla vorwurfsvoll und tadelnd von oben herab an, "Halte mich nicht für jemanden der mit faulem Zauber arbeitet!"


    Sein Blick hielt die zierliche Frau fixiert und er gab sich unbewusst größte Mühe sie gebieterisch in den Boden zu starren, als wäre sie ein ungehorsamer Soldat, den er gleichwohl für kindisches Benehmen für hundert Tage die Wehrgänge der Mura schrubben ließ.


    "Wie alt bist du eigentlich? Fünf? Zehn? Du verhälst dich wie ein zickiges kleines Mädchen, nicht wie eine erwachsene Frau die die Würde und Ehre einer alten Sippe in sich trägt! Reiß dich zusammen, und ZWAR SOFORT!", giftete Vala ihr mit einem Ton ins Gesicht, der in den vergangenen zwei Jahren vor allem Soldaten zum Spuren brachte, wenn gerade kein Centurio mit Knute in der Nähe war.

  • Als Vala sich vor ihr aufbaute und sie so drohend niederstarrte, sie aufforderte, sich zusammenzureißen, und zwar SOFORT, gab es nur einen Gedanken, der durch Axillas trotziges Gemüt zog: Jetzt nicht. Sie wusste, wie bescheuert sie sich benahm, wie kindisch und unerwachsen, aber verdammtnocheins, sie hatte das Recht dazu. Vala hatte sie behandelt, als existiere sie gar nicht, und auch jetzt behandelte er sie wie irgendwen. Und sie wollte jetzt ihre Wut haben, sie wollte sauer sein. Es war weitaus einfacher, als verletzt zu sein. Sehr viel einfacher als die Gedanken, die sie in den langen Monaten seiner Abwesenheit gehabt hatte.
    “Und was wenn nicht?“ begehrte sie zum ersten Mal, seit sie Vala kannte, gegen ihn auf. Ja, sie trat sogar einen winzigen Schritt näher, um so noch ein wenig trotziger zu ihm hochschauen zu können. “Legst du mich dann in aller Öffentlichkeit übers Knie? Ich weiß, wer ich bin. Und ich weiß auch, wer du bist.“ Letzteres war schon regelrecht gezischt. Nein, Axilla wollte ihre Wut jetzt, sie brauchte ihre Wut jetzt. “Aber du hast keine Ahnung, wer ich bin und was ich bin, also belehre mich nicht darüber.“ Es war verrückt, jetzt, wo sie so vor ihm stand und ihn anblaffte, wollte sie ihn an liebsten an sich ziehen. Und gleichzeitig wollte sie ihn am liebsten einfach wegstoßen. In jedem Fall aber wollte sie sich nicht zusammenreißen und so tun, als wär nichts. “Ich hab dich sehr genau gehört auf dieser verdammten Verlobungsfeier.“ So, jetzt war es raus. Und Axilla ließ nicht zu, dass es ihr jetzt leid tat, auch wenn sie wusste, dass das hier nur nach einer eifersüchtigen Szene aussah und sonst nach gar nichts.

  • Dass der Kommunikationskanal von Offizier zu Soldat bei Frauen anscheinend Meilenweit am Empfänger vorbeisendete war eine doch recht schmerzhafte Erfahrung für Vala, der allen ernstes davon ausging, dass die Iunia ihm gehorchen würde. Tat sie aber nicht, nein, ganz im Gegenteil, sie reduzierte ihr hörbares Alter im Sekundentakt um Jahre, und Vala ging als jemand, der mit Kindern bisher nicht viel mehr zu tun gehabt hatte als bei ihrer Entstehung zu assistieren, die ihm ureigene Handhabe flöten. Das Weib redete sich mitten auf dem Mercatus in einen gewissen furor muliebris, und Vala stand immernoch sehr gebieterisch und dabei verdammt ineffektiv auf sie herabstarrend.


    "Vielleicht komme ich darauf zurück.", grollte er sie an, und wischte ihr Gejammer in Sachen 'Ich weiß wer ich bin, ich weiß blabla Müllers Kuh" barsch mit einem "..das ist doch lächerlicher Kindermist. Es ist vollkommen egal, was du glaubst zu sein oder nicht zu sein, du bist hier in der Öffentlichkeit, verhälst dich wie eine ungezogene Göre aus der Familia eines Gerbers und gibst dich und deine Familie damit dem Gerede preis! Reiss dich gefälligst zusammen du... du... du... du impertinente, unflätige, unbeherrschte.."


    ".... viertausend... Sesterzen????"


    "...absolut jede Disziplin und Würde vermissen lassende und dich in kindischen Anfällen verlierende, furiengleiche maulstarrige, kratzbürstige und samt und sonders unvernünftige SUMPFKUH."


    So, damit hatte er es ihr gegeben. Zufrieden blickte Vala die Iunia an, und registrierte darob erst jetzt, was sie zuletzt eigentlich gesagt hatte: "...was für eine verdammte Verlobungsfeier?"

  • Das saß. Egal, wie sauer Axilla war, die Worte saßen. Sie wusste, wie affig sie sich benahm, und dass sie in der Öffentlichkeit mehr darauf zu achten hatte, wie sie sich gab und wer etwas von ihr mitbekam. Hier stand sie mitten auf dem Sklavenmarkt, um sie herum zig Leute – die sie zwar allesamt nicht kannte und die sie vermutlich auch nicht kannten – und sie keifte Vala an. Und weswegen? Sie hatte doch beschlossen, diesen groben, unsensiblen, ungebildeten, barbarischen “Idiot!“ sowieso nicht mehr zu mögen, und auch nicht zu vermissen. Er war ihrer gar nicht würdig, und er war es auch nicht Wert, dass sie ihm auch nur eine Träne nachweinte. “Du willst mir was von Disziplin und Würde erzählen? Du? Der nichtmal den Anstand besitzt, sich zu verabschieden, bevor er so verdammt lange abhaut, und noch nicht einmal EINE ZEILE schreibt? Kannst du überhaupt schreiben?“ Axilla wusste, dass er es konnte, aber es gab jetzt keinen Rückzug. Und das war ja das Dilemma. Weglaufen ging nicht, dann verhielt sie sich wie ein Mädchen. Ihn schlagen ging auch nicht, weil die Leute hier schon guckten. Und es bestand die nicht unerhebliche Chance, dass er zurückhauen könnte, wenn sie diese schmale Grenze zwischen verbaler und körperlichen Gewalt überschritt. Axilla war vielleicht naiv und manchmal dumm, aber nicht lebensmüde. Selbst nicht mit Malachi im Rücken. Also blieb nur hier und weiter zu keifen wie ein Marktweib, weil beruhigen ging aus anderen Gründen nicht. Nicht, nachdem er sie als Sumpfkuh betitelt hatte.
    “Und ich rede von der Feier bei den Flaviern, wo du vor mir davongerannt bist, als hätte ich Fleckenfieber, deine Vinicia im Schlepptau! Und ich hab sehr genau gehört, was du da über mich gesagt hast. „Sie ist niemand“, genau das waren deine Worte. Und du willst mir da jetzt Vorhaltungen, wie ich mich zu verhalten habe? Wie hat sich ein „niemand“ denn zu verhalten? So wie du?“
    Eigentlich wollte Axilla aufhören. Schon bevor sie angefangen hatte, wollte sie eigentlich nur aufhören. Sie wollte sich nicht hier in aller Öffentlichkeit streiten. Aber irgendwie machte ihr Mund sich einfach selbständig und ließ all diese Gemeinheiten heraus, ohne dass ihr Verstand noch dazwischen die Möglichkeit erhielt, den Gehalt der Worte gegenzuprüfen auf Sinn und Zweck.

  • An dieser Stelle wurde Vala klar, dass er ein Barbare war. All das, was die Iunia ihm nach dem von Vala höhnisch weggelächelten 'Idiot!' an den Kopf warf, traf wohl voll und ganz zu. Was nicht das Problem war, denn Vala hielt nicht das geringste von so klitzekleinen Momenten des Kontakts in denen man doch nicht mehr austauschte als Belanglosigkeiten. Das war nicht mehr als eine weitere Form des Kleinsprech. Vala hasste Kleinsprech. Die Iunia anscheinend nicht, und das war tatsächlich der Grund für ihren öffentlichen Ausraster hier. So naiv und dumm Vala das vorkam, musste er doch einsehen, dass er bisher nicht die geringste Anstrengung unternommen hatte hinter diese faltenfreie Stirn zu blicken. Gut, das tat er bei allen anderen auch nicht (Gedankenleserei war ihm suspekt, und Menschen die das konnten waren entweder Orakeldiener oder ganz heiße Kandidaten für einen Hexenprozess), aber die Iunia schien derlei tatsächlich voraus zu setzen. Ein Debakel.


    "Öhm...", brummte der große germanische Junge dann mit einem Ausdruck äußerster Hilflosigkeit, "...tut mir leid? Ich wusste nicht, dass dir das wichtig ist." Hätte er es gewusst, hätte er natürlich trotzdem keine solchen Kinkerlitzchen verfasst. Aber es war zumindest einen Versuch die Iunia wieder ein wenig altern zu lassen.
    Der Tragödie zweiter Teil jedoch offenbarte ihm, dass die Iunia wirklich noch den Geist eines Kindes hatte. Vala brauchte nicht lange darüber nachzudenken, da Axilla ihm sehr präzise erklärte welche Verlobungsfeier sie denn genau meinte, und auch wenn die Ereignisse des damaligen Abends nur langsam aus der trüben Erinnerungssuppe dieser Zeit emporstiegen, so hatte er doch bald eine genaue Vorstellung von dem, was genau sie meinte.


    "Du... du bist uns NACHGELAUFEN?", ächzte Vala erstaunt, der weder das eine noch das andere glauben konnte. Er fasste sich mit einem kurzen hilflosen Lachen an die Stirn, nicht glaubend, dass er auf diese Art und Weise ertappt worden war. Allerdings schob sich ziemlich schnell ein anderer Gedanke in den Vordergrund, und der ließ Valas Miene sich augenblicklich verdüstern, die Iunia am Arm packen und einige Meter aus der Öffentlichkeit hinter den Stand des abgehalfterten Sklavenhändlers ziehen um zumindest etwas Privatssphäre zu haben. Dort hatte sich allerdings Sirius schon vor der tobenden Iunia versteckt, und als dieser sich direkt mit einer Frau seiner Alpträume konfrontiert sah, nahm er seine Hände in die Hand und lief kreischend von dannen.


    "Wie naiv bist du eigentlich?", zischte Vala sehr darauf bedacht nur die gewissen Ohren einer noch gewisseren Frau zu erreichen, "Was erwartest du eigentlich von mir? Dass ich einer eifersüchtigen Furie erkläre wie sehr du durch meine Gedanken spukst? Dass ich kaum schlafen kann vor Verlangen nach dir? Dass alle Frauen der Erde verblassen im Vergleich zu dir? Oder sowas?", Vala holte tief Luft und sah Axilla dabei an, als hätte er es mit einer Irren zu tun, "Ich bin doch nicht lebensmüde! Ich kann mich verdammt noch einmal glücklich schätzen, wenn man mir erlaubt als Begleitung einer Frau zu erscheinen deren gesellschaftlicher Status den meiner selbst und meiner Familie um Welten übersteigt OHNE dass mich gleich ein eifersüchtiger Aspirant mit Lebensmitteln angreift! Wieviel Spielraum habe ich deiner Meinung nach bei so etwas? Gerade wenn es um eine Vinicia geht! Ich kann nicht immer auf das Glück hoffen, dass ein Exemplar einer der ältesten Familien Roms wie den Iunii mit mir auf einem öffentlichen Ereignis erscheint, ohne, dass ich dabei für ihren Sklaven gehalten werde. Das letzte Mal als das geschah, hat die Frau danach einen anderen geheiratet, und genau da wurde mir klar, dass auf so etwas auch nur zu hoffen eine unendlich dumme Tagträumerei wäre. Was soll mir das sagen? Ja, ich bin ein Barbar, ein Abkömmling von traditionellen Verbündeten Roms, aber trotzdem ein absoluter Außenseiter. Wie könnte ich darauf hoffen, dass die Vinicia auch nur einen Gedanken daran verschwendet die Ehe mit mir einzugehen? Oder... noch verrückter... ein Weib wie du? Und da soll ich ihr deiner Meinung nach in die Kandarre fahren? NATÜRLICH habe ich ihr gesagt, dass du ein Niemand bist. Die Frau kann durch ein Wort bei ihren Onkeln meinen Cursus Honorum zunichte machen, und du verlangst von mir, dass ich das Risiko eingehe? Was ist das, wenn nicht persönliche Eitelkeit, Axilla?"

  • Seine Entschuldigung nahm Axilla nur so halb wahr. Sie war viel zu sehr in Rage, um darauf mit mehr als einem Schnauben zu reagieren, wenngleich es dem Feuer in ihr keine weitere Nahrung gab. Dann jedoch zog er sie mit sich hinter den Sklavenstand, und Axilla hatte keine Wahl, als ihm zuzuhören. Gut, sie hätte auch einfach nach Malachi rufen müssen. Oder nicht einmal rufen, ein einzelner Blick hätte genügt, und ihr Custos Corporis hatte sich aus diesem Schraubzwingengriff befreit, mit dem der Duccier sie mit sich zerrte, bis sie einigermaßen blickgeschützt und gut hörgeschützt dastanden.
    Und was dann folgte, war das, was Axilla tief in sich wusste, was sie aber nicht mit kalter Logik so sehen konnte. Natürlich konnte er der Vinicia, die er als politische Verbündete brauchte, nicht sagen, dass er einer anderen Frau hinterherhechelte. Welche Frau hörte schon gern, dass sie eine Konkurrentin hatte? Und jetzt, wo er seinen Cursus Honorum anführte und den Einfluss der Vinicier, klang es noch um so vieles verdammt logischer als ohnehin schon. Und doch waren es seine anderen Worte, die Axilla den Boden unter den Füßen raubten.
    Meinte er das ernst? Dass er von ihr träumte? Dass er sie wollte? Dass sie in seinen Gedanken war? Dass er enttäuscht war, als sie Archias geheiratet hatte? Oder war das nur ein Beispiel, um ihr zu zeigen, was er der Vinicia über sie nicht hätte erzählen können, selbst wenn Axilla es hätte hören wollen? Sie wusste es nicht. Bei Venus und allen Lichtgottheiten, sie wusste es einfach nicht! Er hatte doch nie Anstalten gemacht, nie auch nur den Hauch einer Absicht gezeigt, dass er sich zu ihr auch nur hingezogen fühlen würde, ehe sie Archias geheiratet hatte. Und danach... Axilla rekapitulierte die ganzen Szenen, aber bis auf diesen einen perfekten Kuss gab es da doch nichts, was sie hätte interpretieren können, oder? Oder doch?
    Und eine weitere grausame Erkenntnis schlich sich in ihren Geist. Sie würde wieder heiraten. Sie würde Imperiosus heiraten. Wieder einen anderen als Vala. Wobei das schlimmste war, dass sie noch nicht einmal wusste, ob er das so meinte, wie er es gesagt hatte, oder doch anders. Sie wusste es nicht. Die ganze Szene entglitt ihr, Fast so, als wolle sie Wasser mit bloßen Händen festhalten, so dass es ihr doch nur unaufhaltsam durch die Finger rann.
    “Ich... ich... ich wollte nicht... ich....“ In ferner Zukunft hätte man Axillas Spachlosigkeit wohl mit einem 'Spiel, Satz und Sieg Vala ' treffend zusammengefasst. Sie blickte beiseite, konnte mit einem Mal den Blick aus seinen Augen nicht mehr ertragen, ihm keinesfalls länger standhalten. Ihre Hände fingen wieder an, unsicher miteinander zu ringen, als müsse sie die Worte erst greifen, ehe sie sie aussprechen konnte. “Dein Cursus Honorum... und... und... aber... ich meine... ist es wirklich so, dass...? Ich meine...“ Sie schüttelte den Kopf. Sie wusste, die frage würde sich ganz tief in sie eingraben, wie Säure sich in ihr innerstes Fressen, solange sie keine Antwort auf sie hatte. Sie wollte wissen, ob Vala das ernst gemeint hatte, oder ob es Ironie war. Und doch konnte sie ihn das unmöglich fragen. Lieber wollte sie tot umfallen, als sich nun so dermaßen lächerlich vor ihm zu machen, ihn nun nach ALL DEM genau DAS zu fragen.
    Ein Zucken ging kurz durch ihren Körper, während sie weiter in die unendliche Leere zu ihren Füßen starrte. Wie konnte sie nur so dermaßen dumm sein? Das konnte sie nie, nie, nie wieder gut machen. Egal was sie machte, das konnte sie nicht rückgängig machen. Sie sah einmal zu Vala auf, in seine grauen Augen, und sie wünschte, sie könnte es ihm einfach erklären. Aber sie konnte es nicht. “Es tut mir leid, ich wollte nur...“ Ja, was eigentlich? Dich. Aber auch das konnte sie nicht sagen. Niemals. “Ich weiß nicht, was ich wollte. Es tut mir leid, ich … hätte mich nicht so benehmen dürfen und... ich... geh vielleicht besser... oder...“ Sie wollte nicht weg. Sie wollte wirklich nicht weg von ihm. Schon gar nicht so. Ihre Hand ging ganz leicht vor, der seinen entgegen, ohne sie jedoch zu berühren. Selbst, wenn sie es nicht versprochen hätte, ihn ohne seine ausdrückliche Erlaubnis nie wieder einfach so zu berühren, sie hätte sich nicht getraut, nach seiner Hand zu greifen.

  • "Ja...", grollte Vala, dessen Zorn über soviel offensichtlichen Unverstand nicht im mindesten verflogen war. Weiber, elende! Einerseits die schönsten Geschöpfte, die die Götter auf Midgard werfen konnten, andererseits so schmerzhaft irrational, dass es fast zum Himmel schrie. Das Stammeln der jungen Frau und die Einsicht, dieses Diskussion wohl gewonnen zu haben gab ihm keinerlei Befriedigung, ganz im Gegenteil: die Hilflosigkeit der Frau, die ihn vorher in aller Öffentlichkeit so angefahren hatte und damit ihn und vor allem sich selbst der Lächerlichkeit preisgab stieß ihn ab.


    "Du solltest gehen.", murrte Vala, und ließ Axilla alleine hinter dem Stand des Sklavenhändlers zurück um sich wieder nach vorne zu begeben und dem Händler mit einem gebellten "200 Sesterzen, oder der Zwerg bleibt hier." zum Einlenken zu befehlen. Eine halbe Minute später zog Vala verdrieslich dreinblickend von dannen, mit dem breiten Zwerg im Schlepptau, auf der Suche nach dem geflohenen Sirius.

  • Sie hatte verloren, und diesmal endgültig. Axilla stand noch immer im Schutz hinter dem Stand des Sklavenhändlers, als Vala schon längst mitsamt seines neuen Sklaven gegangen war, und rührte sich nicht von der Stelle. Sie stand einfach nur da und starrte vor sich hin in die Leere, die sich um sie herum auszubreiten schien.
    Sie sollte gehen. Das hatte er gesagt. Und er hatte recht, sie sollte gehen. Weg von hier, weg nach hause. Weg von ihm. Endgültig. Er wollte sie nicht, und er wollte sie nicht sehen. Er war gegangen. Ohne sie. Und dennoch konnte sie sich nicht bewegen, nicht einmal ein kleines bisschen. Sie sollte nach Hause gehen und ihn für immer vergessen, sollte sich auf das vorbereiten, was vor ihr lag: Eine neue Ehe, mit dem Segen der Götter ein paar Kinder, die das Erwachsenenalter erreichen würden. Dazu noch ihre Arbeit, ihre Aufgaben als neue Hausherrin bei den Pompeiern, sofern alles glatt ging. Sie hatte nach wie vor die Sorge um den Hausstand der Iunier mit all den Sklaven zu tragen. Dazu musste sie sich noch einen sicheren Weg überlegen, Salinator aus dem Weg zu gehen und dafür zu sorgen, dass Imperiosus nichts von dem erfuhr, was vorgefallen war. Das alles sollte sie tun. Aber sie konnte sich nicht bewegen.


    Sie stand nur da, atmete langsam und tief, und starrte vor sich hin. Sie wollte weinen, aber es kamen keine Tränen. Sie wusste nicht einmal, warum sie hätte weinen sollen. Es war ja alles so gekommen, wie sie es beabsichtigt hatte. Vala wusste, dass sie ihn gesehen hatte, dass er sie verletzt hatte, und dass sie das nun nicht mehr wollte. Dass sie ihn nun nicht mehr wollte. Das hatte sie doch so gewollt, oder? Auch wenn ihr nach seinen Worten nun kindisch erschien, jemals wütend auf ihn gewesen zu sein. Denn er hatte recht, er hatte der Vinicia wohl schwerlich etwas anderes erzählen können. Und sie war nicht dazu bestimmt gewesen, zu hören, was er gesagt hatte. Im Grunde genommen war es ihre eigene Schuld, dass sie es mitbekommen hatte. Hätte sie sich wie eine Dame verhalten, wäre all das nicht geschehen.


    Es war alles ihre Schuld. Ihre ganz alleine. Sie sollte es also ertragen und nun endlich gehen.
    Irgendwann wurde sie ganz leicht am Arm berührt. Es war der Sklavenhändler, der irgendwas zu ihr sagte. Sie hörte ihn gar nicht. Sie nickte ihm nur zu und schenkte ihm ein aufgesetztes Lächeln, das ihre Augen nicht erreichte. Vor ihr stand Malachi und wartete, stumm und ruhig wie immer. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie dagestanden hatte, oder was der Mann gesagt hatte, aber endlich bewegte sie sich, langsam und aufrecht, und ging zu Malachi. “Wir gehen nach Hause“ verkündete sie nur leise und ohne Ton. Die Ornatrix, wegen der sie überhaupt auf den Markt gekommen war, war vergessen. Sie würde Levi schicken, eine zu kaufen, oder vielleicht auch nicht. Es kümmerte sie nicht mehr.

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