• Clemens beschäftigte sich währenddessen mit ein paar Geistesübungen. Der Weg den Rhenus entlang von Bonna nach Mogontiacum schätzte er auf etwa 108 milia passus. Er betrachtete das Mosaik am Boden und folgte den Linien zwischen den Steinchen so lange, bis er den Verlauf des Flusses in den Fugen halbwegs vor seinem geistigen Auge wiedererkannte. Dabei merkte er sich Orientierungspunkte. Eine Flosse der Brasse, das Maul vom Aal und so weiter... Dann suchte er Linien, die halbwegs ein rechtwinkliges Dreieck bildeten. Die Endpunkte der Hypothenuse waren Bonna und Mogontiacum. Dann zählte er die Steinchen entlang beider Katheten. Der Rest war einfach. Aus beiden Längen ließ sich die Länge der Hypothenuse berechnen. Und danach konnte er die Länge eines Steinchens im Mosaik in eine echte Entfernung umrechnen. Demnach wäre die direkte Verbindung zwischen den beiden Städten bei etwa 80 milia passus. "Interessant." murmelte er.


    Als er bemerkte, dass er angesehen wurde, erklärte er sich. "Es ist interessant, wie viel kürzer Reisewege für Vögel sein müssen. Angenommen, wir könnten die Strecke von Bonna nach Mogontiacum so zurücklegen, wie ein Vogel fliegt, dann würden wir etwa 28 milia passus einsparen. Grob geschätzt. Ist doch faszinierend, oder?" Seine Faszination ließ sich seiner Stimme und Gestik kaum anmerken. Vermutlich war sein Vater der Einzige, der erkennen konnte, dass diese kleine Rechnung Clemens wirklich faszinierte. Mathematik war seine Leidenschaft. Auch wenn er sie sehr unleidenschaftlich vortrug.


    Zufrieden ob seines kurzen Vortrags nahm er sich etwas Forelle.

  • Zitat

    Original von Faustus Domitius Massula
    "Nein, das war doch sicher nicht ironisch gemeint, Petronia Octavena. Aber ich höre doch heraus, dass du bei deiner Ankunft in Germania einen klitzekleinen Schock erlebt hast. Wie war das denn?"


    Octavena schnaubte leise. "Na ja, ich wusste zwar, dass es in Germania kälter ist als in meiner Heimat, aber richtig glauben konnte ich es erst, als ich wirklich hier war."
    Aber damit war sie ja scheinbar nicht allein gewesen. Die Magonidinnen hatten ihr von ähnlichen Erfahrungen geklagt, als die von Melita nach Mogontiacum gekommen waren.


    Zitat

    Original von Publius Domitius Clemens
    "Es ist interessant, wie viel kürzer Reisewege für Vögel sein müssen. Angenommen, wir könnten die Strecke von Bonna nach Mogontiacum so zurücklegen, wie ein Vogel fliegt, dann würden wir etwa 28 milia passus einsparen. Grob geschätzt. Ist doch faszinierend, oder?"


    Überrascht runzelte Octavena die Stirn. Es stimmte schon, der Gedanke, so zu fliegen, war bestimmt nicht uninteressant, aber so etwas würde doch niemals möglich werden. Kein Vogel wäre groß genug, um einen Menschen zu tragen und Flügel wachsen würden ihnen bestimmt auch nicht.
    "Wie ein Vogel? Wie sollte das gehen?", hakte sie also neugierig nach. Wie kam er auf so etwas?

  • Zitat

    Original von Publius Domitius Clemens
    Als er bemerkte, dass er angesehen wurde, erklärte er sich. "Es ist interessant, wie viel kürzer Reisewege für Vögel sein müssen. Angenommen, wir könnten die Strecke von Bonna nach Mogontiacum so zurücklegen, wie ein Vogel fliegt, dann würden wir etwa 28 milia passus einsparen. Grob geschätzt. Ist doch faszinierend, oder?" Seine Faszination ließ sich seiner Stimme und Gestik kaum anmerken. Vermutlich war sein Vater der Einzige, der erkennen konnte, dass diese kleine Rechnung Clemens wirklich faszinierte. Mathematik war seine Leidenschaft. Auch wenn er sie sehr unleidenschaftlich vortrug.


    Der Austausch von Belanglosigkeiten, der sich anbahnte, ließ Lucius schon fast abschalten - wobei ihn das Grätenpuhlen sowieso voll in Beschlag nahm. Was er dabei zutage förderte, mochte zwar lächerlich aussehen - aber auf die Größe kam es dem jungen Petronier nicht an. Plötzlich meldete sich allerdings Massulas Sohn mit einem halbwegs interessanten Kommentar an - dass er völlig aus dem Themenrahmen fiel, bemerkte er ja nicht.


    "Ich glaube er meint einfach die direkte Strecke."


    belehrte er Octavena mit ihrer unverständigen Frage. Dann wandte er sich dem eigentlich interessanten Punkt an der Aussage zu - dass Vogelflug absurd war, lag ja auf der Hand...


    "Wie hast du das denn berechnet?"


    Wenn er recht wusste, gab es zwar Karten von Germania - aber abgesehen davon, dass diese trotz der großen Ingenieurskunst Roms oft nicht wirklich exakt waren, hatte der Domitier das offenbar gerade eben erst festgestellt. Und eine Karte konnte Lucius hier nirgends erkennen.

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  • "Natürlich meine ich die direkte Strecke. Mir fällt jedenfalls keine Möglichkeit ein, wie ein Mensch fliegen sollte. Das ist, denke ich, unmöglich." Clemens sprach dabei neutral, ohne jede Wertung. Wäre Octavena ein Mann gewesen, hätte er die Nase gerümpft, dass sie überhaupt auf diese seltsame Frage kam. Aber sie war eine Frau, da konnte man natürlich keine Kenntnisse in Physik und Mathematik verlangen.


    Dann wandte er sich an Lucius. "Nun, das ist eigentlich recht einfach. Ich bin ja erst kürzlich von Bonna nach Mogontiacum gereist. Daher kenne ich den Verlauf des Rhenus auf dieser Strecke aus eigener Anschauung. Ich habe mir die Tagesetappen und Richtungen gemerkt. Man weiß nie, wofür das mal nützlich ist." Er lächelte kurz. So langsam kam er in Fahrt. "Prinzipiell kann man nun im Kopf rechnen, wenn man ein gutes Vorstellungsvermögen hat. Allerdings bevorzuge ich Hilfsmittel. Eine Wachstafel mit Griffel habe ich beim Essen natürlich nicht zur Hand, aber das Mosaik hier ist recht hilfreich. Wenn man den richtigen Fugen zwischen den Steinchen folgt, kann man den Verlauf des Rhenus approximieren. Hier..." Clemens deutete auf einen Punkt, an dem das Auge eines Fisches dargestellt war. "Bonna." Er folgte mit dem Weg, der ungefähr dem Rhenus entsprach. "Bingium... und hier Mogontiacum. So weit eigentlich recht einfach. Als nächstes denken wir uns die Breitengrade von Bonna und von Mogontiacum. Den Abstand der Breitengrade können wir recht leicht berechnen, dann müssen wir noch den longitudinalen Abstand berechnen, wobei wir das Lot auf die Breite fällen. Schon haben wir zwei Katheten. Die erste geht senkrecht von Bonna gen Süden bis auf die Breite von Mogontiacum. Die zweite komplettiert den Weg nach Mogontiacum in direkter Linie. Aus den Kathetenlängen können wir die Länge der Hypothenuse bestimmen. Mit der Länge der Hypothenuse, angegeben in Steinchen, und der respektiven Länge des Rhenus in diesem Modell haben wir das Verhältnis von direkter Strecke zu Flussverlauf. Nach Umrechnung von Steinchen in milia passus erhalten wir die Differenzstrecke in der Realität. Und schon sind wir fertig." Er lächelte kurz triumphierend, dann bemerkte er noch. "Natürlich wäre es mit einer Tafel genauer. Das hier ist eher eine grobe Approximation." Er zuckte kurz mit den Schultern. "Interessierst du dich für Mathematik, Crispe?" fragte er Lucius. Er hatte ein wenig Hoffnung, sich mit dem jungen Petronier über ein aus seiner Sicht interessanteres Thema zu unterhalten. Small talk lag ihm nicht wirklich.

  • Von Breitengraden hatte Lucius tatsächlich schon einmal gehört - angeblich hatten die Griechen eine Technik der Ortsbestimmung für Seefahrer entwickelt, die sich aus dem Sonnenstand ergab. Allerdings war er nie auf die Idee gekommen, dass man so etwas an Land auch tun konnte - jetzt aber sah er keinen logischen Grund dafür. So hörte er interessiert zu und nickte am Ende schließlich.


    "Ja, ich habe Euklids Elemente gelesen."


    erwiderte er mit einem vorsichtigen Seitenblick zu seinem Vater. Der Alte hatte ihm immer wieder vorgehalten, dass Mathematik genauso wie Philosophie eine brotlose Kunst und eines Römers nicht würdig war. Deshalb hatte er sich auch beklagt, als Lucius vom Mathematik-Unterricht bei Xanthippus erzählt hatte - er zahle das Schulgeld ja schließlich nicht, um seinen Sohn zu einem Philosophen zu machen. Dass er jetzt offensichtlich einen Gleichgesinnten gefunden hatte, war ein kleiner Triumph gegen den Alten. Trotzdem verriet er lieber nicht, dass er den Euklid von Xanthippus gestohlen hatte und heimlich unter seinem Bett aufbewahrte - wahrscheinlich würde sein Vater ihm das kostbare Buch nur wegnehmen.

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  • Clemens nickte anerkennend. "Ah, die Elemente! Das sind ganz wunderbare Bücher, die Basis der Geometrie als Wissenschaft. Arithmetik sollte man auch nicht vernachlässigen, aber die Geometrie ist natürlich die Wissenschaft mit den meisten praktischen Anwendungen." Er erwähnte dies auch, weil er den vorsichtigen Blick des jungen Petroniers zum alten Petronier bemerkte. "Ohne Geometrie wären Kartographie und Architektur unmöglich. Und auch Belagerungsgeräte wie Ballisten lassen sich mit Hilfe der Geometrie optimieren." Er dachte kurz nach. "Das wäre eigentlich recht interessant, die perfekte Ballista zu berechnen. Perfekt bezüglich der Reichweite."


    Er wendete sich an Marcus. "Ich hätte da eine Frage an dich als Veteranen der Legion. Werden die Ballisten eigentlich vor Ort nach Bauplänen konstruiert oder schleppt man die einsatzbereit mit? Oder gibt es noch andere Möglichkeiten?" Clemens' Interesse war echt, was man auch merkte.

  • So hatte Lucius das noch gar nicht betrachtet - zwar hatte er sich auch schon gefragt, wie er den Schild am optimalsten schwingen konnte oder seine geometrischen Kenntnisse auf die Architektur angewendet, aber der unglaubliche praktische Nutzen der Geometrie lag doch eigentlich auf der Hand. Egal, was der Alte sagte! Und die Idee mit der Ballista ließ ihn seinerseits ins Nachdenken kommen - wenn man den Abschusswinkel anpasste, würde sie wohl besonders weit schießen. Im Grunde dasselbe Prinzip wie beim Bogenschießen...

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  • Gerade noch hatten sie ein nettes Gespräch geführt, da entpuppte sich Massulas Sohn auch als einer von diesen Philosophie-Spinnern. Berechnung des direkten Weges - wozu? Spätestens seit Daedalus und Ikarus wusste man doch, dass der Mensch besser nicht flog - und dieses Geschwafel musste natürlich auch noch mit irgendwelchen Fachwörtern angereichert werden, damit der normale Mensch überhaupt nichts verstand. Am schlimmsten aber war, dass Lucius auch noch darauf einstieg, anstatt seine absurde Schwäche für brotlose Künste für sich zu behalten.


    "Die Belagerungsgeräte werden normalerweise vor Ort gebaut. Das könnte man den Legionären ja nicht auch noch aufladen."


    antwortete er trotzdem der Höflichkeit halber. Zwar war Kriegswesen wieder eine Sache, die ihn eigentlich begeistern konnte, aber eigentlich diente dieses Treffen ja dazu, dass Massula und Octavena sich kennenlernten - und das gelang wohl kaum, wenn es um Krieg und Philosophiererei ging, wobei seiner Nichte nichts übrig blieb, als zu schweigen und zuzusehen. Deshalb versuchte er, das ganze wieder ein wenig in ruhigere Fahrwasser hinüberzubringen:


    "Übrigens - was hat dich denn dazu bewogen, zu deinem Vater zu kommen?"


    Und zu dem älteren Domitier gewandt:


    "Braucht dein Junge auch eine Ehefrau, was?"

  • Zitat

    Crispus senior: "Übrigens - was hat dich denn dazu bewogen, zu deinem Vater zu kommen?" ... "Braucht dein Junge auch eine Ehefrau, was?"


    Ich war Bodegisels Vorlesung mit gemischten Gefühlen gefolgt: Vaterstolz über seine großen Kenntnisse und väterliche Sorge, dass er sich zu sehr in die Wissenschaften vergraben könnte. Aber ich ging davon aus, dass er als mein Sohn schon herausfinden würde, was er mit seinem Wissen in der Praxis anfangen konnte und dass er sich auch wieder herauszappeln konnte, wenn er sich mal allzusehr verbuddelt hatte.


    "Ob Bodogiso eine Frau braucht, kann ich dir nicht sagen, das muss der Bursche schon selber rausfinden. Und ich garantiere dir, er wird drauf kommen. Ob er es allerdings schafft, eine geometrische Annäherung an die Seele einer Frau zu berechnen, will ich mal offen lassen", sagte ich feixend. "Ansonsten hab ich ja auch noch eine Bibliotheca mit einem Haufen von nicht-geometrischer Literatur".


    "Bodogiso ist hierher gekommen, weil er in die Administratio gehen will, anders als sein Bruder Ebergisel, der die ehrwürdige Landwirtschaft als Lebensziel auserkoren hat. Aber, Bodogiso, Petronius Crispus hat ja dich gefragt. Erzähl mal was von deinen Plänen."

  • Für eine Frau war es nach Clemens' Ansicht etwas zu früh. Noch hatte er nichts erreicht und auch keine Möglichkeit, eine Familie zu ernähren. Die Bemerkung seines Vaters über die "geometrische Annäherung an die Seele einer Frau" brachte ihn zum Schmunzeln, wenn auch nur kurz.


    "Wie mein Vater es bereits sagte, möchte ich in der Administratio tätig werden. Prinzipiell schweben mir da zwei Möglichkeiten vor. Die erste Möglichkeit wäre als Scriba. Ich kann gut mit Zahlen umgehen, da wäre es sicher eine gute Verwendung, wenn ich im Bereich der Finanzen unterstützend tätig wäre. Abgesehen von der schnöden Sesterzenzählerei über Einnahmen und Ausgaben der Provinz, aufbereitet in der Art, dass die Administratio weiß, was sie zur Verfügung hat, denke ich, dass mein eigentlicher Nutzen eher im Bereich von Verausberechnungen zu suchen wäre. Die andere Möglichkeit wäre eine Tätigkeit als Agrimensor. Das hätte, neben der frischen Luft und der Möglichkeit, die Provinz kennen zu lernen, auch den Vorteil, dass es eine recht gute Vorbereitung auf ein Studium der Architektur ist. Und Architektur wiederum wäre etwas, woran ich durchaus Freude hätte."

  • Auch der alte Petronier grinste über den Kommentar zu Mathematik und der Frauenwelt - für ihn eine Bestätigung seiner Meinung, dass sie nichts mit dem wirklichen Leben zu tun hatte. Wenn Bodogiso - das musste wohl sein germanischer Name sein - allerdings Architekt werden wollte, konnte er aber vielleicht wenigstens ein klein wenig Kapital aus seinem seltsamen Hobby schlagen - für Lucius würde es dagegen nichts bringen, wenn man sich nicht zufällig dazu entschieden hatte, Tribune in Zukunft als Richtschützen einzusetzen.


    "Naja, dann wär' Agrimensor schon 'was - wobei ich eigentlich dachte, dass das seit neuestem wieder von den Legionsagrimensores erledigt wird."


    Eine vernünftige Reform, wie der Alte befand - wieso sollte man zivile Strukturen unterhalten und vor allem bezahlen, wenn es auch Soldaten gab, die sowieso tatenlos in ihren Castella saßen?


    "Aber vielleicht wäre ja Scriba des Quaestor eine Sache, wo du zumindest ein bisschen herumrechnen kannst..."


    schlug er dann vor. Er selbst war einst Optio Tabelarii gewesen und hatte ebenfalls in der Verwaltung gedient - allerdings in der Legionsverwaltung und auch nicht bei der Legionskasse, sondern bei den Personalangelegenheiten...


    "Bist du auch ein Zahlenfuchser, Massula?"


    fragte er dann noch in Richtung des älteren Domitiers.

  • Fast beneidete Lucius den Domitier, als dieser von seinen Plänen erzählte - er selbst wäre auch lieber Agrimensor oder Architekt geworden. Zwar gefiel ihm auch das Militär mit seinen klaren Strukturen, Hierarchien und der Macht über Leben und Tod, aber mit seiner Leidenschaft für das Messen und Rechnen hatte es wenig zu tun. Und Clemens hatte dazu sogar das bessere Los in seiner Familie gezogen und musste nicht am Ende der Welt auf dem Land leben, wie es der junge Petronier einige Jahre seiner Lebenszeit erlebt hatte - keine Möglichkeit, den anderen zu entkommen und dazu stupide Arbeit waren nichts für ihn und sicherlich auch unter der Würde eines jungen Mannes wie Clemens.

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  • Zitat

    Original von Marcus Petronius Crispus
    "Naja, dann wär' Agrimensor schon 'was - wobei ich eigentlich dachte, dass das seit neuestem wieder von den Legionsagrimensores erledigt wird." ... "Aber vielleicht wäre ja Scriba des Quaestor eine Sache, wo du zumindest ein bisschen herumrechnen kannst..."


    "Eine gewisse Logik ist schon dahinter, wenn das die Legion übernimmt." erwiderte Clemens. "Allerdings denke ich, dass die Legionen momentan andere Sorgen haben. Hoffen wir, dass sie schon bald siegreich zurückkehren." In Anbetracht der Tatsache, dass er keine Zahlen kannte, wie viele Soldaten sich gegenüber standen und wie ausgerüstet waren, konnte er keine Wahrscheinlichkeit für den Sieg berechnen. Das war vermutlich auch besser so. Doch selbst bei Vorliegen der Zahlen wäre die Berechnung mangels taktischen Kenntnissen wohl falsch gewesen.


    "Scriba des Quaestor..." Clemens dachte nach. "Das klingt nach einer erwägenswerten Option. Danke für den Hinweis." er lächelte kurz. Man konnte ihm zwar eine gewisse Weltfremdheit nachsagen, aber prinzipiell hatte Clemens gute Manieren gelernt. Und da gehörte es einfach dazu, sich für einen Tipp zu bedanken, zumal, wenn der Tipp wirklich erwägenswert war.

  • Zitat

    Crispus maior: "Naja, dann wär' Agrimensor schon 'was - wobei ich eigentlich dachte, dass das seit neuestem wieder von den Legionsagrimensores erledigt wird. ... "Bist du auch ein Zahlenfuchser, Massula?"
    Clemens: "Scriba des Quaestor... Das klingt nach einer erwägenswerten Option. Danke für den Hinweis."


    Der alte Legionär war einfach nicht von der Idee abzubringen, dass die Legionen für alles Mögliche zuständig seien. "Nein, nein, Petronius Crispus, die Legionsagrimensoren sind freundlicherweise nur eingesprungen, weil wir einen gravierenden Mangel an zivilen Agrimensoren haben. In Zukunft macht das die Civitas selber".


    Dann schien in ihm der Verdacht aufgekommen zu sein, dass Bodogiso sein geliebtes Steckenpferd von mir geerbt haben könnte. So ganz falsch lag er damit nicht, auch wenn es realiter mit den Genen nichts zu tun hatte. Bodogiso hatte es mir einfach abgeguckt.


    "Wenn's um mein Geld geht", grinste ich, "dann bin ich ein begeisterter Zahlenfuchser, verlass dich drauf. Aber Spaß beiseite, ich hab schon immer gerne gemessen und gerechnet. Ich hab ja Zimmermann gelernt und da musst du viel rechnen, wenn du einen Dachstuhl ausmitteln willst. Und der sollte ja auch lange stehen bleiben, oder? Bodogiso hat das wohl mitgekriegt. Hier im Imperium habe ich dann, eigentlich fast nur zu meinem Vergnügen, Architektur studiert. Die Decem Libri de Architectura von Vitruvius liegen in meiner Bibliotheca. Hat mich ne Stange Geld gekostet, aber da steht nicht nur etwas über das Bauen drin, sondern auch viel über das Leben".


    "Ja, die Idee mit dem Quaestor sollte man ein bißchen pflegen. Der hat ja auch die Steuererhebung zu machen und dafür braucht er ein Kataster. Bodogiso, darüber müssen wir noch mal reden. Machen wir am besten nachher. Du kannst ja als Agrimensor anfangen und dann Quaestor werden. Ein bißchen Kommunalpolitik ist kein schlechter Einstieg und macht auch Spaß, nicht wahr Petronius Crispus?"

  • Diese Philosophiererei über den direkten Weg von Bonna nach Mogontiacum konnte Octavena nicht so ganz nachvollziehen. Warum sollte man sich den Kopf über etwas zerbrechen, das sowieso nicht möglich war? In ihren Augen musste es zuerst die Möglichkeit geben bevor man sich über so etwas Gedanken machen konnte. Aber den Göttern sei Dank griff ihr Onkel ein und lenkte das Gespräch wieder ein wenig von diesem mathematischen Gefasel weg in interessantere Gefilde, auch wenn sie für den Augenblick vor allem einmal zuhörte. Schließlich hielt sie nichts davon, nur etwas zu sagen um des Sprechens Willen, da hörte sie lieber aufmerksam zu und gab erst wieder etwas von sich, wenn sie etwas sinnvolles zu sagen hatte.

  • Dem alten Legionär ging es weniger um Zuständigkeiten, als pragmatische Erwägungen - wieso sollte man Geld für Leistungen ausgeben, die anderswo ungenutzt vorhanden waren? Außerdem musste man ja sowieso nicht allzuviel vermessen im Alltag...


    "Naja, ich wusste nicht, dass wir sowas haben. Und weiß auch nicht, ob das unbedingt nötig ist - aber das können wir ja ein andermal bereden."


    Bevor er hier wieder einen kleinen Streit vom Zaun brach, beschäftigte er sich lieber mit der anderen Neuigkeit: Gelernter Zimmermann - eine bodenständige Ausbildung offensichtlich. Er hatte gar nicht gewusst, dass Massula sich auch für Bauwesen aller Art interessierte, aber er musste sich das merken - wenn er wieder einmal Umbauten plante, konnte er sich ja vielleicht an ihn wenden.


    "Vor den Quaestor haben die Götter - oder die Decuriones, mal weiß es nicht genau..."


    Er grinste verschmitzt.


    "... aber die Aedilität und die Vicomagistratur gesetzt. Aber das sind sicher auch interessante Ämter. Ich war ja auch schon Aedil und Lucius hier als Magister Vici kann sicherlich auch viel darüber erzählen! Nicht wahr?"

  • "Das interessiert mich. Was macht man als Magister Vici oder aedil hier in Mogontiacum. Natürlich kenne ich die Aufgaben gemäß den gesetzlichen Vorgaben, aber wie das dann im Alltag aussieht, weiß ich nicht. Auf einem Landgut hat man selten mit Würdenträgern der Civitates zu tun." Beide Petronier hatten jetzt Clemens' ungeteilte Aufmerksamkeit.

  • Nun war er doch wieder gefragt - auch, wenn das Amt des Vicomagister nicht sonderlich spannend und schon gar nicht mathematisch war. Eigentlich war Lucius aber doch stolz auf seine Tätigkeit, denn sie brachte ihm Macht und Ansehen ein - etwas, was er in den schrecklichen Zeiten seiner Schulzeit nie erlebt hatte und ihn förmlich berauschte. Allein, wenn er an die eingeschüchterten Krämer dachte, deren Läden er inspizierte...


    "Als Magister Vici hat man verschiedene Aufgaben. Ich bin bin Fürsprecher der Vicani, beispielsweise wenn es Streitigkeiten mit anderen Vici gibt."


    Mit leichter Scham dachte er daran, wie seine Beschwerde über die Töpfer von Vicus Novus im Ordo Decurionum abgeschmettert worden war - aber da wusste Clemens ja sicherlich nicht.


    "Außerdem übernehmen wir administrative Aufgaben, kontrollieren die Einhaltung der Brandschutz- und anderer Vorschriften beim Bau, Handel und Gewerbe und so weiter. Und ich bin Streitschlichter zwischen meinen Vicani."


    Nach kurzem Nachdenken kam ihm aber auch noch der ungeliebteste Job, den er allerdings sehr häufig und ausführlich erfüllen musste:


    "Und ich übernehme die Opfer im Namen meines Vicus an Feiertagen und den Kalenden und Iden für die Lares Vicani und so weiter."

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  • "Naja, und der Aedil steht eben eine Ebene höher. Er muss auch vor allem kontrollieren, delegieren, schikanieren..."


    Im Grunde war dies ja ähnlich wie bei Offizieren.


    "Man muss die Märkte kontrollieren, Streitigkeiten zwischen Händlern schlichten, Gewichte prüfen, Strafedikte ausstellen - wegen überteuerter Preise und so weiter."


    Diesen Teil hatte damals ein anderer der Magistrati übernommen, aber Crispus kannte ja genügend Aedile um zu wissen, wie das vor sich ging. Seine Sache war dagegen eher das Bauen gewesen:


    "Außerdem sorgt er sich um die öffentlichen Bauten und Plätze. Ich habe zum Beispiel damals die Thermen ein bisschen renoviert, habe einen Teil des Forum gepflastert und so weiter - das wird dann natürlich delegiert. Aber vielleicht kann man da auch selber als Architekt glänzen..."


    Letzteres war nicht so sein Ding gewesen - trotz aller Bauarbeiten, die er bei den Adlern mit ausgeführt hatte. Aber da Clemens ja ebenso wie sein Vater ein Freund von Vitruv war, würde die Sache dadurch vielleicht etwas schmackhafter...

  • Merkwürdig, da hatte einer angefangen und schon redeten fast alle vom Geldverdienen. Niemand wird bestreiten, dass das ein bedeutendes Thema ist und vor allem, jeder tut es gern, oder täte es gern, wenn es nicht mit Arbeit verbunden wäre. Aber jetzt brachten Atto und Panphilos den nächsten Gang herein.


    "Freunde", rief ich, "da schwelgt ihr von Karrieren, aber ihr tummelt euch nur auf den unteren Sprossen der Karriereleiter. Lasst uns lieber weiter essen. Jetzt kommt ein Braten von jungem Wildschwein, eine mit Nelken und Zimt gewürzte Sauce, Pastinaken, gesäuertes Kraut, Pfifferlinge, Emmernocken und Sauerrahm. Greift zu! Vielleicht verschafft euch der Genuss des Essens den Mut, auch von den oberen Sprossen der Karriereleiter zu schwärmen".


    Atto verpasste dem Ehrengast Petronius Crispus das beste Stück und bedachte die anderen auch. Da ich von den Kochkünsten meines Sklaven Boduognatos fest überzeugt war, konnte ich darauf vertrauen, dass die übrigen Gäste nicht schlechter wegkamen.


    "Wie man mir erzählt hat, Petronia Octavena, soll es in Hispania alter und beliebter Brauch sein, dass junge Männer im Circus gegen wilde Stiere kämpfen. Kennst du diesen Brauch?"

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