Atrium | Sextus Cafo bewirbt sich

  • Im Atrium angekommen, verbeugte sich Phoebus noch einmal—die Frage kam unweigerlich auf, ob er es nicht langsam übertrieb mit den Deferenzbezeugungen. Cafo wurde kein Wein gebracht... es war eher etwas, was einem Civis zustand als einem Peregrinus, der, auch wenn er im Grunde, wie so viele Peregrini, mit einem römischen Bürger sehr viel gemeinsam hatte. Die Assimilierung nichtitalischer Volksstämme war eben schon weit vorangeschritten.
    Es dauerte nicht lange, da schritt Piso ins Atrium, in einer flamboyanten hellroten Tunika mit opulenten Zierstreifen, die Augen auf den sich bewerbenden Scriba gerichtet. Ein properes Bürschchen, kam ihm in den Sinn. Auf keinen Fall ein Sandler, wie der Typ, der letztens bei ihm Scriba werden wollte.
    Mit einer nonchalanten Bewegung ließ er sich auf die Liege vor Cafo fallen. “Salve. Sextus Cafo heißt du? Sehr angenehmen, ich bin Senator-Pontifex Aulus Flavius Piso. Du möchtest mein Scriba werden, habe ich gehört?“ Er blickte Cafo wach an. “Dann erzähl mal“, gab er Cafo ein etwas unangenehmes, da komplett freies und offenes „Interview“-Thema.

  • Sextus folgte Phoebus durch die Villa in Richtung Atrium, nachdem er eingelassen wurde. Es war wirklich erstaunlich, wie luxuriös und gleichsam kunstvoll das flavische Domizil eingerichtet worden war. Während er voranschritt fiel ihm das ein oder andere Gemälde ins Auge, er ließ sich allerdings nicht anmerken, dass er leicht abgelenkt war. Als Cafo dann das Atrium erreichte, lag seine Priorität sowieso bei der Musterung seines Gegenübers - wenn auch unauffällig und nebenbei. Der junge Peregrinus war etwas überrascht ob des Alters des Senators. Flavius Piso wirkte nicht gerade sehr alt und weise auf ihn, dafür aber umso dynamischer und agiler. Womöglich war er eines dieser Phänomene, die es in jungen Jahren in die hohe Politik geschafft hatten und den Cursus Honorum im Eilschritt durchloffen haben. Sicherlich waren viele Faktoren für eine solche außerordentliche Karriere ausschlaggebend, doch eine gewisse Begabung konnte man dem jungen Senator anscheinend nicht absprechen - ein Grund mehr, seinem möglichen Arbeitgeber besonderen Respekt zu zollen.


    "Salve, Senator Flavius. Es freut mich, dass du Zeit für mich findest", begann Cafo neutral, während sich Piso auf einer der Liegen niederließ. Ohne weiter auf dessen rhetorische Frage einzugehen, begann er damit von sich zu erzählen. "Natürlich...Ich wurde Corsica geboren und entstamme einer etruskischen Kaufmannsfamilie. Mein Vater verdient sein Geld in den verschiedensten Provinzen des Römischen Reiches und sorgte dafür, dass meine Geschwister und ich in wohlbehüteten Verhältnissen aufgewachsen sind - und später eine exzellente Bildung genießen durften. Ich beherrsche die lateinische und die griechische Sprache in Wort und Schrift und bin entschlossen, dir mit all meinem Wissen und Können zur Seite zu stehen. Außerdem bin ich gewillt mein bisher Erlerntes an der Schola Roms prüfen zu lassen, wenngleich mir dafür bisher die Mittel zur Finanzierung fehlten." Cafo hielt wieder inne, um eine Reaktion des jungen Senators abzuwarten - jederzeit bereit auf detaillierte Fragen einzugehen.

  • Piso, Jungsenator par excellence, grinste Cafo an, und nickte aufmunternd, als dieser sich daran machte, die Geschichte seines Lebens zu erzählen. Zeit hatte er für einen interessanten Bewerber auf jeden Fall immer, und, was äußerst angenehm war, zumindest fand Piso dies: der Scriba sah so aus wie jemand, der ein Ästhet war. Damit war nicht gemeint, dass er ein Künstler war, ein Schaffer, einer, der lange Monologe über pikante Details ablegen konnte. Es war damit jemand gemeint, der das Schöne sehen konnte, auch an unvermuteten Orten. Einer, der ein Gespür fürs Genaue hatte. Natürlich gab es rein gar nichts Handfestes, was Piso dazu veranlassen würde, dies zu glauben. Es war nur so ein Gefühl.
    Aufmerksam lauschte er den Worten des Mannes, der sich als Etrusker entpuppte. Er schien schon einige Erfahrung zu haben. Griechisch auch, nicht schlecht. Piso hob seine linke Augenbraue, nur, um sie dann wieder herabzusenken.
    “Ahhh. So. Etrusker bist du, aus Arretium. Interessant, ich habe mal ein paar Worte Etruskisch gelernt. Mein Eichenholzboot ist voller Aale. Meine Brustwarzen explodieren vor Freude!“[/quote] Voller Freude darüber, dass er zwei etruskische Sätze aus dem Mund gebracht hat, lächelte er Cafo an, nicht wissend, dass sie was gänzlich anderes hießen als das, was er glaubte, dass sie hießen.
    “Aus Korsika bist du? Ach, bei den Göttern, was für eine WUNDERSCHÖNE Insel.“ Die Art und Weise, wie er wunderschön aussprach, klang wohl ein wenig überdreht. Eine riesige Geste malte er durch den Raum. “WUNDERSCHÖN!“, juchzte er, bevor er sich besann, wo er war, und sich bedeutungsschwanger räusperte.
    “Du scheinst gute Qualifikationen zu haben. Es ist heutzutage selten, dass man Leute mit solch guten Kredentien findet. Ist es wegen der fehlenden formalen Qualifikationen, dass du nicht einfach eine Arbeitsstelle bei der Kanzlei suchst?“ Er blickte den jungen Mann an, überlegte einige Zeit lang, dann räusperte er sich wieder. [color=green]“Wie wäre es, wenn du bei mir arbeiten würdest, und im Gegenzug bekommst du von mir die Gebühren für deine Kurse bezahlt?“
    Der Kerl hatte durchaus was für sich, und Fragen kostete ohnehin nichts.

  • Cafo blickte etwas befremdlich drein, als der Senator einen Satz in etruskischer Sprache stammelte. Über die Bedeutung jener Worte machte sich der junge Peregrinus allerdings keine Gedanken, sondern stimmte in Pisos herzhaftes Lächeln wohlwollend ein. Eine gewisse Jugendlichkeit hatte sich der Senator - soweit Cafo dies beurteilen konnte - bewahrt. Alles andere wäre allerdings auch absurd gewesen, musste Sextus feststellen. "Ich muss zugeben, dass ich mich allerdings mehr als Römer sehe, denn als Etrusker." Die Wurzeln der Familie lagen natürlich im Etruskischen, allerdings legte sein Großvater bereits wert darauf sich in die römische Gesellschaft zu integrieren. Sextus folgte daher dem römischen Glauben und allen anderen kulturellen Eigenheiten.


    Kurz war Cafo über die energischen Worte des Jungsenators überrascht, allerdings bestätigte dies nur, dass Flavius Piso durchaus noch dynamisch und agil war - im Gegensatz zu vielen anderen Senatoren, die das Stereotyp eines alten, weisen Mannes prägten. Unvermittelt kam der Senator dann auf Cafos Qualifikation für den Posten eines Scriba zu sprechen und erfasste dabei all die Dinge, über die sich der Peregrinus bereits Gedanken gemacht hatte. "Tatsächlich war es auch meine erste Idee, mich um eine Stelle als Notarius in der Kanzlei zu bemühen. Allerdings verbieten mir die römischen Reglementierungen ohne Zuspruch eines wohl eher einflussreichen Gönners den Palast zu betreten. Demzufolge kam ich nicht einmal bis zu einer Bewerbung." In Cafos Augen war dies ein Fehler - nicht aus Selbstüberzeugung, sondern mehr aus dem Grund, dass es viele fähige Peregrini gab die dem Kaiser am Hofe sicherlich von Nutzen wären. "Dein Angebot klingt sehr verlockend, Senator und ich freue mich, dass du von meinen Fähigkeiten überzeugt bist." Sextus lächelte etwas zurückhaltend und nickte dann zufrieden. Solange er an der Schola Kurse belegen konnte und seine Qualifikationen verbessern konnte, war dies für ihn ein durchaus sinniges Geschäftsverhältnis.

  • Pisos grinste. “Ein Römer also, ein wahrer Römer. Ohne römisches Bürgerrecht. Ein bisschen ein Oxymoron ist das schon, nicht war?“, warf er mit griechischen Fremdwörtern um sich. “Ich bin mir sicher, du gedenkst dies zu berichtigen. Zumindest mit der Zeit. Nicht wahr?“ Die meisten Peregrine suchten ja ihr Glück im Militär, wenn sie unbedingt das Bürgerrecht wollten. Nicht aber so Cafo. Irgendwie gefiel Piso das. Er hätte es auch so gemacht.
    Cafo schien im Übrigen keinerlei Widerspruch einzulegen gegen Pisos Sätze, also folgerte der Flavier daraus logischerweise, dass das, was er gerade gesagt hatte, einfach „Guten Tag, wie geht es dir“ und „sehr erfreut“ heißen musste. Man hatte ihn also doch nicht angelogen. Selbstzufrieden schaute er den Scriba an.
    Dann verlegte er sich darauf, grave zu nicken.
    “Ich weiß, was du meinst, ich weiß, was du meinst. Weißt du, dass ich einmal in der Kanzlei gearbeitet habe? Da staunst du, was? Mit meiner Hände Arbeit habe ich Dokumente für den Kaiser verfertigt.“ Er redete davon, ganz so, als sei es in guten Kreisen en vogue, einer ssinnvollen Arbeit nachzugehen, statt dem Müßiggang zu frönen und sich in der Freizeit zu vergnügen. Denn dass die bessere Gesellschaft bezahlte Arbeit kritisch beäugte, war kein Geheimnis. Doch Piso beschloss, sich mit seiner Geschichte nicht hinter dem Busch zu halten. Auf jeden Fall war es ehrbarere Arbeit als ein Handwerk oder so. Wie das Dasein als Aquarius.
    Er nickte, als Cafo laut überlegte. Das Angebot war gut, für beide Seiten. Piso würde einen besser ausgebildeten Scriba dadurch erhalten, und Cafo bessere Zukunftschancen.
    “Das war noch nicht alles, ich habe noch ein paar Fragen. Erstens: du weißt, dass ich Pontifex bin, ja? Also muss sich ein Scriba auch in religiösen Fragen auskennen. Kennst du dich in solchen Fragen aus? Zweitens: bist du auch diskret? Nicht die ganze Welt muss wissen, was hinter den mauern der Flavier vorgeht. Und drittens...“ Er beugte sich vor, um Cafo fest zu taxieren.
    “Wie, Sextus Cafo aus Corsica, hältst du es mit der Kunst? Du musst wissen, dass ich ein Ästhet bin, nicht unbedingt von geringem Rufe. Banausen!“ Er machte eine aufgeregte Geste und lehnte sich wieder zurück. “Banausen kann ich nicht gebrauchen.“ Er blickte Cafo erwartungsvoll an.

  • "Wenn ich offen sprechen darf, Senator: Ich muss es mit der Zeit berichtigen. Ich habe gemerkt, dass ich bestimmte Voraussetzungen haben muss, um meinen Platz in Rom zu finden. Und nichts anderes will ich: Meinen Platz finden." Nein, Cafo hatte keine großen Ziele und Träume, die es zu verwirklichen galt - was ihn sicherlich von all den anderen jungen Römern unterschied, die es in die große Politik zog. Sextus wollte "nur" seinen Platz finden. Eine angemessene Stellung, in der er Ansehen genoss und all seine Vorlieben ausleben konnte. Aus seiner Sicht war dies nur förderlich: Er konnte nicht so schnell auf die Füße fallen und war andererseits doch ein ehrgeiziger Mensch, wenn es darauf ankam.


    "Natürlich." Diese Antwort konnte auf beiderlei Fragen seines neuen Dienstgebers bezogen werden. "Ich gedenke auch mein Wissen in religiösen Dingen bei Zeiten testen zu lassen und gestehe mir doch einen umfassenden Überblick in solcherlei Fragen zu. Gleiches gilt für die Diskretion. Ich komme meinen Pflichten nach, wenn ich mich einem Arbeitsverhältnis unterordne." Mehr als bloße Worte und Versprechungen konnte Cafo in diesem Moment natürlich nicht geben. Doch der überzeugte und entschlossene Ausdruck in seinem Gesicht sollte jedem Zuhörer als Vertrauensbeweis gereichen.


    Die letzte Frage hätte Sextus nicht erwartet, doch bestätigte ihm diese, dass er den Richtigen gefunden hatte. Ein bloßes Arbeitsverhältnis mit einem charakterlosen, alten und interessenlosen Senator hätte er nicht ausgehalten. "Die Kunst ist zu umfangreich und ich zu unerfahren, als dass ich mich ebenfalls als Ästhet bezeichnen könnte. Vielmehr sehe ich mich als Interessent. Als Interessent, der die Künste aller Art schätzt und studieren will." Cafo war auf keinen Fall so einfach gestrickt wie manch anderer Schreiberling, der sich um solche Stellen bemühte. Gleichzeitig legten all seine Eigenschaften einen Schleier um seine Person, den es erst zu durchdringen galt.

  • Piso nickte grave. “Selbstredend, selbstredend. Die römische Bürgerschaft ist eine Zier für jeden Menschen, und eine Ehre für alle, die es sich durch ihrer Hände Arbeit erwirtschaftet haben.“ Der Flavier wusste sehr wohl, wie beliebt die römische Bürgerschaft war. Es war nicht schwer, zu sehen, was der Grund dafür war. Natürlich der hübsche Gentilname. Sextus, sagen wir einmal, Minucius Cafo, das gab schon viel mehr her als einfach nur Sextus Cafo, ein Name, der einfach nur schrie: ich bin ein ungewaschener Provinzler. Mit einem Gentilnamen war man dabei, bei den Römern. Man konnte Ritter, gar Senator werden mit so einem Gentilnamen. “Deinen Platz gedenkst du als römischer Bürger zu finden? Oder gar als etwas noch Höheres?“
    Er hob seine linke Augenbraue, als Cafo auf seine erste Frage mit natürlich entgegnet, und die zweite folgte, als der Korse weiter erläuterte. Er nickte dann leicht. Die Antworten gefielen ihm alle sehr. Und bei der Antwort auf die letzte Frage konnte er ein Grinsen sich nicht mehr verkneifen.
    “Ein Interessent also, ein interessierter Interessent. Nun, ich muss etwas gestehen, ich bin auch interessiert, und zwar, wie du dich in meinen Diensten schlagen wirst. Wann kannst du anfangen?“ Piso dachte gar nicht recht über alle Implikationen seiner Worte nach, er machte einfach das Angebot. Sein gutes Bauchgefühl, so hoffte er, würde ihn nicht betrügen. Denn das wäre wohl ein wenig ungut, würde es dies machen. Schließlich hatte er schon oft Bauchgefühlentscheidungen getroffen. Na gut, einige hatten absolute und ungebremste Katastrophen katalysiert. Andere jedoch hatten dazu geführt, dass er ins Schwarze getroffen hatte.
    Von jenem Bauchgefühl geleitet war er auch, als er sich entschloss, sogar einen Schritt empor zu machen. “Sag, hast du schon einen Patron hier in Rom?“ Er legte den Kopf schief, als er auf die Antwort wartete.

  • "Ich bin zwar mehr Optimist, als Pessimist, aber dennoch realistisch eingestellt. Die römische Bürgerschaft ist ein Ziel, das es zu erreichen gilt. Was danach kommt, ist zu weit entfernt, als dass es mich ernsthaft beschäftigen könnte. Ich habe keine großen Visionen - denn die meisten Menschen zerbrechen daran oder fallen dem Größenwahn zum Opfer." Sicherlich war dies eine sehr reflektierte Einschätzung seines Standpunktes für den noch sehr jungen und unerfahrenen Sextus. Doch das, was er sagte, entsprach der Wahrheit. Cafo war zwar ein Tagträumer und liebte es an einem stillen Örtchen über Gott und die Welt nachzudenken, doch er hatte keine großen Träume. Zumindest keine, die so unendlich weit weg und im Moment nicht greifbar waren.


    "Anfangen?" Sextus lächelte zufrieden. Er hätte nicht erwartet, dass er sich bei einem solch anspruchsvollen Patrizier derart gut schlagen würde. Zumal es sicher mehr als genug Römer und Nichtrömer gab, die um diesen Posten und damit um die Gunst eines flavischen Senators buhlten. Cafo konnte wirklich stolz sein, denn der erste Schritt war getan. "Wenn du willst, sofort. Wie ich bereits sagte, ich versuche in Rom Fuß zu fassen. Dass heißt, dass ich derzeit ohne...Beschäftigung bin." Die nächste Frage war im Endeffekt die Konsequenz des gesamten Gesprächs. Sextus wusste, dass die Römer viel Wert auf das Klintelverhältnis legten. Viele Klienten zu haben bedeutete Ansehen und Macht für einen Patron. Besonders dann, wenn die Klienten ebenso einflussreich waren. "Nein, Senator." Cafo wusste natürlich, dass dies eine rein rhetorische Frage war. Er hatte immerhin noch keinen Strich gearbeitet und konnte somit auch nur schwerlich einen Patron in der Hinterhand haben. "Du meinst, ich soll dein Klient werden?" Hinderlich wäre dies für den beziehungslosen Peregrinus sicherlich nicht.

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