Bumm. Bumm. Bumm. Die Trommeln klangen dumpf durch den sommerlichen Wald, hallten von den Blätterdächern der großen Laubbäume wider. Das Unterholz knackte immer wieder leicht, wenn sie es niedertraten, dazwischen raschelte das noch liegende Laub vom letzten Jahr. Die grünen Stellen, wo Gräser wuchsen, dämpften die Schritte. An den Wildwechseln standen Wegerich und Huflattich, an den Bachläufen, wo nach jedem stärkerem Regen die Flüsschen über die Ufer traten, oder auch vom nahen Rhenus bei Überschwemmung Schlamm in die Auen getragen wurde, standen Dotterblumen, schwere, rote und violette Akeleien dort, wo der Boden trockener war. Am Rand der Lichtung Rittersporn und Eisenhut. Überall wuchs der kräftig gelbe Hahnenfuß, dann weiße Schafgarbe, roter Mohn. Brennesseln mit ihren gezackten Blättern, Kletten, die an den Hosen hängen blieben. Der Wald war schön zu dieser Jahreszeit.
Bumm. Bumm. Bumm. Die Vögel hatten aufgehört, zu singen, und flogen vor dem Lärm der Trommel weg. Einige Dohlen schimpften lautstark, wenn sie einem hohlen Baum zu nahe kamen, verteidigten mit ihrem spitzem kjachack ihre Nester. Eichhörnchen saßen hoch auf den Bäumen, keckerten die Menschen zu ihren Füßen an und schimpften, ehe sie sich höher hinauf verzogen. Außerhalb der Reichweite von Steinschleudern.
Bumm. Bumm. Bumm.Gleichmäßig ging es voran, immer in Sichtweite zum nächsten. Die Aufgabe als Treiber war nicht schwer. Man brauchte nur etwas, das ein bisschen Lärm machen konnte. Zwei große Stöcke, die einen kräftigen Klang beim aufeinanderschlagen gaben. Ein alter Schild, auf den mit einer kleinen Keule gehauen wurde - für die, die gern viel Gewicht trugen oder hier im Wald lieber sicher unterwegs sein wollten. Oder eben ein mit Fell bespannter Holzreif, als einfache Trommel. Es musste nur laut genug sein, alles aufzuscheuchen,was sich in den Sträuchern von Brombeer, Holler und Flieder vor ihnen wegducken könnte.
Bumm. Bumm. Bumm.Und sie flüchteten. Haken schlagende Hasen, Fasane und Wachteln, rote, zottige Füchse, Wildkatzen, Luchse, Wiesel, Marder, Rotwild. Alles lief weg vor dem Lärm, der für sie nur Mensch.Mensch.Mensch. verkündete, lief weg in die Richtung, wo mit Fangnetzen und Spießen schon die Jäger warteten. Denn heute wurde gejagt.
Landulf lief mit bei den Treibern. Zu gern wäre er einer der Jäger, aber Mutter hatte es nicht zugelassen. Er sollte froh sein, hier dabei zu sein bei den Treibern, Teil der Gemeinschaft. Er sollte lernen, Teil von etwas zu sein. Um zu führen, müsse man es verstehen. Eins sein. Wer sollte ihm später folgen, wenn er nicht selbst tun konnte, was er von anderen verlangte? Wer sollte auf ihn hören, wenn er nie Dreck gefressen hatte? Und so marschierte er mit den anderen Jungen. Sie waren eine gemischte Gruppe, von acht bis achtzehn alle Altersklassen vertreten. Unter ihnen waren auch noch zwei der Alten, mit graugetrübten Augen und zittrigen Händen, zu schlecht beim Zielen für einen Wurf, zu zittrig mit den Händen für einen Todesstoß, zu stolz im Herzen, um nicht teilzunehmen. Landulf grinste zu einem dieser bärbeißigen Kerle rüber, bekam aber keine Reaktion.
Bumm. Bumm. Bumm. Es machte nichts. Er ging einfach weiter, schlug mit zwei Stöcken aufeinander, im Takt ihrer Schritte, klapperte besonders bedrohlich an den Wildrosenhecken und scheuchte so noch ein paar Kaninchen mehr auf, sah ihnen nach, wie sie panisch im Unterholz vor ihnen verschwanden. Im Lichtgrün des Waldes vor ihnen raschelte es immer wieder, wenn das ein oder andere größere Tier durchs Unterholz brach auf der panischen Flucht vor den vermeintlichen Häschern. Nur wenige waren so mutig, sich dem Lärm zum Trotz seitlich dazu durchzuschlagen und so der aufgestellten Falle zu entgehen.
Im Morgen waren sie losmarschiert, als der Tau noch klamm in der Luft hing. Inzwischen war die Sonne schon höher gestiegen, doch noch war nicht einmal Mittag. Sie liefen bereits das zweite Mal auf den Sammelpunkt zu, diesmal von der anderen Seite. An Landulfs Hose klebten überall fleckig Reste des Unterholzes. Alles roch nach Harz. Und von überall klang noch immer das Bumm. Bumm. Bumm!