Villa Aurelius Ursus


  • Nach mehreren Monaten Renovierungsarbeiten unter der kundigen Führung von Servius Artorius Reatinus, war die alte Villa auf dem nördlichen Quirinal, gerade außerhalb des Pomerium, zu neuem Leben erblüht. Es war an nichts gespart worden, so dass die Villa mit dem besten Marmor und den schönsten Statuen, Mosaiken und Wandmalereien ausgestattet worden war, die es geben konnte.

  • Nach dem überhasteten Aufbruch aus dem Castellum der Legio I, der anschließenden Geburt ihres Sohnes auf der Villa Rustica und dem kurzen Aufenthalt in der Villa Germanica in Rom, bezog Septima endlich die Räumlichkeiten in ihrem eigenen Haus. Klein-Titus lies sie von Frija tragen, denn obwohl sie hier in Rom die Möglichkeit gehabt hätte, eine Amme für ihr Kind zu finden, hatte Septima darauf verzichtete. Das Stillen ihres eigenen Kindes hatte schon innerhalb kurzer Zeit den Gewichtsverlust nach der Schwangerschaft beschleunigt und die junge Mutter fühlte sich nicht mehr so unförmig und unansehnlich, wie zum Schluss ihrer Schwangerschaft. Nun galt es alles für die Ankunft ihres Mannes vorzubereiten, damit Klein-Titus endlich von seinem Vater anerkannt werden konnte und seinen vollen Namen bekommen würde.
    Zusammen mit der jungen Tiberia zogen auch alle ihre Sklaven von der Casa Germanica in die Villa Aurelius Ursus um. Baldemar, Frija und Marei begleiteten sie an diesem Tag, während einige Haussklaven schon gestern zum säubern der Villa vorausgeschickt worden waren.
    Der Ianitor öffnete bereits die Eingangstür, obwohl sie noch mehrere Schritte davon entfernt waren und lächelte ihnen freundlich zu. Frija hielt Marei die rechte Hand hin, damit das Kind nicht übermütig ins Haus vorstürmen würde, um alles als Erste zu erkunden. Besser sie behielt das Kind unter Kontrolle. Klein-Titus konnte sie noch mit einem Arm tragen und sie lächelte Marei aufmunternd an.


    Am Ianitor vorbei, betrat Septima zum ersten mal ihr fertig eingerichtetes Haus und es war ein gutes Gefühl. Einzig ihr Mann fehlte ihr in diesem Moment, doch Titus würde so bald es ihm möglich war und er sie beide nicht mehr anstecken konnte, nach Rom kommen. „Baldemar, du weißt wo eure Unterkünfte sind. Zeig Marei wo sie schlafen und spielen kann und dann könnt ihr in die Culina gehen, bis ich nach euch schicken lasse. Frija, du kümmerst dich weiter um Klein-Titus, während ich mir das Haus anschaue, ob auch alles gut gereinigt und hergerichtet wurde.“ Die Aufgaben waren verteilt und Septima begann ihren Rundgang durch ihr eigene Villa.

  • Frija stand es gut, Titus zu tragen. Ein Grinsen. Ein Schnalzen. Ein liebevoller, leichter Schlag auf ihre wundervolle Rückansicht. Baldemar musste nicht mehr sagen. Es zeigte was er dachte. Heute würden sie wieder versuchen Nachwuchs zu zeugen. Ganz sicher!
    Der Marser hatte verblüfft festgestellt, wie rasch Septima wieder schlanker wurde. Für eine Römerin wirklich erstaunlich. Erstaunlicher noch, das es ihm gefiel. So hatte er sich dem Stillen immer fern gehalten. Frija anzusehen. Darüber nachzudenken, wie sie aussehen würde. Das war dem Marser doch um einiges angenehmer.
    Der Germane begleitete Septima. Er ging direkt bei ihr. Sie zu schützen. Titus zu schützen. War ihm in den vergangenen Tagen immer wichtiger geworden. Ein kurzer Blick zeigte ihm, das Marei bei seiner Frau war. Gut. Ein kurzes Nicken. Ein Lächeln. Das musste in dieser Situation reichen.


    Die Anweisungen von Septima waren eindeutig. Fast hätte er noch 'Ja, Domina Septima' gesagt. Aber nur fast. Er zuckte. Sah sie kurz an. In die Culina durften sie? Pah! Römer! Aber da wollte er ja sowieso hin. Genau! Wegen dem Met!
    Baldemar griff nach Mareis Hand. Er lächelte ihr zu. Dann seiner Frau. Sogar kurz dem kleinen Titus. Seine Kiefer bissen aufeinander. Ja, Septima. Sagte er schlicht. Im Gehen kam nur ein halbherziges 'Herrin' von seinen Lippen. Aber es wirkte so anders. Als wenn er sich zwingen musste so zu reden. Sie nicht mit mehr Respekt zu behandeln. Als Sklave würde er sich vermutlich nie ganz sehen. Aber er fing in der tat an, Septima zu mögen.


    Danach zeigte er Marei den Raum in dem sie mit ihren Eltern schlafen würde. Ja. Er räumte sogar ihre Sachen mit ein. Sodann ging es in die Culina. Doch nicht zum Arbeiten. Er nahm sich etwas zu essen und ein wenig Wein. Met gab es ja nicht. Marei würde Saft zu ihrem Essen bekommen. Sie schien ihn zu mögen. Genauso wie ihr komischer dunkler Freund. Dieser 'Mustersklave'. Pah! Baldemar setzte sich. Naja. Wenigstens trank der Kerl manchmal Wein. Der Met würde noch kommen. Der Marser begann zu grinsen. Er wurde nervöser. Wollte er gerufen werden? Nein! Vielleicht doch. Grummelnd dachte der Germane darüber nach.

  • Als sie erfuhr, dass sie wieder einmal Sachen packen und in ein neues Haus ziehen würden, da wurde Marei ziemlich traurig. Sie hatte gerade ihre gleichaltrige Freundin Sabina wiedergetroffen und sich mit den kleinen 'Brüllbären' alias den Germanicer-Zwillingen angefreundet. Mit zwei weinenden Augen verliess sie an der Hand Frijas die Villa und trottete den Kopf hängend lassend dem neuen Heim zu. Marmor und Statuen, Mosaiken und Wandmalereien würdigte sie keines Blickes und lief asbald neben Baldemar zu den neuen Schlafräumen entgegen. Nachdem ihre Sachen und die Habseligkeiten ihrer Zieheltern eingerichtet waren, konnten sie zur Küche gehen.


    Marei kaute lustlos auf dem belegten Brot und stützte den Kopf mit Hilfe des linken angewinkelten Armes auf der Tischplatte ab. Mannomann, sie waren schon wieder umgezogen und mussten sich an neue Räume gewöhnen. Sie sprach nicht aus, was sie dachte. Dafür zeugte ihre Miene von den Gedanken. Sie begann mit dem vollen Saftbecher zu spielen, liess den Saft im Inneren des Bechers im Kreise kreiseln. Wenn sie nicht aufpasste, würde der Becher mit Hilfe der Schwerkraft asbald leer sein und der Tisch überflutet sein. Ja, warum nicht den Tisch mit ihrem Saft überschwemmen? Sie schielte aus den Augenwinkeln zu Baldemar rüber. Das kleine Sklavenmädchen hatte große Lust mal nicht brav zu sein. Schwupps... der Saft hatte die untere Hälfte der Blumenvase getroffen.

  • Da dies bereits Septimas zweiter, eigener Haushalt war – sie zählte das Praetorium in Mantua mit – verteilte sie am ersten Abend, zusammen mit dem Maiordomus die Aufgaben für jeden einzelnen Sklaven. Frija blieb weiterhin ihre Leibsklavin und war somit für die Kleidung und Ordnung in Septimas Kleiderschrank und Cubiculum verantwort, so wie für alle ihre Wünsche. Baldemar blieb ihr Leibwächter und Marei bekam auch endlich ihren eigenen Aufgabenbereich. Vormittags sollte das Kind im Lesen und Schreiben unterrichtet werden, wozu es von Baldemar in eine der Schulen gebracht und würde und Nachmittags sollte es Unterricht im Garten geben. Marei sollte zum zukünftigen Gärtner ausgebildet werden.

  • ~ einige Tage nach dem Einzug


    Bereits nach einigen Tagen ging alles in der Villa Aurelius Ursus seinen gewohnten Gang und sogar Marei hatte sich die letzten Tage von Baldemar in die Schule bringen lassen. Alles war für die Ankunft des Hausherren hergerichtet worden und die Villa glänzte von oben bis unten. Frische Blumen in edlen Vasen waren überall im Haus verteilt worden und verbreiteten ihren lieblichen Duft.


    Dann endlich traf der Bote ein, der Ursus Ankunft in ein paar Stunden ankündigte. Und obwohl alles schon bestens vorbereitet war, begann Septima wie ein aufgescheuchtes Huhn durchs Atrium zu laufen. „Frija!? Hast du dich vergewissert, dass das Bett frisch bezogen ist? Und ist auch Wein und Wasser in unserem Cubiculum? Was will die Köchin heute zubereiten? Bring sie zu mir, ich will das sie Titus' Leibgericht zubereitet.“ So und ähnlich ging es bald jedem in diesem Haus, ehe Septima nichts anderes übrig blieb, als sich mit Klein-Titus auf dem Arm ins Atrium zu setzten, diesen zu stillen und anschließend auf Ursus' Ankunft zu warten.

  • Eine anstrengende Reise war es gewesen, die sie hinter sich gebracht hatten. Seine Männer erhielten etwas Geld, um in Rom eine eigene Unterkunft zu beziehen und sich ein paar schöne Tage machen zu können. Sie durften das Pomerium ja im Gegensatz zu ihm betreten, die Glücklichen.


    Cimon war der einzige, der noch bei ihm war, als sie das Haus erreichten. Müde und leicht verstaubt stieg Ursus von seinem Pferd und übergab es dem herbeieilenden Sklaven, denn die Ankunft des Hausherrn war natürlich sogleich bemerkt worden. "Komm, Cimon", forderte er den Nubier völlig überflüssigerweise auf, "gehen wir uns den kleinen Stammhalter anschauen! Ich kann es schon nicht mehr erwarten." Er grinste seinen Leibsklaven, dem er in den letzten Tagen mit diesem Thema sicher schon mächtig auf die Nerven gegangen war, entschuldigend an und betrat endlich das Haus.


    Im Atrium dann war es endlich soweit. Septima! Einen kleinen Moment blieb Ursus stehen, als könnte er nicht glauben, daß er endlich hier war und seine Frau und sein Sohn erwarteten. Dann ging er mit schnellen, weitausgreifenden Schritten auf sie zu, um sie und das Kind zugleich zu umarmen. Doch das tat er dann doch nicht, mitten im Schritt stockte er, denn ihm war eingefallen, daß noch etwas zu tun war. Sein Blick suchte den seiner Frau...

  • Still verabschiedete er sich bei den Männern mit einem ergebenen Nicken und folgte seinem Herren. Natürlich hoffte er bald zu Phaeneas gehen zu können, doch ob sein Herr ihm die Zeit geben würde, mochte er noch nicht einzuschätzen. Wobei die Wahrscheinlichkeit recht hoch sein musste...so wie er seinen Herren kannte.
    Bevor sie eintraten, schlug Cimon sanft den groben Staub ein wenig von Ursus' Kleidung. Das war so viel zu unordentlich.


    "Natürlich, Herr."


    Antwortete der Sklave ergeben, als Ursus ihn anforderte, den Stammhalter anschauen zu gehen. Dabei lächelte er ihn offen an. Denn er freute sich für seinen Herren, das dieser mit der Frau die er liebte einen Sohn nun in seiner Familie aufnehmen konnte. Kurz legte er die Hand beruhigend auf den Arm des Römers. Es war eine Geste, die ihm zeigen sollte, nicht zu überhastet zu wirken. Ursus hatte immer gewollt, das Cimon ehrlich war und ihm sagte...oder zeigte, wenn sein Herr gegen die selbstauferlegten Regeln misachtete. Doch er wusste auch, wo er stand und zeigte bei allem was er tat stets seine Ergebenheit Ursus gegenüber, den er inzwischen mehr als eine Art Freund ansah... einen Herren, dem er sein eigenes Leben opfern würde. Nicht weil man es verlangte, sondern weil Ursus ihm wichtig geworden war.
    Das war seltsam, doch Cimon wusste das er niemals vergessen würde, wer sie waren, was sie trennte...aber auch, was sie einte.


    Kaum waren sie eingetreten, kam ein Sklave mit dem Wasser, damit Ursus sich die Hände und sein Gesicht würde waschen können. Dieser würde ihm dann natürlich die Füße waschen. Doch Cimon winkte ihm zu und bedeutete dem anderen Sklaven darauf zu warten, das Ursus es verlangen mochte. So blieb der Sklave in der unmittelbaren Nähe zum Hausherren stehen. So dass dieser sich würde waschen können, wenn er es wollte. Der Nubier nickte zufrieden und atmete ein wenig erleichtert aus.


    Das Stocken seines Herren sah er genau. Er schritt ihm nach und orderte mit leisen Worten bei einem der Sklaven den Wein für seinen Herren in eben jenem leicht bekömmlichen Mischungsverhältnis, wie Ursus es gewohnt war. Allerdings blieb er weit genug zurück um nicht zu stören oder unangebracht aufzufallen.

  • Marei war traurig gewesen. Frija hatte es Baldemar gesagt. Denn der Germane sah so etwas nur sehr selten. Nun sah er neben sich. Die Augen wurden schmaler. Ein Grinsen. Sie würde das verkraften. Sicher. Er sah ihr Spiel. Und schon traf der Saft die Blumenvase. Ein Schnalzen. Ein Kopfschütteln. Die Hand des Germanen nahm den Becher von oben aus ihrer Hand. Dabei zeigte er auf einen Lappen. Früher wäre er wütend geworden. Hätte vielleicht sogar ausgeholt. Aber der Gedanke an Frija beruhigte ihn. Was würde sie jetzt tun?
    Baldemar sah sich um. Seine Frau stand bei der Köchin. Sah ihn lächelnd an. Ihre Augen sahen den Germanen aufmunternd an.


    [Blockierte Grafik: http://666kb.com/i/bgu2t8t0lqygv7wn5.jpg] | Frija


    Sie half beim Essen zubereiten. Sah immer wieder zu ihrem Mann. Zu ihrer kleinen Marei. Sie war traurig. Ein wenig Zeit mit Baldemar würde Marei vielleicht etwas aufmuntern. Das Missgeschick sah Frija genau. Auch das es Absicht war. Jetzt würde es sich zeigen. Hatte der Krieger wohl genug Ruhe?


    Ihre Blicke trafen sich. Lauter atmete Baldemar aus. Stellte den Becher woanders hin. Sah Marei tadelnd an. Dann viel es ihm ein. Langsam beugte er sich zu ihr. Du machst sauber. Und dann gehen wir Ball spielen. Marei musste einfach mal etwas raus. Sich bewegen. Aber vorher sauebr machen. Das war Pflichtprogramm. Fragend sah er zu Frija. Sein Herz war weich geworden. Ja. Aber es schien als gefiele es ihr.



    In den folgenden Tagen wurden Aufgaben verteilt. Wie so oft nahm Baldemar den Maiordomus nicht ernst. Er war der Leibwächter. Mehr musste er nicht wissen. Sie hatten ihre Kammer. Sie drei. Frija schien glücklich. Was wollte er mehr? Sicher nicht früh aufstehen! Aber seine Frau warf ihn jeden Tag aus dem Bett. Damit er Marei zur Schule bringen konnte. Er besuchte ab und an den Unterricht im garten. Manchmal um seiner Tochter danach etwas über die Marser zu erzählen. Etwas über ihre Bräuche. Ihre Götter beizubringen. Oder etwas Sport. Für die Muskeln. Damit sie manchmal mit einem Holzschwert üben konnten. In diesen Momenten war Marei wie sein gewünschter Sohn.

  • Jeden verdammten Morgen! Baldemar begann die Schule zu hassen. Zeigte es seiner Tochter aber nicht. Frija meinte, das Marei lernen musste. Na gut. Wenn es denn so sein musste.
    Die Villa sah schön aus. Es roch gut. Fast wie zu Hause. Nur etwas heller. Der Bote kündigte Ursus an. Na toll. Das fehlte jetzt noch. Frija schubste ihren Mann schon beinahe ins Atrium. Warum sollte er da sein? Septima brauchte doch keinen Schutz. Verwirrt blieb er stehen. Der Germane beobachtete. Fragte sich was er tun sollte. Seine Frau tat alles was Septima verlangte. Das alles noch mit dieser wahnsinns Ruhe. Bestätigte jede Frage. Sorgte dafür das Septima sich wohl fühlte. Und doch. Die Römerin war ziemlich durch den Wind. Grinsend ging er zu ihr. Erstarrt blieb er stehen. Wartete doch lieber auf das Ende des ‚Essens‘. Wird schon. Versuchte er sie zu beruhigen.


    Er trat ein. Der ‚Herr‘. Baldemar stand da. Sah ihn direkt an. Das Getuhe der Sklaven war ja unmöglich. Und so unterwürfig. Fehlte nur noch das Bellen. Er schnalzte leise. Auch wenn andere es nicht sahen. Er sah es. Er kannte den Brauch. Auch von zu Hause. Aber es tat nicht die Frau. War es bei den Römern auch so? Denn wenn er ihn nicht annahm. Die Mutter würde es nicht hergeben. ER würde Titus auch nicht hergeben wollen. Aber Krieger halfen einander. Auch wenn ein Teil ihn hasste. In diesem Moment waren sie beide Krieger. Nicht mehr. Nicht weniger. Baldemar stellte sich vor Septima. Hielt die Arme nach dem Kind aus. Sein Blick sah sie fragend an. Der Germane wäre stolz gewesen, es für sie zu übernehmen. Den Jungen vor die Füße des Vaters zu legen.

  • Dann war es endlich so weit. Frija bekam von einem anderen Sklaven die Ankunft des Dominus gemeldet und sie beugte sich sogleich zu Septima herab, um es ihr zu zuflüstern. Sofort erschien ein rosiger Hauch auf den Wangen der jungen Frau, die Klein-Titus liebevoll im Arm hielt und ihr Gesicht wurde von einem Lächeln erhellt. Septima richtete ihre Haltung, so dass sie gerade auf dem Rand des bequemen Sessels saß und beobachtete ihren Gemahl beim betreten des Atriums. Für einen Moment durchzuckte es sie, war das Verlangen, ihm entgegen zu eilen und sich in seine Arme zu werfen, fast übermächtig, doch die Tiberia hatte gelernt sich zu beherrschen und blieb somit sitzen. Sie wagte es sogar, ihrem Mann einen Befehl entgegen zu setzten. „Halt!“ rief sie klar und deutlich und erhob dabei sogar eine Hand, wie zur Abwehr. Zum Glück hatte Ursus seinen Schritt selbst gebremst und schaute sie an. Ein Lächeln folgte dem Befehl und es drückte unendlich viel Wärme und Zuneigung aus. Langsam lies sie ihre Hand sinken und betrachtete einen Augenblick lang das süsse Gesicht ihres Kindes.


    Als ob Baldemar ihre Gedanken hatte lesen können, stand ihr Leibwächter nun vor ihr und hielt ihr auffordernd seine Arme entgegen. „Es wird Zeit das du deinen Vater kennen lernst, Klein-Titus.“ sprach sie leise zu ihrem Sohn und übergab das in Leinen gewickelte Baby den starken Armen ihres Custos corporis. „Geh und leg ihn seinem Vater zu Füssen.“ forderte sie Baldemar auf und schaute ihrem Leibwächter eindringlich in die Augen. 'Und wenn ihm etwas passiert, dann...' sprachen ihre Augen stumm.
    Septima selbst blieb steif auf dem Rand des Sessels sitzen und beobachtete die nun folgende Geste, bei der Ursus ihr Kind als das seine annehmen würde. Stolz, Angst, Liebe und Furcht standen ihr in die Augen geschrieben, als sie ihrem Sohn und Sklaven hinterher und Titus entgegen schaute.

  • Baldemar schnalzte, das tat er immer wenn ihm etwas nicht gefiel. Es war ein seltenst gehörtes Geräusch. Marei sah zu, wie ihr selbst ausgesuchter Papa sich um den ausgelaufenen Becher kümmerte und wartete auf die Standpauke, die sicher gleich ertönen würde. Stattdessen zeigte sein Arm auf einen Lappen. Marei blieb tatenlos sitzen und wartete darauf ausgeschimpft zu werden. Nichts geschah. Erst nach einer Weile sprach er und forderte sie zum Handeln auf. Er versprach ihr am Ende seiner Worte ein gemeinsames Ballspiel. Ungläubig mit großen Augen sah sie ihn forschend an. Hatte sie sich gerade verhört oder meinte er es tatsächlich ernst? Langsam rutschte Marei von ihrem Platz, holte den Lappen und begann aufzuwischen. Sie pendelte zwischen Eimer und Pfütze hin und her, bis der Tisch wieder sauber war. Und dann lief sie vor, aus der Küche und zu den Schlafräumen rüber, um den Ball zu holen. Und dann gemeinsam mit ihrem Papa den Garten zu finden und Ball zu spielen. Es wurde doch noch ein schöner Abend im neuen zu Hause. Marei war zum Schluß gar nicht mehr so traurig und fiel nach dem Spiel ziemlich müde ins Bett.


    Sie erfuhr am nächsten Tag schon wieder etwas Neues: sie sollte und durfte in die Schule gehen. Danach sollte sie im Garten sein und alles über Gartenpflege lernen. Die Herrin wollte, dass sie alles wichtige über Pflanzen und Blumen wusste. Es erinnerte Marei an das Mosaik, welches sie mit den Steinchen ausgelegt hatte und welches dann Septimas Aufmerksamkeit erregt hatte. Dass die Herrin sich daran errinnerte! Die kleine Sklavin freute sich, dass nach all diesen Stunden, wo sie ihr Wissen anreicherte, Papa Baldemar dazu kam, sich mit ihr beschäftigte und vieles was er erzählt bekommen hatte, ihr weiter erzählte. Die Holzschwert-Spiele waren ungeheuer aufregend und errinnerten sie abermals an ein zurückliegendes Ereignis: diesmal an die trainierenden Soldaten im Lager in Mantua. Na, da würden die Soldaten aber staunen, wenn sie sie jetzt sehen könnten. Marei bemerkte, wie sie kräftiger wurde und den Ball deswegen viel weiter als sonst werfen konnte.

  • Halt! Das war mal ein Befehl! Die Augenbrauen hoben sich ein wenig. Baldemar war überrascht. Angenehm überrascht. So war sie. Seine Septima! Moment. Seit wann dachte er so? Unsicher sah er zu Frija. Kaum konnte er denken. Da hatte er schon den Kleinen im Arm. Den Kopf schräg. Ein Grinsen. Hätte fast ein Germane sein können. Dieser Titus. Er dachte nach. Titus. Was für ein ungermanischer Name. Thingmar! Das war ein guter Name! Ja. Thingmar. Ein Lächeln. Frija erkannte sicher seine Gedanken. Besser er drehte sich um.
    Ein Nicken. Ja. Sprach er fest. Er las in den Augen, was er selber dachte. Er würde den Kleinen Thingmar beschützen. Da gab es kein Vertun. Auf dem weg murrte er etwas. Nur für den Kleinen. Thingmar. Dir wird nichts geschehen.
    Der kleine war so ruhig. So angenehm ruhig. Angesteckt vom Germanen?
    Baldemar sah Ursus in die Augen. Es war deutlich. Aus einem unerfindlichen Grund würde er den Kleinen beschützen. Der Römer sollte ja seinen Sohn annehmen! Sonst würde es etwas geben! Römern traute er ja alles zu. Vor Ursus blieb der Germane stehen. Nickte ihm zu. Ernst. Sehr ernst. Dann tat er wie es auch in seiner Heimat üblich war. Vor die Füße des Römers. Kaum aufgerichtet kam ein stechender Blick. Aber da war mehr. Ungewohnt. Weniger Hass. Mehr Verbundenheit. Seltsam! Ein halber Schritt nur zur Seite. Aber es reichte. Damit Septima sehen konnte.

  • Gerade rechtzeitig hatte Ursus sich gebremst. Septima hatte auch schon "Halt!" gerufen, gerade in dem Augenblick, in dem Ursus stehengeblieben war. Er wollte lächeln, wollte irgendwie zeigen, daß sich niemand sorgen mußte. Aber seine Miene blieb ausdruckslos. Mehr aus Nervosität und Aufregung als aus Berechnung. Er wußte, daß er dieses Kind anerkennen würde. Selbst wenn es nur einen Arm oder zwei Gesichter hätte. Ganz egal. Es war sein Sohn. Septimas Sohn. Aus ihrer Liebe zueinander entstanden, ein göttliches Wunder, wie jedes neue Leben.


    Ganz klein war sein Sohn schon nicht mehr. Trotzdem wirkte er auf Ursus unglaublich winzig. Schon gar in den Armen dieses überaus kräftigen Germanen. Für einen Moment fürchtete der Römer um seinen noch so verletzlich wirkenden Sohn in den groben Armen von Septimas Leibwächter. Doch der war erstaunlich vorsichtig, fast zärtlich und fürsorglich. Sofort spürte Ursus den Stachel der Eifersucht in seinem Herzen. Zumal sein Sohn sich bei Baldemar auch noch ziemlich wohl zu fühlen schien. Er war zu lange fort gewesen! Eindeutig!


    Es schien ewig zu dauern, bis Baldemar ihm das Kind tatsächlich vor die Füße legte. Auch wenn es tatsächlich nur wenige Sekunden gewesen waren. Und da lag der Junge nun, schaute mit großen erstaunten Augen auf die Welt aus einer vermutlich eher ungewohnten Perspektive. Schaute den fremden Mann an. Ursus blieb einen Moment stocksteif stehen, staunte das Kind an, das seins war. Unglaublich. Langsam beugte er sich hinunter. Und nahm den Jungen hoch. Ein wenig unsicher, wie er es anfangen sollte, ohne dem Kind weh zu tun. Den Kopf sollte man stützen, hatte er mal gehört. Also achtete er darauf. Na, war doch gar nicht so schwer. Titus lag in seinen Armen und Vater und Sohn schauten einander an.

  • Was so ein einfaches Wort auslösen konnte? Ursus erwiderte ihr Lächeln nicht und während Baldemar die wenigen Schritte bis zu ihrem Mann ging, schwand auch Septimas Lächeln einer nervösen Anspannung. 'Was wenn er ihn jetzt nicht anerkennen sollte?' ging es ihr immer wieder durch den Kopf und doch war sie sich sicher, dass Ursus ihr beider Kind ohne Vorbehalt akzeptieren würde.
    Dann kam der spannende Moment. Baldemar legte Klein-Titus vorsichtig vor Ursus auf den Fussboden und trat einen Schritt bei Seite. Septimas Herz begann schneller zu schlagen. 'Mein Kind!' In den wenigen Augenblicken, in denen das Baby auf dem Boden ruhte und anfing zu strampeln, musste sie sich selbst zurück halten, nicht aufzuspringen und das Kind wieder an sich zu nehmen. Es kostete sie viel Überwindung, nichts von ihrer Aufregung nach außen hin zu zeigen. Dann nahm Ursus seinen Sohn vom Boden auf und Septima fiel ein Stein vom Herzen. Ihre Lippen teilten sich zu einem Lächeln und sie erhob sich, um zu ihrem Mann und Kind zu eilen.


    Klein-Titus schaute den fremden Mann aus großen, braunen Augen an. Der Platz, an dem er jetzt lag, war hart und ungemütlich. Seine Bewegungsfreiheit war wieder eingeschränkt worden und ganz langsam verzog sich sein niedlicher Mund. Kräftig und laut begann das Baby seinen Unmut zu äußern.


    „Titus!“ sprach Septima sanft ihren Mann an und strahlte von einer Wange zur anderen. Stolz schlang sie einen Arm um den Brustpanzer ihres Mannes und schmiegte ihre Wange an seine Brust. Eine Mischung aus Babyduft und Pferdestall stieg ihr in die Nase, ehe Klein-Titus begann zu schreien. „Schhhhh, schhhhh, schhhhh.“ Durch sanftes berühren der Stirn des Kindes, versuchte Septima Klein-Titus zu beruhigen. "Die kräftige Stimme zum befehlen hat er eindeutig von dir." bemerkte Septima amüsiert und schaute ihren Mann verliebt an.

  • Der Römer war ein Rätzel. Undurchsichtig. Nichts zeigte die Gedanken. Baldemar spannte sich zusehends an. Na was war denn? Der Germane sah den Römer auffordernd an. Na endlich. Römer! Ein Grinsen. Ein leises erleichtertes Ausatmen. Ein Blick. Septima wirkte so ruhig. Baldemar glaubte ihr nicht. Er kannte sie zu gut. Sie war schnell bei Ursus. Das Grinsen des Germanen wurde breiter.
    Der Unmut des Kindes war verständlich. Wie ein richtiger Germane machte Thingmar sich Luft. Fast hätte der Marser gelacht. Septimas Worte schafften es. Baldemar lachte kurz auf. Naja. Murmelte er nur. Sein Blick traf vielsagend die Römerin. Sie konnte auch ganz gut befehlen.

  • Natürlich dachte Ursus nicht daran, daß sein Brustpanzer ungemütlich für das Kind war. Er sah nur, wie das Kind in seinen Armen unruhig wurde und schließlich zu schreien begann. Na, wunderbar! Sein Sohn war quietschvergnügt bei diesem groben Germanen, aber beim eigenen Vater war die Schreierei groß. Zum Glück war Septima schnell zur Stelle, hatte gleich einen Trick auf Lager, um das Kind zu beruhigen und fand auch noch einen positiven Aspekt in der Schreierei. Ursus lächelte erleichtert. "So hat er auf jeden Fall schon eine nützliche Fähigkeit. - Er ist wunderschön, Liebes. Und Du bist auch wunderschön. Du kannst Dir nicht vorstellen, wie sehr ich euch beide vermißt habe." Trotzdem er das Kind noch im Arm hatte, beugte er sich zu ihr, um sie liebevoll zu küssen.


    Den Germanen und seine leise Äußerung hatte er kaum wahrgenommen. In diesem Moment war er auch viel zu glücklich, um darüber nachzudenken, ob das nun respektlos gewesen war oder nicht.


    "Ich hoffe, er gewöhnt sich noch an mich und schreit nicht jedes Mal, wenn er mich sieht", wagte er sogar einen Scherz, auch wenn es ihn immer noch schmerzte, daß sein Sohn bei ihm weinte. Natürlich hoffte er dabei darauf, daß seine Frau ihn gleich beruhigte, was das anging. Schließlich wollte er durchaus, daß sein Sohn ihn gern hatte. Auch wenn jetzt schon klar war, daß die Rolle des gestrengen Vaters kaum eine rein positive war. Aber bis das nötig war, hatte er hoffentlich noch viel Zeit. Ein Säugling konnte doch wohl kaum unartig sein.

  • Hingebungsvoll war die Erwiederung seines Kusses und Septima dürstete es sofort nach mehr. Viel zu lang war es her, dass sie bei einem Mann gelegen hattt, denn selbst hier in Rom hatte sich nicht die Gelegenheit für ein Stelldichein ergeben und die Geburt hatte selbiges ebenfalls verhindert. Um so ausgehungerter war sie nun nach der körperlichen Liebe und ließ für ihren Mann keinen Zweifel daran, dass sie ihn umgehend ins Balneum begleiten würde. Vorausgesetzt, Ursus würde Klein-Titus wieder her geben.


    Das Kind war ruhiger geworden, und die braunen Augen starrten das neue Gesicht an. Die fremde Stimme hatte etwas an sich, dass den Jungen beruhigte und langsam aber sicher fielen die Augen des Babys immer wieder zu.


    Ursus' Komplimente gefielen Septima und ihre Wangen färbten sich leicht rosig. „Es freut mich, dass Klein-Titus dein Wohlwollen findet. Gewiss wird er sich an dich gewöhnen, wenn du mehr als nur ein paar Tage bei uns bleibst.“ Septima griff nach dem Tuch, in welches ihr beider Kind gewickelt war und offenbarte das Geschlecht ihres Kindes. Selbst wenn Ursus nie an ihr gezweifelt hatte, dass das Kind ein Junge werden würde, so wollte die junge Mutter jeden Zweifel ausräumen, in dem sich der Vater mit eigenen Augen überzeugen konnte. „Ich hoffe sehr, dass nicht nur seine Stimme so kräftig ist, sondern alle seine Lebensgeister. Dies ist dein Sohn, Titus, und ich würde mich freuen, wenn wir ihm endlich seinen Namen geben könnten.“ Wieder schaute sie hinauf zu ihrem Gemahl. Für einen Namen hatten sie sich gemeinsam entschieden, aber es oblag dem Mann, das Kind zu benennen. Geduldig wartete Septima.

  • Ach, wie hatte er die Zärtlichkeit seiner Frau vermißt. Ja, auch ihren Liebeshunger, der auch jetzt wieder in ihren Augen zu lesen stand. Vielleicht sogar den ganz besonders. So lange hatten sie sich nicht gesehen! Aber seinen Sohn hatte er noch nie gesehen und so wollte Ursus ihn keinesfalls sofort wieder hergeben. Auch wenn der Kleine es offenbar recht ungemütlich beim Vater fand. Aber das Kind hatte sich beruhigt und quengelte auch nicht, als Septima das Tuch anhob, um zu beweisen, daß es tatsächlich ein Junge war. Nicht, daß Ursus je an Septimas Angaben gezweifelt hatte. Der Kleine schaute seinen Vater neugierig an. Und müde. Immer wieder fielen dem Säugling die Augen zu. Lächelnd betrachtete Ursus das kleine Gesichtchen und schaute dann wieder Septima an. Ernst und sicher klangen seine Worte.


    „Unser Sohn soll Titus Aurelius Durus heißen. Nach mir, seinem Vater, und nach Deinem Onkel, der Dir so viel wie ein Vater bedeutet.“


    Es war ein feierlicher Moment, den Ursus keinesfalls durch Geschwätz zerstören wollte. Dabei lag ihm so vieles auf der Zunge, das er seiner Frau berichten und das er sie fragen wollte. Doch jetzt, in diesem Moment, war nur ihr gemeinsamer Sohn wichtig.

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