[Subura] Verirrt ...

  • Das neu in Rom verstand Axilla ja, aber Luca musste doch irgendwem gehört haben? Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass jemand so schnell zivilisiert werden konnte, dass man ihm soweit vertrauen konnte. Axillas Welt war in der Beziehung herrlich einfach. Die Römer waren die guten, das Römische Reich etwas gutes, die römischen Soldaten die Besten. Feinde Roms waren demzufolge böse. Schwarz, weiß, kein verwirrendes Grau. Auch wenn Axilla ansonsten wirklich überaus tolerant war, hatte sie innerhalb der Ordnung des römischen Gemeinwesens keine Vorurteile gegen irgendjemanden oder irgendetwas. Ihr war es egal, ob ihr Gegenüber Sklave war oder Senator. Entweder konnte sie jemanden leiden, oder nicht. Leander hatte sie wie einen Bruder geliebt, und der war ihr Sklave gewesen. Und Terentius Cyprianus hasste sie mit Inbrunst, und der war Ritter. Daher dachte sie sich auch nichts dabei, mit Luca ganz leicht zu reden, immerhin hatte er sie eben zu schützen versucht und führte sie jetzt zu Kephalos. Das fiel unter „nett“, und damit in die Kategorie Mensch, mit der Axilla sich wohl gerne unterhielt.
    Aber im Moment verwirrte er sie. “Wie meinst du das, er ist dein erster Herr? Oder dientest du ihm früher nur außerhalb von Rom?“ Axilla war zumindest reichlich verwirrt, aber das war noch die vernünftigste Erklärung, die ihr einfiel.


    Das Schild war dann auch schnell gefunden. Soviele griechische Zeichen gab es selbst in der Subura dann ja auch nicht. Auch wenn besagtes Schild halb unter dem Graffitto eines gewaltigen Phallus mit entsprechender Behaarung begraben lag, das munter darübergeschmiert worden war. Und die Farbe war offenbar noch frisch.
    Es brauchte einen Moment, bis Axilla bemerkt hatte, dass Luca ihr jetzt in einem der griechischen Dialekte geantwortet hatte, aber sie hatte jetzt nicht aufgepasst, in welchem. Sie glaubte, es war attisch, als er das nächste Mal was sagte. Sie antwortet dennoch auf Koine und hoffte, dass er sie verstand. Immerhin war letzteres ja ein Mischdialekt aus den anderen griechischen. “Ja, das ist es. Ist es in Ordnung, wenn du mit Malachi hier kurz wartest? Ich muss nur etwas schnell besprechen. Dauert nicht lange, höchstens eine halbe Stunde.“ Treuherzig schaute Axilla kurz zu ihm hoch, wartete aber die Antwort eigentlich gar nicht so wirklich ab. Sie hatte ja kaum eine andere Wahl, als den Sklaven jetzt hier kurz allein zu lassen, um mit ihrem Architekten zu sprechen.

  • Luca hatte gehofft, dass die Domina nicht weiter nachbohren würde, was die Herrschaften anging, bei denen er vor Quintus Flavius Flaccus war. Oder eben bei wem er sonst auch gedient hatte. Denn Luca log eigentlich ungern. Aber sie schien die Lüge nicht wirklich zu erkennen. Dennoch schien sie irgendwie verwirrt, was Luca dazu veranlaste, nun mehr als nur klar und deutlich, wenn auch freundlich zu werden. Er wollte schliesslich auch sich selber schützen und auch wenn er vielleicht keinen Ruf in diesem Sinne hatte, weil er nur ein Sklave war, so nannte er dennoch ein sehr großes Maß an Stolz sein Eigen. Und wie hätte es gewirkt, wenn er gesagt hätte, dass er bei seinen ersten Herrschaften nur wenige Wochen geweilt hätte? Das alles hätte noch mehr Fragen aufgeworfen und Luca war dazu einfach nicht bereit. So sehr Luca auch manchmal unter seiner Vergangenheit litt, so war es die Zeit in seiner Heimat, als er Frau und Kinder verloren hatte. Sonst eigentlich versuchte er immer in die Zukunft zu schauen. So auch hier und jetzt.
    Und die Weltsicht der Domina war ihm nicht bekannt. So wie er eigentlich kaum einen Römer kannte. Was auch immer sie dachte, es war ihm erst einmal egal. Er musste noch viel lernen, die Menschen in diesem Moloch von Stadt kennenzulernen. Denn hier war es nicht anders als in seiner Heimat: Menschen waren verschieden.


    Und auch wenn Luca nicht gerne über dieses Thema redete, hörte er aufmerksam zu, wenn auch etwas ernster.
    »Nein Domina, ich bin wirklich erst seit einigen Wochen in Rom. Ich war vorher kein Sklave. Ich war ... Schmied und Bauer ...« begann er dann knapp zu erzählen und dies auf verständlichen griechisch, wenn auch vielleicht mit leicht anderen Akzent. Das er ein Rebellenanführer in seiner Region gewesen war, liess er erst einmal weg. Denn was würde es ihm schon nützen? Oder der Domina? Er hatte den Kampf verloren. Und er wollte die Frau nicht weiter irritieren, denn das schien sie doch noch zu sein.


    Schliesslich kamen sie an dem Gebäude an, nachdem sie an unzähligen Bettlern und stinkenden Pfützen vorbeigegangen waren, aber ihnen auch vollkommen normale Menschen begegnet waren, eben so wie erneut leicht zwielichtigen. Luca spürte schon, dass dieser Ort so ganz anders war, als der, wo er nun lebte. Aber alles war für ihn anders, denn er kannte solche Viertel, so eine Stadt nicht, lebte er damals doch sehr einfach auf dem Land in einem kleinen Dorf.


    Sie sprach ihn nun auch in griechisch an. Luca verstand sie nun besser, aber welcher Dialekt er oder sie sprach, das wusste er nicht. Es war nicht so, dass Luca nicht sogar ein wenig mehr gebildet war, als nur ein Schmied oder Bauer. Aber Dialekte waren bisher für ihn nicht wichtig. Und so nickte er nur und lächelte freundlich.
    »Natürlich macht es mir nichts aus, hier zu warten, Domina. Außerdem finde ich doch niemals ohne Eurer Hilfe niemals hier heraus ... « Zwar wartete sie kaum die Antwort ab, aber Luca hatte es dann doch noch ausgesprochen. Und er nickte nicht nur ihr zu, sondern auch Malachi. Und er schmunzelte bei seinen letzten Worten fast ein wenig, denn irgendwie würde er es schon zurück in die Villa Flavia schaffen, nur ohne Hilfe konnte das dauern.
    Aber Luca machte eben keinen sehr unterwürfigen Eindruck, wie man es vielleicht von Sklaven gewohnt war. Aber er war stets höflich und wusste sich zu benehmen. Außerdem hatte der bei der Domina icht das Gefühl, dass er sich wie ein unterwürfiger Sklave verhalten musste. Irgendwie hatte er bei der Frau ein gutes Gefühl, denn sie war, wie sein Herr, sehr fair.
    »Lasst Euch alle Zeit der Welt. Wir werden warten!« fügte er noch mit einem aufrichtigem Lächeln hinzu.


    ---
    Signatur für Luca's Sprache in Posts: Luca spricht griechisch | Luca spricht gebrochen Latein

  • So langsam setzte sich in Axillas Kopf ein Bild zusammen nach Lucas Erklärung. Wenn er vorher Bauer und Schmied gewesen war, dann nahm sie an, dass er das wohl in Achaia gewesen war. Und dass er sich wohl so verschuldet haben musste, dass er sich selbst in die Sklaverei hatte verkaufen müssen oder dazu verurteilt worden war. So oder so aber sicherlich nichts, worüber er gern sprach, und so neugierig Axilla auch war: Luca war nicht ihr Sklave. Es ging sie also nichts an, was er vor seinem Sklavendasein gemacht hatte. Aber wenn er vorher frei gewesen war und erst Sklave geworden war, war es ihm sicher unangenehm, davon zu sprechen. Und Axilla war zwar neugierig, aber nicht so sehr, als dass sie da weiter nachbohren würde. Das hatte sie ja noch nicht einmal bei Malachi getan, als sie gemerkt hatte, dass er da ihren Fragen ausgewichen war.
    “Den Schmied sieht man noch“, meinte sie mit einem leichten Rückhandklaps auf seinen Oberarm. Muskeln hatte Luca in jedem Fall noch wie ein Schmied. Und Axilla dachte sich, dass es vielleicht ganz gut wär, die Situation mit einem leichten Scherz zu entschärften und dann einfach nicht weiter auf das zuvor Gesprochene einzugehen.


    So oder so wurde jegliche Unterhaltung aber sowieso erst einmal unterbrochen, denn sie waren ja angekommen, und Axilla wollte ja wirklich zu Kephalos. Als Luca also sein Einverständnis auch erklärte – auch wenn Axilla auch ohne dieses verschwunden wäre – hatte sie auch schon angeklopft. Als sich die Tür öffnete und sie vom Hausherrn begrüßt wurde, der zwar überrascht, aber sehr höflich war, war sie auch schon mit einem “Dauert sicher nicht lange!“ im Inneren des Bauwerkes verschwunden und Luca war allein mit Malachi.


    [Blockierte Grafik: http://img823.imageshack.us/img823/1926/malachi2.jpg]


    Malachi hatte die ganze Zeit nichts gesagt seit dem Rempler von vorhin. Im Grunde gab es auch nicht viel, was er zu dem kleinen Gespräch hätte beisteuern können, und im Grunde war er ja auch gar nicht daran interessiert, etwas beizusteuern. Er hatte vor langer Zeit damit aufgehört, leichtherzig zu scherzen und zu reden. Das hatte die Zeit als Gladiator durchaus effektiv aus ihm herausgeschlagen, herausgeschwitzt, herausgeblutet.
    Und so stand er auch jetzt, als seine Herrin im Haus verschwunden war, einfach nur so schweigsam wie zuvor da, die Arme locker hängen gelassen, und beobachtete die vorbeigehenden Leute, suchte nach Zeichen von Angriff und Gefahr, und wartete einfach darauf, dass seine Herrin wieder herauskommen würde.

  • Was auch immer sich die Frau dachte, Luca konnte ja keine Gedanken lesen und auch wenn er ungern log, so hatte er es getan, ohne eigentlich dabei ungerecht zu sein. Er dachte eben an sich und sprach nicht gerne über seine Vergangenheit.
    Deshalb hatte er auch vermieden, der Frau zu erzählen, dass er einst ein Kämpe war, der dann, wenn leider zuerst auch wegen eines infamen Verrates, verloren hatte gegen die Römer. Aber warum sollte er ihr davon erzählen? Er hatte gegen ihre eigenen Leute gekämpft, hatte viele getötet. Würde sie das verstehen? Würde das nicht lange Diskussionen nach sich ziehen? Nein, dass sollte so nicht sein, auch wenn Luca sehr stolz war. Aber warum sollte er die Frau nachher noch gegen sich aufbringen? Sie war nicht wirklich sein Feind.
    Auch wenn sie eine Römerin war. Nein, auch Luca wusste, wann es Zeit war, zu schweigen. Als sie dann meinte, das man ihm den Schmied noch ansehen würde und ihm einen leichten Klaps auf seinen Oberarm gegeben hatte, lächelte er nur leicht, aber etwas schief, was sie dann aber nicht weiter mitbekam, da sie schliesslich an den Ort angekommen waren, wohin sie wollte. Und Luca war auch erleichtert, dass sie nicht nach bohrte, denn auch wenn es nicht gerade so schien, aber auch Luca redete nicht immer gerne. Und er war sehr froh, dass sie es alles doch recht locker aufnahm. Aber was erwartete sie? Was erwartete Luca? Eigentlich gar nichts. MAn war freundlich und wollte sich gegenseitig helfen. Er hatte seinen Teil so gut getan, wie er konnte und war nun auch bereit, noch etwas zu warten.


    Er machte sich keine Gedanken darüber, dass er vielleicht über seiner freien Zeit war. Er dachte nicht darüber nach, ob die Menschen in der Villa vielleicht dachten, dass er stiften gegangen war. Er hatte sich hier halt verirrt. Und irgendwie würde er es natürlich auch ohne die Domina schaffen, irgendwie alleine zurück zu finden. Aber Luca war ein Mann von Ehre. Natürlich würde er hier auch noch etwas warten.


    Und dann traf die Frau auf jenen Mann hinter der Tür, welchen sie antreffen wollte und verabschiedete sich damit, dass es nicht lange dauern würde. Luca nickte nur stumm und fand sich kurz darauf später alleine mit ihrem Leibwächter alleine vor dem Haus. Dieser war eh nicht sehr redselig und Luca kannte diesen Schlag von Männern, die nur redeten, wenn es wirklich notwendig war. Also, was sollte Luca den Mann schon fragen? Nachher stellte er noch die falsche Frage und würde mit einem Schweigen belohnt. Der Mann neben ihm strahlte deutlich aus, dass er sich nicht gerne unterhielt und Luca wollte ihn somit dann auch nicht herausfordern.


    Und so schwieg Luca. Auch er schaute sich aufmerksam um, aber dachte weniger an Gefahr. Was sollte der Frau nun hier schon passieren, wo sie im Haus war. Luca schaute sich einfach nur interessiert um. Das war schon eine seltsame Stadt: Die Reichen lebten in sicheren Villen und die sehr viel ärmeren hausen in solch abgewrackten Vierteln ... Luca musste sich daran erst noch gewöhnen. Und dann verging die Zeit voller Stille. Auch wenn um sie herum auf eine gewisse Weise ein ganz eigenes Leben herrschte. Eine Zeitlang war das ja auch interessant, aber dann entschied Luca, dass er es albern fand, nicht doch zu versuchen, mit dem Mann vielleicht ein paar Worte zu wechseln.
    »Ich stammen aus Dalmatien. Und du?« fragte er einfach mal ganz simpel und in seinem schlechten Latein, da er nicht wusste, ob Malachi griechisch verstanden hatte. Er würde ja sehen, oder besser gesagt hören, ob ihm der Mann, der ähnlich wie Luca, stark und kräftig war, antworten würde. Und wie knapp die Antwort ausfallen würde. Würe sie es, würde Luca es auch akzeptieren, denn Luca wusste schliesslich nichts über den Mann und aufdringlich wollte er sicherlich nicht sein.


    ---
    Signatur für Luca's Sprache in Posts: Luca spricht griechisch | Luca spricht gebrochen Latein

  • [Blockierte Grafik: http://img823.imageshack.us/img823/1926/malachi2.jpg]


    Eine ganze Weile herrschte Stille. Oder das, was man in einer Stadt wie Rom mit ihren vielen Bewohnern und einem Viertel, das so dicht gedrängt wie dieses war, so Stille nannte. Ein kurzer Gedanke zuckte durch Malachis Geist, wann er zuletzt einen Moment wirklicher Stille gehabt hatte, ohne das Schreien von irgendjemandem, ohne den Krach von Menschen und Hunden, das Lärmen der Händler, das Stöhnen der Hungernden, das Flehen der Bettler. Er war schon so lange in Rom, dass die Zeit davor ein ganz anderes Leben war.
    Malachi sah noch vor sich die weite, karge Ebene mit dem spärlichen Gras und dem noch spärlicheren Wasser, der blaue Himmel, nur durchbrochen vom Schrei eines einsamen Habichts auf der Suche nach Beute, oder hin und wieder ein Geier. Er verscheuchte die Erinnerung wie stets, dachte nicht mehr daran. Es war ein anderes Leben, das er gehabt hatte. Er war tot, sein Körper hatte es nur noch nicht verstanden. Und bis er es hätte, würde er einfach nur machen, was ihm gesagt wurde. Keine Fragen, auf die er ohnehin keine Antworten hatte.


    Und Malachi wäre auch zufrieden gewesen, weiter in dieser lauten Stille einfach zu warten und sich nichts weiter zu denken, einfach die Menschen zu beobachten, die vorbeigingen und ihn ansahen, oder auch die, die keine Augen für ihn hatten. Es störte ihn weder das eine noch das andere, ergeben in völliger Gleichgültigkeit hätte er einfach gewartet.
    Aber ihm wurde eine Frage gestellt, von dem Sklaven, den seine Herrin aufgegabelt hatte. Malachi riss sich aus seiner betrachtenden Nicht-Betrachtung der Straße los und sah kurz zu Luca hinüber. Jetzt sprach er wieder die Sprache der Römer. Malachi konnte die besser sprechen als griechisch, wenngleich er die Sprache recht gut verstand. Das blieb nicht aus, wenn man mit zig Männern eingesperrt war, jeder irgendwo aus einem anderen Teil der zumeist griechisch sprechenden Welt, und man verstehen wollte, was sie sagten.
    Dennoch antwortete er auf Latein. “Aus Judäa. Ein kleines Dorf, nördlich von Sebaste. Ist schon lange her.“
    Er lockerte seinen Stand ein wenig, und drehte sich seinem Gesprächspartner etwas mehr zu. Er war noch nie ein großer Redner gewesen, und er tat es auch nur, wenn er etwas gefragt wurde. Dennoch wusste er um die Wirkung von Schweigsamkeit, und er wollte hier in der Subura nicht mehr Spannung aufbauen, als ohnehin schon da war. Auch wenn es im Grunde gleichgültig war, Luca, seine Herrin, sein Leben.
    “Ich verstehe griechisch, ich sprech es nur nicht gut“, fügte er also noch hinzu, was schon das äußerste Maß an Freundlichkeit an einen anderen Menschen darstellte, zu dem er bereit war.

  • Luca mit Malachi vor einem Haus


    Luca lächelt nur leicht, als er eine Antwort von dem Leibwächter und Sklaven von Iunia Axilla bekam, denn damit gerechnet hatte er nicht wirklich. Aber er fand es irgendwie auch seltsam, hier draussen nun einfach stillschweigend auszuharren. Und Luca hatte nun einmal ein ganz anderes Schicksal als der andere Mann neben ihn, Luca wusste nichts über ihn, außer, dass er schweigsam war und körperlich recht stark.
    Und so freute es den Dalmaten, der Mann antwortete, und sogar noch hinzufügte, dass er griechisch zwar verstand, aber nicht sonderlich gut sprach. Luca, der sich während des Gesprächs eben so umschaute nach einer eventuellen Gefahr, nickte, dass er verstanden hatte. Dennoch hatte er den Eindruck, dass der Mann neben ihm einfach nicht gerne sprach. Er wirkte auf seine Weise sehr in sich gekehrt, irgendwie fast abwesend. Dennoch war er da und schaute sich auch um. Luca wollte ihn nun aber auch nicht zu sehr mustern und ihm nicht damit zu nahe treten.
    Aber irgendwie hatte Luca immer wieder den Eindruck, dass der Blick des Mannes mehr als leer war. Und auch wenn Luca nichts über ihn wusste, so hatte er den Eindruck, dass der Mann alles andere als sein Leben sah. Irgendwas war sicherlich vorgefallen, vielleicht ähnlich wie bei Luca. Oder aber, der Mann wollte einfach nicht viel reden. Luca jedenfalls hatte nicht vor, ihm weiter zu nahe zu treten. Luca aber war noch so neu in Rom. Und da stand er hier gemeinsam mit einem anderen Sklaven und auch wenn die Schicksale verschieden waren: Sklaven waren in Lucas Augen erst einmal Gleichgesinnte.
    »Judäa. Das sein weit weg.« kommentierte der Dalmate dann einfach und ohne einen Unterton, denn Luca hatte nichts gegen Menschen aus anderen Ländern, auch nicht gegenüber Juden. Luca hatte eigentlich nur etwas gegen Römer.
    Er hätte dann auch gerne weiter gefragt, aber er gestand sich ein, dass es nur darum gegangen wäre, ein wenig zu reden und der Mann machte nicht den Eindruck, dass er wirklich reden wollte und wieder glaubte Luca, da mehr herauszuhören, was er sagte. Das es lange her wäre. Hatte der Mann sich aufgegeben? Wenn ja, hatte er sicherlich das schlimmste durch gemacht.
    Um aber nicht unhöflich zu sein, sprach Luca dann, auch wenn er nicht danach gefragt wurde: »Ich stammen aus Dalmatien. Es sein noch nicht lange her.« Und dann grinste er leicht und fügte hinzu: »Es sein doch nicht schlimm, dass du .. wie man sagen, nicht so gut kannst meine Sprache. Ich nicht können nicht ein Wort aus deinem Land. Und wie du hören, ch schlecht sprechen Sprache von hier ... « Luca ging davon aus, dass sein Land auch eine eigene Sprache hatte. Doch dann liess er den Mann in Ruhe, denn Luca wollte sich nicht aufdrängen.
    Er schaute sich weiterhin um, sah den Menschen nach, die an ihnen vorbeizoggen, vernahm all die ihm fremden Geräusche ... den Duft.


    ---
    Signatur für Luca's Sprache in Posts: Luca spricht griechisch | Luca spricht gebrochen Latein

  • [Blockierte Grafik: http://img823.imageshack.us/img823/1926/malachi2.jpg]


    Offenbar wollte der andere nicht lieber Griechisch reden, wie Malachi angenommen hatte. Er hätte kein Problem damit gehabt, wenn Luca in der einen und er in der anderen Sprache geredet hätte. Aber im Grunde war es ihm gleichgültig. “Ja, sogar weiter als Dalmatien“, stimmte er also zu und ließ das Schweigen zwischen ihnen beiden wieder anwachsen.
    An dem Punkt, wo es anfing, für die meisten Menschen unangenehm zu werden, fing Luca wieder an, zu reden. Malachi hörte einfach nur ruhig zu und beobachtete weiterhin die Straße und die vorbeikommenden Menschen. Ein freundschaftliches oder auch nur vernünftiges Gespräch sah sicherlich anders aus und war von weit mehr Interaktion geprägt, doch es war die schlichte Tatsache, dass es Malachi tatsächlich egal war. Er wollte keine Freunde, er wollte nicht mehr geben als nötig. Er wusste, wie das wirkte, wusste um die Unhöflichkeit. Nicht nur einmal hatte seine Art ihn unter den Gladiatoren abgegrenzt. Während die anderen scherzten und auch lachten, obwohl sie Sklaven waren, saß er oft allein und aß wie mechanisch seinen Puls. Er atmete, er aß, er tat, was ihm gesagt wurde. Aber nicht mehr.
    “Die lernst du mit der Zeit“, kommentierte Malachi dann nur die Aussage, dass der andere nur gebrochen Latein sprach. Er hatte anfangs außer 'Ja' und 'Nein' nur ein paar nette Beleidigungen gekannt. Aber das war nun mehr als ein Dutzend Jahre her, und heute fragte er sich eher, ob er noch seine Sprache sprechen konnte. Wenn er sich überhaupt einmal nach irgendetwas fragte, hieß das.


    ---
    Nach etwas mehr als einer halben Stunde kam schließlich Axilla wieder heraus und sah sichtlich zufriedener und entspannter drein als zuvor. Selbst der Anblick der Straße vor dem Haus konnte das nicht gänzlich revidieren, auch wenn sich zu dem Lächeln ein tiefes Durchatmen gesellte, als ginge es nun auf in die Schlacht.
    “Na, habt ihr mich vermisst?“ meinte sie frech zu ihren beiden Begleitern, und zwar noch immer in Koine. Nachdem sie das eine halbe Stunde lang mit Kephalos gesprochen hatte, fiel es ihr noch nicht einmal auf. Und die Frage war ohnehin nicht ernst gemeint.
    “Also, meinetwegen können wir jetzt gehen.“

  • Luca hatte dann doch bemerkt, dass sich Malachi nicht wirklich gerne unterhielt. Und Luca nahm es nicht persönlich. Er hatte den Mann vorsichtig beobachtet, hatte gehofft, dass dieser es nicht bemerkte. Da war so wenig "Leben" in ihm, nie ein Lächeln, oder auch nur der Hauch von einem Mundwinkel, der sich nach oben schob. Dieser Mann musste schlimmes erlebt haben. Was auch immer. Luca hatte auch Schlimmes erlebt. Aber er war nicht der Mensch, der rechnete, denn das war nicht seine Art. Und ausserdem kam es immer darauf an, wie eine Seele es aushielt. Der eine weniger, der andere mehr. Manchmal war Luca sehr froh darum, dass er nicht an seinen Erinnerungen und Schicksalsschlägen zerbrochen war. Er war eine Zeit lang kurz davor gewesen. Besonders, als ihn dann auch noch ein Freund verriet und die Römer ihn und seine Rebellen überrannten. Dabei war das weniger schlimm, als seine toten Kinder zu finden und seine Frau.
    Aber Malach mochte etwas anderes widerfahren sein. Doch es war egal, was, Luca merkte, dass der Sklave sich nicht gerade gerne unterhielt. Luca akzeptierte es.


    Und so hatte Luca genickt, mit einem freundlichen Zug um den Mund, sich dann aber zurückgehalten. Dennoch hatte er auf Latein gesprochen und gedaankt. EInfach so: »Danke Malachi!« Der Dank war ihm wichtig. Doch dann schwieg Luca. Dennoch: Wie auch immer der Sklae den Dank aufasste, es war eben ein Dank. EIne ehrliche Aussage. Auf alles, was der Mann sagte und sei es nur, dass Luca das Latein schon lernen würde.
    Er wollte den Menschen schliesslich nicht quälen, hatte Luca doch das Gefühl, dass ihn schon sehr viel mehr anderes quälte, was immer es auch war. Und Luca wollte sich nicht aufdrängen. Er selber kannte sich hier überhaupt nicht aus, schon gar nicht in der Stadt. Sein es Strassen oder die Menschen. Ihm war alles fremd und ihn quälte das Heimweh.
    Und so hatte Luca einfach nur schweigsam genickt und dann dann den Rest der Wartezeit ebenfalls die Gegend aufmerksam begutachtet, die Menschen beobachtet. Es war zwar eine lange und schweigsame Zeit aber Luca nahm dies zum Anlass, in sich zu gehen und zu beobachten. Menschen waren so verschieden. Und eigentlich war es spannend. Aber nicht, wenn er das Gefühl hatte, dass es Menschen gab, die zwar handelten, aber von denen er glaubte dass sie kaum mehr fühlten, oder wenn, dann in ganz anderen Bahnen. Luca suchte keine Freunde. Er hatte nur freundlich sein wollen. Doch nun hatte er eingesehen, dass es wohl das Beste wäre, zu schweigen. Und dem Mann an seiner Seite zu zeigen, dass er es in Ordnung fand und ihn deshalb nicht verurteilte, auch wenn Luca das Gefühl hatte, dass es ihm eh egal war. So wie alles, ausser, dass er noch mit wachen Augen um sich schaute.


    Aber auch Luca schaute sich dann um und begutachtete alles, saugte es in sich auf. Alles war so fremd und neu. Und er wollte lernen und verstehen. All die Armut, der Schmutz und Dreck hier. Und er lebte in einer sehr feinen Villa ... wenn auch als Sklave. Wie wohl Malachi lebte und Luca ragte sich, ob er es überhaupt wahrnahm. Luca hätte gerne mehr über den Sklaven gewusst, aber er hielt sich zurück.


    Und daher kam ihm die schweigsame Wartezeit auch ein wenig wie eine Ewigkeit vor. Doch schliesslich kam die Frau zurück und als sie fragte, ob man sie vermisst hätte, glaubte Luka den kleinen Spass darin zu verstehen und lächelte einfach. Wenn er ehrlich war, wollte er hier einfach nur fort, aber er wusste ja nicht wohin er gehen musste. Natürlich hätte er sich einfach auch durchfragen können, er war also eigentlich nicht wirklich auf die Frau angewiesen. Aber diese war einfach freundlich und natürlich hatte auch er gewartet. Und so nickte er und sprach, eben so wie sie in griechisch, auch wenn sie einen anderen Dialekt sprach: »Gerne Herrin. Nur kenne ich mich eben nicht aus. Ich begleite Euch also gerne noch aus diesem doch recht dunklen Viertel und würde dich dann nur bitten, mir zu sagen, wie ich zurück zur Villa Flavia komme ...«[ Luca lächelte leicht, fast schon etwas verschmitzt. Denn Luca war kein Sklave, der sehr unterwürfig war, im Gegenteil. Er war immer offen mit seiner Mimik. Denn er kannte das Sklavendasein noch nicht und hatte einfach einen guten Herren.
    Wahrscheinlich war er der erste Mann, der nach dem Weg fragte, denn normalerweise taten dies nur Frauen. Aber Luca wollte nicht ewig durch die Stadt irren und seinen neuen Herren eventuell das Gefühl geben, er wäre durchgebrannt. Luca fragte also auch nicht, ob sonst alles in Ordnung gelaufen war bei der Frau, denn dies ging ihn nichts an. Dennoch war er, trotz der längeren Wartezeit, nicht gerade unglücklich darüber, diese Frau und ihren Leibwächter kennen gelernt zu haben. Luca kannte in in diesem Moloch sonst kaum wen ... und so schaute er jene Frau mit den dunklen Augen und Haaren freundlich an. Irgendwie mochte er sie. Aber natürlich hielt er sich auch hier zurück. Dennoch sprach er:
    »Also Herrin, in sofern will ich ehrlich sein und ja, ich habe dich vermisst. Denn meine Hoffnung ruht auf dich. Ich hoffe, dass du weisst, wie wir hier zurück finden?«
    Wenn Luca ehrlich war, würde er das eigentlich auch alleine schaffen, nur würde es viel länger dauern, aber er wollte nun einfach höflich sein.
    ---
    Signatur für Luca's Sprache in Posts: Luca spricht griechisch | Luca spricht gebrochen Latein

  • “Ja, keine Sorge, ich habe dich schon nicht vergessen“, meinte Axilla fröhlich und beschwingt und schien zu der Person von vorhin wie ausgewechselt. Aber sie hatte sich mit Kephalos prima unterhalten, der alte Grieche hatte sie mit seinen Schrullen wie meistens sehr amüsiert, sie hatte alles erledigt bekommen, was sie hatte erledigen wollen. Und darüber hinaus hatte sie auch noch gute Nachrichten zu verkünden gehabt, denn allem Anschein nach konnten sie mit den Renovierungarbeiten am Tempel des Mars tatsächlich beginnen. Allessamt also Gründe, die ihre Laune sichtlich hoben. Plus dazu der Grund, dass sie sich selbst einredete, dass sie sich nicht so verschreckt benehmen sollte und wieder fröhlich sein sollte. Axilla war schon immer gut darin, sich Sachen vorzunehmen und einfach zu machen, ohne weiter über die eigentlichen Gründe nachzudenken.


    Und so war sie auch jetzt relativ unbeschwingt und ließ es einfach nicht mehr weiter zu, sich unwohl zu fühlen, während sie sich wieder zwischen dem nach wie vor schweigsamen Malachi und dem etwas aufgeschlosseneren Luca einordnete und mit einem “Da lang“ einfach eine Richtung vorgab und losmarschierte. Lediglich ihre Augen, die doch hin und wieder über die fremden Menschen huschten, mochten nicht ganz über ihr Lächeln dann und wann hinwegtäuschen, wenn ihnen doch eine etwas zwielichtigere Gestalt entgegentrat. Allerdings glaubte Axilla nicht, dass das irgendjemand bemerken würde, vor allem, da sie sich selbst einredete, dass das ohnehin nichts war. Und wie immer, wenn sie über eine Sache hinwegtäuschen wollte, fing sie an, zu plappern.
    “Wie heißt es so schön? Alle Wege führen nach Rom. Und in Rom führen alle Wege zum Forum. Naja, vielleicht nicht alle. Aber die hier sollten dahin führen, wenn wir immer leicht hangab gehen, Richtung Tiber. Wir waren ja vorhin schon fast am Augustusforum. Kaum zu glauben, dass so ein prächtiges Forum direkt an die Subura anschließt, aber... naja, ist halt so. Und direkt dahinter ist die Wohnlage ja auch bedeutend besser.“ Es war relativ inhaltsleer, um nicht zu sagen komplettes Geplapper, aber Axilla musste den Klang ihrer eigenen Stimme nur laut genug hören, um sicher zu gehen, dass diese leichtherzig klang. Denn wenn ihre Stimme so war, dann musste sie ja auch so sein. Kein Grund für Anspannung oder gar Angst. Vor allem, da sie ja beschlossen hatte, beides nicht zu fühlen.
    Allerdings konnte sie nicht den ganzen Weg entlang nur plappern, irgendwann gingen selbst ihr die Phrasen aus. Also lenkte sie sich weiter ab, indem sie Luca einfach ausfragte. “Und du gehörst also Flaccus? Hat er dir von mir erzählt? Nein, wahrscheinlich nicht, hab ihn ja schon lange nicht mehr gesehen, und wenn du erst kurz in Rom bist, dann ist das wohl schon zu lange her. Wie geht es ihm so? Was treibt er so? Ich hab schon lang nichts mehr von ihm gehört.“

  • Luca schmunzelte nur ganz leicht und er war sich nicht sicher, ob es jemand gesehen hatte, aber er fand das schon lustig, wie ausgelassen, ja geradezu beschwingt die Frau auf einmal war. Sie wirkte wie ausgewechselt. Aber sie brauchte doch nun auch keine Angst mehr zu haben. Allein schon ihr Leibwächter würde sie im Notfall schützen und nun hatte sie noch einen weiteren, stattlichen Beschützer neben sich. Und Luca würde nicht zögern, sich für Iunia Axilla einzusetzen. Und warum? Weil sie eine Frau war? Oder weil sie so dunkle Haare hatte, wie seine gestorbene Frau? Nein, einfach so. Weil sie ein freundlicher Mensch war und Luca immer Menschen helfen würde, die schwächer waren. Und sogar denen, die es nicht waren, denn darauf kam es ihm nicht an. Auch kam es nicht auf den Stand an. Er würde auch einer Sklavin in Bedrängnis helfen ...


    Aber nun ging es weiter und Iunia Axilla wusste wohl, wie sie hier heraus kamen und so begleitete Luca sie und ihren eher schweigsamen Leibwächter. Er musste ja langsam auch zurück, sonst dachte die in der Villa Flavier noch, er wäre stiften gegangen. Also horchte er den munteren und vielen Worten der Frau, während er selber schwieg und manchmal nur nickte, oder leicht schmunzelte über die Aussage, dass alle Wege nach Rom führen. Dennoch hasste er diese Arroganz. Aber natürlich war Rom der Nabel der Welt für alle Römer und Luca konnte nicht verhehlen, dass sie eine ungemeine Macht in sich trugen. Weswegen er wohl auch unterlegen war, aber er und seine kleine Rebellion wäre auch ohne den Verrat eines Freundes irgendwann besiegt worden ...


    Und so schritten sie die Gassen entlang und Luca schaute sich um, unauffällig, aber wachsam und er spürte, wie elendig die Menschen hier doch zum Teil hausten. So eng an eng und da war teilweise so viel Schmutz. Da hatte er es in der Villa doch wirklich gut.


    Schliesslich fragte die Herrin ihn, ob Flaccus ihm von ihr erzählt hätte. Und sie schlussfolgerte richtig: Nein. Sonst hätte Luca anders auf ihren Namen reagiert.
    Schliesslich antwortete Luca dann in griechisch: »Es geht ihm so weit ich das beurteilen kann recht gut.«
    Und da Luca noch nicht wirklich lange bei seinem Herren war und wenig über ihn wusste, er auf der anderen Seite aber auch nicht einfach irgendwas tratschen wollte, antwortete er aufrichtig: »Verzeiht, aber ich weiss nicht, was er so macht. Besucht ihn doch einfach. Oder soll ich ihm etwas ausrichten? Mich freut es jedenfalls, jemanden wie dich kennenzulernen, der Flaccus Flavius kennt.« Luca meinte es ernst. Aber er sprach nun nicht von seinem Herren, denn eigentlich hasste er es. Er war sein eigener Herr.



    Sim-Off:

    Ist ja alles noch vor der Germanienreise und so. Und sorry, dass ich etwas brauchte, aber ich schrieb es ja per PN. Und auch heir noch ienmal alles Liebe zu deinem Ehrentag!


    edit: Die Farbe

  • Je weiter sie sich dem Augustusforum dann tatsächlich näherten, umso besser wurde die Wohnsituation dann auch. Immerhin war nicht die komplette Subura so sehr verarmt, dass die Menschen gar nichts mehr hatten. Auf dem Aventin gab es auch Gegenden, die durchaus so schlimm waren wie die schlimmsten Ecken der Subura. Und in der Subura wiederum gab es auch Ecken, die ganz normale Wohnviertel waren. Gaius Iulius Caesar hatte zeitweilig ja selbst bekanntermaßen in der Subura gewohnt.
    Und so wurde Axilla zunehmend lockerer, je stabiler die Insulae, an denen sie vorbeikamen, und je besser gekleidet die Menschen, denen sie begegneten. Zwar noch immer kein Vergleich zu der Gegend, wo die Casa Iunia stand, und erst recht wohl kein Vergleich zu der Gegend um die Villa Flavia, aber immerhin nicht mehr ganz so heruntergekommen. Wenngleich nicht weniger voll. Hätte Axilla ihre nunmehr zwei Leibwächter hier nicht gehabt, es wäre stellenweise wohl doch etwas eng geworden. Aber zwei große Kerle schreckten wohl mehr ab als ihr durch Kleidung und Erscheinung anzunehmender Stand – immerhin hatte sie den Ordo equester.


    Allerdings war die Ablenkung durch Luca dennoch nicht so groß wie erhofft. Axilla hatte gehofft, er würde ein wenig erzählen, wie es Flaccus so ging, was er so trieb, so dass sie einfach nur zuhören konnte und sich ablenken. Aber im Grunde war der Grieche mit zwei, drei kleinen Sätzen auch schon fertig, was das reden anging, und sie stand schon wieder vor dem Problem, Konversation treiben zu müssen.
    “Ich glaube nicht, dass es so eine gute Idee ist, ihn zu besuchen. Sein... Vetter“ Axilla hatte keine Ahnung, wie genau Piso und Flaccus verwandt waren, und unterstrich diese Unsicherheit entsprechend mit Gestik und Mimik. “Flavius Piso kann mich nicht leiden. Weißt du, ich war mit seinem Freund verheiratet, und der ist... gestorben und Piso... ach, ist eine lange Geschichte. Er mag mich einfach nicht. Da sollte ich Flaccus besser nicht besuchen, bevor es da noch Ärger gibt. Aber du kannst ihm einen schönen Gruß ausrichten, und dass ich es bedauere, dass er doch nicht zu den Lupercalia hatte kommen wollen.“
    Ja, so ein klein wenig tat Axilla das schon leid, dass Flaccus nicht mehr hatte kommen mögen, nachdem sie ihm gebeichtet hatte, dass sie Piso geschlagen hatte. Aber sie konnte da ja gar nichts dafür! Hätte sie sich von diesem Idioten weiter als Hure beschimpfen lassen sollen, nur weil Archias verrückt gewesen war und sich für nichts und wieder nichts das Leben genommen hatte, auch noch indem er in aller Öffentlichkeit vom Tarpejischen Felsen gesprungen war? Piso hatte sie von Anfang an nicht leiden mögen als Frau an Archias Seite, das hatte er desöfteren nur allzu deutlich gezeigt. Und nach dem Tod ihres Mannes war das ganze nur noch weiter eskaliert. Und irgendwann riss auch der zurückhaltendsten Person einfach der Geduldsfaden, was Beschuldigungen und Beleidigungen anging. Und Axilla war nicht unbedingt die geduldigste.
    Sie könnte sich ja jetzt noch über diesen aufgeblasenen Windbeutel und seine Worte aufregen, wenn sie nur daran dachte! Nein, nein, besser nicht darüber nachdenken. Luca konnte schließlich nichts für die Verwandtschaft seines Herrn.
    “Und wie gefällt dir Rom bislang?“ fragte sie also weiter, einfach um weiter zu reden und das Gesprächsthema möglichst weit weg von Piso zu verlagern, während am Ende der Straße schon das Augustusforum mit dem Tempel des Mars und seinen strahlend weißen Säulen in Sicht kam.

  • Luca hatte keine wirkliche Ahnung wo sie sich befanden, dafür kannte er Rom einfach nicht. Er hatte sicherlich in seiner Heimat eine gute Orientierung, aber da kannte er sich eben auch aus. Im Gegensatz zu hier und solch eine große Stadt hatte er vorher noch niemals in seinem Leben gesehen, auch wenn kleinere Städte, auch in Griechenland. Und so blieb ihm nichts anderes übrig, als der Frau zu folgen, denn sie kannte sich besser aus. Aber auch Luca bemerkte, dass die Gegend wohl etwas besser wurde: Weniger seltsam arme, schiefe Häuser und vor allem: Weniger obskure Gestalten. Er selber sorgte sich nicht, aber er war schon froh, wenn die Frau in Sicherheit war, auch wenn sie einen starken Mann von Sklaven an ihrer Seite hatte, auch wenn dieser sehr schweigsam war und wahrscheinlich ein finsteres Leben hinter sich hatte, so zumindest schätzte Luca den Sklaven ein.


    Das Luca nun ebenfalls nicht so redselig war, lag schlicht daran, dass er auch nicht immer so gesprächig war. Und wenn, was sollte er schon sagen? Was seine Vergangenheit anging, hielt er sich zurück. Und über die Flavier würde er nicht mal tratschen, auch wenn er die kleinsten Geheimnisse kennen würde.


    Er selber musste aber innerlich schmunzeln, wie offen die Frau über Verwandte von seinem Dominus sprach. Aber auch das würde er für sich behalten. Das ging niemanden etwas an. Schliesslich konnte man nicht mit jedem Menschen ein gutes Verhältnis haben. Und dennoch wollte Luca nicht den Eindruck erwecken, er würde nun auch kaum mehr reden, denn anscheinend war es so, dass die junge Frau ein Bedürfnis nach Konversation hatte und so nickte Luca, um zu unterstreichen, dass er verstand: »Man auch nicht immer mit allen Menschen gut auskommen. Das sein ... ich denke ... wie sagen man? Ganz normal. Aber ich gerne richten ihm Gruss aus. Doch ich leider nicht wissen, was sein: Lupercalia?«
    Ohne das es Absicht war, sprach er wieder gebrochen Latein. Erst als er zu ende gesprochen hatte, fiel es ihm auf. Er senkte leicht den Kopf, wie er es tat, um nicht so groß zu wirken.
    »Verzeiht, ich ... mein Latein ... ich ...« Er kratze sich am Hinterkopf. Er wollte es natürlich auch lernen.
    Dann kam eine interessante Frage, nämlich wie es Luca in Rom gefiel. Und diesmal brauchte er etwas mit seiner Antwort, antwortete dann aber in griechisch: »Die Stadt ist mächtig groß. Ich kenne das nicht. Und wie es mir gefällt?« Nun, was sollte er antworten als Sklave, der seinen Kampf gegen die Römer verloren hatte, gegen jene, die seine Familie auf dem Gewissen hatten? Er zuckte einfach mit den Schultern. Er wollte ehrlich antworten und auch nicht zu provokant. Und so entschied er sich:
    »In meiner Heimat fühlte ich mich wohler.« Er wollte noch hinzufügen, dass er da frei war, liess es aber. Heute war ihm nicht nach Provokation. Und dann aber, um von sich abzulenken, fügte er hinzu: »Aber nur weil ein Verwandter meines Herren dich nicht mag, so kannst du ihm doch eine Nachricht zukommen lassen.« ermutigte er dann die Frau. Warum, wusste er selber nicht, aber doch, Luca fand sehr, dass sie ihn freundlich behandelte und nicht wie einen Gegenstand. Zu Piso allerdings äusserte sich Luca lieber nicht.


    ---
    Signatur für Luca's Sprache in Posts: Luca spricht griechisch | Luca spricht gebrochen Latein

  • Ob es wirklich so normal war, seinen Mitmenschen die Faust auf die Nase zu hauen? Axilla zweifelte daran, dass das zum guten Ton gehören würde – wenngleich es sicher nicht gar so ungewöhnlich war. Wobei es wohl durchaus seltener war, dass eine Frau die Schlagende war bei diesem Szenario.
    “Oh, macht doch nichts. Du machst das schon ganz gut“, beschwichtigte Axilla den Sklaven, als er sich für sein schlechtes Latein entschuldigte. In Alexandria hatte ein Teil der Dienerschaft nicht halb so gut Latein gesprochen wie Luca, sondern fast ausschließlich griechisch. Ganz zu schweigen von den Stadtbewohnern, von denen nur jeder zwanzigste Latein sprach, dafür aber alle Arten von Griechisch, Demotisch, Ägyptisch, Parthisch, Jüdisch, ja sogar Indisch in den verschiedenen Stadtteilen vorgekommen waren.
    “Und die Lupercalia, das ist ein Fest zu Ehren von Lupercus. Das ist der Gott der Hirten und Herden, und er vertreibt auch die Wölfe. Wobei er den Wölfen auch befehlen kann. Und hier in Rom, da feiert man dann an seinem Tag am Lupercal, das ist die Höhle, wo die Wölfin Romulus und Remus gesäugt hat. Wir feiern also im Grunde unseren Ursprung.“ Die Griechen hatten, soweit Axilla wusste, kein vergleichbares Fest. Wobei sie sich auch nie mit der Frage danach beschäftigt hatte. Doch waren Romulus und Remus ihres Wissens nach die einzigen Wolfskinder, die ihre Wildheit so auch an ihre Nachkommen, die Römer dann mitgegeben hatten. Axilla war sich sicher, dass in ihr ein ordentlicher Schuss Wolfsmilch noch steckte, wenn sie daran dachte, wie zornig sie bei Piso damals geworden war, als er ihre Ehre in Zweifel gezogen hatte.
    "Und eigentlich wollte Flaccus damals mit mir gemeinsam hingehen und das Opfer und das Fest danach ansehen, nur... naja. Piso halt.“
    Sie zuckte die Schultern und überlegte über Lucas Vorschlag, Flaccus einfach einmal zu schreiben. Sie glaubte nicht wirklich, dass er sich freuen würde. Vielleicht hielt er das für aufdringlich? “Ich wüsste gar nicht, was ich Flaccus so schreiben sollte...“, gestand sie halblaut. Nach so langer Zeit kam sie sich auch ein bisschen albern vor. Vor allem, da ER ja den Kontakt abgebrochen hatte. Er hätte ihr ja auch schreiben können, wenn er genug überlegt hätte – was ja damals in seiner Nachricht stand, soweit sie sich erinnern konnte. “Ich glaube, es reicht, wenn du erst einmal nur den Gruß ausrichtest.“ Nein, sie war nicht feige! Aber man musste sich ja auch nicht aufdrängen.


    Sie gingen ein wenig nebeneinander her und erreichten schließlich das Augustusforum, das sich weiß und groß vor ihnen öffnete. Axilla sah kurz zum Tempel des Mars, neben dem noch der Baukran von Kephalos stand. In den nächsten Wochen würde er nun benutzt werden, um die Schäden am Tempel zu reparieren. Eigentlich konnte Axilla den Weg schon von hier aus erklären, aber sie entschloss sich, noch mit bis zu der breiten Straße zu gehen, die schließlich zum Quirinal und damit der Villa Flavia führen würde.
    “Weißt du, ich komme eigentlich aus Hispania. Mein Vater hatte da eine Villa rustica und ein Stück Land drumherum.... bis zum nächsten Nachbarn musste man eine halbe Stunde zu Fuß laufen! Das war alles so.... groß, und trotzdem klein. Verstehst du, was ich meine?“ Axilla hatte keine Ahnung von Griechenland, wo sie die Herkunft Lucas vermutete. Immerhin sprach er griechisch und sah auch so ein bisschen griechisch aus. Wenn man sich den Bart dazudachte, den Griechen gerne trugen. Aber in ihrer Vorstellung war es außerhalb der Städte alles so, wie Arkadien beschrieben wurde: Grüne Wälder, tiefe Schluchten, Wasserfälle, und überall konnte man aufs Meer schauen. Und jemand aus so einer Welt würde verstehen, was sie mit ihrer Heimat meinte.
    “Da konnte man meilenweit einfach rennen und die Sonne fühlen und den Wind, und in der Nähe war ein Wald, und die Bäume...
    Als meine Mutter gestorben ist“
    – was Axilla sagen konnte, ohne traurig zu sein oder zu wirken – “und ich dann nach Alexandria gegangen bin, hab ich am Anfang gedacht, die reine Masse der Stadt erschlägt mich. Das war alles so... groß und so dicht, und all diese Menschen. Und der Gestank! Seien wir mal ehrlich, so viele Menschen auf einem Haufen, das stinkt. Wobei Alexandria da noch harmlos ist zu hier im Sommer. Hat wohl damit zu tun, dass Alexandria am Meer liegt, und da immer Wind ist. Hab zumindest mal sowas im Museion gelesen.
    Aaaber, worauf ich eigentlich hinaus wollte: Man gewöhnt sich dran. Irgendwie.“
    Axilla sah zu Luca auf und lächelte, jetzt doch ein wenig traurig. “Auch wenn es außerhalb der Stadt trotzdem schöner ist.“

  • Luca lächelte auf seine ganz besondere Art: Sein Kopf war leicht geneigt, um sich dadurch unbewwusst kleiner zu machen und weil er sich ein wenig freute. Diese Frau war wirklich freundlich. Aber er musste zugeben, bisher waren ihm eigentlich noch nie wirklich unfreundliche Menschen hier in Rom begegnet, aber Luca hatte eben Vorbehalte. DAs war nicht seine Heimat, dass waren nicht seine "Leute". Luca war hier einfach nur ein Sklave und bekanntlich, so glaubte er eben, hatten diese keinerlei Rechte.
    »Ich danken ...« sagte er also, also, als Domina Iunia Axilla meinte, er würde sich schon ganz gut machen. Und dann erklärte sie ihm sogar noch geduldig, was er wissen wollte und und wieder war da sein ruhiges, aber aufrichtiges leichte Lächeln.
    Ja, er kannte die Geschichte um die Wolfskinder und die Stadt Rom, aber er sagte nichts, er nickte nur danbar. So freundlich es hier auch war, er merkte dennoch, dass er sich sehr fremd fühlte und Heimweh hatte. Aber seine Heimat gab es so nicht mehr.


    Er sah dann, wie die Frau wegen Flaccus die Schultern zuckte, nachdem sie offen sagte, dass eigentlich Flaccus, Lucas Herr, mit ihr das Fest feiern wollte und auch wenn er sich nicht sicher war, glaubte er eine gewisse Traurigkeit zu spüren oder Enttäuschung. Diese Frau war sehr offen und Luca war überrascht. Doch dann antwortete er: »Ich werden Flaccus gerne überbringen deine Grüsse .« Erneut klang er aufrichtig, fas ein wenig besorgt. Irgendwie hatte er das Gefühl, sie wäre von seinem Herren enttäuscht, aber er war noch so neu, was sollte er sagen?


    Dann gingen sie weiter und Luca schwieg, schaute sich aber immer wieder um. Dies war wahrlich kein schönes Viertel. Alles war so dicht gedrängt und die Menschen waren fast alle sehr aarm. Da ging es ja sogar ihm vielleicht besser.
    Und dann sprach die Frau weiter und es freute Luca fast, dass sie so offen war, denn was sollte er sonst schon erzählen? Er wollte eh nicht über sein Leben reden. Das ging nur ihn etwas an.
    »Ich haben von Hispania hören!« sprach er dann und lauschte weiter und war leicht verzückt. Sie sprach so voller Leidenschaft und Inbrunst und es gefiel ihm. Und als sie ihn fragte, nickte er nur selbst versonnen. »Ja, ich verstehen. Ich auch lieben eine Heimat. Dort geben es sehr lange Strände, goldgelb, und das türkiese Wasser sich dann brechen an Strand und sein herrlich durchsichtig. Wie die Wahrheit ...« Luca hatte es einfach ausgesprochen, wusste nicht einmal warum. Aber so empfand er es. »Es sein schön. Wasser und Erde treffen aufeinander ... harmonisch ...« Und dann lachte er, weil er spürte, die richtigen Worte gefunden zu haben.


    Als die Frau dann von ihrer Mutter sprach, welche gestorben war, rührte Luca keine Mine. Er spüre, dass es lange her sein musste. Ausserdem war er nicht dafür da, Mitleid zu haben. Eltern starben halt irgendwann. Und auch wenn es anders war, so war es nun mal. Luca versuchte lieber weiter zu lauschen und zu verstehen.


    »Du sein viel gekommen rum. Das sicherlich sein spannend aber auch nicht immer einfach ...« Und fast wollte er die Frau berühren, also ihre Hände, um seine Meinung mehr Ausdruck zu verleihen, er machte auch eine leichte Geste, aber dann hielt er sich zurück. Er war schliesslich nur ein Sklave. Aber einer, der diese Frau sehr mochte.
    Und so sprach er:»Ja, ich verstehen. Diese Stadt sein zu groß. Und es manchmal stinken. So wie hier eben. «


    Luca wollte noch so viel sagen. Aber er wusste nicht was. Doch dann sprach er ganz offen, auch wenn er immer noch nicht wusste, wo sie waren:


    »Ich dir so danken. Du sein sehr guter Mensch. Und ich werden ausdrücken ... Verzeihung, sagen, meinem Herren deine Grüsse. Und ich sein beeindruckt, du haben viel gesehen. Alexandria und so. «


    Luca lächelte. »Ich vermissen Strand und Meer meiner Heimat, und ich Dir glauben, dass es sein schöner von Rom weg ...« Er wusste nicht, ob er sich verständlich ausdrücken hatte können. Aber Luca schaute sehr versonnen, es war der typische Blick des Heimwehs.
    »Aber ich hoffen, du dich immer irgendwie wohl fühlen, denn das sein wichtig ...« Luca wusste gerade selber nicht, warum er das sagte. Aber er mochte diese Frau einfach, glaubte zu spüren, dass auch sie ihr ganz eigenes Leid hatte ...


    Doch eines sagte er noch, denn es war ihm wichtig: » Ich dich versuchen zu verstehen. Aber es sein nicht gut, sich gewöhnen. Es sein nicht gur, einfach nur hinzunehmen. Man doch können entscheiden. Das sein doch Mensch. Wir das können, ich meinen entscheiden. Wir oft hinnehmen, aber wir auch können darüber entscheiden ... meistens. Verstehen du, was ich versuchen zu sagen?« Hoffentlich war er nun nicht zu weit gegangen. Aber warum eigentlich? Er war einfach nur ehrlich und zum Glück frei geboren ...


    ---
    Signatur für Luca's Sprache in Posts: Luca spricht griechisch | Luca spricht gebrochen Latein

  • Warum Luca wieder ins Lateinische gewechselt war, wusste Axilla nicht. Aber sie wollte jetzt nicht so neugierig sein und nachfragen, warum er lieber gebrochen ihre Sprache redete als flüssig seine eigene, wo er doch wusste, dass sie ihn verstehen konnte. Im Grunde war es auch egal, auch wenn sie so genauer zuhören musste.


    Sie ließen die Subura hinter sich und betraten den weißen Platz des Forum Augusti im Zentrum der Stadt. Hier war das Gedränge der Leute fast noch schlimmer als in den Straßen, aus denen sie gekommen waren, auch wenn es jetzt hauptsächlich auch Sänften waren, die Platz wegnahmen, nebst den hunderten Leuten, die auf den Foren irgendetwas suchten, sei es Zugang zu einem der Tempel, sei es die Aufmerksamkeit, irgendwo eine Rede oder einfach nur den schnellsten Weg von einem Ort zum anderen. Auf den Foren Roms war meist reger Betrieb.
    Ein wenig Aufregung beschlich Axilla dann doch, als Luca meinte, er würde ihre Grüße ausrichten. Sie hatte keine Ahnung, wie Flaccus darauf wohl reagieren würde, oder ob er dem Sklaven dann gar Gram war. Mit ihr hatte er ja keinen Kontakt mehr gesucht, so dass sie es nicht wissen konnte. Und einerseits wäre sie gern Mäuschen, wenn Luca es dem Flavier sagte. Einfach, um seine Reaktion zu sehen. Auf der anderen Seite hatte sie auch Angst, vor genau dieser Reaktion. Eine zwiespältige Angelegenheit. Eine, über die sie nicht weiter nachdenken wollte, also konzentrierte sie sich lieber auf Lucas Beschreibung.


    Meer und Erde... Axilla konnte es sich gut vorstellen bei der Beschreibung. Wobei sie die brechenden Wellen nicht ganz so romantisch fand, wie sie vermutlich waren. “Ja, ich bin wahrscheinlich weiter gereist als die meisten Menschen. Zwei Mal mit einem Schiff! Oh, ich hab jedes Mal gedacht, ich muss sterben.“ Was auch der Grund war, warum Axilla Wellen alles andere als romantisch fand. “Mir ist dabei die ganze Zeit nur elend gewesen. Ich bin nicht böse, wenn ich nie wieder ein Schiff besteigen muss. Auch wenn ich Alexandria gern wiedersehen würde.“ Oder Hispania. Aber das sagte sie nicht. Die Villa auf dem weiten Land, mit seinem Weinhügel und dem nahen Wald, mit dem alten, knorrigen Baum auf dem Hof, mit der trockenen Erde, die nie wirklich genug abwarf, mit den Schafen auf den Weiden, die das trockene Gras im Sommer fraßen... all das hatte seine Bedeutung für Heimat schon verloren, ehe sie es verlassen musste. An dem Tag, als Castricus Tegula gekommen war, und nur die Rüstung ihres Vaters mitgebracht hatte und sein Schwert. Und endgültig, als sie das Anwesen nach dem Tod der Mutter verkaufen musste. Nein, dorthin gab es kein Zurück.


    Axilla versuchte, sich über die kreuz und quer laufenden Menschen hinweg zu orientieren und zur richtigen Straße zu gelangen, um Luca weiterleiten zu können. Er wollte sie über irgendetwas belehren, was sie nicht so ganz verstand. Vielleicht lag es an der Sprachbarriere, dass er sich einfach nicht gut ausdrücken konnte, oder doch am Inhalt. Axilla wusste es nicht genau. Für sie klang es so, als sollte sie ihr Schicksal nicht annehmen, sondern dagegen aufbegehren.
    Aber wie sollte sie das machen? Ihre Familie entehren und tun, wonach ihr der Sinn stand? Die Gesellschaft brüskieren und sich nicht als brave Haustochter der Gens Iunia zeigen? Wie ein Kind selbstsüchtig nur das tun, wonach ihr der Sinn stand? Den guten Namen ihres Vaters entehren, nur um sich selbst für den Moment besser zu fühlen?
    Das ging nicht. Ein einzelner Mensch in dieser Welt konnte nicht überleben. Man brauchte die Familie. Man brauchte seine Gens. Man brauchte die Sicherheit in dieser kleinen Gemeinschaft. Und diese funktionierte nur mit Gehorsam. Sie lehnte sich schon so oft auf, begehrte gegen die Ungerechtigkeiten, war wilder, als sie sollte. Aber dennoch würde ihr nie in den Sinn kommen, ihr Schicksal anzuzweifeln. Selbst Götter hatten ein Schicksal! Warum sollte sie ihres dann ändern wollen?
    “Nein, um ehrlich zu sein, versteh ich das nicht“, meinte sie mit zweifelndem Lächeln. Bestimmt lag es nur an der Sprache. Luca sah ihr nicht verrückt aus. Er konnte selber doch auch nicht für sein Leben entscheiden, so als Sklave. Noch weniger als sie als Frau.


    Aber inzwischen waren sie auch an der Straße angekommen – und Axilla bemerkte zu ihrer Schande, dass es einfacher gewesen wäre, sie wären hinter dem Marstempel entlanggegangen und nicht hier kreuz und quer über den Platz.
    “Zur Villa Flavia geht es da lang. Du folgst einfach dieser breiten Straße, durch die Porta Sanquaris hindurch und immer weiter den Quirinal hoch. Irgendwann kommt dann auch der Templum Salutis und etwas weiter der Templum Quirini.“ Und von da musste Luca ja definitiv nach Hause finden.

  • Auch Luca wusste nicht, warum er nicht weiter griechisch sprach. Es war ihm gar nicht aufgefallen. Vielleicht lag es daran, dass er sonst nur mit seinem Herren und dessen anderen griechischen Sklaven seine Heimatsprache sprach.


    Und so gingen sie weiter, die Domina eingerahmt von zwei starken Männern, wobei Malachi schweigsam wie immer war und liessen nun die schmuddelige Subura hinter sich. Ein wenig war Luca noch in Gedanken an das türkise Meer und dengoldenen Strand, doch bald bestaunte er den großen Platz, an dem sie ankamen und wo das Treiben der Menschen sehr auffällig war.
    Luca kam aus dem Staunen nicht raus, zeigte es aber nur, dass er sehr genau schaute und beobachtete und seine dunklen Augen neugierig aufblitzen.


    Und dann erzählte die Domina von ihren vielen Reisen und dass sie sie hätte auf dem Schiff sterben wollen ... Seekrankheit, daran lag es wahrscheinlich. Und so schmunzelte er nicht. Er kannte das. Aber er war beeindruckt. Alexandria hatte sie gesehen? Und so sprach er nun wieder auf griechisch:
    »Bitte verzeih, dass ich eben nicht griechisch gesprochen habe, es ist alles noch so neu. Aber du hast Alexandria gesehen? Beeindruckend. Und ja, ich kann verstehen, so mancher verträgt das Schlingern des Schiffes nicht ... « sprach er dann auf griechisch und meinte es nur mitfühlend.



    Irgendwie bahnten sie sich dann einen Weg. Da Luca aber nicht wusste, wo es lang ging, überliess er dem anderen Sklaven die Führung. Und dann sprach die Frau wieder und ging auf das andere ein, was Luca, ohne groß nachzudenken vorhin von sich sich gegeben hatte und er spürte sogleich, das es vielleicht ein Fehler war. Aber es gefiel ihm, dass sie so ehrlich mit ihm sprach und meinte, dass sie ihn nicht verstehen würde.
    Und so antwortete der Hüne: »Es tut mir leid. Ich verstehe dich. Oder glaube es. Ich wollte dich auch nicht belehren .... es ist nur so: Ich bin frei geboren und hatte ein ganz anderes Leben, bevor ich hier her kam. Ich habe die Freiheit gekannt und für sie gekämpft. Ich hatte eine Frau und zwei Kinder. ... auch sie waren frei. « Warum er das nun erwähnte, wusste er nicht, aber er wollte auch ehrlich sein, denn diese Frau war, wie er fand sehr ehrlich und offen und das schätzte er sehr.


    Axilla sagte ihm dann, wie er zur Villa Flavia kam. Es war also zeit, Abschied zu nehmen, nachdem sie einfach irgendwo langgingen, aber Luca kannte sich eh nicht aus und war einfach gefolgt.
    »Ich danke dir, werte Iunia Axilla!« Es war eher unbewusst, dass er sie so ansprach und nicht Herrin oder Domina nannte. Aber er meinte es nicht böse. Und dann überlegte er kurz: Wollte er wissen wo er sie notfalls aufsuchen konnte? Nein, wenn sein Herr es wünschte, dass er ihr etwas sagen würde, würde er ihm schon sagen, wo Luca sie finden würde. Alles andere, wäre nicht fair. Dennoch hatte er kurz überlegt, das er ihr gerne sagen würde, wie sein Herr reagiert hätte. Aber er liess es dann.
    »Komm auch du gut zurück. Ich werde den Weg nun finden. Danke! Es war mir eine Ehre!« Luca meinte es ernst, denn ab und an vergass er einfach, dass er nur ein geringes Mitglied dieser Gesellschaft war. Aber diese Frau hatte ihm NICHT dieses Gefühl gegeben.
    Und so wandte er sich auch an den anderen Sklaven, auch wenn es ihm vielleicht egal war, aber Luca war höflich. »»Machen es gut, Malachi!«



    ---
    Signatur für Luca's Sprache in Posts: Luca spricht griechisch | Luca spricht gebrochen Latein

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!