• Am nächsten Morgen erschien Antigonos wie befohlen wieder vor Gaius.
    "Hier bin ich, Herr. Was soll ich für euch tun?"
    "Warte einen Moment. Legionäre! Ich habe wichtiges mit diesem Sklaven zu besprechen. Sorgt dafür, dass wir nicht gestört werden und dass niemand lauscht!"
    Die Soldaten salutierten und verliessen den Raum. Gaius verschloss die Fensterläden und winkte Antigonos näher zu sich heran.
    "Ich habe dich aus einem ganz bestimmten Grund gekauft. Und zwar weil du ein Dieb bist."
    "Weil ich... WARUM?"
    "Ganz einfach: du sollst etwas für mich stehlen. Etwas sehr wichtiges."
    "Und wo soll ich dieses Ding stehlen?"
    "Aus dem Tempel des Zeus." Gaius beobachtete Antigonos genau. Würde er dem Jungen vertrauen können?
    Antigonos schluckte zwar, nickte dann aber.
    "Wie ihr befehlt, Herr."
    "Fürchtest du nicht den Zorn der Götter?"
    "Nein, Herr. Ich glaube die Götter kümmern sich wenig um uns. Und ich fürchte euren Zorn viel mehr. Die Götter sind weit weg. Ihr seid hier."
    "Eine kluge Antwort. Und falls dir der Einfall kommen sollte mich an die Priester zu verraten, bedenke dies: Roms Arm reicht weit. Und diese Mission ist wichtig für Rom. Du würdest Roms Rache nicht entkommen."
    Antigonos nickte ergeben.
    "Das weiss ich, Herr. Ich werde euch nicht enttäuschen."

  • In diesem Moment wurde die Tür aufgestossen. Gaius wollte grade wütend auffahren, unterbrach sich aber als er sah, dass es sich bei dem Störenfried um Gaius Tallius in Begleitung zweier Legionäre handelte die eine heftig um sich tretende Person zwischen sich schleppten.
    "Was ist denn hier los?", fragte Gaius erstaunt.
    "Den Kerl habe ich erwischt, wie er unter deinem Fenster gelauscht hat, Gaius Quintilius. Es ist einer der Sklaven des Hauses. Zweifellos ein Spion der Zeuspriester!"
    "Sieh an, sieh an. Gute Arbeit Gaius Tallius."
    "Was machen wir jetzt mit dem Kerl?"
    "Schmeisst ihn in den tiefsten Keller und bewacht ihn gut. Sorgt dafür, dass niemand erfährt wo er ist. Alles weitere entscheide ich morgen. Ach - Gaius Tallius: warte bitte noch einen Moment."
    Tallius nickte und schickte seine Soldaten fort.
    "Was gibt es noch?"
    "Bereite alles für unsere Abreise vor. Wir werden morgen bei Sonnenaufgang aufbrechen. Es geht zurück nach Rom. Aber sorge dafür, dass unsere bevorstehende Abreise nicht bekannt wird. Gib insbesonde acht auf unseren Führer."
    Tallius salutierte und ging.
    "So Antigonos - wo war ich? Ach ja: dein Auftrag. Du wirst aus dem Zeustempel einige Unterlagen für mich stehlen. Es handelt sich um Konstruktionszeichnungen und Schriften des Phidias und der Baumeister und Handwerker des Tempels die sich mit dem Bau und der Instandhaltung der Zeusstatue befassen. Du findest die entsprechenden Rollen in der Bibliothek des Tempels und in den Büros der Baumeister. Bring mir alles was du zu diesem Thema findest. Verstanden?"
    "Ja, Herr. Ich habe nur heute Nacht Zeit?"
    "Ja. Du musst vor Sonnenaufgang zurück sein. Sollte das nicht der Fall sein, gehe ich davon aus, dass du tot bist oder mich verraten hast. Es wäre besser für dich, du wärest tot. Verstanden?"
    "Vollkommen, Herr."
    "Gut geh und triff deine Vorbereitungen. Melde dich bei mir, bevor du gehst."

  • Gaius sass alleine in seinem Zimmer und wartete.
    Seit Stunden schon sass er hier. Er hatte versucht zu lesen, hatte versucht seinen offiziellen Bericht an Antistes zu beginnen, war hin und her gewandert, aber nichts hatte seine Unruhe mildern können. Nun sass er nur hier und wartete. Hin und wieder glitt sein Blick zu dem Dolch der vor ihm auf dem Tisch lag. "Nein, ich werde nicht die Schande des Versagens auf mich nehmen. Und ich werde den Zeuspriestern kein Schauspiel liefern.", dachte er entschlossen.
    Die Stunden vergingen qualvoll langsam. Gaius sah auf die Stundenkerze. Nur noch zwei Stunden bis Sonnenaufgang. Antigonos war schon seit fünf Stunden fort. War er gefangen worden? Hatte er Gaius verraten? War er einfach nur geflohen?
    Da! Schritte auf der Treppe! Gaius ergriff den Dolch.
    "Wer da?", fragte die Wache. "Antigonos! Schnell, lasst mich zu meinem Herrn!"
    Die Tür wurde geöffnet und Antigonos betrat den Raum. Er trug eine alte Tunika aus dunkelbrauner Wolle, sein Gesicht und alle sichtbaren Körperteile waren mit Ruß geschwärzt. Über seinem Rücken hing ein Lederbeutel.
    "Nun, warst du erfolgreich?", fragte Gaius gespannt.
    "Das war ich, Herr. Fast schon ein Kinderspiel. Die Wachen sind faul und unaufmerksam. Sie rechnen gar nicht mit Dieben. Ich habe nur so lange gebraucht, weil ich die Schriften erst suchen musste."
    "Zeig her!". Gaius öffnete den Beutel den Antigonos ihm reichte und begutachtete den Inhalt. Perfekt! Baupläne, Konstruktionszeichnungen, Berichte von Handwerkern über Reparaturen und verwendetes Material, Notizen von Baumeistern, sogar einige Schriften von Phidias persönlich!
    "Sehr gut Antigonos. Nun geh und reinige dich. Wir brechen in zwei Stunden auf."

  • Pünktlich zum Sonnenaufgang verliess Gaius das Delegationsgebäude. Vor dem Haus stand seine Eskorte angetreten. Auch Philippos der Führer wartete auf ihn, ebenso der Verwalter. Gaius bestieg seine Sänfte und legte seinen Schatz vorsichtig neben sich.
    "Wie schade, dass du uns schon wieder verlässt, Gaius Quintilius.", sagte der Verwalter. "Ich wünsche dir noch eine gute Reise."
    "Danke. Ich werde in Rom nur gutes von dir zu berichten haben. Philippos!"
    "Ja, Herr?"
    "Wir brechen auf. Bring uns nach Korinth."
    "Korinth? Wie ihr befehlt, Herr."
    Als die Reisegruppe aufbrach trat Tallius kurz neben die Sänfte und flüsterte Gaius etwas ins Ohr. Gaius nickte zufrieden und Tallius nahm seinen Platz an der Spitze der Kolonne wieder ein.


    Die Sache mit dem Spion war geregelt. Bald schon würden die Priester seine Leiche auf dem Platz vor dem Tempel finden.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!