Ein wenig Altes und sehr viel Neues

  • Wieviele Tage waren sie nun schon in Alexandria? Neriman hatte aufgehört zu zählen. Mit jedem Tag schwanden die Hoffnungen, die ihr diese Stadt schenken sollte. Die Aufnahme ins Haus des Paulus war ein Segen gewesen. Er, die Frau und das Kind, sie waren wie eine Familie und so ein kleines bisschen ein zuhause für sie geworden. Wie wichtig das für sie war, niemand ahnte es. An dem Tag, an dem ihre Mutter starb, flüchtete sie in diese, ihre eigene Welt. Niemand konnte ihr hier wehtun. Nur wenige fanden überhaupt einen Zugang, nur wenigen gewährte sie einen kleinen Einblick. Ihr Vater, ihr Bruder, die kannten sie. Massa - seine Augen - ohne Mühe war es ihm gelungen. Sie hätte es nicht zulassen dürfen. Schwer hing sein Ring über ihrem Herzen. Noch immer schlich sie jeden Abend in die Dunkelheit, suchte am Himmel nach dem Delfin und konnte nicht glauben, was so offensichtlich war. Sie würde ihn nie wiedersehen.


    Um sich abzulenken, hatte sie ihre Cousine überredet, mit ihr zum Markt zu gehen. Ein paar Geschenke für ihre Gastgeber waren schon längst überfällig. Ein kleiner Beitrag zum Unterhalt konnte auch nicht schaden. Den beiden folgte ein mürrischer Aufpasser, dem unschwer anzusehen war, dass er sich lieber in eine der Tavernen verzogen hätte. Stattdessen war er dazu genötigt worden, zwei aufgedrehte Weiber zu begleiten, die nichts anderes als bunte Stoffe, Schmuck, Parfum und anderen Frauenkram im Kopf hatten. Zum Dank durfte er dann auch noch ihre Einkäufe schleppen. Es wurde lauter, ein Sklavenhändler pries seine Ware an. Vor ihm stand ein kleines Mädchen, unbekleidet, man konnte ihm die Scham ansehen, so vor den vielen Menschen zur Schau gestellt zu werden. Und Angst, schreckliche Angst. Ein Stich ins Herz. Neriman wandt sich ab, zog ihre Cousine hektisch weiter. Die Ausgelassenheit war dahin, starr war ihr Blick auf die Stände gerichtet. Gewürze und Weihrauch - allmählich wurde das Zittern ihrer Hände weniger. Verborgen unter ihrem Gewand spürte sie den Dolch. Zu gern hätte sie ihn gerade jetzt benutzt, irgendwann würde dieser Tag kommen. Stattdessen aber wies sie ihre Cousine an, einen guten Preis für die Ware auszuhandeln, die sie aussuchte, so, als wäre nichts gewesen.

  • Wie groß ist die Welt. Mit diesem Gedanken ging ich über den Markt. Unzählige Stände, mit den verschiedensten Waren. Diese Vielfalt, ob es die auch in Rom gab? Das letzte Mal, dass ich die Gelegenheit hatte über den Markt zu gehen. In den nächsten Tagen gab es bei Faustus zu tun. Wann die Abreise genau war wusste ich nicht. Was fest stand, Faustus wurde nach Rom abberufen, der Praefect nach Misenium und ich? Ich hatte das Angebot des Praefecten angenommen, mit nach Misenium zu gehen. Auf dem Sklavenmarkt, für mich nicht von großem Interesse, die ein oder andere hätte mir schon zugesagt, aber ich brauchte keinen Sklaven, noch nicht, später vielleicht. Ein kleines Mädchen wurde seinem neuen Besitzer zugeschoben, die Münzen landeten im Geldbeutel des zufriedenen Sklavenhändlers. Wie beim ersten Mal, lehnte ich mich an die Wand, die Hand voll Datteln und beobachtete das Treiben. In Tunika und mit cingulum fiel ich nicht ganz so sehr auf. Was wollte ich überhaupt mitnehmen? Die Gewürzvielfalt hatte ich schätzen gelernt. Bei den Waffenhändlern gab es eine gute Auswahl an Dolchen und Messern. Weihrauch zum Opfern. Hier konnte man von gelbem bis zum guten weißen alles bekommen. Meine Blicke trafen immer wieder auf Frauen und Männer in typischer Nomadenkleidung. Insgeheim hoffte ich ihre Augen zwischen den, das Gesicht verbergenden, Tüchern zu erkennen. Von der Gestalt her waren Neriman einige ähnlich gewesen. Ich gab es auf, es war vergebene Mühe. Was sollte sie ausgerechnet heute hier in Alexandria. Ihr zu Hause war die Wüste, bei ihrer Sippe.
    Die Auslagen eines Weihrauchhändlers fanden meine Beachtung. Der Weiße sah gut aus. Eine Probe verbrannte in einem Schälchen der typische Geruch des verbrannten Duftharzes stieg auf. Gute Qualität. Einen kleinen Beutel, landete in meiner Tunika, dort war er wie mein Geld sicher aufgehoben.



    Beim Händler nebenan, feilschte eine Frau um den Preis. Sie stellte sich geschickt an, routiniert, der Händler hatte keine Chance ihr den Weihrauch zu einem überhöhten Preis zu verkaufen. Die Frau bei ihr verfolgte den Handel. Ich stand neben ihnen und sah beim feilschen zu. Ihre bunte Kleidung deutete darauf hin, dass sie von hier waren. Als sie ihren Kauf abgeschlossen hatte, drängte ich mich mehr oder minder an den beiden vorbei. Bei dem regen Treiben hier, war das Gang und gebe. Die Waffenhändler waren in der nächsten Gasse. Ein Dolch schwebte mir vor, ähnlich wie Neriman ihn trug und ich Mars geopfert hatte. Ich musste warten, eine Gruppe aus drei Kamelen mit Führer, bahnte sich einen Weg durch die Menge, eh ich weiter gehen konnte.

  • Das Talent war ihrer Cousine in die Wiege gelegt. Sie feilschte auf Teufel komm raus und am Ende stand das Geschäft des Mannes vor dem Ruin und seiner Frau und den 14 Kindern ein elender Hungertod bevor. Neriman war sicher, der Preis würde ihn keineswegs umbringen. Auch sie würden ihre Erzeugnisse niemals unter Preis verkaufen. Schmunzelnd verfolgte sie deshalb das grummelige Gesicht des Alten, als er missmutig vor sich hinfluchend die Ware übergab. Schon beim nächsten, bereits interessiert wartenden Kunden pries er fröhlich lächelnd seine überaus hochwertige Auslage an, als wäre nichts geschehen. Neriman grübelte kurz darüber nach, ob es ihr auch gelingen würde, so geschickt zu handeln, wenn sie es denn könnte. Unterdessen bepackte die Cousine ihren armen Begleiter mit dem zusätzlichen Päckchen, was dieser mit einem leisen Aufstöhnen quittierte und dabei genervt die Augen verdrehte.


    Ihm war nach einer Pause und auch Neriman fand mittlerwile die Hitze unerträglich. Ihr Mund war trocken, der Durst schnürte ihre Kehle zu. Unerbittlich brannte die Sonne auf den überfüllten Platz, auf dem sich kein Luftzug regte. Sie sollte das Klima gewohnt sein, doch die Luft hier war anders, schwerer zu ertragen als in der Wüste. Zudem hätte sie zuhause ihr Zelt niemals ohne ihren Beutel mit Wasser verlassen, auch nicht ohne ihre Kräuter. Beides war diesesmal im Haus des Paulus zurückgeblieben, was sie nun bitter bereute. Der Durst wurde zur Qual, die Hitze erdrückend. Feucht glänzte ihre Haut im Sonnenlicht, kleine Schweißtröpfchen perlten von ihren Schläfen abwärts. Ein Stand mit Tee oder Ähnlichem musste doch auf diesem riesigen Markt zu finden sein. Suchend blickte sie sich um, hob die Hand über die Augen, um sie vor der Sonne abzuschirmen. Genau in diesem Moment schob sich ein Mann an ihr vorbei, drückte ihren Arm unsanft gegen die Stirn. Nichts Ungewöhnliches bei den Menschenmengen, die zwischen den bunten Verkaufsständen drängten. Und doch war es dieser kurze Moment, der flüchtige Blick, der ihr Herz ins Stolpern brachte. Da waren diese wilden Locken, die ihr noch so vertraut in Erinnerung waren, als wäre es gestern gewesen. Sie wollte sich vergewissern, noch einen zweiten Blick erhaschen, stellte sich auf die Zehenspitzen, um über die Köpfe hinwegsehen zu können. Ohne Erfolg, er war bereits verschwunden, im Gewühl untergetaucht. Enttäuscht schüttelte sie den Kopf, als wollte sie die Erinnerung loswerden, eine Hoffnung, die sich ohnehin nie erfüllen würde. Es war der Durst, so redete sie sich zumindest ein, der ihr hier einen Streich spielte, ihr Traumbilder schickte. Oder war es die Hitze?


    Während Neriman noch ihren Gedanken nachhing, diskutierten ihr Begleiter und ihre Cousine lautstark darüber, ob denn nun ägyptische Kosmetik oder doch orientalische Waffen für das Überleben in der Wüste wichtiger wären. Natürlich war ihre Cousine in dieser Auseinandersetzung der klare Verlierer, was sie jedoch nie im Leben zugeben würde. Sie war störrisch, wollte immer Recht behalten, und wußte sich durchzusetzen. Nicht unbedingt Eigenschaften, die sich ein Mann bei seiner Frau wünschen würde. Eben deshalb war sie wohl auch noch nicht verheiratet. Ein Schicksal, das Neriman mit ihr teilte, wenn auch aus anderen Gründen.


    Die Diskussion nahm kein Ende. Derweil gab Neriman die Richtung vor. Die, in der der Unbekannte verschwunden war. Die beiden bekamen davon kaum etwas mit, folgten ganz automatisch und liefen fast in sie hinein, als die Menge vor ihnen ins Stocken geriet. Drei Kamele - wunderschöne Tiere. Wehmütig dachte sie an zuhause, ihre Herden, ihre Familie, Abay... Ihr Blick folgte der kleinen Karawane und mit einem Mal war ihr, als setzte ihr Herz einen Schlag aus. Da stand er, unweit von ihr. Nur wenige Schritte, zu weit, ihn zu berühren. Trotzdem, er konnte es nicht sein. Das war kein Soldat. Er trug auch nicht das Tuch. Alles nur Einbildung, die Hitze - Schweißperlen sammelten sich auf ihrer Haut, die Knie wurden weich, ihr Herz raste. Massa - war der letzte Gedanke, als sie haltsuchend um sich griff. Ob jemand ihren Fall abfangen oder sie schmerzhaft auf dem Boden aufschlagen würde? Undurchdringliche Dunkelheit fing sie auf und hüllte sie ein wie weiche Watte. Kein Laut mehr - einfach nur Stille...

  • Stimmengewirr, das Anpreisen der Händler, so wie immer, Lärm. Ein ungewöhnlicher Laut, ein schriller Schrei hinter mir, wehleidiges Klagen. Ich drehte mich unweigerlich um. Die Frau, die eben am Stand des Weihrauchhändlers gehandelt hatte, kniete neben der anderen Frau die regungslos am Boden lag. Ihr männlicher Begleiter hielt so gut es ging, die Leute von ihnen fern, lenkte sie um die Frauen herum. Was ging es mich an. Ich zögerte blieb stehen, drängte mich dann an den Leuten vorbei, zu der kleinen Gruppe. Vollkommen hilflos kniete die Frau immer noch neben der anderen, hatte deren Kopf auf ihren Schoß gebettet, rüttelte an ihr und rief etwas Unverständliches. Erst neben ihr verstand ich einzelne Worte und einen Namen, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Neriman ! War das meine Neriman? Sie mussten aus dem Gedränge. Am besten in den Schatten. Dann war immer noch Zeit festzustellen ob ich richtig gehört hatte. Ich nahm die junge Frau auf meine Arme. Leicht wie eine Feder war sie. Ihr Gesicht durch das Tuch verdeckt. Protestierend folgte mir die andere, redete wie ein Wasserfall. Alles verstand ich nicht, aber es hatte mit Hitze zu tun.

    Ich scheuchte zwei Jungen von einem Hauseingang weg und setzte mich mit meiner Last auf die Stufe im Schatten. Dem einen Jungen der ins Haus flüchten wollte bat ich mit einigen Gesten um etwas zu Trinken und zeigte auf die, immer noch leblos in meinen Armen liegende, Frau. Er nickte und rannte ins Haus. Tief holte ich Luft, was bei den Temperaturen unangenehm war. Meine Hand zitterte, als ich ihr Gesicht vom Tuch befreite. Schon ging das Gezeter der Begleiterin los. Ich sah irritiert zu ihr, fing mich. Ein drohender Blick von mir und der Finger auf den Lippen, reichten um sie Verstummen zu lassen. Der Mann redete ebenfalls auf sie ein. Er hatte begriffen, dass ich helfen wollte. Sie presste die Hände ängstlich an den Mund und stand zitternd da. Eine Schweißperle lief mir an der Schläfe entlang. Ich sah das mir vertraute ebenmäßige, makellose, leicht gebräunte Gesicht. Ihre zarten Lippen. Sie rührte sich immer noch nicht. „ Neriman, Neriman...“ Was machte sie hier in Alexandria? War sie wegen mir hier? Nein, nein... nicht wegen mir. Sie kannte mich kaum. Ich war einer von vielen Legionären in der Wüste gewesen. Meine Hand streichelte vorsichtig über ihre Wange. Ich wurde aus meinen Betrachtungen gerissen.


    Der Junge in Begleitung einer alten Frau, stand hinter mir, stieß mich an gab mir einen Becher lauwarmen Tee. Ich richtete Neriman in meinem Arm auf, benetzte ihre Lippen mit dem Tee. Die Alte wischte ihr mit einem feuchten Tuch über‘s Gesicht, wiegte den Kopf. „ Muss viel Trinken, sehr viel Trinken.“ Ihr Blick verfinsterte sich. „ Du schlechter Mann, nicht gut aufpassen auf deine Frau.“brummelte sie böse. Ich starrte sie verdutzt an. Eh ich erklären konnte, dass ich nicht ihr Mann war, war die Alte wieder im Haus verschwunden. Irgendwie fand ich den Gedanken nicht einmal verwerflich. Eine Frau? Ob ich mit ihr zurecht kam? Ich hatte noch keine Erfahrung mit einer Frau über längere Zeit, wozu auch. Ich war bei der Legion. Mir stand auch nicht der Sinn danach. Naja, bei Neriman war ich mir da nicht mehr so sicher. Sie hatte mich in ihren Bann gezogen. Wie es den Sirenen nachgesagt wird. Nicht durch ihren Gesang, nein durch ihre Augen. Ich hoffte inständig, dass sie sie öffnete. „ Meine kleine Wüstenblume, öffne deine Augen, die wie Edelsteine funkeln, wenn du lachst.“ Flüsterte ich. Streichelte ihr wieder über die Wange.

  • Warmes, dunkles Nichts - um sie herum einfach nur Nichts. Absolute Stille. Stimmen, Geräusche, nichts davon drang durch die Dunkelheit. Was um sie geschah lag weit entfernt. Weder von den Menschen, die sich neugierig um sie drängten, noch von den verzweifelten Versuchen ihrer Cousine, sie aus ihrer Ohnmacht zurückzuholen, bekam sie etwas mit. Neriman ergab sich völlig der Einfachheit dieses Zustandes.


    Irgendwann änderte sich etwas. Ihr war, als würde sie schweben. Getragen wie auf Wolken. War das der Tod, der sie holen kam? Ihr Name - seine Stimme. Sie wollte ihr folgen, ihn finden. Ihre Augen zuckten. Dann wurde es wieder still. Die Stimme war verstummt, Neriman fiel wieder zurück. Dunkelheit. Ihr Atem ging ruhig, der Schatten kühlte ihr vom Tuch befreites Gesicht. Flüssigkeit, die auf ihre Lippen tropfte. Ein vorsichtiges Schmecken. Fremde Stimmen - dann wieder Stille.


    Eine wundervolle Stille. Es gab keinen Grund, diesen Ort zu verlassen, bis sie sie wieder hörte, diese Stimme, seine Stimme. Nur ganz leise, so weit entfernt. Aber es war SEINE Stimme. Diesmal wollte sie sie nicht wieder verlieren, hielt sich daran fest, wurde magisch von seinen Worten angezogen, die sie doch nicht verstand. Wieder zuckten ihre Augen, öffneten sich einen kleinen Spalt, schlossen sich wieder, erschrocken über die ungewohnte Helligkeit. Jemand hielt sie in den Armen, sie konnte es spüren. Ein neuer, neugieriger Versuch. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an das grelle Sonnenlicht. Massa? Die Augen fragend auf ihn gerichtet. Wann war sie eingeschlafen, dass sie schon wieder von ihm träumte? Einmal kurz geblinzelt, aber er war noch da. Allmählich kam die Erinnerung, sie waren auf dem Markt unterwegs. Ihre Cousine? Suchend drehte sie den Kopf. Sie stand nicht weit von ihnen, war ganz bleich, genauso ihr Begleiter, der schützend den Arm um sie hielt. Noch ganz schwach, brachte Neriman eine kurze Frage mit ihren Händen zustande. Was ist passiert?


    Die Cousine kniete sich neben sie, nahm ihre Hand. "Du bist einfach umgefallen. Es ging alles so schnell. Der Mann hat dich in den Schatten gebracht, etwas zu trinken besorgt. Geht es dir wieder gut?" Die Furcht in ihrer Stimme war seltsam. So kannte sie ihre Cousine nicht, die immer alles im Griff hatte. Natürlich ging es ihr gut. Um das zu zeigen, wollte sie aufstehen, sank aber fast augenblicklich wieder in die starken Arme, die sie hielten. Ihr Kopf - vorsichtig tastete sie an die schmerzende Stelle, verzog das Gesicht. Über ihr immer noch Massas dunkle Augen, die sie besorgt und ebenso fragend musterten. Sein Blick weckte verborgene Gefühle. Egal, weshalb er hier war, sie in seinen Armen hielt, sie wollte diesen Moment für immer festhalten.

  • Endlich, ein Zwinkern.Mach schon die Augen auf. Da, sie blinzelte. Ihre grünen Augen sahen mich an, als ob ich eine unwirkliche Erscheinung war. So, wie uns die Götter in der Wüste mit Trugbildern genarrt hatten. Nicht so hastig, sie landete wieder in meinen Armen. Du bist noch nicht soweit und sah sie besorgt an.



    Ich hatte nicht alles verstanden, was ihre Begleiterin gefragt hatte. Es hatte etwas mit Neriman‘s Zustand zu tun. Ich zog die Augenbrauen hoch. Du, Kind der Wüste, solltest wissen, dass man ausreichend trinkt. Ich seufzte, wie machte ich ihr das wieder begreiflich. Ich sah zu ihrer Begleitung. „ Warum hat sie nicht getrunken? Ihr wisst, dass das wichtig ist bei der Hitze. Passt besser auf sie auf.“ Zärtlich, für mich ungewohnt bei einer Frau, vielleicht auch etwas ungeschickt, strich ich ihr ein paar dünne widerspenstige Strähnen ihrer Haare aus dem Gesicht und hielt sie weiter im Arm. „ Was macht ihr in Alexandria, ihr seid nicht von hier. Neriman ist in der Wüste, weit unten im Zwölfmeilen Land wie wir es nennen, zu Hause. Das hier ist nichts für euch. Was wollt ihr hier? Wo schlaft ihr? Neriman muss sich ausruhen und viel trinken. Ich trage sie. Zeigt mir den Weg.“ Meine Annahme war, dass sie vor Alexandria lagerten. Der Weg zog sich, und das Gedränge dazu, das brauchte seine Zeit bis wir an das Stadttor kamen. Wie ihr Vater reagierte, wenn wir so in ihrem Lager ankamen, keine rosige Vorstellung.


    Alles das blieb im Moment unbeachtet. Sie in meinen Armen zu halten, ganz dicht bei mir, ein merkwürdiges, fast berauschendes Gefühl. Mein Herz klopfte aufgeregt. Bis ans Ende der bekannten Welt und weiter würde ich sie tragen. Nie wieder hergeben. Der Duft den sie verströmte. Fesselnd, animalische Triebe weckend. Ihre Lippen dicht vor mir. Ich musste mich zusammenreißen, um sie nicht einfach auf offener Straße, vor all den Menschen, zu küssen.


    Faustus tauchte, wie anklagend, schemenhaft in meinen Gedanken auf, es riss mich hin und her. Meine Gefühle für ihn, die neuen aufbegehrenden für Neriman. Der Kampf der beiden untereinander stützte in mir alles ins Chaos. Bis heute hatte es keinen anderen als Faustus für mich gegeben. Unsicherheit, Angst, alles verkehrt, nichts war mehr so, wie es heute Morgen war. Sie hatte meine Gefühlswelt aus den Angeln gehoben. Ausgerechnet jetzt hieß es für mich Abschied von Ägyptus zu nehmen. Warum mussten wir uns hier noch einmal begegnen. Wie ungerecht und gefühllos seid ihr Götter, dass ihr mir das antut.

  • Sprach er tatsächlich ihre Sprache? Und dann so viele Fragen. Nebensächlich. Viel wichtiger war, er war hier, bei ihr. Mit einem dankbaren Lächeln streckte sie die Hand nach ihm aus, strich ihm vorsichtig über die Wange. Noch immer konnte sie kaum glauben, dass er es tatsächlich war. 'Lass mich nie mehr los' baten ihre Augen, während sie sich, von den anderen unbemerkt, sehnsüchtig anlehnte. In seinem Blick glaubte sie, von ähnlichen Gefühlen zu lesen. Sein Herz, sie konnte es schlagen hören. Mindestens ebenso schnell wie ihres. Er war ihr so nah - sie dachte an den Kuss in der Wüste und wünschte sich nur einen Moment alleine mit ihm. Wenn sie wenigstens sprechen könnte, sie wollte ihm so viel sagen, hatte so viele Fragen.


    In der Zwischenzeit hatte sich ihre Cousine wieder gefangen. Sie beantwortete seine Fragen eher unwirsch, ungeachtet der Tatsache, dass er ihnen geholfen hatte. Wie sollte sie auch ahnen, dass Neriman ihn kannte. "Eigentlich geht dich das nichts an, aber wir sind hier, weil wir hoffen, dass sie und einer unserer Freunde hier Hilfe bekommen. Deshalb haben wir die lange Reise auf uns genommen. Wir entstammen der gleichen Familie, also weiß ich auch, woher sie und wir kommen. Hier wohnen wir bei einem, der sich Christ nennt. Er wohnt in diesem Judenviertel, falls du das kennst."


    Neriman konnte den Argwohn ihrer Cousine in deren Stimme hören. Mit ein paar Handbewegungen machte sie ihr klar, dass sie ihn kannte und er es sicher nur gut meinte. Nur, sie zu tragen, dafür war der Weg zu weit. Sie sollte ihm sagen, dass sie selbst gehen konnte und es ihr schon viel besser ging. Das tat sie dann auch, in einem etwas versöhnlicherem Ton. Trotzdem musterte sie ihr Gegenüber mehr als skeptisch, schließlich war sie es, die für das Wohl ihres Schützlings verantwortlich war.

  • Das war eine für ihn erschütternde Offenbarung. Sie wohnten bei einem Christen. Bei einem von denen, die Rom angezündet hatten. Hier in Alexandria konnten sie nicht offen gegen diese Bande vorgehen. In das Judenviertel bekamen ihn keine zehn Dromedare. Nicht zu diesen Christen. Sie verachteten die Götter, wiegelten gegen sie auf. Das Volk gehörte für ihn in die Arena, von Löwen zerfleischt oder gekreuzigt wie ihr Anführer, den sie anbeten. “ Bei einem Christ ?!? “ rutschte es ihm lauter heraus als gewollt. “ Seid ihr sicher, dass ihr bei diesem …Christ..richtig seid?” Er ließ Neriman runter. Hielt sie, bis sie sicheren Stand gefunden hatte. “ Neriman, ich kann nicht mitgehen. Nicht zu diesem Christen. Bist du sicher, dass er dir helfen kann?” zweifelnd sah er sie an. Warum zu diesem Christen? “ Es ist vielleicht gut so, dass ich nicht mitgehe. Das macht den Abschied leichter.” ich sprach es leise aus. Zärtlich umfasste ich mit meinen Händen ihre Schultern. “ Ich verlasse Ägyptus, folge dem Praefecten nach Misenum. Dich werde ich in Gedanken und in meinem Herz mitnehmen. Geh bitte zurück zu deiner Familie, zu deinem Vater und deinem Bruder. Alexandria ist nichts für dich.” Er küsste sie auf die Stirn, spürte ihr weiches feines Haar. In ihm zog sich alles zusammen. Er verabschiedete sich, wollte so schnell wie möglich von hier weg. Blieb er länger, dass ahnte er, würde es noch schwerer sich von ihr zu trennen.


    Sim-Off:

    um das Thema einigermaßen plausibel abzuschließen

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