Ein Brief aus Mantua

  • Auch die beiden neuen Consuln waren mit allen Arten von Amtsgeschäften konfrontiert, so auch mit dem Verlesen von Briefen, den italische Gemeinden an den Senat richteten.


    Ad senatus
    curia iulia
    Roma


    Patres et conscripti,


    wir, die Versammlung der decuriones der civitas mantua, grüßen euch.
    Unser Kollegium besteht auf Grund der pestis, die in der Stadt herrschte, nur noch aus sechs Mitgliedern. Ihr werdet gewiss bemerken, dass dies zu wenige sind, um eine bestmögliche Verwaltung der Stadt sicherzustellen. Wegen der Bestimmung in der lex Octavia et Aelia können wir jedoch pro Jahr nur drei weitere decuriones gewinnen, so viele eben, wie Männer ihre Amtszeit als magistratus ableisten können.


    Wir halten dies für unzureichend und bitten daher um eine Diskussion, die lex Octavia et Aelia dahingehend abzuändern, dass auch verdiente Personen zu unserem Kollegium adrogiert werden können, die keine Amtszeit als magistratus abgeleistet haben.
    Sollte sich der ehrwürdige Senat gegen dieses Vorgehen entscheiden, so bitten wir darum, uns die Erlaubnis zu geben, abweichend von der lex Octavia et Aelia, eine bestimmte Anzahl Männer ohne magistratur zu adrogieren. Die Festlegung der genauen Zahl überlassen wir der Weisheit des Senats.


    Valete benissime


    [Unterschriften der sechs decuriones]

  • Das Thema kam für Macers Empfinden etwas plötzlich und er fühlte sich nicht vorbereitet auf solche Überlegungen. Wie sollte er auch, erfuhr er doch genauso wie alle anderen Senatoren eben erst durch die Verlesung des Briefes von der Existenz des selbigen. Ob andere Senatoren schon früher von den konkreten Problemen der Stadt Mantua gehört hatten, wusste er natürlich nicht, aber da niemand rasch das Wort ergriff, war dies wohl ebenfalls nicht der Fall. Über die Seuche selber war allerdings sicher jeder informiert gewesen.


    "Ich denke nicht, dass eine Änderung der lex Octavia et Aelia nötig ist", fasste er schließlich seine ersten Gedanken in Worte. "Für die Reaktion auf einmalige Ereignisse brauchen wir keine dauerhaften Gesetzesänderungen, finde ich. Eine einmalige Ausnahme nur für Mantua scheint mir viel eher angeraten zu sein, um der Stadt geeignet zu helfen."

  • Auch wenn der Brief des Mantuanischen Senats den Tiberier etwas überraschte (vor allem die Zahlen der ausgefallenen Decuriones durch die Seuche - offensichtlich hatte die Mehrheit nicht die Klugheit besessen, sich aus der Stadt zu entfernen), wusste er doch prompt etwas dazu zu sagen:


    "Ich bin der Meinung, dass wir dem Ansinnen der Decuriones von Mantua stattgeben sollten. Die Städte Italias sind seit Jahrhunderten frei und mehr unsere Verbündeten denn unsere Untertanen. Wieso sollten wir ihnen vorschreiben, welche Voraussetzungen für den Zutritt in ihren Senat zu gelten haben? Ich denke, dass das Vorbild Roms genügen wird, dass sie sich aus freien Stücken eine Verfassung nach unserem Bilde geben, doch sollte jede Stadt die Möglichkeit haben, ihre Gesetze an ihre spezielle Lage anzupassen, ohne dass der römische Senat in jedem Detail darüber befinden muss."


    Was natürlich nicht ausschloss, dass man den Senat in Rom um seine Meinung bat - aber darauf kamen ja ohnehin eher zu viele als zu wenige Stadträte...

  • Nicht weil der Beitrag des Tiberius Durus dem eigenen eine andere Meinung entgegen stellte, sondern weil er Macer in sich nicht ganz schlüssig erschien, meldete sich Macer gleich noch einmal zu Wort, denn er wollte sichergehen, alles richtig verstanden zu haben. Zwar war ihm durchaus am Schicksal Mantuas mehr gelegene als an jedem anderer italischer Städte, aber er hatte keine Lust, aus einem möglichen Missverständnis heraus eine vehemente Argumentation zu beginnen.


    "Aber das Ansinnen der Stadt Mantua ist es doch, die Regelung zu ändern beziehungsweise zu ergänzen", warf er also sein Verständnis des Briefes ein. "Wenn du nun vorschlägst, dass man die Regelung schlicht streichen soll, dann ist dies eine neuer Vorschlag und gibt nicht der Bitte der Stadt Mantua statt. Gerade da uns in dem Brief zwei Vorschläge unterbreitet werden, wie das Problem zu lösen ist, verstehe ich es dahingehend, dass die Stadt für gesetzliche Vorgaben und eine Entscheidung des Senates prinzipiell dankbar ist."

  • "Für mich bietet dieser Brief den Anlass eines grundsätzlichen Überdenkens der gesetzlichen Regelungen für Italia. Natürlich habe ich nichts gegen einen Ratschlag des Senats einzuwenden - in diesem Falle würde ich eine solche ausnahmsweise Aufnahme fähiger Männer sogar unterstützen. Aber ich denke, eine Entschärfung des Gesetzes wird die Städte Italias ermutigen, sich selbst ihrer Angelegenheiten anzunehmen und den Stolz der einzelnen Bürger auf die Autonomie ihrer Städte stärken und sie motivieren, ihre Gemeinschaft nach den individuellen Bedürfnissen und zu ihren Besten zu gestalten."


    gab Durus dem Purgitier zurück - der Senat war schließlich nicht daran gebunden, sich nur stur auf Anfragen zu beziehen - und vielleicht nahm der Senat diesen Vorstoß ja auf und gestaltete damit neue Rahmenbedingungen für die Politik in Italia...

  • Erwartungsvoll sah Durus in die Runde. Offensichtlich interessierte sich niemand der Senatoren für die Städte Italias - obwohl rein statistisch betrachtet die meisten aus ihnen stammen mussten...

  • "Ein grundsätzliches Überdenken setzt aber einen gewissen Zeiteinsatz voraus, möchte ich meinen, während ich den Eindruck habe, dass Mantua durchaus an einer zügigen Antwort gelegen ist", warf Macer ein. Andere Kollegen im Senat schienen es nicht so eilig zu haben, wenn er ihr Schweigen richtig interpretierte, aber dann wollten sie vermutlich noch weniger über eine neue gesetzliche Regelung nachdenken. "Ich schlage daher vor, wir gewähren Mantua eine Ausnahme und entscheiden über generelle Lösungen zu einem späteren Zeitpunkt", gab er dann noch einmal sein Votum ab.

  • Potitus saß gelangweilt auf seinem Platz. Diese Debatte war wieder einmal ein Paradebeispiel für die Ineffektivität der anwesenden Herren! Einer schlug etwas vor, einer wollte alles auf einmal ändern, alle anderen hielten die Klappe! Dieser Magistrat hätte sich lieber gleich an ihn wenden sollen! "Hauptsache vertagen! Senatoren, ich erwarte, dass ihr euch zügig an diesen Mangel macht, andernfalls wird der Kaiser sich selbst darum kümmern müssen!"

  • Macer blickte etwas irritiert angesichts der Antwort des Praefectus Urbi, denn er war sich nicht ganz sicher, ob das nun Zustimmung oder Ablehnung seines Vorschlags war. Einserseits hatte Macer ja auch vorgeschlagen, größere Änderungen zu vertagen, um erstmal kurzfristig das eigentliche Problem zu lösen, aber andererseits klag der Praefectus Urbi nicht gerade zustimmend. Macer verkniff sich allerdings einen Kommentar und wartete lieber darauf, ob sich andere auch noch zu Wort meldeten. Diejenige von Tiberius Durus kannte er schon und der Praefectus Urbi wollte immerhin eine rasche Antwort, auch wenn Macer keine Ahnung hatte, wie die in seinen Augen aussehen sollte.

  • "Obgleich dieser Unterton des Praefectus Urbi vielmehr einer Drohung gleichkam als einem der Sache dienlichen Kommentar, schließe ich mich der Meinung des verehrten Consulars Purgitius an und untersütze die rasche Genehmigung für die Sicherstellung der Handlungsfähigkeit Mantuas. Die Lex erfordert jedoch einige Anpassungen, welche wir initiieren sollten.", hatte der ehemalige Proconsul in der Raum geworfen, da dieser Fall in Hispania so nie eintraf, doch er selbst wusste, dass in der Administration und kommunalen Politik eine Flexibilität in den Quoren durchaus vonnöten war. Schließlich war Personal und dessen Engagement niemals ein gleich bleibender und produktiver Strom - man musste mit Ebbe genau so rechnen wie mit Flut.

  • Der vorsitzende Consul klopfte noch eine Weile abwartend mit einem Stylus auf den Rand einer Wachstafel, dann sprach er.


    "Ich schlage vor, wir senden Mantua umgehend eine Antwort, in der wir ausnahmsweise die Adrogation von 10 Männern zur Versammlung der Decuriones gestatten. Eine etwaige Gesetzesänderung diskutieren wir später. Gibt es konstruktive Einwände gegen diesen Vorschlag?"

  • Nachdem er eine Weile auf Antworten und Widerspruch gewartet hatte, sprach der Consul erneut.


    "Ich stelle fest, dass es keine Einwände gibt. Dann wird in dieser Sache wie vorgeschlagen verfahren und ich sende eine Antwort nach Mantua."

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