In, um und unter Rom

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    Schon kurz nach der Villa Flavia hatte Sciurus das Gefühl verfolgt zu werden auf seinem Gang zur Regia des Cultus Deorum. Er hatte wichtige Dokumente seines Herrn bei sich, doch letztlich nichts derart brisantes, dass er deswegen einen Verfolger befürchtete. Es musste etwas anderes sein - und es kamen durchaus einige Gründe infrage, wegen der jemand Sciurus hätte verfolgen können. Seine Muskulatur war angespannt und er betrachtete die Straßen vor sich genau. Da ihm auf der Via Lata zu viele Menschen unterwegs waren, bog er von der Hauptstraße ab Richtung Viminal und Subura. Als er schlussendlich stehen blieb und sich langsam umwandte, trat ein junger Kerl auf die Straße, offen und ohne Angriffslust in den Augen.


    ‚Dies ist von meinem Herrn für deinen Herrn‘ - mehr hatte der Fremde nicht zu sagen. Sciurus kannte ihn nicht, doch der Herr würde sich zweifellos durch das Schreiben offenbaren. Womöglich war es einer der Konspiranten. Rasch steckte Sciurus die Nachricht in den Beutel zu den übrigen Dokumenten, drehte sich um und ging weiter als wäre nichts geschehen. Da er seinen potentiellen Verfolger abgeschüttelt hatte, ließ seine Aufmerksamkeit ein wenig nach.

  • In Alexandria hatte Baalberith eine Nachricht erhalten. Dass Cleopatra zurück in Rom war. Von einem kleinen, verlotterten Mädchen. Das für ihn ein bisschen spioniert hatte. Er hatte sie bezahlt. Er hatte es sich leisten können. Er hatte seinen Lohn gespart. Der war gut gewesen. Mehr als gut.
    Zurück in Rom war sein Auftrag beendet. Der Vogelmann brauchte ihn derzeit nicht. Es gab niemanden mehr der ihn bezahlte. Baalberith langweilte sich. Und verspielte sein Geld. Auch das, das er nicht hatte.


    Baalberith blieb nichts übirg. Als Crinon seine Schulden einforderte. Er musste sich den Straßendieben anschließen. Crinon, Bagoas und Trawin. Sie waren eine unbedeutende Bande. Zu feige für die Nacht. Die gehörte größeren Gruppen. Also jagten sie bei Tag. In der Subura. Oder Tanstiberim. Sie überfielen einfache Beamte. Unbedeutende Handwerker. Trunksüchtige Tagelöhner. Sklaven auf Botengang. Jeden, bei dem Aussicht bestand. Dass er ein paar Münzen mitführte.


    Wie bei dem blonden. Ein Beutel baumelte an seinem Gürtel. Seine Tunika war schlicht. Aber hochwertig. Kein Saum war ausgefranst. Kein Loch darin. Sie war sauber. Genau wie er. Er passte nicht in die schäbige Gegend. Leichte Beute also. Bagoas und Trawin hefteten sich an seine Fersen. Crinon und Baablerith schlugen einen Bogen. Bis sie vor ihm waren. Dann traten sie auf den Weg.


    Crinon grinste breit. "Ich glaube, du hast da meinen Beutel an deinem Gürtel." Bagoas lachte kehlig. Crinon sprach weiter. "Besser du gibst ihm mir zurück. Oder wir holen ihn uns." Sie hatten keine Messer. Die bei Tag in der Stadt verboten waren. Aber Knüppel leisteten eben so gute Dienste. Baalberith hob das Holz und entblößte seine Zähne. Die gelb und schief waren.

  • Es war in irgendeiner engen Gasse als Sciurus die Männer hinter sich bemerkten, denn um Heimlichkeit bemüht schienen sie nicht sonderlich. Rasch blickte er über die Schulter, um sich dann nach vorn zu wenden und seinen Schritt ein wenig zu beschleunigen, denn er hatte keine Zeit, sich weiter aufhalten zu lassen. Vor ihn jedoch traten zwei weitere Männer und versperrten ihm den Weg. Denjenigen, der sprach, hatte Sciurus schon einmal unter Rom gesehen, dessen war er sich sicher. Womöglich war er ein Klient des schwarzen Schattens oder vielleicht des fetten Rattenkönigs Mithras.


    "Besser du lässt ihn an meinem Gürtel", entgegnete der flavische Vilicus ohne eine Miene zu verziehen. "Oder ich hole mir deinen Kopf." Er wollte keine Schwierigkeiten, denn so gut er auch trainiert war, gegen vier bewaffnete Männer würde ein Kampf schwer werden. Doch einfach machen würde er es den Männern nicht und Furcht zu zeigen war in dieser Gegend bereits Garant für eine Niederlage.
    "Ihr könnt meine Münzen haben. Es sind etwa vier Sesterzen, einen für jeden. Dann verzieht ihr euch wieder."

  • Einen Augenblick war Crinon verwirrt. Weil der Blonde nicht gleich seinen Beutel löste. Dann schüttelte er den Kopf. "Wir nehmen alles." Bagoas und Trawin rückten auf. Crinon und Baalberith traten vor. Es war immer das gleiche Schema. Wenn sie einen einzelnen überfielen. Crinon lenkte ihn ab. Baalberith zielte. Doch nur Bagoas schlug zu. Trawin behielt die Straße im Auge.


    Crinon tat einen schnellen Schritt vor. Baalberith stürmte vor. Schwang seine Keule. Der Blonde war schnell. Erkannte die Finte des Anführers. Hob die Hand um das Holz aufzuhalten. Blickte Baalberith in die Augen. Dann krachte Bagoas Knüppel auf seinen Hinterkopf. Er fiel wie ein Baum. Crinon löste den Beutel von seinem Gürtel. Pfiff durch die Zähne. Und hastete nach vorn. Baalberith verbarg seinen Knüppel. Unter seinem Mantel. Und folgte Crinon. Bagoas und Trawin rückten ab. In die andere Richtung. Später würden sie sich wieder treffen. Unter Rom.

  • Beinahe im gleichen Augenblick als Sciurus das Holz des hässlichen Hünen schmerzend in seiner Hand spürte, bemerkte er den Luftzug an seinem Hinterkopf. Gleich darauf folgte die Dunkelheit.


    Ein leises, melodisches Summen durchdrang die Dunkelheit, geleitet von dem Duft nach trockenem, staubigem Stroh. Unter sich konnte Sciurus die Halme spüren, die ihn durch den dünnen Stoff der Tunika piekten, und den harten, erdigen Grund darunter. Auf ihm lag die kratzige, ausgefranste Decke aus ungefärbter Wolle, der immer noch der Gestank nach dem Schweiß seines Vaters anhaftete.
    "Wach auf, Ultor, es ist Zeit die Pferde zu füttern." Sanft rüttelte die Hand seiner Mutter an seiner Schulter, doch Sciurus mochte nicht aufstehen. "Geht es dir gut?" fragte sie nun, doch ihre Stimme war viel zu hell.


    Blinzelnd öffnete Sciurus die Augen und spürte im gleichen Augenblick das Pochen in seinem Kopf.
    "Geht es dir gut?" fragte die helle Stimme noch einmal und ein schmales, kindliches Gesicht schob sich in sein Blickfeld, aus dem ihn große, neugierige braune Augen musterten. "Ich hab' gesehen, wie sie dich niedergeschlagen haben. Zack, Wumm, Schlag und weg warst du. Ich hab' da hinten gesessen, da hinter den Kisten. Siehst du, da hinter'm Schrein des Endovelicus", plapperte das Mädchen gestikulierend darauf los und deutete die Straße entlang zu einem Steinblock, auf dem einige Talglichter flackerten. Sciurus stemmte sich langsam auf bis er auf der Straße saß und befühlte die Beule an seinem Hinterkopf.


    "Sie hab'n deinen Beutel mitgenommen. Hast Glück, dass du deine Schuhe noch an hast, war wohl nich' ihre Größe. Die nehmen sie nämlich auch oft mit", plapperte das Kind weiter. Sie war vielleicht neun oder zehn Jahre alt, vielleicht aber auch noch etwas jünger, denn das Leben auf der Straße ließ Kinder oft älter wirken. Und dass sie sich vorwiegend auf der Straße herumtrieb, daran bestand aufgrund ihrer Erscheinung kaum Zweifel. Ihr schulterlanges Haar war ein einziges Gewühl aus Strähnen, das mehr einem Vogelnest glich als einer Frisur. Ihr Kleid war aus einem löchrigen Lappen, dessen Farbe irgendwo zwischen Aschgrau und Dreckbraun anzusiedeln war, und ihre Füße steckten nicht in Schuhen. Außerdem stank sie erbärmlich.


    Sciurus besah seinen Gürtel und vergewisserte sich, dass der Beutel tatsächlich fort war. Erst im zweiten Augenblick wurde ihm bewusst, dass damit nicht nur die Schriftstücke für das Collegium Pontificum fort waren, sondern mit ihnen auch das Schreiben des Unbekannten. "Porca miseria!", ließ er sich zu einem Fluch hinreißen. Da er den Brief nicht geöffnet hatte, wusste er nicht, was darin geschrieben war. Von einer harmlosen Einladung bis hin zu verräterischen Hinweisen bezüglich der Verschwörung, in die sein Herr verwickelt war, konnte alles mögliche darin geschrieben sein.

  • Er musste diesen Brief wieder bekommen. "Hast du gesehen, wo sie hin sind?" fragte er das Mädchen.
    Sie wiegte abschätzend den Kopf. "Schon möglich." Mit dem vor Dreck stehenden Ärmel des Kleides wischte sie sich über die Nase.
    "Wieviel?" Sciurus fixierte sie aus seinen hellen, grauen Augen und begann aufzustehen und sich den Staub der Straße abzuklopfen.
    "Ein As." Ihre Schultern hoben und senkten sich zuckend, so als wäre es ihr eigentlich egal.
    "Ein Sesterz, wenn du mir sagst, wo sie hin sind und wo sie sich üblicherweise herumtreiben." Wenn das Mädchen wusste, dass die Räuber auch oft die Schuhe mitnahmen, dann musste sie auch dies wissen.

    Ein wenig nervös leckte sich das Mädchen über die Lippen. Dann blickten ihre großen Augen leuchtend zu Sciurus empor, doch in ihrer Stimme lag ein Hauch von Unsicherheit. "Zwei Sesterzen und ich nenne dir den Namen des Anführers."
    "In Ordnung", kommentierte der Sklave ohne selbst zu zeigen, wie wertvoll diese Information für ihn war. "Allerdings musst du bis zum Forum mit mir kommen, da ich keine Münzen mehr bei mir habe." Dort würde er sich einige Sesterzen leihen können, denn er bezweifelte, dass das Mädchen ihm bis zum Quirinal folgen würde.
    Sie nickte zufrieden. "Is' gut, bis zum Forum. Musst aber schon bis dahin warten, bis ich was sage." Energisch stapfte sie in Richtung Forum Romanum los und Sciurus war nicht unfroh darüber, dass sie ihre Ankündigung nicht nur auf den Namen bezog und bis zu ihrem Ziel kein weiteres Wort mehr sprach.

  • Am Forum Romanum hatte Sciurus rasch einige Münzen aufgetrieben, mit welchen er das Mädchen wie zugesagt entlohnen konnte. In einer halbwegs stille Ecke einer Seitenstraße zählte er ihr einen Sesterz und zwei Asse in die geöffnete Hand. "Nun sag schon, was du weißt."
    Sie zögerte nicht lange. "Der Anführer heißt Crinon. Er is' nur ein kleiner Fisch, aber ein ziemlich erfolgreicher. Es heißt, er hätte irgendwo in Rom eine Frau, aber ich wette, es sind eher mehrere. Er wechselt seine Unterkunft, so dass man nie genau weiß, wo er gerade steckt."
    "Nimmt er Aufträge an?"
    "Klar."
    "Und wenn ich ihn für etwas beauftragen wollte, wie würde ich das anstellen?"
    Das Mädchen lachte kichernd. "Naja, wenn du ihn speziell beauftragen wolltest, dann würd'st du jemanden kennen, der jemanden kennt, der ihn kennt. Aber er arbeitet selten für so Leute wie dich."
    "Leute wie mich?"
    "Na so Städtertypen eben."
    Sciurus nickte. "Nehmen wir für einen Augenblick an, ich wäre nicht so ein Städtertyp, unter wessen Protektion arbeitet Crinon dann?"
    Das Mädchen musterte ihn aufmerksam. "Protektion? Was meinst du damit?"
    "Wem zahlt er seinen Anteil? Dem Syrer? Dem dicken Prinzen? Dem Vogelmann? Phaeblos, dem Juden?"
    Instinktiv krümmte sie ihre Finger fester um die Münzen. "Was weißt du darüber?"
    "Nehmen wir an, ich weiß eine ganze Menge darüber. Komm schon, raus mit der Sprache, ich habe nicht ewig Zeit!"
    Es war deutlich an ihrem Gesicht abzulesen, dass sie nicht mehr sagen wollte, doch letztlich wollte sie noch viel mehr die weiteren Münzen. "Soweit ich weiß jagt er in verschiedenen Revieren. Meistens arbeitet er für den gold'nen König, aber manchmal auch für den Mann mit der Vogelmaske. Und ab und zu treibt er in Transtiberim Schutzgelder für den Juden ein. Der Kerl, der dir den Knüppel übergezogen hat, sah aus wie einer aus der nördlichen Subura, der öfter für den Vogelmann als Kurier unterwegs is'. Also sitzt Crinon wahrscheinlich gerade in dessen Nest."
    Es wäre tatsächlich ein wenig zum Lachen gewesen, dass es die Männer des Mannes mit der Vogelmaske gewesen sein sollten, die Sciurus beraubt hatten, doch Humor gehörte nicht zu den Stärken des Sklaven. Er gab dem Mädchen die letzten beiden Asse ihres Lohns und kehrte sodann unverrichteter Dinge zurück zur Villa Flavia, um seinem Herrn von dem Zwischenfall zu berichten.

  • Es war nicht einfach gewesen, Nachforschungen anzustellen, denn in den zurückliegenden Tagen hatte Sciurus es kaum nur geschafft, allein aus der Villa Flavia zu kommen. Beständig hatte sein Herr Aufgaben für ihn, beständig hatte er seiner Dienste bedurft, und selbst die Zeit, in welcher Sciurus seine Botengänge zu erledigen hatte, war stets knapp bemessen gewesen. Doch er hatte seine Kontakte gepflegt, hier und dort ein Wort gewechselt, hier und dort eine Kaskade der Informationsbeschaffung angestoßen, hier und dort einige Münzen fließen lassen, so dass er an diesem Tag ganz genau wusste, wo der Mann Namens Crinon zu finden war.


    Einige Zeit hatte Sciurus darüber nachgedacht, ob es womöglich kein Zufall gewesen war, dass die Männer ihn überfallen hatten, ob er seine Geschäftsbeziehungen zu dem Vogelmann überdenken sollte, doch letztlich war er zu dem Schluss gekommen, dass die Männer nur ihrer Arbeit nachgegangen waren. Er hatte überlegt, die Sache dem Vogelmann vorzutragen und Gerechtigkeit zu fordern - das, was man dort unten unter Gerechtigkeit verstand -, doch letztlich hatte er entschieden, dass es nur eine Lappalie war, die er selbst erledigen konnte. Und erledigen musste, denn letztlich ging es dabei nicht um Rache oder sonst ein irrationales Drängen nach Ausgleich, sondern einzig darum, die Nachricht für seinen Herrn wieder zu beschaffen, welche die Männer ihm geraubt hatten.


    Sein Herr verbrachte diesen Abend bei einem Gastmahl seines Freundes Cornelius Scapula, so dass Sciurus genügend Zeit für sein Vorhaben blieb. Umüllt von einem einfachen, grauen Radmantel eilte er durch die Straßen und Gassen der Stadt, die zu dieser Zeit überaus belebt waren, mischte sich zwischen Arbeiter und Handwerker auf dem Nachhauseweg und Müßiggänger und Nachtschwärmer auf dem Weg in das abendliche Vergnügen. Irgendwann bog er in den Durchgang zum Innenhof einer Insula und sein Körper spannte sich augenblicklich an, als er sah, wer da auf einer Bank ausharrte. Doch sonst ließ er sich nichts anmerken.
    "Ich möchte mit Gaius sprechen, wegen der Schafskopflieferung von letzter Woche."
    Die Losung hatte der Mann mit der Vogelmaske ihm ausrichten lassen.



    edit: Crinon sollte seinen Namen behalten...

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    VILICUS - MANIUS FLAVIUS GRACCHUS

    Einmal editiert, zuletzt von Sciurus ()

  • Baalberith hatte sich etabliert. Als fester Mitarbeiter von Crinon. Er arbeitete jetzt fest für ihn. Zog mit seinen Leuten durch die Stadt. Oder stand Wache. So wie heute. Darin war er sehr gut. Man brauchte dabei nicht zu reden. Nur grimmig auszusehen.


    Baalberith saß. Als der Blonde in den Innenhof bog. Baalberith erkannte ihn. Erhob sich. Bevor der Mann die Losung sprach. Wer die Losung kannte, durfte passieren. So einfach war es. Baalberith nickte. Machte ein Zeichen mit seiner Hand. Dass der Blonde ihm folgen sollte. Er öffnete die Tür zu den Hinterräumen im Erdgeschoss. Ein Lagerraum. Voller Amphoren, Körbe und Kisten. Schob mühelos einen Stapel Kisten zur Seite. Dahinter kam eine Tür zum Vorschein. Baalberith öffnete sie. Ließ den Fremden eintreten. Und schloss die Tür wieder. Schob den Stapel davor. Kehrte wieder in den Innenhof zurück. Und schaute weiter grimmig.

  • Es war ein Lagerraum unter einer Insula wie es viele in Rom gab, das Lager eines Händlers, das Lager eines Hehlers oder das eines Diebes. Crinon saß inmitten aufgestapelter Kisten und Körbe an einem kleinen Tisch und blickte nur beiläufig auf als die Türe hinter Sciurus geschlossen wurde. Er brauchte einen zweiten Blick, um sich des flavischen Sklaven zu erinnern, sich zu entsinnen, wo er ihn schon einmal gesehen hatte.
    "Du hast etwas, das mir gehört, und ich möchte es wieder haben", begann Sciurus noch ohne ein Wort des Grußes, hakte seine Daumen in seinen Gürtel und sondierte ein Regal an der hinteren Wand, in dem augenscheinlich die kleinere Beute gelagert wurde - kleine Säcke, Beutel, Kästchen, einige Statuetten und eine Schale, die von Schmuckstücken überquoll.
    "Aber, aber", entgegnete Crinon und erhob sich langsam, den Blick bemüht unauffällig kurz von Sciurus lösend und auf das Messer richtend, welches nah an der Kante des Tisches lag. "Es wird schon seine Gründe haben. Doch ich bin ein ehrlicher Geschäftsmann, wir können über alles reden. Willst du nicht Platz nehmen?"
    "Es ist ein Beutel voller für dich gänzlich uninteressanter Schriften des Cultus Deorum. Gib ihn mir, dann lasse ich dich an einem Stück, dass du das Leben im Jenseits genießen kannst. Verweigere ihn mir und ich nehme deine Hände mit, dass du sie weder in dieser, noch in jeder anderen Welt jemals wieder gierig ausstrecken kannst."
    Crinons Augen weiteten sich und er griff hastig nach dem Messer. Sciurus jedoch hatte bereits im Augenblick der Regung den dünnen Draht aus dem Inneren seines Gürtels gezogen und ließ ihn einer Peitsche gleich dem Dieb entgegen schlagen, dass dieser am Arm getroffen von seinem Vorhaben abließ, in seiner Überraschung nicht schnell genug reagierte. Crinon war ein kleiner Fisch, ein hinterlistiger Dieb und dilettantischer Gauner, doch nicht sonderlich versiert im Umgang mit tatsächlichen Bedrohungen. Ehedem er sich versah, stand Sciurus bereits hinter ihm, hatte den Draht über seinen Kopf geschwungen und zog ihn zu. Verzweifelt versuchte der kleine Gauner um Gnade zu flehen, all seine Schätze und Beutestücke für sein Leben einzutauschen, doch das dünne Eisen drückte ihm die Luft ab, dass nicht mehr als ein trockenes Röcheln seine Kehle verließ, während seine Gliedmaßen heftig strampelten und zuckten, im animalischen Bestreben sich aus der Falle zu befreien oder den Gegner irgendwie zu verletzen. Sciurus jedoch ließ nicht ab, ließ alle Tritte und Schläge gegen seinen Leib achtlos über sich ergehen, hielt den Draht fest um die Kehle Crinons gewunden bis dass schlussendlich dessen Widerstand erstarb, das Röcheln verebbte und der Körper erschlaffte. Achtlos ließ Sciurus den Toten fallen, zog seinen Gürtel ab, um sorgsam darin den Draht wieder einzufädeln, ehedem er sich dem Beute-Regal zuwandte. Es dauerte nicht allzu lange bis er seinen Beutel gefunden hatte und es schien beinah, als hätten die Diebe nach einem flüchtigen Blick den Inhalt nicht weiter beachtet. Die Dokumente des Cultus Deorum waren vollständig und selbst die Botschaft des Fremden lag noch darin, das rote Seidenband unangetastet. Einige Augenblicke überlegte Sciurus die Nachricht zu lesen, um ihre Dringlichkeit zu prüfen, doch er steckte sie ungeöffnet zurück in den Beutel, welchen er sich an seinen Gürtel band. Anschließend blickte er sich um, nahm ein Gladius aus einem Korb voller Waffen und wandte sich der Leiche zu. Die Klinge war scharf, so dass es ein Leichtes war, die Hände vom Rest des Körpers abzutrennen. Sorgsam achtete Sciurus darauf, dass das rote Blut am Boden nicht mit seinen Schuhen in Berührung kam, dass die Tropfen aus den Wunden nicht seine Kleidung benetzten, während er die beiden abgetrennten Hände mit einem achtlos gegriffenen Tuch umwickelte und in einen ledernen Sack stopfte. Dann schlug er gegen die Tür und wartete darauf, dass der Hüne sie von außen öffnete.

  • Zwei Kinder tollten über die Straße. Warfen sich einen Ball zu. Lachten. Und jubelten. Eine junge Frau schlenderte vorbei. Ein zufriedenes Lächeln auf dem Gesicht. Als wäre sie verliebt. Ihren Korb voll mit Gemüse. Drei Handwerker kamen aus der anderen Richtung. Posaunten laut. Wie gut die Woche lief. Bedachten die Frau mit groben Komplimenten. Ein Mann hastete gedankenverloren. Einen Handkarren hinter sich herziehend. All das sah Baalberith. Nur in Ausschnitten. Wie durch einen Rahmen. Wie durch ein Schlüsselloch. Durch den Durchgang in den Innenhof der Insula. Es störte ihn nicht. Er sah hier mehr als unter der Stadt.


    Irgendwann klopfte es. Von drinnen. Baalberith erhob sich. Er hatte Crinon nicht rufen gehört. Wie sonst. Aber vielleicht war er zu leise. Oder die Stadt zu laut. Baalberith kümmerte es nicht. Er räumte die Kisten zur Seite. Öffnete die Tür. Stand dem Blonden gegenüber. Er versuchte in das Dunkel zu blicken. Das hinter dem Fremden lag. Konnte aber nichts erkennen.

  • Der Hüne machte keinen Anstalten ihn zu schlagen oder anzugreifen, sondern starrte ihn nur an.
    "Meinen Glückwunsch, du bist soeben in deiner Position aufgestiegen. Achte gut darauf, dass ihr euch nie wieder am Besitz meines Herrn vergreift, dann wirst du auch noch lange etwas davon haben."
    Sciurus bückte sich leicht und schlüpfte an Baalberith vorbei, aus den Augenwinkeln jede Bewegung des großen Mannes beobachtend. Doch der Hüne hielt ihn nicht auf, so dass er seinen Schritt ein wenig beschleunigte, aus dem Innenhof trat und sich in das Leben auf der Straße vor der Insula einreihte. Er hastete nicht auffällig, doch beeilte er sich, in Richtung Tiber zu gelangen. An einer wenig belebten Ecke entsorgte er den ledernen Beutel in die Wogen des Flusses, ehedem er sich auf den Rückweg zur Villa Flavia machte.

  • Baalberith stand starr im Eingang. Er wusste nicht, was zu tun war. Der Blonde war an ihm vorbei. Und fort. Crinon sagte nichts. Baalberith klopfte an die Tür. Nichts rührte sich. Daher trat er ein. Blinzelte. Biss seine Augen an das Dämmerlich gewöhnt waren. Dann sah er Crinon. Er lag am Boden. Rührte sich nicht. Baalberith trat näher. Trat in etwas hinein. Es war Blut. Crinons Blut. Baalberith nickte leicht. Der Blonde hatte Recht gehabt. Trawin war jetzt der Chef. Bagoas der Aufpasser. Und er der Schläger. Ein neuer Täuscher würde sich finden.


    Baalberith schloss die Tür. Und begann aufzuräumen.

  • Das mit dem Hähnchenschenkel nagte während unserer gesamten Wanderung an mir. Ich wollte doch selber nach Ron, also musste man mich nicht wie einen Hund mit einem Knochen locken. Mehrmals hatte ich unterwegs das angebotene Essen verweigert.
    Irgendwann war es dann so weit. Wir sahen in der Ferne unser Reiseziel. „Bei einer guten Sitzgelegenheit sollten wir pausieren und nochmals alles bedenken und besprechen. Was meinst du Großer?"

  • Es musste eine Mischung aus Galgenhumor und tatsächlichem Spaß sein, der Macro lachen ließ, als die Variante Onkel/Tante als Vorschlag für die verwandtschaftliche Beziehung kam.


    "Aber eins ist klar, wenn, dann bin ich der Onkel." Er strich sich zweimal unter der Nasenspitze lang, als er überlegte, ob es nicht doch eine bessere Verwandtschaftsbeziehung als Vettern geben konnte. "Genau, wir klären das unterwegs", stimmte er Linos zu, weil ihm auf Anhieb nichts einfiel.
    Die nachfolgende Frage überhörte Macro. Wer mit wem Ähnlichkeit hatte, das würde er niemals feststellen, weil er sowas nicht beobachtete, und es interessierte ihn auch nicht. Stattdessen wartete er geduldig, bis Linos zurückkehrte und der Marsch Richtung Rom losging.


    Als Linos den ersten Hähnchenschenkel ausschlug, dachte sich Macro noch nichts dabei, aber als das Verhalten zur Methode wurde, ging ihm ein Licht auf. "Hm, lecker." Er schmatzte beim Abbeißen und kam Linos' Ohr so nahe wie möglich dabei. Leider verfehlte die Verführung ihr Ziel und Macro gab auf. "Jetzt sei nicht sauer", bat er. "Ich bin ein bisschen aufgeregt und muss mich mit Aktivitäten ablenken. Dir das Essen in Herberge wegzunehmen, zählte dazu. Und übrigens, mir ist nichts Besseres eingefallen, also lass uns Vettern sein." Nebenbei hörte er den Vorschlag, eine Sitzgelegenheit betreffend. "Bänke werden wir hier nicht finden." Er sah sich um und wies wenig später auf einen Findling neben zwei gehauenen Steinbalken, die sicherlich keinen dekorativen Zweck erfüllten, sondern von jemand achtlos abgeladen und zurückgelassen worden waren.


    "Wie wäre es damit? Besprochen haben wir ja alles. Ich bin stumm, du redest, ich bin dein Vetter, aber mir fehlt noch ein Name. Wie heißt du? Ähm, wie wäre es mit Manuel? Da verspreche ich mich wenigstens nicht." Kurz darauf schlug sich Macro an die Stirn. "Ich kann ja nicht sprechen…" Er rollte die Augen und wünschte sich in die Villa Claudia hinein.


  • Ich war längst nicht mehr sauer ansonsten ging es mir bestimmt ähnlich wie Macro. Ich war aufgeregt und wie. Die Aufregung meldete sich auch prompt wieder an jenem seltsamen kribbeln, was ich jedes Mal bei solchen Situationen an meinem Hinterkopf spürte.
    Als Macro so dicht an meinem Ohr rum schmatzte wäre ich fast rausgeprustet, hielt mich aber selber krampfhaft zurück und nickte nur.
    Etwas sehr umständlich ließ ich mich auf einem der Findlinge nieder bevor ich Macro antwortete. „Ja an Manuel hatte ich auch schon gedacht und für dich hatte ich mir den Namen Hector
    ausgedacht. Wie ich mir unter diesem Namen immer einen starken wendigen Kämpfer vorstellte. Natürlich nur wenn du möchtest“; warf ich noch schnell ein während ich es nicht mehr aushielt und den Hinterkopf kratzte.
    „Weißt du den Vorschlag uns hier hinzusetzen machte ich nur, damit wir Gelegenheit haben das Stadttor aus sicherer Entfernung unauffällig zu beobachten. Damit wir sehen wie zügig die Abfertigung voran geht, um auf Eventualitäten vorbereitet zu sein. Doch ich glaube in dem
    Falle können wir es gar nicht. Aber sieh doch, die Abfertigung scheint normal zu laufen.“ Den letzten Satz sprach ich auch zur Selbstberuhigung.
    Seufzend stand ich auf, klopfte an meiner Tunika herum schaute Macro an und nickte ihm zu. „Wollen wir? Zum Stadttor?

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