Silent enim leges inter arma | Kapitel II: Wer suchet, der findet

  • Oft tut auch der Unrecht, der nichts tut.
    Wer das Unrecht nicht verbietet, wenn er kann, der befiehlt es.

    - Marcus Aurelius


    Über die Straßen Roms hatte sich in jener Nacht eine unheilvolle Dunkelheit gelegt. Es war kalt, so dass der warme Atem schon beim Austritt aus den Mundwinkeln von der kalten Luft eingenommen und verdampft wurde. Mitten in der Nacht hörte man immer noch Lärm mitten in der Stadt, der aus allen Winkeln kam. Rom schlief nie. Vor allem die Subura mit ihren Bordellen und Spelunken und dem Unrat, der diese bevölkerte war zu dieser Zeit hell auf. Jeder normale, zivilisierte Mensch wollte hier nicht sein. Nicht zu dieser Kälte, nicht zu dieser Tageszeit und schon gar nicht alleine. Zu sehr hätte sich ein normaler Mensch gefürchtet, ausgeraubt und ermordet zu werden. Doch Avianus war kein normaler Mensch. Schon lange nicht mehr.
    So strich er erneut durch die Gassen der Subura, wie er es schon seit Monaten immer wieder tat. Gänzlich gewandelt, in einer schlichten Tunika, einem abgerissenen Kaputzenmantel und darunter ein geschärfter Dolch, den er ohne zu zögern einsetzen würde. Geschützt von der aufgelegten Kaputze und der Dunkelheit der Nacht würde niemand ohne Weiteres erkennen, wer er wirklich war. Er war in dieser Nacht ein niemand. In dieser Nacht gab es keinen Avianus.


    Er war nur in der Subura, weil wieder der Hass in ihm hochkam. Seit Monaten suchte er immer wieder nach den Mördern seines Vaters. Er war nie fündig geworden. Irgendwann, wusste er selber, würde ihn dieser Suche vielleicht in den eigenen Tod treiben. Aber er hatte ohnehin keine Angst davor, zu sterben. Und es war bis zu einem gewissen Grad sogar beruhigend... denn wenn man fest damit rechnete, dass man nicht mehr lange hätte, dann machte es einen frei, abzurechnen mit all jenen, die noch eine Rechnung bei einem offen hatten. So skrupellos war Avianus, zu allem imstande, während er geheimnisvoll durch die Gassen stapfte und anhielt, als er eine Spelunke erblickte. Die Lichter brannten von innen und die lauten Schreie und Prügeleien waren auf der Gasse deutlich hörbar. Der Aurelier wagte sich hinein in diese Lokalität, die man als Drecksloch bezeichnen mochte, in der Hoffnung, fündig zu werden. Unauffällig begab er sich so an die Theke des Wirtes. Man würde ihn bedienen... nicht nur mit Getränken.
    Vorsichtig sah sich Avianus um, erkundete seine Umgebung:
    Es stank nach Bier, billigem Wein und Kotze. Der Typ neben ihm stank auch wie ein Straßenköter. Einige Besoffene lachten schallend, eine Prügelei am anderen Ende der Spelunke, in der Ecke küsste sich ein Pärchen. Die anderen soffen weiter. Er war nicht aufgefallen, das war gut.

  • Der Wirt brauchte nicht lange und sprach nicht viel. "Wat krisse? Trinken 'n As. 'N Mädchen sechs Asse." Im selben Atemzug nahm er einen leeren Becher des Kerls neben dem neuen Gast weg. "Noch einen?" Der Typ nickte.

  • Der Wirt war schnell zur Stelle. Avianus überlegte kurz und senkte nachdenklich den Kopf. Nicht darüber dachte er nach, was er trinken wolle. Als Wirt bekam man vieles mit von Leuten, die schon viel getrunken hatten und daher eine lockere Zunge hatten. So direkt konnte man ihn nicht fragen. Vielleicht aber würde der Kerl sich über einen leichten Nebenverdienst freuen.
    "Was zum trinken. Egal was", nuschelte er in seinen Dreitagebart hinein und zog einen glänzenden Aureus hervor, "Ich bezahle mit dem kleinen Freund hier. Ich will nur etwas Bestimmtes wissen..." Er sah den Wirt fragend an. Das Angebot stand.

  • Erneut machte der Wirt nicht viele Worte, aber die kleine Goldmünze war seiner Aufmerksamkeit nicht entgangen. "Abgemacht." Sprachs und ging erstmal weg, um dem zahlungskräftigen Gast und dem Typ neben ihm Getränke zu holen. Lässig stützte er sich dann auf die Theke. "Wat willse wissen?"

  • Avianus nahm einen Schluck, bevor er zum Wesentlichen kam. Der Krug senkte sich wieder und landete mit dumpfen, hölzernem Klopfen übertönt vom sonstigen Gegröhle auf dem Tisch. "Da gibt's einen Typen... einen ganz bestimmten Typen, der sich hier in der Gegen 'nen Namen gemacht hat und vor vielen Jahren an einem Mord an so 'nem Patrizierschnösel beteiligt war."
    Er spielte ein wenig mit dem Aureus herum, um die Attraktivität dessen hervorzuheben. Die Münze funkelte im matten Licht der wenigen Fackeln im Raume. Er wurde leiser: "Nennt sich Nestor*. Hör zu, Du kriegst hier so Einiges mit... ich will alles über diesen Mann wissen und der kleine Freund gehört Dir. Einfach so." Er legte den Aureus auf den Tisch.


    Sim-Off:

    * Rahmeninformation zu Nestor: Hoch gefährlich, steckt in einer kriminellen Bande, ist der Mörder von Avianus' Vater, der Rest ist Kreativität des Schreibers überlassen. ;)

  • Der Wirt steckte sich einen Finger ins Ohr und pulte darin herum. Den Aureus ließ er nicht aus den Augen. "Nestor? Der Barbier oben anne Ecke heiß' so, aber den meinse wohl nich." Er schaute, was der Finger aus dem Ohr geholt hatte. "Mord vor vielen Jahren? Und daran soll ich mich erinnern?" Er machte nicht den Eindruck, dass er das überhaupt wollte. Zumal in der Gegend recht häufig Morde passierten. "Isset eilig? Ich kann für dich fragen..."

  • "Ja, is' eilig", kam es ruhig aus ihm heraus wie aus der noch nicht erfundenen Pistole geschossen, "Nunja... dachte nur... ach, hätte ja sein können." Er holte noch einen Aureus hervor, natürlich nicht ohne Hintergrundgedanken, doch machte keine Andeutungen mit ihm. Fiel mehr verschwand er, zusammen mit dem ersten Aureus in seiner Faust. Er musste aufpassen, sonst wäre er wohl nur der Geldes wegen ein toter Mann.


    Der Wirt machte auf ihn den Eindruck, als wollte er ihm nicht sagen, was er wusste. "Dachte, das hätte hier in der Gegend die Runde gemacht. Nicht nur, dass sich so 'n Schnösel hier gezeigt hat, irgend 'n Bastard hatte noch Mumm, den Geldscheißer abzumurksen." Er überlegte, wie er etwas aus dem Wirt herauskriegen konnte. Er entschied, abzuwarten und zu beobachten, ob der Gegenüber mit den komischen Sachen im Ohr ihm einen Hinweis bot. Immerhin winkte ein attraktiver, einfacher Nebenverdienst. "Oder haste' etwa auch Schiss vor Nestor? Also, nicht dass es ein Vorwurf wäre", er hob beschwichtigend die Hände, "Wärst einer von Vielen."

  • Den zweiten Aureus bemerkte der Wirt ebenso wie den ersten und war mächtig beeindruckt. Nicht jeder wollte ein paar Informationen gleich mit diesen Beträgen bezahlen. Aber er ließ sich nichts anmerken und blieb bei seiner Einsilbigkeit. "Warte hier!" Sprachs und entfernte sich. Er schenkte zwei wartenden Gästen ein, wischte mit einem Tuch über die Theke, warf sich das Tuch über die Schulter und blickte sich nochmal um, ob der Kerl mit den zwei Aurei noch da war. Dann verschwand er im hinteren Teil des Gastraumes. Wenig später war er wieder da. "Grade durch. Zweiter Tisch rechts."

  • Na also. Ging doch. Avianus sah sich vorsichtig um und zog sich die Kaputze zurecht und stand auf. Das Getränk, was auch immer die Brühe war, ließ er stehen. Irgendein Säufer würde sich schon darüber hermachen. Doch das Verhalten der Wirtes hatte etwas Auffälliges und das machte den Aurelier durchaus nervös. Eine Hand befand sich immer griffbereit zu dem Dolch, welchen er mit sich führte.
    So folgte er der Instruktion der Wirtes und sah ihn auf dem Weg zu besagtem Tisch mehrmals fragend an.

  • Der Wirt schien ihn jedoch schon nicht mehr weiter zu beachten, nachdem er aufgestanden war. Nur einmal macht er eine Geste mit dem Kinn in Richtung des Gastraumes, als ihn ein fragender Blick traf. Ansonsten kümmerte er sich um die anderen Gäste und schenkte Getränke ein, auf die eine Bedienung wartete. Den zweiten Tisch rechts würde der komische Gast wohl auch so finden, dachte er sich. Hinten war zwar ordentlich was los und jeder Tisch besetzt, aber es war längst nicht so voll, dass es unübersichtlich war.

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