Oft tut auch der Unrecht, der nichts tut.
Wer das Unrecht nicht verbietet, wenn er kann, der befiehlt es.
- Marcus Aurelius
Über die Straßen Roms hatte sich in jener Nacht eine unheilvolle Dunkelheit gelegt. Es war kalt, so dass der warme Atem schon beim Austritt aus den Mundwinkeln von der kalten Luft eingenommen und verdampft wurde. Mitten in der Nacht hörte man immer noch Lärm mitten in der Stadt, der aus allen Winkeln kam. Rom schlief nie. Vor allem die Subura mit ihren Bordellen und Spelunken und dem Unrat, der diese bevölkerte war zu dieser Zeit hell auf. Jeder normale, zivilisierte Mensch wollte hier nicht sein. Nicht zu dieser Kälte, nicht zu dieser Tageszeit und schon gar nicht alleine. Zu sehr hätte sich ein normaler Mensch gefürchtet, ausgeraubt und ermordet zu werden. Doch Avianus war kein normaler Mensch. Schon lange nicht mehr.
So strich er erneut durch die Gassen der Subura, wie er es schon seit Monaten immer wieder tat. Gänzlich gewandelt, in einer schlichten Tunika, einem abgerissenen Kaputzenmantel und darunter ein geschärfter Dolch, den er ohne zu zögern einsetzen würde. Geschützt von der aufgelegten Kaputze und der Dunkelheit der Nacht würde niemand ohne Weiteres erkennen, wer er wirklich war. Er war in dieser Nacht ein niemand. In dieser Nacht gab es keinen Avianus.
Er war nur in der Subura, weil wieder der Hass in ihm hochkam. Seit Monaten suchte er immer wieder nach den Mördern seines Vaters. Er war nie fündig geworden. Irgendwann, wusste er selber, würde ihn dieser Suche vielleicht in den eigenen Tod treiben. Aber er hatte ohnehin keine Angst davor, zu sterben. Und es war bis zu einem gewissen Grad sogar beruhigend... denn wenn man fest damit rechnete, dass man nicht mehr lange hätte, dann machte es einen frei, abzurechnen mit all jenen, die noch eine Rechnung bei einem offen hatten. So skrupellos war Avianus, zu allem imstande, während er geheimnisvoll durch die Gassen stapfte und anhielt, als er eine Spelunke erblickte. Die Lichter brannten von innen und die lauten Schreie und Prügeleien waren auf der Gasse deutlich hörbar. Der Aurelier wagte sich hinein in diese Lokalität, die man als Drecksloch bezeichnen mochte, in der Hoffnung, fündig zu werden. Unauffällig begab er sich so an die Theke des Wirtes. Man würde ihn bedienen... nicht nur mit Getränken.
Vorsichtig sah sich Avianus um, erkundete seine Umgebung:
Es stank nach Bier, billigem Wein und Kotze. Der Typ neben ihm stank auch wie ein Straßenköter. Einige Besoffene lachten schallend, eine Prügelei am anderen Ende der Spelunke, in der Ecke küsste sich ein Pärchen. Die anderen soffen weiter. Er war nicht aufgefallen, das war gut.