Viele Kandidaten waren schon im Senat vorstellig geworden für die kommende Wahl, als die Sitzung ihrem Höhepunkt entgegen ging mit der Nennnung der akzeptierten Kandidaturen für das Consulat.
"Um das Consulat bewirbt sich Marcus Vinicius Lucianus."
Viele Kandidaten waren schon im Senat vorstellig geworden für die kommende Wahl, als die Sitzung ihrem Höhepunkt entgegen ging mit der Nennnung der akzeptierten Kandidaturen für das Consulat.
"Um das Consulat bewirbt sich Marcus Vinicius Lucianus."
Der Gesundheitszustand von Lucianus war gerade nicht der Beste, dennoch bemühte er sich mit fester Stimme zu reden und sich nichts anmerken zu lassen.
"Werte Senatoren!
Wie einige von Euch schon wissen, treten Matinius Agrippa und ich gemeinsam an, das nächste Consulat zu bestreiten!
Lange habe ich mich geweigert ein weiteres Mal ein Consulat in Angriff zu nehmen, doch als mich Senator Matinius fragte, ob ich den gewillt sei, mit ihm zu kandidieren stimmte ich ohne langes Zögern zu.
Gemeinsam mit Ihm werde ich mich der Herausforderung eines Consularjahres ein weiteres Mal stellen und garantiere Euch, mit bestem Wissen und Gewissen dieses Amt auszuüben"
Es war eine kurze Rede, doch angesichts der Kurzatmigkeit lang genug.
Dass Lucianus bei seiner Kandidaturrede auch noch etwas kränklich wirkte, erschien Durus geradezu als schlechtes Omen. Auch inhaltlich gefielen ihm die Worte nicht übermäßig - sie schienen geradezu anzudeuten, dass es sich beim Consulat um ein x-beliebiges Amt handelte und eine mehrfache Bekleidung geradezu obligatorisch war. Wäre er frei in seiner Entscheidung gewesen, hätte er einen solchen Kandidaten vermutlich etwas aus der Reserve gelockt und ihn am Ende nicht gewählt.
Nun aber lagen die Dinge anders: Durus brauchte einen Sieg des Viniciers - Rom brauchte ihn! Zumindest würde ein solcher aber seine Verschwörung deutlich vereinfachen, sodass er wortgemäß seine Freunde und Klienten angehalten hatte, ihre Stimme für Lucianus zu geben. Und er versuchte, den Auftritt durch ein paar Worte zu retten, für die er sich ächzend erhob:
"Senatoren!
Als erster möchte ich, Manius Tiberius Durus, mich als Freund von Lucianus zu Wort melden. Seine Rede ist wie sein Stil: Knapp, lakonisch und dennoch alle wichtigen Dinge umfassend! Manch einer hätte möglicherweise stundenlanges Geschwafel über seine ruhmreichen Ahnen und Verwandten, die dem Kaiserhaus schon lange dienen erwartet, vielleicht auch eine Aufzählung seiner ansehnlichen Ämter und Ehrungen, zu denen nicht zuletzt eine der wichtigsten Statthalterschaften des Imperiums - die im damaligen Germania mit dem Kommando über zahlreiche Legionen - und die deshalb verliehene Hasta Pura zählt, oder aber das vertrauliche Verhältnis zwischen den Kaisern aus dem Hause Ulpia und ihm persönlich, das aus dieser Karriere spricht! Doch stattdessen beschloss er, uns nicht mit diesen ohnehin allgemein bekannten Dingen zu langweilen!
Stattdessen zeigt uns seine Rede aufs Neue, dass vor uns kein Mann des Wortes steht - obwohl er sich auch als Jurist einen Namen gemacht hat und den Senat immer wieder durch seine weisen Ratschläge unterstützt - sondern ein Mann der Tat, der nicht zögert, wenn Rom ihn ruft!
Aus diesem Grunde möchte ich Euch, Senatoren, raten, diesem Mann zu vertrauen, wie ich das tue, und ihm Eure Stimme zu schenken!"
Damit hatte er wohl alles ergänzt, was noch sinnvoll gewesen wäre. Ein konkretes Anliegen, das er mit dem Consulat verband - etwa neue Gesetze oder ähnliches - wären zwar ebenfalls sinnvoll gewesen. Doch da der Vinicier sich nicht mit dem alten Tiberier abgesprochen hatte, wagte er dies vorerst nicht anzusprechen, um Peinlichkeiten zu vermeiden. Die Agenda, die Durus erwartete, war nicht für die Ohren der Curia Iulia bestimmt...
Die Kürze des Auftritts und der Rede des Kandidaten fand Macer schon ein wenig skurril. Er war selber vielleicht auch kein begnadeter Redner, aber ein paar mehr Worte hätte er sich schon gewünscht. Vor allem wollte er wissen, was er erwarten konnte. Aber das konnte man ja vielleicht noch durch Nachfragen herausbekommen, so dass er sich auch gleich zu Wort meldete. "Vinicius Lucianus, es freut mich zu hören, dass du erneut für ein Consulat antrittst. Auch ich pflegte zwischen meinen Ämtern bisher in der Regel längere Pausen einzulegen und stets nur mit guten Gründen anzutreten. So frage ich auch nicht nach den Gründen, wegen derer du dich in den letzten Jahren einer Kandidatur verweigert hast. Gleichwohl interessiert es mich, was nun die Gründe für deine Kandidatur sind. Du nennst die Bitte des Senators Matinius und dies ist sicher eine ehrenvolle Bitte. Doch ist es dies alleine? Gibt es keine weiteren Dinge, die dich antreiben? Keine Ziele, die du als Consul verfolgen willst? Keine Pläne, wie du den Ruhm Roms mehren willst? Keine Missstände, die du zu behebn gedenkst?"
Auch für Senator Avarus war das Gerede für eine Bewerbung zum Consulat sehr kurz. Der Senat war doch eine Instanz, die dadurch bestach mit Worten Meinungen zu formulieren, Positionen zu umschreiben und letztlich blumige Aussichten auf etwas zu machen, das dann meist viel nüchterner ausfiel. Doch der Mensch vergaß auch genug, um nicht jedes Wahlversprechen nach der Amtszeit zu rezitieren. Diese Maßnahme zum Einstieg in den Wahlkampf fand er selbst dann aber doch zu fad. Nicht das der Vinicus groß fürchten mußte seine Stimme nicht zu bekommen, aber ein wenig Rhetorik durfte auch er an den Tag legen. Immerhin bestand der Senat nicht nur aus dem Dutzend Senatoren, derer er sich ohne große Mühe sicher sein konnte, sondern auch einem reichlichen Block Wölfen, die jedes Wort zehnmal prüften und hinterfragten. Wenigstens hatte Purgitius Macer ihm das abgenommen, was ein jeder Senator hören wollte. So blieb ihm Zeit den Kandidaten äußerlich zu studieren und darüber nachzudenken, was der Tiberius gerade eben für eine Brücke geschlagen hatte. Üblicherweise war dieser doch von vornherein immer erstmal gegen alles, was nicht seinem Stand entsprach. Vielleicht würde der Tag doch noch intressant werden. Zuviele Versammlungen kamen in den letzten Wochen der Ödnis Judeas gleich.
"Nun, werte Senatoren...." begann ich in angewohnter Manier "..... es gibt Vieles, was Agrippa und ich besprochen haben, aber dazu wird er sicher mehr erklären. Was mir persönlich ein Anliegen ist? Das kann ich euch sagen: Der Senat ist verkommen, verkommen zu einer Marionette des Praefectus Urbi. Wann haben wir hier das letzte Mal Entscheidungen getroffen, wirklich wichtige Entscheidungen? Wie oft hat uns der Praefectus Urbi mit seinem Veto belegt? Kann es wirklich sein, dass Senatoren Roms auf solche Weise zurechtgewiesen, mundtot gemacht und gekränkt werden? Ich denke nicht und ich denke auch, dass das nicht sein muss. Das muss sich ändern und es wird mein oberstes Anliegen sein, mich dafür einzusetzen!"
Etwas ausser Atem sah ich nun wieder in die Runde, es war doch anstrengender als gedacht und man konnte nur hoffen, dass sich der Gesundheitszustand nicht verschlechtern würde.
Macer konnte nicht verbergen, dass ihn diese mehr als deutlichen Worte überraschten. In seinen Augen hatte Vinicius Lucianus gerade dem Praefectus Urbi offen den Kampf angesagt. Das war eine politische Tragweite, die man wohl gar nicht groß genug einschätzen konnte. Dementsprechend schwer tat sich Macer auch mit einer Reaktion. Während die Fraktion des Praefectus Urbi wohl Empörung oder Ignoranz äußern würde, war offener Beifall zwar eine deutliche, aber vielleicht nicht allzu kluge Option. "Das ist allerdings ein äußerst bemerkenswertes Ziel", kommentierte er daher nur und versuchte, einen zurückhaltenden Gesichtsausdruck mit der richtigen Mischung aus der Respekt und Skepsis zu zeigen.
Elefant im Glasladen oder so ähnlich hieß es doch das Sprichwort. Das rhetorische Feingefühl schien völlig abhanden gekommen zu sein und die offene Ankündigung schon vor der Wahl für eine ja kriegerische Haltung gegen den Block des Praefectus Urbi zu stehen, machte die Zeit nach der Wahl sicherlich nicht leichter. War die Frage wieviel Einfluss Vescularius Salinator besaß, um die Wahl für sich zu entscheiden. Aber vielleicht war es ja auch das, was Vinicius Lucianus beabsichtigte zu ergründen. Wieviel Macht ruhte in den Händen des Praefectus Urbi wirklich. Doch sollte dies so sein, dann war es trotzdem ein gefährliches und heikles Manöver. Es hieß zwar das Glück ist mit den Mutigen, aber manchmal kam auch Übermut vor dem Fall. Für Avarus hindes war klar, das an dieser Kandidatur mehr dran war, als an all denen der letzten Jahre. Da raschelte etwas im Busch. Blieb zu hoffen, das es zum Wohle Roms war und nicht die Stadt in ein dunkles Zeitalter führte. Zuviel hatte sie in den letzten Jahren des Friedens an Blüte gewonnen...
Auch dem Tiberier entglitten die Züge, als er die Ankündigung von Lucianus hörte. Ein offener Angriff unter diesem Umständen war wohl nicht unbedingt der Schachzug, der ihrem Anliegen - und dem von Lucianus - Vorschub leisten konnte - im besten Fall würde Salinator wohl nachstöbern, womit sich der Vinicier aus dem Weg räumen ließ oder seinen Wahlsieg verhindern!
Nervös sah er daher zum Platz des Stadtpräfekten - was würde der Vescularier wohl tun?
Potitus traute seinen Ohren nicht! Der Vinicier wagte es tatsächlich, ihn hier im Senat vor aller Augen zu beleidigen und als Despoten darzustellen! "Vinicius, was fällt dir ein? Wenn du glaubst, mit so einem Geschwätz auch nur eine Stimme zu gewinnen, dann kann ich dir versichern, dass dir das schlecht bekommen wird!" Er sah hinüber zu seiner Fraktion von Senatoren, die er seit einigen Jahren stetig vermehrte. "So etwas grenzt an Hochverrat! Der Kaiser selbst hat mir meine Rechte verliehen und in seinem Namen verkünde ich Gesetze oder verhindere sie! Der Senat ist nur ein Beratungsgremium, wie ich euch alle erinnern darf!" rief er in die Menge und sein Kopf wurde ganz rot. "Aber ich will euch zeigen, dass ich den Senat achte und damit seine Worte Lügen strafen: Ich werde diesen Schwätzer nicht von der Wahl ausschließen, obwohl so ein treuloses Verhalten gegen den Kaiser das eigentlich erzwingt! Stattdessen appelliere ich an die Treue jedes einzelnen Senators, selbst ein Urteil über diesen Mann zu fällen!" Nun erhob er drohend den Zeigefinger. "Das ist die letzte Chance für euch, mir zu beweisen, wie ihr zum Kaiser steht, das versichere ich euch!"
"Prafectus, ich verstehe natürlich deinen Zorn, aber ich habe lediglich gesagt, wie ich es sehe. Es hat nichts mit Hochverrat zu tun, wenn man äussert, was man sich denkt und wie du so schön sagst, wir sind ja nur ein Beratungsgremium.
Dennoch ist es nicht notwendig, dass du uns in fast jeder Sitzung unsere Diskussionen und Ansätze von Veränderung einfach unterbindest, denn wozu gibt es uns dann noch, wenn du, natürlich alles im Namen des Kaisers, ohnehin selbst entscheidest?
Dann können wir den Senat auch gleich auflassen.
Aber es zeugt von Größe, dass du mich nicht aussschliessen wirst und die Senatoren werden entscheiden, was sie von mir halten.
Und sollte ich nicht gewählt werden, dann weiß ich auch, dass ich wohl mit meiner Meinung nicht richtig liege und von da an werde ich mich beugen!"
Das Verhalten des Vesculariers war überraschend - aber auch rätselhaft. Es drängte sich dem Tiberier fast der Eindruck auf, Salinator wolle den Senat erpressen und - sollte Lucianus triumphieren - harte Sanktionen verhängen. Wenn er sich in der Runde umsah, wirkten die meisten auch eher eingeschüchtert als kampfeslustig - das würde in jedem Fall eine knappe Angelegenheit werden!
Der Wutausbruch des Praefectus Urbi fiel für Macers Geschmack recht milde aus. Da er sich durchaus eine schärfere Reaktion hätte vorstellen können, nahm er an, dass der Praefectus Urbi mindestens genauso überrumpelt von der offenen Attacke des Kandidaten war, wie Macer es war. Mit einem solchen Auftritt hatte ja nun wirklich niemand rechnen können und Macer musste innerlich noch einmal den Kopf schütteln. Wenn er es genau betrachtete, war hier wohl gerade eine politische Schlacht eröffnet worden, die nur einer der beiden überleben würde. Und wenn er es genau betrachtete, musste sich letzteres nicht zwangsläufig nur auf das politische Überleben beziehen.
Auch wenn es in der aufgeheizten Stimmung wahrscheinlich ohnehin nichts brachte, konnte sich Macer einen inhaltlichen Kommentar aber doch nicht ganz verkneifen, selbst wenn er in den allgemeinen Reaktionen auf die Auseinandersetzung untergehen sollte. Immerhin ging es hier um das Ansehen und die Rolle des Senates insgesamt, das durfte keinen Senator kalt lassen. "Den Senat aufzulassen wäre eine völlig fatale Konsequenz. Wenn du dich kämpferisch zeigst, sollte das keine ernsthafte Option sein. Selbst in beratender Funktion hat er seine Rolle, die jeder Senator ernsthaft ausfüllen sollte, um den Wert des Senates zu unterstreichen." Das war schließlich Macers eigenes Wahlprogramm als Consul gewesen. Jeder sollte an seinem Platz seine Arbeit machen, um gar nicht erst den Verdacht aufkommen zu lassen, irgendwer könnte überflüssig sein.
Obgleich Flavius Furianus den Diskussionen und Senatstagungen oft fernblieb - krankheitsbedingt - war er nun doch sehr erstaunt, dass ihn in dieser Wahlperiode ein Kandidat so verblüffte. Normalerweise wollte jeder mit einer langen Rede beginnen, dann wurden Fragen gestellt und am Schluss gab es eine noch deutlichere Linie zwischen den Lagern der Unterstützer und Gegner. Nun veränderte sich etwas.
Nervos knetete mit der rechten Hand an der Schläfe in kleinen Kreisbewegungen und machte dabei ein sehr angestrengtes Gesicht - es war mutig, was Lucianus da von sich gab.
Vom Interesse gepackt, erhob er sich schlussendlich.
"Senator Vinicius, du willst dich für uns einsetzen. Auf welche Art und Weise soll dies geschehen?", dann blickte er sich kurz um: "Die Bandbreite eines solchen Versprechens ist groß - sie reicht von einem Engagement, kann zu einem näheren Kontakt zum Kaiser führen und bis hin zu einer Änderung des Codex dich verleiten."
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