Domus des Tribunus Angusticlavius Iullus Quintilius Sermo

  • Die Antwort des ziemlich verblüfften Quintilius fiel relativ nüchtern aus: "Oh...nun...es ehrt mich, dass du mich als Patron wünschst. Allerdings kann ich deiner Bitte leider nicht entsprechen, selbst wenn ich wollte. Als Soldat Roms müsstest du doch wissen, dass dein Patron der Imperator Caesar Augustus ist. Nur ihm bist du zu Treue verpflichtet." Mit einem verschmitzten Grinsen fügte er dabei jedoch hinzu: "Natürlich stellt sich das zur Zeit als schwierig da, denn wir befinden uns im Konflikt mit dem Nachfolger des verstorbenen Princeps und die Lage ist alles andere als klar."


    Sermo sah den Eques entschuldigend an. "Andererseits verstehe ich nicht ganz deine Beweggründe. Wie kommt es, dass du glaubst du könntest als einfacher Eques eines Tages in den Ordo Equester aufsteigen? Denn...seien wir einmal ehrlich: Wer als einfacher Soldat im Militär beginnt, wird vielleicht im mittleren Alter Offizier, verbringt seine letzten Dienstjahre als solcher und geht dann als Veteran in den Ruhestand. Du könntest dich also eigentlich schon glücklich schätzen, wenn du Praefectus Castrorum würdest." Jetzt war Sermo ja mal gespannt, welche Gedanken sich dieser höchst ambitionierte junge Mann da gemacht hatte.

  • Die Antwort hatte Thyrsus erwartet, aber jedoch kam es auch nicht überraschend und so war es auch seine Antwort die nicht unbedacht kam.
    "Natürlich sollte mein Patron unser Kaiser sein, aber zum einen ist das mit dem Kaiser gerade so eine Sache, zum anderen ist es nicht unüblich dass auch rangniedrige Soldaten sich einen Patron suchen, fragt euren Cousin in der Legio I, einer seiner Klienten war mein Optio. Beide haben dadurch ihre Vorteile wie ich erfahren durfte."


    Natürlich war das keine entscheidende Antwort, es unterstrich aber wie er darauf kam, damit sollte zumindest diese Frage geklärt sein, die andere jedoch war offen.
    "Nicht dass man denken sollte ich hätte mir keine Gedanken gemacht, im Gegenteil. Während meines kurzen Aufenthaltes in Rom habe ich mich diesbezüglich bereits mit Terentius Cyprianus unterhalten und dieser sagte mir dass ein Mitglied des Ritterstandes durchaus in der Lage wäre mich ebenfalls in den Ritterstand zu bringen. Es ist nicht üblich, aber auch nicht selten wie ich erfahren durfte. Leider war Cyprianus der Meinung ich sollte mir selbst einen Patron suchen der mir dabei hilft."


    Nun nahm Thyrsus einen Schluck des Weines, sehr guter Wein wie er zugeben musste, schade dass die einfachen Soldaten nur den billigen Fusel bekamen.
    "Zumal ein Patronat durchaus für beide Seiten seine Vorteile hat. Immerhin kann es einer aufstrebenden Persönlichkeit wie dir Tribun von Vorteil sein wenn man innerhalb der Legionen einen Rückhalt hat, jemanden der die Lage zumindest einer Legion gut beurteilen kann. Wie wir ja zur Zeit sehen sind die Legionen ein wichtiger Machtfaktor, auch in Rom. Zum anderen kann es einem jungen Soldaten wie mir manche Tor öffnen die sonst verschlossen wäre, natürlich strebt niemand ein Patronat an wenn man nicht den eigenen Vorteil sieht."


    Doch eigentlich hatte Thyrsus bereits eine Antwort erhalten, diese musste er respektieren.
    "Ich respektiere deine Antwort, denn sie ist ebenso richtig wie gut begründet. Jedoch biete ich dir weiterhin meine Dienste an, solltest du etwas benötigen dass ich dir besorgen kann. Im Übrigen... selbst ehemaligen Barbaren haben Patronate, sogar sehr mächtige, wie ich in Germanien erfahren durfte. Deine Ansicht zeugt von deiner Treue zu Kaiser und Senat, es stimmt mich positiv zu sehen dass es noch weitere Römer gibt die an den alten Werten festhalten."


    Sollte Thyrsus nun gehen? Er wusste es nicht, also blieb er einfach sitzen und wartete ab was der tribun noch zu sagen hatte, mehr als rauswerfen konnte er ihn nicht, im schlimmsten Falle war diese Aktion eher ein Hinderniss und eine Beförderung konnte er sich erstmal sonstwohin schieben.

  • Sim-Off:

    Zur Anrede: Die Römer kannten nur das "Du", nicht "Sie" oder "Ihr". Auch wenn Sermo wesentlich ranghöher als Thyrsus ist, darf Thyrsus ihn duzen. ;)


    Als der Terentius erklärte, dass es nicht unüblich für einfache Milites war, sich Patrone zu suchen, runzelte Sermo die Stirn. "Diese Praxis muss ich ausdrücklich missbilligen. Ich kann es nicht gutheißen, dass Milites untereinander oder gegenüber Offizieren Patronate eingehen. Die Loyalität des Exercitus Romanus gehört einzig und allein dem Kaiser selbst. Da bleibt kein Platz für offizielle Patronate innerhalb des Heeres." Mit Nachdruck schüttelte er den Kopf, bevor er dann aber hinzufügte: "Was natürlich nicht dagegen spricht, dass die Soldaten untereinander Freunde finden und eine enge Gemeinschaft bilden, die sich gegenseitig beisteht. Denn das ist der Sinn einer Legion."


    Dann hörte Sermo sich die Erläuterungen an, die Thyrsus bezüglich seiner Beweggründe vorbrachte. Letztlich hatte der Eques aber wohl eingesehen, dass Sermos Einwand seine Richtigkeit hatte und akzeptierte die Ablehnung respektvoll. Der Quintilier nickte noch einmal und entgegnete schließlich höflich: "Ich tue mein möglichstes, um die römischen Tugenden hochzuhalten und meinen Männern hier ebenso einzubläuen, wie ich es einmal bei meinen Kindern handhaben werde. Jedenfalls aber danke ich dir für dein Interesse an meiner Person. Vielleicht ergibt sich ja in Zukunft wirklich noch Gelegenheit, bei der ich auf dich zukommen werde." Was so viel hieß wie: Erstmal den Ball flach halten, man wird sehen.

  • Sim-Off:

    Wie sagt mein Cohortencenturio noch gleich: SIE? Bist du blind Tiro, siehst du mehrere Centurios?


    Thyrsus lauschte den Worten des Tribunes und konnte sie gut nachvollziehen. Auch bemerkte er, dass nun das Gespräch wohl enden würde daher überlegte er sich wie er die Sache gut beenden konnte ohne dass es am Ende ein schlechts Licht auf ihn werfen würde.
    "Deine Ausführungen leuchten mir ein, ich hatte wohl durch die Erfahrungen in Germanien einen falschen Blick auf all die Dinge bekommen. Auch wenn wir heute sagen müssen dass es mit dem Kaiser erstmla nicht weit her ist, so diene ich aber auch und vor allem Rom und dieser Legion. Sie ist meine Familie."
    Auch wenn er die familienähnliche Atmosphäre der Fußtruppen doch etwas vermisste, unter den Eques war alles doch manchmal etwas sehr distanziert. Aber er hatte sich hier schon besser eingelebt als in der Legio II.
    "Ich hoffe wir können eines Tages noch einmal ein persönliches Gespräch führen, ich denke du bist ein Mensch von dem ich noch einiges lernen könnte, ein wenig erinnerst du mich an meinen Vater." Der ja nicht viel älter war als er starb. Thyrsus salutierte. "Ich danke dir Tribun."

  • Es freute Sermo, dass der Eques so wohlwollend über die Legion dachte. Der Terentier machte ihm deutlich, wie stark die Bindung der Milites untereinander bisweilen war und wie wichtig dieser Zusammenhalt besonders im Kampf war.


    Was Thyrsus' Worte über Sermo anging, grinste dieser nur leicht. Möglich, dass der Eques noch von ihm lernen konnte. Möglich, dass er nie die Gelegenheit dazu erhalten würde. Möglich auch, dass Sermo genau wie Thyrsus' Vater in jungen Jahren bereits sein Leben aushauchte.


    "Nichts zu danken, Eques Terentius. Vale", verabschiedete er den Soldaten schließlich und erwiderte dabei den militärischen Gruß, ohne auf den Vergleich mit Thyrsus' Vater einzugehen. Dann wandte er sich wieder seiner Arbeit zu.

  • Zurück von seinem kurzen Ausflug nach Kanobos, den die Legionsleitung ihm großzügig zugebilligt hatte, verschlug es Sermo sogleich ins Bett. Bereits auf dem Weg nach Nikopolis hatte der Tribun sich seltsam schwach gefühlt. Erst hatte er das wie sonst auch dem fiesen Kater zugeschrieben, den er von der Sauferei zu erleiden hatte. Doch sein Zustand wollte sich auch am folgenden Tag nicht bessern und verschlimmerte sich noch an den Tagen danach.


    Einmal im frisch bezogenen, duftenden Bett in seinem Cubiculum angekommen, wähnte Sermo sich schließlich sogar zu schwach zum Aufstehen. Er war völlig hinüber, entkräftet, und glühte wie ein Ofen. Cleon war höchst besorgt und ließ sogleich den Medicus kommen, der eine böse Vorahnung aussprach.
    "Mala aria", erklärte der Heiler nüchtern. Sumpffieber. Oder Marschenfieber, wie man es in den nördlichen Provinzen des Reiches nannte. Sermo schnappte erschrocken nach Luft.
    "Wie das? Woher...?"
    "Tribunus, warst du vielleicht im Schilf, in den Sümpfen? Dort herrscht schlechte Luft, die dich krank macht. Dort wirst du dir das Fieber geholt haben."
    "Ja... ja, ja...so war es wohl...", ächzte Sermo nur. Er war auf einmal so müde. So unglaublich müde. Seine Umwelt verschwomm, als er sodann in die unbarmherzige Welt der Fieberträume hinabglitt.

  • Sermo war verwirrt. Wie war er hierher gekommen? Da stand er nun auf einem Kiesweg inmitten von blühenden Weiden und Feldern, auf denen das Getreide erntereif stand. Eine leichte Brise umwehte seine Nase und ein paar Spatzen tummelten sich zwischen den Ästen einer Weide. Ergänzt wurde dieses perfekte Bild von wohligen Sonnenstrahlen auf der Haut des Quintiliers. Wie war er hierher gekommen? Krampfhaft versuchte er sich zu erinnern.


    Da war eine Barke gewesen. Eine Flussbarke, die gemütlich ausgestattet war mit allerlei Kissen, Sonnenschirmen und Leckereien. Eine junge Frau hatte neben Sermo gesessen, ihn abschätzend gemustert. Sie wechselten kein Wort, sondern saßen einfach nur da. Die Barke glitt langsam flussabwärts und noch immer sprachen sie nicht. Mit einem Mal erkannte Sermo die Frau als die Decima, die er einst ehelichen wollte, doch bevor er etwas sagen konnte, verschwamm der Eindruck und alles wurde dunkel.


    Eine Welt aus Hitze und Schmerz umhüllte den Quintilius, der seltsam neben sich zu stehen schien. Da war ein Raum mit einem Bett. Es war ein Krankenlager, wie Sermo erschrocken erkannte. Sein Krankenbett! Aber wie konnte das sein? Er wollte rufen, wollte einen Medicus holen, wollte irgendwen nach den Gründen fragen. Unmöglich, sein Mund brachte keinen Ton hervor.


    Caelyn schrie. Sermo sah, wie eine alte runzelige Frau sich über sie beugte, ihr zuredete, ihre Stirn abtupfte. Caelyn hatte einen runden Bauch. War sie den Sklavenjägern entkommen? Plötzlich bäumte sich die junge Keltin auf und kreischte wild, als wolle sie allen Hass in die Welt hinausschreien. Sermo wollte erschrocken zurückweichen, aber sein Körper bewegte sich nicht. Sein Körper? War er denn überhaupt bei ihr im Raum? Sermos Blick richtete sich starr auf Caelyns Gesicht, er konnte ihn nicht mehr abwenden. Hitze. Schmerz. Er fühlte sich elend. Caelyn schrie. Dann schrien zwei Stimmen, eine ganz dünn und quäkend. Doch Sermo konnte seinen Blick nicht von Caelyns Gesicht abwenden. Aus ihren Augen sprach der Tod.


    "Iullus!" rief eine helle Frauenstimme. Die Blätter der Weide raschelten im Wind, das Getreide wiegte sich auf den Feldern hin und her. Melina kam federnden Schrittes über den Kiesweg zu ihm her gelaufen. Sie lachte ihr glockenhelles Lachen.
    "Liebe Schwester", stellte Sermo fest, ein glückliches Lächeln auf den Lippen.
    "Iullus, endlich bist du hier. Bona dea, du hast dir aber auch Zeit gelassen. Dass du immer so trödeln musst!"
    Die Schelte verwirrte ihn.
    "Zeit gelassen? Aber, wo sind wir denn?"
    Melina nahm ihn bei der Hand. Ihre Haut fühlte sich ganz weich an und warm.
    "Ach Iullus, du verstehst aber auch gar nichts. Komm, alle warten schon auf dich!"
    Und sie zog ihn mit sich, tanzte vor ihm her und führte ihn über den Weg durch die Felder an Hainen und Gehöften vorbei, über eine Brücke an einem Bach und immer weiter entlang des Weges.
    "Wohin gehen wir? Na los, sag schon", forderte Sermo ungeduldig. Immer musste Melina Scherze mit ihm treiben, Unsinn machen. Sie war so ungezogen. Gut, dass er sie bald verheiraten wollte.
    "Dahin, wohin jeder einmal geht", lachte die kleine Schwester und zeigte auf einen Hügel, über den sich rechts von ihnen eine Wiese breitete. Sie gingen hinauf, wo bereits ihre Brüder warteten.


    "Iullus!" riefen Titus und Marcus strahlend vor Freude. Die Brüder umarmten sich herzlich. Als sie wieder voneinander abließen, trat kurz ein Moment peinlicher Stille ein. Dann blickte Titus über die weite Ebene, die dort vor ihnen lag.
    "Iullus, wir haben lange auf dich gewartet. Gut, dass du endlich da bist. Jetzt können wir wieder als Familie zusammen sein."
    Der älteste der Geschwister verstand nicht recht.
    "Ich verstehe nicht, Bruder. Worauf habt ihr gewartet?"
    Titus sah ihn erst erstaunt an. Dann wandelte sich seine Verwunderung zu Bedauern.
    "Ach Iullus. Schau dich doch an. Weißt du es denn noch nicht?"
    Der große Bruder sah an sich herunter. Er war abgemagert, ausgezehrt. Das Fieber! Als er aufblickte, hatte der Himmel sich schwarz gefärbt, seine Geschwister waren zu fernen Schatten entrückt worden. Eine einzelne Stimme rief von weit her. "Dominus!" hallte es über die Ebene. "Dominus!"
    Doch der Herr hörte seinen Sklaven nicht...


    ~~~~


    "Und?" fragte Cleon den Medicus, der seinen Herrn nun seit Wochen in seinem Leid begleitete. Der Quintilius kämpfte mit der Mala aria, seit er aus den Sümpfen heimgekehrt war. Und es ging ihm von Tag zu Tag schlechter, befürchtete Cleon. Seine Sorge wurde bestätigt, als der Medicus bedauernd den Kopf schüttelte.
    "Nein. Nichts zu machen."
    "Wie bitte?" ächzte Cleon entsetzt.
    Der Medicus bedachte ihn mit einem mitfühlenden Blick.
    "Tut mir leid, Junge. Dein Dominus wird..."
    "Nein!" flehte der Sklave entsetzt.
    "...sterben."
    Cleon hörte nicht mehr, wie sich der Medicus verabschiedete, als er am Bett seines Herrn niederkniete und verzweifelt zu beten begann.

  • http://img130.imageshack.us/img130/7191/cleonjung.jpgCleon war kein Mensch, der sich schicksalshörig den Vorgaben der Parzen beugte. Nach der vernichtenden Diagnose des Medicus war der Sklave nicht bereit aufzugeben. Er wollte seinen Herrn nicht auf dem Krankenlager verrecken sehen. Einerseits deshalb, weil er nicht wieder auf dem Sklavenmarkt landen wollte. Er hatte es gut beim Quintilius. Er hatte durchaus einige Freiheiten und Möglichkeiten seinen Interessen nachzugehen. Das war eben der Vorteil am Haussklavendasein. Andererseits hatte er mittlerweile eine gewisse Sympathie für seinen Herrn entwickelt. Sermo war zwar oft genug ein bösartiger Mensch, der anderen auch gern Schaden zufügte. Jedoch beschränkte sich dies häufig auf kürzere Phasen, in denen sein Herr schlecht gelaunt war oder vom schlampigen oder nervigen Verhalten anderer provoziert wurde. So zumindest empfand es Cleon.


    Deshalb wandte der Sklave sich nun, nachdem sämtliche weltliche Hilfe in Form des Medicus versagt hatte, an die einzige Stelle, die ihm blieb: An die Götter. Cleon opferte Apollo und dessen Sohn Aesculapius sowie wiederum dessen Tochter Hygieia, die alle drei Gesundheit und Heilkunst verkörperten. Großzügig gab er das Geld seines Herrn aus, ließ einen weißen Ochsen und zwei Schweine opfern und betete täglich für die Genesung des Quintilius. Die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt und selbst die anderen Haussklaven, die ja noch nicht so lange unter Sermos Regiment standen, beteiligten sich recht bald an den Opfern und Gebeten.


    Erst hatte es den Anschein, als täte sich gar nichts. Sermo fieberte noch immer und sah teilweise bereits aus wie tot. Aber nach Wochen des Bangens zeigte sich doch irgendwann der erlösende Sonnenstrahl zwischen den trüben Regenwolken. Das Fieber schien schwächer zu werden und der Dominus redete nicht mehr so häufig wirres Zeug im Fiebertraum. Ab diesem Zeitpunkt dauerte es noch gut eine Woche, bis Cleon die Gewissheit hatte: Sein Herr würde überleben!

  • Die Zeit nahm ihren Lauf. Viele weitere Wochen zogen ins Land, in denen der quintilische Tribunus Angusticlavius langsam aus seinem Krankheitstief herauskroch. Erst wurde das Fieber schwächer und Sermo kam des öfteren zu Bewusstsein. Es war ein freudiges Wiedersehen, das Cleon und sein Dominus hatten. Leider war Sermo noch nicht langfristig genug wach und aufmerksam genug, um von Cleon eine ordentliche Berichterstattung über die Vorkommnisse während seiner langen Krankheit zu erhalten. Doch sein Zustand besserte sich zusehends. Bald konnte er wieder mehr als flüssige Nahrung zu sich nehmen und von da an war es nur noch eine Frage der Zeit, bis erste kurze Spaziergänge durch das Atrium möglich wurden.


    Sobald der Medicus Ordinarius Sermo dafür bereit erklärt hatte, unterhielt der Dominus sich in regelmäßigen Sitzungen über aktuelle Entwicklungen im Imperium. In Aegyptus trudelten Nachrichten aufgrund der Seesperre mit einiger Verspätung ein, da sie über den Landweg von West oder Ost gebracht werden mussten. So wusste man hier also noch längst nicht darüber bescheid, dass Appius Cornelius Palma in Rhegium angelandet war. Dagegen war bekannt, dass im Norden Italias bald zwei Heere aufeinanderstoßen mussten. Sermo war sich sicher, dass dies schon geschehen sein musste, aber wer konnte das schon genau sagen?


    Noch einige Zeit später war Sermo endlich so weit genesen, dass er daran denken konnte, sich sportlich zu betätigen. Es würde Monate dauern, bis er wieder in altbekannter Form wäre. Aber so war das nun einmal. So trieb es den Tribunus bald auf den Exerzierplatz, wo er sich im Laufen, Ringen, Gewichtheben und im Schwertkampf regenerierte. Auch die Lagerthermen standen täglich auf seinem Plan und Cleon hatte viel damit zu tun seinem Herrn jegliche Bekömmlichkeiten und Wünsche zu erfüllen, die dieser in seiner Erholungsphase nun benötigte. Alles in allem war es ein langer weg zurück zur alten Form.

  • Während die Wochen ins Land zogen, ging es Sermo von Tag zu Tag besser. Mit der Zeit konnte er täglich Sport treiben, sich im Kampf mit dem Gladius üben und wenig später sogar seinen ersten Ausritt unternehmen. Die Regenzeit machte ihm zwar schnell wieder einen Strich durch die Rechnung und so musste er seine Übungen im Hausinneren fortsetzen. So verbrachte Sermo viel Zeit in den Thermen beim Ringkampf oder Massagen. Den Schwertkampf intensivierte er im eigens dafür leergeräumten Triclinium. Sein Lehrer war ein Optio seiner Cohorte, der schon im Dodekaschoinos bei Syene gegen die Blemmyer gekämpft und einige Narben davongetragen hatte. Aber nicht nur Narben, sondern auch eine große Erfahrung war von der Expedition zurückgeblieben. Dies kam Sermo nun sehr zugute. Er lernte Finten und Ausfallschritte, Paraden und geordneten Rückzug. Nach etwa zwei Monaten sah der Optio ihn schließlich auf dem Niveau eines frisch ausgebildeten Legionarius. Großartig. Da lag noch viel Arbeit vor ihnen.


    http://img130.imageshack.us/img130/7191/cleonjung.jpg "Dominus, es ist Post gekommen", unterbrach Cleon seinen Herrn eines Nachmittags in dessen Lektüre und reichte eine Wachstafel.
    "Post? Von wem?", fragte Sermo überrascht. Mit Briefen rechnete er momentan so gar nicht. Vielleicht hatte sein Cousin Valerian ja einen Weg aus Rom heraus gefunden. Oder dessen Schwester Valentina?
    "Von deinem Patron, Senator Purgitius", überraschte Cleon seinen Herrn statt dessen erst recht. Sermo nahm die Tabula gespannt entgegen und las die Worte.


    Ad Quintilius Sermo
    Legio XXII Deiotariana / Nikopolis


    Sp. Purgitius Macer Quintilio Sermo s.d.


    Mein lieber Klient, ich hoffe du befindest dich wohl und in Aegyptus lässt sich die Zeit angenehmer und sorgenfreier verbringen als hier in Rom. Nach allem, was man hier jedoch auch aus dem Osten des Reiches hört, kann ich mir dessen nicht völlig sicher sein, so dass ich dich bitten möchte, von dir hören zu lassen wenn es deine Zeit und die Lage erlaubt. Zweifellos wird dich diese Nachricht erst erreichen, wenn die Saturnalien lange vorbei sind, doch sei versichert, dass ich auch einen Becher Wein auf dein Wohl getrunken habe.


    Vale
    Sp. Purgitius Macer


    Am Ende angelangt, grinste Sermo wehmütig. Rom. Er musste an die Urbs Aeterna denken und die vielen lieben Menschen, die er dort zurückgelassen hatte. Und sein Patron hatte ebenfalls an ihn gedacht. Hoffentlich ging es ihm gut. Wenn Krieg herrschte in Italia, wollte Sermo gewisse Gefahren für reiche Senatoren nicht ausschließen. Und Hunger musste mittlerweile doch auch herrschen in dieser gigantischen Ansammlung von hungrigen Mäulern, die sich Rom nannte. Ob Purgitius davon auch schon betroffen war? Sermo glaubte es nicht. Dennoch befahl er Cleon: "Bereite den Altar vor. Ich möchte für meinen Patron beten und opfern. Und für meine Verwandten dort."

  • "Unglaublich", murmelte Sermo. Er hielt die Wachstafel in der Hand, die an diesem Tag das Legionslager erreicht hatte. Absender: Ein alter duccischer Freund.


    http://img130.imageshack.us/img130/7191/cleonjung.jpg "Was ist denn?", wagte Cleon zu fragen.
    "Die Säcke stehen tatsächlich vor Rom. Also...sie BELAGERN die Urbs Aeterna! Stell dir das vor." Jetzt grinste Sermo.
    "Tatsächlich? Das ist ja...großartig?" Cleon schien nicht so recht zu wissen, was er mit dieser Information anfangen sollte.
    "Aber natürlich!" Der Quintilier erhob sich aus dem Korbsessel, auf dem sitzend er die tägliche Post heute entgegen genommen hatte. "Zuerst haben die Legionen aus dem Norden, denn denen gehört Vala mittlerweile mit eigenem Kommando an, die Lakaien des Vesculariers geschlagen. In Norditalien. Und dann...Abmarsch nach Süden, Rom umstellen, Vescularius Salinator festsetzen..." Sermo machte einen beeindruckten Gesichtsausdruck. "Dürfte nicht mehr lange dauern, bis dieser leidige Bürgerkrieg sein Ende hat."
    Cleon zog überrascht die Augenbrauen hoch. "Und...was dann?"
    Jetzt zuckte Sermo mit den Schultern. "Wir werden sehen. Vala schreibt, ich sollte mal darüber nachdenken, wieder nach Rom zurückzukehren. Vermutlich ist das gar keine so schlechte Idee."
    Cleon schluckte. Schon wieder auf Schiff steigen? Schon wieder absaufen?
    "Cleon, ist alles in Ordnung? Du wirst ja ganz bleich!"
    Aber der Sklave hörte schon nicht mehr, bemüht auf dem Weg zur Latrine keine Brechspur im Atrium zu hinterlassen.

  • Es gab mal wieder Papierkram abzuarbeiten. Wachstafeln, Papyri, stapelweise. Sermo hasste diesen Mist, aber er gehörte zum Geschäft. Als Tribunus Angusticlavius hatte er leider einen erheblichen bürokratischen Aufwand zu bewältigen, der auch nicht weniger geworden war seit dem Tod des Praefectus Legionis Artorius. Der Praefectus Legionis der Legio Cyrenaica hatte zwar kommissarisch die Geschäfte übernommen, aber die laufende Arbeit nahm er den Offizieren der Deiotariana freilich nicht ab. Und da weder aus Alexandria, noch aus Rom irgendwelche Befehle oder Neuigkeiten hinsichtlich eines Führungswechsels auf Provinzebene eingetroffen waren, gestaltete sich das Lagerleben für Sermo täglich ziemlich gleich. Papierkram erledigen, Alltag befehlen, Routineaufgaben abhaken.


    Das änderte sich abrupt, als Cleon einen bestimmten Brief zückte, den er einen Augenblick lang verblüfft anglotzte.
    "Was?", wollte Sermo wissen.
    Der Sklave hob seinen irritierten Blick. "Der hier ist von der Kanzlei."
    Cleon konnte gar nicht so schnell gucken, wie ihm das Schreiben aus der Hand gerissen wurde. Ein sichtlich aufgeregter Quintilier erbrach das Siegel der Kanzlei und las hektisch die Sätze auf dem Papyrus.


    Mit weit aufgerissenen Augen sah er schließlich seinen Sklaven an. Unglauben lag in seiner Stimme: "Die machen mich zum Praefectus!" Beinahe hätte er gelacht.
    "Wie jetzt? Du wirst Praefectus Legionis?"
    "Nein, Quatsch! Praefectus Alae!", widersprach Sermo und erhob sich von seinem Stuhl, um unruhig durchs Atrium zu tigern. Cleon dackelte artig hinterher.
    "Das hier ist mein Marschbefehl nach Germania. Wir gehen zurück nach Confluentes. Ich bin Praefectus der Ala II Numidia."


    Er stoppte, sah Cleon fragend an. "Cleon, träume ich?"
    "Mitnichten, Dominus", verneinte der Sklave. Er schluckte. Germania. Das bedeutete: Überfahrt. Schiffe. Seegang. Na großartig.
    "Also gut. Wir müssen sofort die nötigen Vorbereitungen treffen", sagte Sermo nun entschlossen. "Sorge dafür, dass mein Zeug eingepackt und nach Alexandria verbracht wird. Meine Rüstung, meine Kleidung, und die paar Kleinigkeiten, die hier noch so rumfliegen."
    Viel Persönliches besaß Sermo freilich nicht, hatte er sich doch von vornherein auf einen nur zeitweiligen Aufenthalt in Aegyptus eingestellt. Alles was er benötigt hatte, war ihm ohnehin von der Legion gestellt worden, was beim Haus anfing und bei der Sklavenschaft aufhörte.
    "Sehr wohl, Dominus", nickte Cleon.
    "Ich werde mich umgehend beim Praefectus Legionis der XXIII abmelden, der sollte wohl bescheid wissen. Schicke auch sogleich jemanden nach Alexandria, der uns ein Schiff nach Ostia oder direkt nach Massilia klar macht. Wir müssen so schnell wie möglich hier weg, bevor das Mare Internum unbefahrbar wird."
    Cleon nickte erneut. "Äh...bleiben die anderen hier?", fragte er daraufhin zögerlich. Er meinte die Sklaven, die schon bei Sermos Einzug im Haus gewesen waren.
    "Ja, natürlich", bejahte Sermo dies prompt. "Die sind Eigentum der Legion. Mitnehmen kann ich sie wohl kaum." Was Sermo eigentlich bedauerte. Isaak und Kortéssa hatten gut für ihn und sein Haus gesorgt. Ihr Sohn Simeón war ebenfalls meist nützlich gewesen und beinahe nie nervig. Und Mára, nun...die war Sermo oft genug nicht nur in ihrer Funktion als Magd zuträglich gewesen. Mittlerweile trug sie sogar schon einen Bastard unter dem Herzen. Sermo war stolz, aber nicht stolz genug um sich auf einer Reise eine schwangere Frau aufzuhalsen.
    "Ja", bekräftigte er noch einmal. "Die bleiben alle hier. Und jetzt ab mit dir, ich will hier zügig den Abgang machen!"
    Damit entließ er seinen Sklaven mit einer herrischen Handbewegung und strebte selbst dem Ausgang entgegen, um sich auf den Weg zu seinem kommissarischen Vorgesetzten zu machen.


    Dieser Tag war ein Freudentag, denn Sermo konnte sich endlich aus dem Staub machen. Weg aus der Langeweile, hin zu seinem eigenen Kommando. Darauf würde er an diesem Abend kräftig mit seinen Kollegen aus dem Legionsstab anstoßen.

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