Quer durch Italia - von Misenum aus in die Ungewissheit

  • Ihr Aufbruch war überstürzt und auch nicht wirklich gut geplant. In aller Eile wurde ein klappriger Karren mit einem genügsamen kräftigen Ochsen eingespannt. Man belud das Gefährt mit Körben voller Kohl und Rüben. Unter einer geölten Plane, die ihnen wohl auch als Schutz gegen Wind und Wetter dienen sollte, wurden Decken, ein paar Felle, ihre Vorräte an Brot, Trockenfleisch und Dörrobst verborgen. Irgendeiner der völlig verstörten Sklaven dachte sogar so weit und schob einen kleinen rußigen Kupfertopf unter die Plane. Die Sklaven des Landsitzes verstanden ihre Welt nicht mehr, ohne jede Erklärung brach die Dame des Hauses mit dem Stiefsohn auf. Sie wurden nicht aufgeklärt, zu ihrem eigenem Schutz und dem der Flüchtlinge.
    Nur wenige Anweisungen erhielten, sie sollten einfach das Leben so weiter führen, als hätte Flora niemals den Landsitz verlassen.


    Als Flora sah, auf welche Weise sie ihre Reise unternehmen würden, wurde ihr flau im Magen. Auch wenn es wohl kaum noch möglich war, sie wurde sogar noch ein bisschen blasser um die Nase. Was auch daran lag, dass ein kurzer Krampf im Unterleib sie erschauern ließ.
    Das Ding sah aus, als würde es bei dem ersten Stein auf der Straße auseinander brechen. Täuschte sie sich, oder waren die Reifen nicht mehr rund, sondern hatten mehr Ähnlichkeit mit einem Ei? Und ganz so, als zürnten ihnen die Götter, begann es dann auch noch zu regnen.
    Flora zog sich ihren Umhang fester um die Schulter und zog sich die Kapuze ihres schäbig wirkenden Umhanges tief ins Gesicht. Dann kletterte sie zu Ahala auf den Kutschbock. Veleda wurde nach hinten auf den Karren verbannt, zu dem Gemüse. Um die Empfindlichkeit einer Sklavin scherte sich ohnehin niemand. Nun galt es nur schnell fort zu kommen. So viel Abstand wie möglich zwischen sich und der Landvilla zu bringen. Mit der vagen Hoffnung der drohenden Gefahr zu entkommen und Soldaten, die sie aufspüren sollten zuvor zu kommen.


    Ruckelnd setzte sich der Ochse in Bewegung, das Holz des Karrens knarrte und ächzte, hielt aber. In einem sehr gemächlichen Tempo begannen sie ihre Flucht. Dies trug nicht gerade dazu bei, die Anspannung die sich in ihrem Körper aufgebaut hatte, zu vertreiben. Im Gegenteil, sie verstärkte sich. Nur schnell fort! Unruhig rutschte sie auf dem unbequemen Sitz hin und her und warf ständig besorgte Blicke zurück. Nur ganz langsam wurde der tiberische Landsitz kleiner. Ebenso langsam bogen sie dann auf die Straße gen Norden ein, diese führte sie zunächst durch Misenum und dann endlich durch die Tore der Hafenstadt.
    Gerade hatten sie die Stadtmauern hinter sich gelassen, Flora hatte den Soldaten einen bangen Blick zugeworfen, da purzelte Flora eine Frage über die Lippen, die sie bisher nicht gewagt hatte zu stellen. Ganz leise, nicht mehr wie ein tonloses Wispern klang ihre Stimme, als sie fragte: „Was ist mit Durus?“ Sorge und Angst konnte sie kaum aus ihrem Blick verbannen. Kurz warf sie wieder einen Blick zurück, befürchtete, dass man sie doch noch aufhalten würde, doch die Soldaten hatten ihren Platz nicht verlassen. Auch jetzt nicht, konnte sie aufatmen, noch waren sie nicht in Sicherheit. Sie hatten noch sehr vielen Meilen vor sich. Und immer noch wusste sie nicht, wohin sie eigentlich fliehen wollten. Es ging zwar nach Norden, aber Ahala würde wohl kaum nach Rom wollen. Doch bevor sie sich dieser Frage widmen konnte, wollte sie erst einmal wissen, wie es ihrem Gatten ging. Zu ihrer eigenen Überraschung fürchtete sie um ihn, nicht nur weil er nicht mehr der Jüngste war und der Kopf einer Verschwörung, sondern weil er ihr, in der kurzen Zeit doch ans Herz gewachsen war. Obwohl sie nicht sonderlich viel mit einander verband. Dennoch die Sorge war da und sie wollte die Gewissheit das es ihm gut ging.

  • Bevor sie endgültig aufgebrochen waren, hatte Ahala es noch irgendwie bewerkstelligt sich notdürftig zu waschen und zumindest den Großteil des Gestanks loszuwerden, der seit einiger Zeit sein treuer Begleiter geworden war. Das kalte Wasser war natürlich kein Vergleich zu dem konfortablen Bad, das er um diese Tageszeit normalerweise immer nahm, aber da er von derartigem Luxus bis Mantua vermutlich ohnehin nur würde träumen können, konnte er sich genauso gut auch gleich jetzt daran gewöhnen. Sich daran gewöhnen, wohl bemerkt, nicht sich angesichts der verzweifelten Situation damit zufrieden geben, dafür steckte zuviel vom verwöhnten reiche-Leute-Sohn in Ahala, dessen Selbstmitleid mittlerweile schon chronische Züge annahm.
    Ungeduldig verfolgte er die letzten Aktivitäten und Vorbereitungen der tiberischen Sklaven, er selbst hatte schließlich ohnehin schon genug getan, und trieb dann ihren Zugochsen an, nachdem Flora und deren Sklavin zu ihm auf den Karren gestiegen waren. Götter, was für ein Tempo....vermutlich würde er zu Fuß schneller in Mantua ankommen...Ruckelnd und zuckelnd und sehr gemächlich rollte der Obstkarren aus dem Stadtgebiet von Misenum hinaus, und auch Ahala atmete erleichtert auf, als sie die Soldaten hinter sich gelassen hatten. Ganz so furchtbar schlecht schien ihre Tarnung also nicht zu sein, kein Wunder, wenn er nur halb so mies aussah, wie er sich fühlte, dann konnte ihn kein normaler Betrachter ernsthaft für einen wohlhabenden Patrizier halten.
    Floras Frage hätte Ahala beinahe überhört, so leise hatte sie sie gestellt, aber da ihm klar gewesen war, dass sie früher oder später kommen musste, bekam er sie doch mit und ein dicker Stein schien sich in seiner Magengegend zusammenzuballen.


    "Ich weiß es nicht, Flora, wirklich nicht." antwortete er wahrheitsgemäß und ebenso leise und starrte unbewegt nach vorn auf die Straße. "Die Praetorianer waren im Haus, und wenn er nicht fliehen konnte, dann werden sie ihn wohl mitgenommen haben und verhören ihn jetzt." Ahala spürte eine ungeahnte Sorge um seinen alten Herrn in sich aufziehen und fast zeitgleich nicht zum ersten Mal schlechtes Gewissen, weil er diesen in Rom zurückgelassen hatte ohne auch nur den Versuch zu machen, ihn aus der Villa Tiberia herauszuholen. "Aber Vater ist ja ein zäher Kerl, er wird das schon überstehen." fügte er dann mit deutlich mehr Zuversicht, als er wirklich empfand, hinzu. Flora wirkte ohnehin schon mehr als angeschlagen, und wenn sie sich zu viele Sorgen machte, würde sie die lange Reise ganz sicher nicht überstehen. "Und vielleicht ist er ja auch noch rechtzeitig aus dem Haus gekommen, möglich wäre es ja immerhin." Nicht nach dem, was Ahala vor der Villa Tiberia zu Gesicht bekommen hatte, aber auch das behielt er tunlichst für sich.

  • Ahala wusste nicht was mit seinem Vater war. Ob er noch lebte, in Ketten geschlagen war oder bereits Tod. Er mochte Zuversicht heucheln, doch naiv und leichtgläubig war sie nicht. Auch wenn es oftmals den Anschein hatte. Durus hatte sich gegen Salinator verschworen und hatte die kaiserliche Familie ermorden lassen. Was ihm drohte war Folter und Tod.
    Ihr Blick wanderte zum Himmel, hilflos, doch die Götter selbst schienen nicht gewillt eine Antwort zu geben. Nur endloser Regen und Schweigen. Beinahe verzweifelte klammerte sie sich an den Gedanken dass er hatte entkommen können, auch wenn sie das Gefühl hatte, das dem nicht so war.
    Leicht biss sie sich auf die Unterlippe, der kurze Schmerz hielt sie davon ab, nun auch noch in Tränen auszubrechen. Es brachte nichts wenn sie nun heulte. Es würde ihre Lage nicht verbessern. Also riss sie sich zusammen und schwieg einen Augenblick lang. „Er wird schon entkommen sein“, stimmte sie Ahala mechanisch zu. Wirklich überzeugt klang sie aber nicht. Eher als versuchte sie sich etwas einzureden.
    Langsam gelang es ihre wirren Gedanken zu ordnen, doch nun türmten sich unzählige Fragen auf. Auch die Frage, wie sie nicht hatte mitbekommen können, wie ihr Gatte etwas Großes plante. All diese seltsamen Gespräche hinter verschlossenen Türen, die verstohlenen Blicke und die heimlichen Treffen, das ergab mit einem Mal einen Sinn. Ein wenig fühlte sie sich plötzlich gekränkt, dass man sie nicht eingeweiht hatte. Als ob sie mit den Plänen ihres Ehemannes hausieren gegangen wäre. Ahala schuldete ihr einige Erklärungen.
    „Was hat Durus … was habt ihr geplant?“ verlangte sie dann zu wissen. Immer noch mit gedämpfter Stimme, aber um einiges fester und entschlossener. Diesmal würde sie sich nicht mit einer knappen Erklärung zufrieden geben. Sie wollte verstehen. „Und wer ist noch beteiligt? Wohin flie… reisen wir überhaupt?“ folgte eine Frage auf die nächste. „Warum hat man mir das alles verschwiegen …?“ Noch mehr Fragen auf die sie Antworten haben wollte. Ein wenig zog sie ihren Umhang enger um die Schultern, dann schob sie ihre kalten Finger zwischen ihre Oberschenkel. Es war als hätte sie ein großes Mosaik vor sich, welches sie zusammensetzen musste. Jedes Steinchen für sich ergab keinen Sinn, aber wenn man jedes Steinchen an die richtige Stelle setzte, ergab es irgendwann ein großes Bild.
    Die Gründe für diese monströse Verschwörung waren ihr bewusst. Vescularius Salinator war ein Stachel im Fleische des römischen Imperiums, einer der sich entzündet hatte und nun eiterte. Man musste ihn entfernen, bevor der ganze Körper infiziert wurde. Für Politik hatte sie sich zwar nie begeistern können, aber den wichtigsten Entwicklungen hatte sie sich nicht entziehen können. Gerüchte in den Thermen, politische Diskussionen bei Festlichkeiten und Gespräche ihrer Verwandten, in allem schwang irgendwie unterschwellig mit, dass dieser Mann eine Gefahr für Rom darstellte. Dieser Mann trat die Werte ihrer Gesellschaft mit Füßen und spuckte auf die Traditionen. Rom war mit diesem feisten Fettwanst dem Untergang geweiht. Doch was für Pläne hatte Durus gehabt und an welchem Punkt war er gescheitert? Und warum hatte man sie nicht eingeweiht? Wieder einmal kam sie sich vor wie ein Kind, dass man besser im Ungewissen ließ. Damit sie sich dann williger in ihr Schicksal fügte.
    Im Grunde konnte sie sich ihre Frage selbst beantworten. Man hatte sie nicht eingeweiht um sie zu schützen, falls man scheiterte. Doch irgendwie bezweifelte sie, dass man ihr glauben schenken würde, wenn sie behauptete nichts gewusst zu haben. Als Ehefrau eines Verschwörers war sie genauso schuldig, wie die Mitverschwörer. Ob sie nun von den Plänen gewusst hätte oder nicht. Sollte ihnen ihre Flucht nicht gelingen, dann würde man wohl kaum Gnade walten lassen, sondern kurzen Prozess machen.
    Ein eisiger Schauer lief ihr über den Rücken und der Knoten der Furcht wurde noch ein wenig fester. Hoffentlich waren die Götter ihnen wohlgesinnt und ließen sie entkommen.


    Wieder warf sie einen Blick zurück, Misenum hatten sie hinter sich gelassen, doch noch türmte die Stadt sich hinter ihnen auf. Bedrohlich und mahnend. Die Angst saß ihr direkt im Nacken und würde wohl auch nicht so schnell von ihr ablassen.

  • "Ja, ganz gewiss wird er das." nickte Ahala automatisch, starrte dabei jedoch unverwandt auf das gemächlich vor seiner Nase hin und herwackelnde Hinterteil des Ochsen. Diese Bewegung hatte in seiner Monotonie irgendwie etwas beruhigendes, gar einschläferndes, und Ahala ertappte sich bei dem Wunsch, einfach nur eine Weile in Stille dasitzen und starren zu können, ohne an Durus und dessen Schicksal zu denken, weitere Pläne zu schmieden oder Dinge zu erklären, die er selbst kaum in ihrer ganzen Tragweite überblickte. Ja, ein wenig Ruhe wäre schön, nach Tagen voller Hetzerei, mit dickem Schädel (und das noch nicht mal vom Alkohol..) und der permanenten Ungewissheit. Ob Flora vielleicht auch....? Nein, scheinbar nicht, "Mutter" stieß Frage um Frage hervor, doch Ahala hatte nicht die geringste Lust, diese alle zu beantworten. Nicht, weil er nicht verstanden hätte, warum Flora sie stellte, aus ihrer Sicht war ihr Interesse vollkommen logisch und nachvollziehbar. Nein, er wollte schlichtweg ein wenig Ruhe und Frieden, um ein Weilchen ungestört in Selbstmitleid baden und sich dann irgendwann wieder am Riemen reissen zu können. Nicht auszudenken, wenn diese Fragerei so weiter ging bis Mantua....
    "Flora, tu mir einen Gefallen, und frag mich nicht so viel." sagte er schließlich und bemühte sich um einen freundlichen und geduldigen Ton. Nachdem er einen Blick nach hinten zu der Sklavin geworfen hatte, senkte er die Stimme noch einmal und beugte sich näher zu Flora hin. "Wir werden nach Mantua zu Ursus gehen, soviel kann ich dir sagen, und wer weiß, vielleicht werden wir dort den einen oder anderen von Vaters "Freunden" ebenfalls antreffen. Deren Frauen wussten von der ganzen Sache vermutlich ebenso wenig wie du, davon kannst du ausgehen. Ich denke, Vater wollte dich damit damit aus der Schusslinie halten und was hätte es auch gebracht, wenn du davon gewusst hättest? Glaub mir, mir wäre lieber, ich hätte auch nichts davon geahnt, aber leider hänge ich bis zu den Ohren mit drin."

  • Ganz leise seufzte sie, es schien ganz so, als wollte Ahala sich selbst mit seinen Worten überzeugen. An die bloße Hoffnung klammern, dass es gar nicht anders sein konnte, als das Durus sich ebenfalls auf der Flucht befand, in Sicherheit und nicht in den Fängen der Prätorianer. Doch so einfach ließ sich das Gefühl dunkler Vorahnungen nicht abschütteln. Langsam richtete sie ihren Blick wieder nach vorn auf die Straße, die Soldaten an den Toren waren nicht mehr zu erkennen.
    Kurz klappte sie den Mund auf, setzte zu einem wütendem Protest ein, doch dann zog sie einfach eine Schnute und schmollte. Wie alle Männer verlangte er Gehorsam von ihr und war nicht gewillt ausführliche Erklärungen von sich zu geben. Wütend funkelte Flora ihn an. Mund halten und einfach ihm blind ins Verderben folgen. Von ihren aufgewühlten Gefühlen wollte er nichts wissen, ihre Ängste und Sorgen nicht zerstreuen. Stattdessen ließ er sie lieber im Ungewissen. Da konnte er noch so ruhig und geduldig mit ihr reden. Wieder einmal kam sie sich vor wie ein Kind, dem man die Dinge nicht zu erklären brauchte. Sie sollte einfach nur gehorchen.
    Ein kleiner Trost war, dass sie nun wusste, wohin ihre Reise gehen sollte, nach Mantua zu Titus und Septima. Doch bevor sie in Sicherheit sein würden, lagen vor ihnen noch hunderte Meilen. Ein langer Weg auf dem ihnen viel widerfahren konnte. Wieder einmal verspürte sie einen Schauer, wenn sie an die Gefahren dachte, die da auf sie lauerten: Banditen, hungrige Wölfe und dann auch die Gefahr durch Entdeckung.
    Konnte Ahala eigentlich mit dem Schwert umgehen? Kurz warf sie ihm einen Blick zu, fragte aber nicht, er wollte ja nicht hören, was sie zu sagen hatte. Stattdessen betete sie stumm zu den Göttern.



    Ganz gemächlich verschmolz Misenum mit dem Horizont. Ebenso gemächlich zuckelten sie über die holprigen Straßen, wurden dabei ordentlich durchgeschüttelt und bequem war es auch nicht. Aus Angst, dass sie auffallen könnten, verbrachten sie die Nächte unter freiem Himmel. Bereits ihre erste Rast stellte sie vor Probleme. Sie waren zu überstürzt aufgebrochen. Es mangelte an einigen wichtigen Dingen. Zwar hatte man ihnen einen kleinen Kupferkessel eingepackt, aber es fehlte ein Messer und etwas mit dem man ein Feuer entfachen konnte. Und wie man ein Zelt errichtete wussten sie auch nicht. Konnten sie auch gar nicht, denn ihnen fehlten Seile.
    Die erste Nacht war grauenvoll, ohne Feuer war es bitterkalt und auch wenn sie unter ihrem Gefährt Schutz vor dem Regen fanden, zur Ruhe kamen sie nicht wirklich. Jedes Geräusch ließ sie aufschrecken und angespannt in die Dunkelheit starren. Als die Morgendämmerung anbrach hatten sie kein Auge zu getan und waren fast erleichtert, als sie aufbrachen. Müde, zerschunden und auch angeschlagen setzten sie ihre Reise fort. In der ersten kleinen Ortschaft besorgten sie die Dinge die ihnen fehlten. In aller Eile, denn sie wollten sich nicht lange irgendwo aufhalten.


    Für wehleidig hatte sie sich bisher nicht gehalten, aber die Flucht von Misenum von Mantua führte ihr deutlich vor Augen, wie verwöhnt sie eigentlich war und das sie bisher in ihrem Leben auf nichts hatte verzichten müssen. Auf Schmuck und Seidenkleider zu verzichten fiel ihr noch leicht, auch wenn sie mit großem Bedauern ihre Lieblingsstücke zurück gelassen hatte. Was ihr zusetzte, war das schlechte Wetter, der beständige Regen, das unbequeme Lager welches sie allabendlich irgendwo am Wegesrand errichteten und dann auch die ständige Übelkeit. Jedes Mal wenn ihr der Geruch von Essen in die Nase stieg, wurde es schlimmer. An sich kochte Veleda nicht schlecht (auch wenn ihre Mahlzeiten karg und fade waren), aber schon nach wenigen Bissen war ihr die Kehle meist wie zugeschnürt. Veleda konnte ihr dann noch so gut zureden wie sie wollte, Flora schob ihre Schale mit der kargen Kost meist recht bald von sich und blickte dann bedrückt ins Feuer.
    Ohnehin verspürte sie keinen Appetit. Flora befand sich irgendwo zwischen Panik, Verzweiflung, Wut, Fassungslosigkeit und Resignation. Sie war ein kessel voller Emotionen, der ständig überkochen zu drohte.
    Panik weil sie jedes Geräusch am Wegesrand zusammen zucken ließ. Jeden Augenblick, so fürchtete sie, konnten ihnen Soldaten begegnen und ihnen auf die Schliche kommen. Verzweiflung darüber weil sie dem Schicksal im Grunde Hilflos ausgeliefert war. Fassungslosigkeit weil sie nicht mitbekommen hatte welche wichtigen Ereignisse da geplant worden waren. Direkt vor ihrer Nase. Und sie war so furchtbar blind gewesen. Wut, weil man sie nicht eingeweiht hatte und dann vor vollendete Tatsachen gestellt hatte. Warum hatte man sie in Unwissenheit gelassen? Hatte man ihr nicht vertraut oder hatte man sie einfach nicht ernst genommen. Zu ihrem eigenen Schutz, so lautete Ahalas Erklärung, aber dennoch saß sie nun neben ihm auf dem holprigen Karren und befand sich auf dem Weg nach Mantua, weil Durus gescheitert war. Ob sie sich besser gefühlt hätte, wenn sie gewusst hätte, dass ihr Gatte den Mord an der kaiserlichen Familie, konnte sie nicht sagen. Sie würde sich aber wohl nicht ganz so hilflos fühlen und hätte wenigstens gewusst, was ihr bevorstand, anstatt plötzlich sich auf einer wilden Flucht zu befinden. Sie hätte Vorbereitungen treffen können. Doch man hatte sie nicht wie die Frau eines Senators behandelt, sondern wie ein verzogenes Kind. Ohne Erklärungen aus Rom fortgeschickt. Resignation, weil sie rein gar nichts ändern konnte. Andere hatten für sie die Entscheidungen getroffen und im Grunde konnte sie sich nur fügen. Bockig zu stellen und sich zu weigern, wäre einem Todesurteil gleich gekommen.
    Flora gab sich gar keinen Illusionen hin, als Ehefrau eines Verschwörers würde man ihr wohl kein Wort glauben, wenn sie beteuerte nichts gewusst zu haben. Man würde keine Gnade mit ihr kennen. Es blieb nur die Flucht.
    Das Durus aus gutem Grund so gehandelt hatte, das stellte sie nicht in Frage. Sie hatte ihn als einen sehr weitsichtigen und auch besonnenen Mann kennen gelernt. Ihm lag das Wohl Roms am Herzen und er hatte das einzig richtige tun wollen. Er hatte Rom von einem Tyrannen befreien wollen. Doch irgendetwas war furchtbar schief gelaufen. Was es war, konnte selbst Ahala ihr nicht erklären.


    Seit einigen Tagen waren sie nun unterwegs, da man kaum Rücksicht auf irgendwelche Empfindlichkeiten nehmen konnte, hatten sie die Aufgaben aufgeteilt. Lager aufschlagen, Feuer entzünden, Holz sammeln, kochen, den Ochsen irgendwo festbinden … meist im bedrückendem Schweigen bereiteten sie sich auf die Nacht vor, damit es am nächsten Morgen weiterging. Doch als sie nach einer unruhigen Nacht erwachten, konnten sie ihre Reise diesmal nicht so einfach fortsetzen. Der Regen hatte den Boden furchtbar aufgeweicht und über Nacht war ihr Karren im Schlamm versunken. Völlig fassungslos, den Tränen nahe starrte Flora das Gefährt an. Das war ein bisschen zuviel für sie. Unfein schniefte sie. Flora fror erbärmlich und fühlte sich hundeelend. Es war nicht nur das nass kalte Wetter, es war der klapprige Wagen, er stinkende Ochse und die Übelkeit die sie so gar nicht mehr los lassen wollte. Bisher hatte sie Ahala verschwiegen, dass sie schwanger war. Auch weil sie sich nicht unnötig aufhalten wollte.
    „Und was machen wir jetzt?“ sie klang ein wenig gereizt. Dabei versuchte sie mühsam ihre Gefühle im Zaum zu halten.

  • Hatte er erwartet, dass die Laune, die er zu Beginn der gemeinsamen Flucht gehabt hatte, noch schlechter würde werden können? Nein, hatte er nicht. Mann, hatte er sich da vertan....
    Mittlerweile hatte Ahala schon derart viele Stunden auf den schwankenden Ochsenarsch vor ihm gestarrt, dass er jedes einzelne Haar und jeden einzelnen Kackfleck im Dunkeln hätte wiedererkennen können, und die beruhigende Wirkung des ersten Tages stellte sich bei diesem Anblick auch längst nicht mehr ein. Nein, inzwischen gab es nichts mehr, dass ihn von ihrer beschissenen (welch passendes Bild) Gesamtlage ablenken geschweige denn aufheitern konnte.
    Harte, rumplige Tage auf dem Karren, gefolgt von harten, rumpligen Nächten unter dem Karren und das Ganze in dieser Saukälte und einer klammen Nässe, die stündlich weiter bis in die Knochen vorzudringen schien.
    Ja, Ahala befand sich gerade mitten in dem ersten großen Realitätsschock seines bislang so konfortablen Lebens. Was würde er jetzt nur geben, für ein paar Minuten in den Thermen, ein gutes Essen und ein paar Becher Wein....Sogar sein muffiges Büro aus alten Vigintivir-Zeiten schien ihm jetzt aus der Distanz wie das reinste El Dorado. Schön, es war langweilig dort gewesen, aber ruhig und trocken, und das Gejammer anderer Leute hatte sich auf die Sprechzeiten beschränkt. Nicht, dass Flora übermäßig viel jammerte, im Grunde sprach sie auch nur das aus, was er selbst dachte, aber Ahala, dem Meister der einstündigen Lupanar-Beziehungen wurde die ständige Anwesenheit der beiden Frauen allmählich zunehmend anstrengend. Ja, Flora war ein flotter Käfer, und ja, er war sehr gern mit ihr ins Bett gegangen, und ja, im Grunde mochte er sie auch vermutlich mehr, als es ihm wirklich bewusst war, aber sie ständig neben sich hocken oder liegen zu haben, wurde ihm zunehmend zuviel. Unnötig zu erwähnen, dass das beidseitige Bedürfnis nach Sex in den letzten Tagen ohnehin längst in Matsch, Moder und Ochsenscheisse versumpft war.
    Und so grummelte Ahala vor sich hin, schleppte sich jeden Tag erneut in dem deprimierenden Wissen auf den Kutschbock, dass Mantua, die gelobte Stadt, noch unendlich weit von ihnen entfernt war und versenkte seinen Tunnelblick einmal aufs neue auf den Ochsenarsch.
    Zumindest war das bis zum gestrigen Tage so gewesen, denn an diesem Morgen war selbst das nicht mehr möglich, ihr grandioses Reisegefährt steckte nämlich im Schlamm fest.
    Ahala, den jetzt endgültig die winzigen Reste seiner Contenance verließen, stieß einen Fluch aus, trat gegen eins der eingesunkenen Wagenräder, wobei er sich gleich zwei Zehen verstauchte, und fluchte gleich noch einmal, bevor er sich auf einem Baumstumpf niederließ und den Kopf in beiden Händen vergrub. "Ich weiß es nicht. Sag du's mir doch." war das einzige, was man dann aus seinem Munde hörte, gefolgt von einigen höchst unfeinen Ausdrücken, als Ahala versuchte, seine angeschlagenen Zehen zu bewegen.

  • Tag ein Tag aus immer das Gleiche, doch im Gegensatz zu den beiden verwöhnten Römern, störte das Veleda herzlich wenig, auch die Kälte könnte ihr nichts anhaben schließlich war es verhältnismäßig warm und sie hatte ja immer noch ihre germanische Kleidung. Gut das Flora nie auf diese komischen Tuniken bestanden hatte und Veleda ihre Kleider behalten durfte So ein langärmeliges Kleid aus Baumwolle, war doch unbezahlbar, bei dieser Witterung.
    Nun steckte dieser vermaledeite Karre auch noch im Dreck und die Beiden da vorn bliesen nicht nur Trübsal, nein sie waren hilflos wie Kinder. Oh man wie war es diesen Römer eigentlich gelungen, die halbe Welt zu bezwingen und zu regieren?
    Scheinbar war es an ihr, denn Karren aus dem Dreck zu ziehen.
    „Absteigen alle sofort.“ Rief sie aus und sprang zeitgleich von der Ladefläche. „Ahala du geht und suchst einen Ast, stabil muss er sein mindestens oberarmdick und er sollte ungefähr so groß sein wie ich.“ Ja sie sprach den Kerl mit dem Vornamen an, für Höflichkeiten war es weder die richtige Zeit noch der richtige Ort. „Flora du nimmst mir die Sachen ab, wir müssen den Wagen entladen um ihn leichter zu machen.“ Schon war sie am Heck des Wagens und nahm die ersten Sachen in die Hand. Veleda kümmerte sich erst mal nicht darum, ob die beiden zu Potte kamen, schließlich war es ja im Interesse der Beiden, das sie schnellst möglich wieder mobil waren.

  • Das der Karren tief im Schlamm feststeckte machte ihre Lage noch aussichtsloser in ihren Augen. Sie waren mitten im nirgendwo, völlig auf sich gestellt und die Aussicht von nun an zu Fuß gehen zu müssen, ließ sie in tiefe Verzweiflung fallen. Flora war erschöpft, niedergeschlagen und verängstigt. Wie sollten sie es nach Mantua schaffen? Sie hatten noch nicht wirklich viele Meile hinter sich gebracht und bis zu ihrem Ziel war es noch furchtbar weit. So wussten ja nicht einmal wo genau sie waren, da sie ja die belebten Hauptstraßen, Gasthäuser und Ortschaften mieden.
    Die Selbstbeherrschung um die sie bereits die letzten Tage gerungen hatte, bröckelte und ließ sie angesichts ihrer Situation mutlos werden. Wieder schniefte sie und kämpfte verbissen darum nicht in Tränen auszubrechen. Was gar nicht so einfach war. Denn der Drang einfach ihrer Verzweiflung Luft zu machen ließ sich schwer niederringen. Am liebsten hätte sie sich zusammengerollt, eine Decke über den Kopf gezogen und ihrer Verzweiflung freien Lauf zu lassen. So wie, nach dem sie vom Tod Narcissas erfahren hatte. Tagelang in ihrem Zimmer ein- und die Welt aussperren. Doch diese Möglichkeit hatten sie nicht, schließlich waren sie irgendwie mitten in der Wildnis. Zurück konnten sie nicht.


    Zu allem Überfluss wurde das Gefühl der Übelkeit wieder stärker. Auch jagte ein schmerzhafter Krampf durch ihren Unterleib, nicht zum ersten Mal. Damit weder Veleda noch Ahala davon etwas mitbekamen, wandte sie sich von dem trostlosen Anblick des im Schlamm feststeckenden Karrens ab. Ohnehin konnte sie ja wohl kaum etwas ausrichten und das Ding mit bloßem Willen befreien. Es half auch nicht, das Ahala gegen eines der Räder trat und seinen Frust nicht nur mit farbigen Flüchen Luft machte. Für einen Moment vergaß sie wie furchtbar zerschlagen sie sich fühlte und wirbelte zu ihm herum. „Du hast uns doch in diese Situation gebracht“, fauchte sie ihn an. Vorbei war es mit ihrer Selbstbeherrschung. Nun musste er als Sündenbock herhalten. Es gab ja sonst niemandem dem sie die Schuld an ihrer Lage geben konnte. Auch wenn Ahala eigentlich nicht der Verursacher war, kam er ihr gerade recht. Es mochte ungerecht sein, doch sie war so aufgewühlt, dass es ihr herzlich egal war. „Du hattest doch die glorreiche Idee den Karren zu nehmen! Du wolltest ja unbedingt mitten in der Wildnis ein Lager aufschlagen, anstatt irgendein Gasthaus aufzusuchen! Und was hat es uns gebracht?!?! Der verdammte Karren steckt im Schlamm fest und wir kommen nicht weiter! Und wir sind auch fern irgendwelcher Ortschaften oder befahrener Straßen!“ Wie gut es doch tat ihm die Schuld für ihre Lage zu geben. „Wir sind mitten im Nirgendwo!“ einmal angefangen konnte sie auch gar nicht mehr aufhören ihm Vorwürfe zu machen. Auf ihren Wangen bildeten sich rote Flecken vor Aufregung. Nun wirkte sie nicht mehr ganz so kränklich blass.
    Dass Veleda brauchbare Vorschläge machte sie aus ihrer misslichen Situation zu befreien, hörte sie gar nicht. Wollte sie auch nicht hören. Viel lieber wollte sie Ahala mit Schuldzuweisungen überschütten und wenn das nicht half, auch noch ein paar Beleidigungen ihm an den Kopf werfen.
    Es machte sie wütend, dass er anstatt irgendwie nach einer Lösung zu suchen den Kopf hängen ließ und sich in seinem Selbstmitleid suhlte.

  • Blond und ewig grinsend hin oder her, Floras Leibsklavin war tatsächlich die einzige, die sich in dieser Situation zu einer sinnvollen weil praktischen Betätigung bemüßigt sah. Ganz im Gegensatz zu ihrer Herrin, die jetzt mit überschnappender Stimme zu zetern begonnen hatte, zumindest kam das bei ihrem mittlerweile doch deutlich überreizten Reisegefährten so an. Er selbst machte allerdings auch keine Anstalten, Veleda zu Hilfe zu eilen, schließlich forderten sein angeschlagenes Ego und zwei schmerzhaft pochende Zehen sofortige Genugtuung.
    "Ich hab uns in diese Situation gebracht? Na wundervoll, vielen herzlichen Dank aber auch!" blaffte Ahala zurück, nachdem er von seinem Baumstamm aufgesprungen und zwei Schritte auf Flora zugehumpelt war. "Ich hätte dich auch in Misenum sitzen und den Praetorianern überlassen können, verdammt, das hätte mir eine Menge Zeit und Mühen erspart. Aber nein, ich Depp muss natürlich angehechelt kommen, nur um mir von der großen Dame Vorwürfe machen zu lassen. Der Karren passt dir also nicht, he?" Ahalas Arm schnellte in die Höhe und deutete auf ihr armseliges Reisegefährt, während er Flora wütend anfunkelte. "Und die Wildnis auch nicht, welch Überraschung. Lass mich raten, wie du gereist wärst, wenn man dich gelassen hätte: in der dicksten Sänfte, die Vater in Misenum stehen hat, am besten noch mit dem Familiensiegel an allen Seiten, damit unserer Augusta hier in den Herbergen auf dem Weg auch die besten Räumlichkeiten freigeräumt werden. Meine Herren, ich fass es nicht, kannst du auch mal über dein Schminkkästchen hinausdenken? Wenigstens dieses eine Mal?"

  • Rums zu den Füßen der beiden landete ein schweres Bündel.
    "Wenn ihr fertig seit mit quatschen können wir uns dann mal wieder auf das wesentliche konzentrieren? Ich mein ich kann auch ins nächste Dorf gehen und um Hilfe bitten. Aber erstens würde mich der feine Herr ja eh nicht allein los laufen lassen, ich könnte euch ja verraten und zweitens würden die Dorfbewohner uns für meschucke erklären. Drei junge gesunde Menschen kriegen einen Karren nicht aus dem Dreck? Da können wir euch auch gleich ein Schild umhänge wo drauf steht, das ihr Patrizier seid." Veleda machte ihren Ärger Luft, dass sie die meisten Arbeiten machen musste schön und gut, aber das die beiden jetzt, wo die Kacke am dampfen war sich gegenseitig mit Vorwürfen überhäuften war ihr einfach zu viel. Sie konnte nicht alles machen, ein bisschen mussten die beiden den Arsch nun hoch bekommen. "Also was ist packt ihr jetzt mit an oder soll ich mich auch an den Wegessrand stellen und ne Runde mit meckern?"

  • Wenn man mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurde und in seinem Leben noch nie harter körperlicher Arbeit nach gegangen war, war ein Karren, der im Schlamm fest steckte, eine Katastrophe. Es war sogar ein unüberwindbares Hindernis.
    Ohne Veleda wären sie und Ahala tatsächlich aufgeschmissen gewesen. Denn die beiden Patrizier wussten nicht und aus. Zumal Flora so sehr durch den Wind war, dass sie ihren Gefühlen nun Luft machen musste. Sie war eben ein emotionales Bündel, auch wegen der Schwangerschaft. Es machte die Situation auch nicht besser, dass Ahala nun noch weiter ihre Ängste schürte. Immer wütender wurde sie, während er sie anfuhr.
    Gerade als sie den Mund öffnete um eine weitere Runde ihres Streites einzuläuten, ging ihre Sklavin dazwischen. Flora machte einen Schritt zurück, als beinahe ein schweres Bündel auf ihren Füßen landete. Bevor ihr Zorn nun über die Germanin hereinbrechen konnte, fuhr ihr die Sklavin glatt über den Mund. Was sie davon halte sollte, wusste sie nicht, nur dass Flora ein einsehen hatte.
    „Du bist ein Arsch!“ zischte Flora Ahala entgegen, dann ließ sie ihn stehen und machte sich daran Veleda zu helfen. Die Sklavin hatte ja recht, so wenig ihr es gefiel. Wenigstens konnte Ahala nun nicht mehr murren, weil sie darauf bestanden hatte die Sklavin mitzunehmen. Veleda war nicht nur nützlich, sie schien auch als Einzige einen kühlen Kopf zu bewahren.

  • Unter normalen Umständen war Ahala eigentlich recht schmerzfrei, wenn seine eigene Person Ziel von Beleidigungen war. Die meisten hatte er sich ohnehin in seinem "zweiten" Leben eingefangen, wenn er des Nachts in den Kneipen von Syracusae und später in Rom unterwegs gewesen und seinen Lieblingsbeschäftigungen nachgekommen war. In solchen Nächten war ohnehin alles an ihm abgeprallt, entweder durch die Würfel, die Lupae oder den immer vollen Weinkrug in seiner Hand. Hier in diesem elenden Schlammloch gab es jedoch nichts davon, nicht einmal die zweifelsfreie Aussicht, nach überstandenem Abenteuer im eigenen, hochkomfortablen Bett aufzuwachen und von einer Horde Sklaven umhegt zu werden, und das war es vermutlich, was Ahalas Dickfelligkeit endgültig dahinschmelzen ließ wie Fett in der prallen Sonne.
    Die Sklavin und deren durchaus sinnvollen Vorschläge weiterhin ignorierend eilte er, so schnell er das in seinem angeschlagenen Zustand konnte, hinter Flora her und hielt diese am Arm fest. "Ein Arsch, ja? Vielen Dank für die Blumen!" blaffte er sie an und zog sie ein Stück zu sich zurück. "Und weißt du, was du bist? Eine weinerliche Kuh, dieses ständige Gejammer und Gemecker kann man ja nur aushalten, wenn man ein Gemüt hat wie dieser Ochse hier. Oder halt so steinalt ist wie Vater..."

  • Statt den Wagen abzuladen, hätte sie sich am liebsten in eine Decke gewickelt und geweint. Einfach weil ihre Lage so aussichtslos war. Es war ein verlockender Gedanke den Ängsten kurz nachzugeben. Einfach nur einen Moment panisch und hysterisch sein. Es gab genügend Gründe für sie einfach in Panik auszubrechen. Sie waren auf der Flucht, es war höchst wahrscheinlich, dass sie von Soldaten verfolgt wurden, sie waren irgendwo in der Wildnis, allein und unbewaffnet, wilden Tieren und Wegelagerern hilflos ausgeliefert. Genügend Gründe um sich zu fürchten.
    Doch um sich in Selbstmitleid zu suhlen war keine Zeit. Je schneller wie voran kamen, desto eher hatten sie Mantua erreicht und waren in Sicherheit. Also presste sie einfach die Kiefer aufeinander und tat was Veleda ihr auftrug, nämlich den Karren etwas leichter zu machen.
    Flora kam aber gar nicht dazu das Gepäck abzuladen. Ahala packte sie unsanft am Arm und zog sie zu sich heran. Einen Schritt stolperte sie auf ihn zu. So gereizt hatte sie ihn noch nicht erlebt. Wäre sie selbst nicht so angeschlagen, hätte sie sogar vielleicht ein wenig Furcht vor ihm empfunden.
    Wer hätte gedacht, dass ihre Beleidigung ihn tatsächlich traf. Wütend funkelte sie ihn an. „Lass mich los“, zischte Flora ihn an. „Ich bin keine Lupa mit der du tun und lassen kannst, was du willst!“ fauchte sie, verstummte aber, als er nun beleidigend wurde.
    „Du bist ein verdammter Holzklotz! Du bekommst auch gar nichts mit! Ich bin schwanger!“ schrie sie ihn an. Sie hatte sich alle Mühe gegeben nicht unnötig viel zu jammern und über die Situation zu beschweren. Auch weil es dadurch nicht einfacher wurde. Doch nun brach es einfach aus ihr heraus.
    Mit einem Ruck riss sie sich von ihm los. Dann ließ sie ihn einfach stehen. Ahala war ein blinder Mistkerl und sie hatte keine Lust sich noch länger mit ihm zu streiten. Was wusste er schon davon, was in ihr vorging und wie sehr sie sich zurück nahm. Eine angenehme Reisebegleitung war sie vielleicht nicht, aber sie versuchte wenigstens nicht absichtlich die verzogene und verwöhnte Patrizierin zu sein. Es gelang ihr nur nicht, das Beste aus ihrer Situation zu machen. Schließlich fror sie erbärmlich, litt ständig unter Übelkeit und hatte die letzten Nächte keinen Schlaf gefunden. Ganz zu schweigen von dem ständigen Regen und dem unbequemen Karren. Die meiste Zeit nahm sie klaglos die Umstände hin, doch es gelang ihr nicht immer. Flora war eben wie sie war.

  • "Nein, das bist du nicht. Leider!" brüllte Ahala zurück, ließ Floras Arm dann aber doch los. Lupae....was für herrliche Geschöpfe....Jung, schön und talentiert, zumindest wenn man wie der Tiberius nicht aufs Geld achten musste, redeten einem nach dem Mund, schmeichelten dem Ego und das Beste überhaupt: nach getaner Arbeit verschwanden sie sang- und klanglos auf Nimmerwiedersehen, ohne weitere Ansprüche oder gar Beschwerden anzumelden. Herrlich, konnte es perfektere Frauen auf Erden geben? Klar war Flora auch schön und auch alles andere als untalentiert, aber die Kunst der Stille war nun wirklich nicht ihr Ding, ganz im Gegenteil. Und was war das jetzt noch? Schwanger? Ahala war bereits im Begriff, die Arme gen Himmel zu werfen und augenrollend "das war ja wieder klar, auch das noch...." von sich zu geben, als die vollständige Tragweite der "stiefmütterlichen" Botschaft sein Hirn erreichte und er schlagartig drei Hauttöne heller wurde, obwohl er gerade noch mit rotem Kopf herumgezetert hatte.
    "Wie...was...schwanger?" stieß er wenig eloquent hervor und starrte Flora an wie das Kalb auf dem Mond. "Aber ich...ähm...ích meine, also du...es ist doch nicht...." Ahala brach mitten im Satz ab und warf einen hilflosen Blick zu Veleda hinüber, als könnte die resolute Sklavin ihn aus seiner aktuellen Erstarrung lösen."Puh....also ähm...ich denke, Vater wird sich sicher sehr freuen, aber wir sollten jetzt endlich sehen, dass wir hier weg kommen, meinst du nicht auch? Wäre auch besser für..ähm...das...naja, nun lasst uns mal wieder vorran machen, sonst kommen wir nie nach Mantua....Ich geh dann mal einen Ast suchen..." sprach's und verschwand im nahen Unterholz, froh dem Karren, der jetzt eine ganz neue Art der Bedrohung beherbergen zu schien, zumindest für einige Momente entfliehen und den Kopf wieder frei bekommen zu können.

  • Eigentlich hatte sie ihm nicht eröffnen wollen, dass sie schwanger war. Noch nicht. Erst wenn sie Mantua erreicht hatten. Nur weil sie schwanger war, änderte es noch nichts an ihrer derzeitigen Situation. Sie waren so oder so auf der Flucht, irgendwo in der italischen Wildnis und ihr Karren steckte auch immer noch im Schlamm fest. Man würde also nicht groß Rücksicht auf sie und ihre Befindlichkeiten nehmen können.
    Aber sie war so wütend gewesen, dass es einfach aus ihr heraus geplatzt war. Nur damit Ahala sie in Ruhe ließ und auch um diesen Streit für sich zu entscheiden. Flora hatte nämlich nicht vor klein bei zu geben.
    Ihre Worte hatten die gewünschte Wirkung. Im ersten Moment sah er zwar noch so aus, als würde er weiter herum schreien, doch dann stand ihm schlagartig die ganze Bedeutung ihrer Worte in sein Gesicht geschrieben. „Ja … schwanger“, betonte sie, immer noch gereizt. Das Männer aber auch immer so begriffsstutzig sein musste. Und Blind waren Männer auch, wenn das Offensichtliche ihnen nicht auffiel. Schließlich hatte sie die morgendliche Übelkeit schlecht verbergen können.
    Abwartend sah sie Ahala an, während er herumstotterte und versuchte die ganze Tragweite zu erfassen. Sie hatte nicht vor seine Vermutung zu bestätigen. Stattdessen reckte sie nur ein kleines bisschen herausfordernd das Kinn. „Das will ich doch hoffen, dass er sich freut“, immer noch war sie schlecht gelaunt. Zumal sie über dieses Thema nicht reden wollte. Es kam ihr gelegen, dass Ahala dann kurzerhand die Flucht ergriff. So musste sie ihm gegenüber noch nicht ihren Verdacht äußern. Es wäre wohl einfach besser, wenn Flora sie beide in dem Glauben ließ, dass nur Durus der Vater des Kindes sein konnte.
    Kurz sah sie noch Ahala nach, dann half sie Veleda dabei, den Wagen zu entladen.


    Während sie so durch den Schlamm watete, versank sie immer wieder bis zu den Knöcheln im Morast. Kein Wunder das ihr Reisegefährt versunken war. Der Schlamm wollte nicht so schnell hergeben, was er verschluckt hatte. Flora hatte ja auch so ihre liebe Müh nicht selbst fest zustecken, während sie Felle, Decken und ihr übriges Gepäck ablud.
    Mit vereinten Kräften gelang es ihnen am Ende ihr Gefährt aus dem Schlamm zu bekommen. Doch hatte sie es viel Zeit gekostet und an diesem Tag kamen sie nur wenige Meilen voran. Zumal sie von Kopf bis Fuß mit Schlamm und Modder bespritzt waren. Wenigstens konnten sie ihre Reise fortsetzen.

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