| Lucius Vipstanus Maecilianus Sermo
An diesem Tag erhob sich ein Mann mittleren Alters im Senat, der selten zu hören war. Im Gegensatz zu all den anderen Senatoren, die seit dem Tod des Kaisers eher verstört auf ihren Plätzen saßen, trug er heute ein breites Grinsen zur Schau, das manch einen misstrauisch werden ließ. Es war Lucius Vipstanus Maecilianus Sermo, der Adoptivsohn eines Mannes, den Salinator vor zwei Jahren zum Consul gemacht hatte. Damals hatte Maecilianus überraschend die Praetur übertragen bekommen. Doch nicht nur das war seltsam: Neben Salinator selbst waren auch sämtliche Günstlinge, Klienten und Freunde von Salinator waren ebenfalls erschienen, außerdem stand eine Abteilung der Cohortes Urbanae vor der Tür der Curia Iulia! Drinnen hatte der Praefectus Urbi dafür ausnahmsweise mal keine Skythen dabei, sondern vierundzwanzig Liktoren, die aber alle wirkten, als wären sie vor ihrer Karriere Preisboxer gewesen. Irgendetwas stimmte nicht!
Die Consuln stellten angesichts dessen geradezu das krasse Gegenteil von Sermos demonstrativer guter Laune dar: ängstlich blickten in die Schar der verbliebenen Senatoren (viele waren ja bereits geflohen oder verhaftet worden, weil sie etwas mit der Verschwörung zu tun hatten), wichen immer wieder dem Augenkontakt mit Salinator aus. Zögernd erteilten sie dann Sermo zum Beginn der Sitzung das Wort.
"Senatoren!"
begann er und blickte in die Runde, besonders lange bei denen verharrend, die dem Praefectus Urbi manches verdankten: Ämter, Würden, Einkünfte oder Einfluss.
"Mein Freund, der Stellvertreter des Kaisers und Praefectus Urbi, hat mich als Repräsentanten des Senats gebeten, endlich das kaiserliche Testament zu verlesen, damit wir erfahren, wen unser geliebter Imperator Caesar Augustus Gaius Ulpius Aelianus Valerianus dazu auserkoren hat, an seiner Statt zu herrschen."
In einer theatralischen Geste holte er eine Papyrus-Rolle hervor und öffnete sie so, dass die vordersten Reihen das kaiserliche Siegel sehen konnten. Dann begann er mit getragener Stimme vorzulesen:
Testamentum
des
Gaius Ulpius Aelianus Valerianus
Imperator Caesar Augustus
Divi Iuliani Filius Pontifex Maximus
Tribuniciae Potestatis Imperii Proconsulare Censor
[FONT=Herculaneum,Comic sans ms]Pars Prima
Meine Betriebe, Grundstücke und Immobilien, mein Privatvermögen, Lagerbestände und aller beweglicher Besitz sollen meinem Sohn und Thronerben Publius Ulpius Maioranus zufallen.
Pars Secunda
Sollte das Erbe aus Gründen der Unvolljährigkeit oder des Todes meines Erben nicht auszahlbar sein, so wird mein nächster männlicher agnatischer Verwandter aus der Gens Ulpia als Verwalter bis zur Vollstreckung des Erbes bzw. selber als Gesamterbe eingesetzt.
Pars Tertia
Sollte die Gens Ulpia zum Zeitpunkt meines Todes erloschen sein, setze ich den Praefectus Urbi Potitus Vescularius Salinator, der mir lange Zeit sowohl als Freund als auch als Stellvertreter tapfer und treu gedient hat, als meinen Gesamterben und Thronfolger ein.
Dies verfüge ich im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, niedergeschrieben und gesiegelt mit eigener Hand.
ANTE DIEM IV ID AUG DCCCLVIII A.U.C. (10.8.2008/105 n.Chr.)
[/FONT]
Ein Raunen ging durch die Reihen der Senatoren. Doch Maecilianus gebat mit Gesten um Ruhe, um die Aufmerksamkeit des Senats wieder auf sich zu ziehen. Dann fuhr er mit kaum verhaltener Begeisterung fort:
"Ich bitte um Ruhe! Ich habe noch eine weitere Nachricht von großer Tragweite zu verkünden, diesmal von meinem Vater: Die Legionen von Pannonia, Dacia und Moesia Superior haben unabhängig von Valerianus' Testament einen neuen Imperator ausgerufen: Potitus Vescularius Salinator!"
Er strahlte den Praefectus Urbi an, der ebenso zurückgrinste. Unterdessen wuchs das Gemurmel weiter an.
"Ich bitte nochmals um Ruhe! Ich habe noch einen Antrag! Wie wir alle wissen, haben sich zahlreiche Verschwörer ihrem gerechten Urteil entzogen und sind geflohen! Ohne Zweifel planen sie, das, was sie durch Intrige und Mord zu erreichen versuchten, jetzt mit Gewalt zu nehmen! Sie werden die Feinde Roms aufhetzen oder die Truppen des Kaisers selbst verführen, wenn ihnen niemand Einhalt gebietet!
Gemäß dem letzten Willen unseres geliebten Imperator Caesar Augustus und dem Wunsch derjenigen Männer, die Rom gegen seine schlimmsten Feinde verteidigen, beantrage ich deshalb, dem Praefectus Urbi Potitus Vescularius Salinator die Kaiserwürde anzutragen!"