Eine Nacht in Ostia

  • Dort angekommen, hatte ich das Gefühl, dieses Haus wirke anders. „Hier könnten wir es probieren“, meinte ich und war schon an der Türe. Nach meinem klopfen wurde mir rasch von einer netten etwas älteren Frau geöffnet. Einer Witwe, wie sie uns später erzählte. Wir hatten Glück bekamen nach ein paar kritischen Blicken ein Zimmer und nach kurzer Zeit auch ein gutes Essen serviert.


    „Na schmeckt es?“ Diese Frage stellte ich Macro, während ich mich vergewisserte, dass wir alleine waren. Ich kam mir so auf der Kline, mit einem guten Essen und einem nicht minder gutem verdünnten Wein, wie ein freier Mensch vor. „Wir müssen nun überlegen, wie wir in Rom rein kommen. Es gibt eine Menge von Möglichkeiten. Wir können als Bauern oder Händler getarnt mit einem Karren zum Markt ziehen. Wir könnten vorgeben, Verwandtschaft besuchen zu wollen oder auf Arbeitssuche zu sein. Wir können gemeinsam gehen oder getrennt gehen. Je nachdem wie wir es machen, brauchen wir andere Kleidung oder das nötige Zubehör. Ich persönlich ziehe die Arbeitssuche oder den Besuch der Verwandtschaft vor. Was meinst du? Das Essen ist wirklich gut, fast wie früher von Mansuri.“

  • "Wir bekämen in Rom mit dieser Aufmachung nur in einer Spelunke ein Zimmer und wir würden gleich bei der Essensbestellung bezahlen müssen, weil jeder denkt, wir sind Zechpreller", pflichtete Macro bei, während er sich von Linos zu ihrem dritten Versuch führen ließ. Das Haus stellte sich beim Näherklommen tatsächlich als Pension heraus und sie traten ein. Macros Prophezeiung erfüllte sich prompt: Sie wurden kritisch beäugt.


    "Wir können bezahlen", versicherte er und klopfte auf den Beutel, der an seinem Gürtel hing.


    Macro wählte für sich einen Platz am Fenster mit Sicht auf die Tür. Er bevorzugte Plätze, die eine gute Sicht aufwiesen, auch wenn er nichts Überraschendes erwartete. Sein Magen meldete sich mehrmals, bis endlich das Essen aufgetragen wurde. Er sog den Duft ein. "Mhm, lecker. Zumindest riecht es so." Als Linos den Vergleich zu Mansuri zog, nickte Macro mit vollem Mund. "In Italien versteht man sich auf das Kochen", murmelte er - bemüht, dass ihm beim Sprechen nichts herausrutschte. Erst nachdem sein Hunger gestillt war, dachte er über Linos‘ Vorschläge für Rom nach. Dass heißt, er schwenkte zu diesem Thema, ohne darüber nachzudenken.


    "Was ich meine? Mein Vorschlag war ja, dass wir uns als die ausgeben, die wir sind, aber das wolltet ihr ja nicht. Jetzt frag mich nicht nach Alternativlösungen, denn nicht ich bin das gewitzte, durchtriebene Schlitzohr, sondern du. Sag mir, was ich am Tor sagen soll, und ich mach es. Versäume es, mich zu instruieren, und ich werde uns reinreißen…. fürchte ich." Macro sah nicht belustigt aus, er wollte auch nicht scherzen. Ihn plagten tatsächlich Zweifel.


  • „Da kenne ich aber eine ganz andere Geschichte, du und nicht ausgekocht, dass ich nicht lache. Wer war denn der große Planer, als es hieß ein neuer Privatsekretär wird gesucht?“
    Zufrieden lächelnd steckte ich mir den Rest von dem Huhn in den Mund. „Der Käse ist wirklich gut, bestimmt Griechischer“, meinte ich und nahm mir noch ein Stück. „Also komm erzähl mir nichts. Doch zu viel Planen, ich meine zu fest auf eine Rolle festlegen finde ich nicht so gut. Wir müssen es auf uns zu kommen lassen und dann reagieren. Sollte ich merken, dass es schwierig wird, so sage ich einfach du wärst stumm, dann brauchst du nur mit dem Kopf oder den Händen Zeichen zu geben.“
    Ich hörte wie sich Schritte näherten. „Das Essen war einfach köstlich. Ich werde gleich nachfragen ob es noch ein gutes Frühstück gibt, vielleicht gegen extra Bezahlung noch etwas Proviant, damit wir gleich los können. Wir sollten jetzt auch schlafen gehen.“
    Mir noch ein paar Oliven greifend stand ich auf und strich mir zufrieden über den Bauch, so gut und reichlich hatte ich lange nicht mehr gegessen.

  • Die Idee, stumm und taub zu sein, fand Macro immer besser je länger er darüber nachdachte. Sein Lächeln wurde zu einem Grinsen.


    "Absolut perfekt. Ich bin taubstumm und du redest. Du wirst sehen, ich werde dir eine fantastische Zeichensprache hinlegen. " Er rieb sich die Hände, während er der Frau, die abräumte, zunickte als Dank für die Speisen.
    "Ich brauche unbedingt ein gutes Frühstück morgen. Die erste Mahlzeit ist die wichtigste", sagte er mit Überzeugung, falls es überhaupt eine Abstufung in der Wichtigkeit von Speisen gab. "Ich hoffe, du schnarchst nicht", fügte er an, denn bei dem Stichwort 'schlafen' fiel ihm auf, dass er sein separates Zimmer seit ihrer Abreise vermisste.


    Bald darauf suchte er eine Möglichkeit, sich zu waschen. Er zog die kratzige Tunika aus, legte sich ins Bett und spürte die Ermattung, bevor er in schöne Träume versank.


  • Na super, ich kam vom waschen und Macro lag da, schlief tief und fest.
    Ob es nun das reichliche gute Essen war oder Macro, der zwar nicht schnarchte, aber tiefe Atemgeräusche von sich gab, ich kam vorerst nicht zum einschlafen. Unruhig wälzte ich mich von einer Seite auf die andere.
    Mir ging Macros Bemerkung, von der fantastische Zeichensprache nicht aus dem Kopf. Hoffentlich hatte Macro nicht vor, eine Sondereinlage zu bieten. Eine Idee warum wir nach Rom wollten hatte ich schon, doch die wollte ich vorerst für mich behalten.
    Irgendwann war ich dann doch eingeschlafen, wachte am Morgen aber wie gerädert auf. Ich fand das war keine gute Voraussetzung für einen Fußmarsch. Doch zuerst hieß es Frühstücken. Gähnend stand ich auf und zupfte Macro an seiner großen Zehe. „He aufstehen Großer, Rom wartet.“

  • Es mussten die schlafarmen Tage auf dem Schiff gewesen sein, die ihn in dieser Nacht wie einen Stein schlafen ließen, obwohl er wieder in einem fremden Bett lag. Macro mochte fremde Betten nicht, aber noch viel weniger mochte er geweckt werden.


    Ein unwilliges "hmh" erklang, dann drehte er sich noch einmal um und versuchte, wieder einzuschlafen. Doch das gelang nicht, denn der Spruch 'Rom wartet' kurbelte seine Gedanken an. Er machte sich prompt Sorgen - Gedanken, die er gestern durch Scherzen zu überdecken versuchte. Es half nichts, er konnte nicht mehr einschlafen, schlug die Decke zurück und blinzelte Linos an.


    "Ich brauche ein gutes Frühstück", kündigte er an, dann stemmte er sich hoch und setzte sich mittig ins Bett. "Mann, so richtig gut geht es mir mit unserem Auftrag nicht. Ich hab wirklich Sorge, dass wir auffliegen. Was meinst du, machen die dann mit uns?"

  • Verärgert zupfte ich an meiner Tunika herum oder besser gesagt wie Macro meinte, an meinem Kittel. Damit versuchte ich die gerade geweckte Nervosität zu überdecken.
    „Du hast Recht die Dinger kann man wirklich nur als Kittel bezeichnen. Man wie das kratzt und scheuert, so was ist unsereins nun wirklich nicht gewohnt. .... Ach Blödsinn warum sollten wir auffliegen. Ich nehme an, dass die Leute die aus Rom raus wollen, viel strenger kontrolliert werden. Versteh mich nicht falsch, aber der Kaiser ist ja schon tot. Was sollten sie den jetzt noch befürchten? Wieso sollten sie uns gerade verdächtigen einen Anschlag oder der Gleichen durchführen zu wollen? Weißt du was gehen wir Frühstücken, danach sieht die Welt schon ganz anders aus. Den Proviant dürfen wir auch nicht vergessen.“

  • Macro sah ein, dass Spekulationen sie nicht weiterbrachten. Er rutschte vom Bett, stand auf und streckte sich, während er herzhaft gähnte.
    "Vielleicht hast du Recht und ich mach mir zu viele Gedanken. Mal sehen, wo ich die Lockerheit von gestern wiederfinde." Er wusch sich in der kleinen Schüssel Gesicht und Nacken, prustete dabei und fühlte sich bereits besser. "Wir kleiden uns wie durchschnittliche Peregrini. Als Sklaven würden wir sicher ausgefragt werden", schlug er vor, dann rubbelte er sich ab. "Keiner kann uns was, wenn wir in Rom Arbeit suchen. Genau. Und zu befürchten gibt es tatsächlich nichts, wenn einfache Leute Einlass begehren. Wir essen jetzt was und dann gehen wir los."
    Macro nickte und strebte bereits zur Tür.


    Der Gastraum gähnte vor Leere, als er eintrat. Auf einem der Tische standen zwei Teller, zwei Becher und ein Korb mit Brot. Macro blickte zu Linos, dann zuckte er die Schultern und ging auf den Tisch zu. Er ließ sich nieder, griff nach einem Stück Brot und brach etwas ab. Bevor eine Bedienung kam, kaute er bereits. Das beruhigte ihn.


    "Etwas Käse oder Fleisch, was zu Trinken und vielleicht Obst oder Oliven könnten wir noch gebrauchen", rief er in Richtung der Tür, die zur Küche führten musste.


    "Wir melden uns am Stadttor, oder?" Fragend blickte er Linos an.

  • „Äh hm, weiß nicht“, zuckte ich mit den Schultern. „Ich weiß nicht was ziehen die an? Da habe ich ehrlich gesagt nie drauf geachtet. Plötzlich bemerkte ich, dass ich hinter Macro stand und interessiert seinen athletischen Körperbau betrachtete.
    Seufzend wandte ich mich ab, „dann müssten wir bevor wir los gehen noch einkaufen.“
    Zufrieden bemerkte ich Macros verbesserte Stimmung und hoffte, dass sie anhalten würde.

    „Bestimmt sind wir die einzigen Gäste die so früh raus wollen oder ob wir die einzigen Gäste sind?“ Antwortete ich ihm in der Gaststube, bevor ich mich neugierig um schaute, ob ich irgendwo ein Anzeichen von einem anderen Gast entdecken würde. Natürlich sah ich nichts.
    „Ich dachte ja wir sollten uns dort melden, obwohl ich habe einmal bei einem Spaziergang, eine Stelle am Tiber entdeckt, die man zum unbemerkten Stadteinlass nutzen kann. Dies wäre auch eine Möglichkeit.“
    In einer kurzen Pause schaute ich Macro an und überlegte. „Nein ich glaube wir melden uns besser am Stadttor an.
    Da fällt mir ein wir brauchen noch einen Namen. Ich hoffe allerdings wir brauchen keinen zu nennen. Das heißt, ich brauche keinen zu nennen, du hast ja den bequemen Teil“, grinste ich und steckte mir auch ein Stück Brot in den Mund.
    „Nach dem Festmahl gestern dachte ich schon ich hätte heute Morgen keinen Hunger, doch das war ein Irrtum.“

  • "Freie ziehen auch nichts anderes an als wir. Einfach eine Tunika, nicht so fein wie unsere sonst", antwortete Macro. "Diese Kittel von den Knechten sind gar nicht übel. Schuhe haben wir ja auch gebrauchte an, die Geldbörse ist auch abgegriffen, zumindest die, die ich einigermaßen sichtbar tragen werde. Einkaufen müssen wir also nicht, aber wir sollten selbstbewusst auftreten." Er legte den Kopf in Schieflage und betrachtete Linos, bevor er anfügte: "Du kannst so bleiben, denke ich."
    Er dachte eine Weile über die Stelle am Tiber nach, die Linos erwähnte, war aber froh, dass der Freund selbst den Gedanken verwarf. "Stadttor, ist besser", bestätigte Macro. "Wir brauchen notfalls einen Namen und eine Geschichte. Woher kommen wir? Was haben wir bisher gemacht? Ideen?"


    Endlich kam eine Bedienung und brachte dampfende Hähnchenschenkel mit. "Hm, lecker." Macro musste schlucken. Wenig später standen noch Honig, ein Wasserkrug und eine Schale mit Oliven auf dem Tisch. Macro tauchte ein abgerissenes Stück Brot in den golden glänzenden Honig und biss genüsslich ab, nachdem er seinen Teil der Hähnchen verspeist hatte.


    "Was kosten Übernachtung , Mahlzeit von gestern und Frühstück?", fragte er die Bedienung, als sie Wasser und Wein nachschenkte.

  • „Vergiss den Proviant nicht“, warf ich kurz ein und betrachtet den Honig, während ich noch über die Namen nachdachte. Den Rest unserer Geschichte hatte ich schon zusammen.
    „Also gut hör zu was ich mir ausgedacht habe. Wir kommen aus Ostia, ich finde das gut, falls am Stadttor jemand sein sollte, der uns hier gesehen hat. Wir suchen Arbeit in den Thermen, du als Masseur und ich als Mann für alles, wenn du verstehst“, grinste ich Macro vielsagend an. Ich ergriff nun auch ein Stück Brot und tunkt es in den Honig ein, so hatte Macro Zeit sich mit seiner neuen Rolle auseinander zu setzen.
    „Nur bist du in dem Fall nicht Taubstumm, sondern nur stumm, schließlich muss du die Wünsche der Herrschaften ja hören.
    Ja und ich denke wir sind Vettern und immer zusammen unterwegs. Unsere Namen könnten sein Castor und Pollux“, lachte ich. „Nein das war ein Scherz, lass uns das unterwegs überlegen, dann bekommen wir auch keine Langeweile.
    Ich esse zuerst aber noch einen Hähnchenschenkel, wer weiß wann ich den nächsten bekomme.“

  • Die Bedienung hielt die Hand auf und sagte: "55 Sesterzen." Macro fand die Pension nicht sonderlich günstig und warf Linos einen Blick zu, der heißen sollte: Hier kehren wir nicht noch einmal ein. Er kramte die Geldstücke einzeln aus dem beutel und legte keinen zusätzlich hin.
    Für ihren Proviant würden sie einfach das übrig Gebliebene einpacken. Als Linos nach einem der Hähnchenschenkel greifen wollte, hielt Macro ihn am Handgelenk fest, nahm das Fleisch und wickelte es in Pergamentpapier. "Das nächste Essen bekommst du jeweils nach vier Kilometern auf der Strecke zwischen Ostia und Rom." Er lächelte freundlich, aber bestimmt. "Jemand muss ja aufs Geld und deine Motivation zum Laufen achten." Es sollte wie eine Entschuldigung klingen. Macro lächelte nochmals.


    "Deine Geschichte finde ich aber sehr gut", lenkte er sogleich mit einem Lob vom Thema ab. "Ich als Masseur, die armen Kunden." Sein Lächeln wuchs zu einem breiten Grinsen. Gut, das mit dem Mann für alles verstand er nicht so recht. Wollte Linos Böden putzen, Wannen schrubben, Handtücher holen usw.? Wo er doch niemals gerne lief. "Bist du sicher, dass du dich für alles eignest?", fragte Macro daher skeptisch, während er aufstand und den inzwischen fertig gepackten Proviant nahm.
    "Du zeigst den Weg, …Vetter." Macro grinste wieder. Inzwischen glaubte er, dass sie doch relativ ungeschoren nach Rom hineingelangten. "Nie im Leben hält uns jemand für Vettern." Dann holte er sein kleines Reisegepäck und wartete auf Linos.



  • „Denkst du denn als Onkel und Tante wäre besser?“ Total verärgert wegen des Hähnchenschenkels raunzte ich Macro an.
    „Stell dir vor, der Bruder oder die Schwester eines deiner Elternteile wäre mit einem Nubier oder einer Nubierin verheiratet. Würde deren Sohn, der ja dein Vetter wäre, dir gleichen?“ Langsam wieder friedlicher gestimmt fragte ich dann: „Als was schlägst du vor? …. Gut das können wir auch unterwegs klären, ich verschwinde mal eben, danach hole ich meinen Reisesack und dann kann es losgehen. Ich bin ja schon gespannt auf das Gesicht von dem Felix. Leider habe ich den ja nicht so richtig kennen gelernt. Ob der Ähnlichkeit mit der Livinea hat?“


    Zur Weiterreise gerüstet kam ich zurück.„So dann auf nach Rom“

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