Besuch ist da! oder Da will jemand unser Haus auf den Kopf stellen

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    Hinter Aurora war längst Menyllus losgelaufen, um die restlichen Unfreien schon mal freundlich vorzuwarnen, dass Besuch ins Haus stand.


    Vorsorglich hatte die Türsklavin die Soldaten auch mal bis ins Atrium begleitet (Tigranes hatte ja immer noch wachsam die Porta im Auge). Wahrscheinlich brauchten die Herren – wie damals beim Besuch ihrer schwarzen Kollegen – Hilfe bei ihrer Durchsuchung.


    Dass sie an der Tür Dienst hatte, war noch ein Erbe ihrer … etwas zu männlichen Vergangenheit. Deshalb wurde sie weiterhin für das Porta-Öffnen eingeteilt, obwohl sich Frauen in der Villa Vinicia üblicherweise nicht um so etwas kümmerten. Bisher hatte sich da noch niemand an ihrem weiblichen Aufzug gestört.
    Na ja, Mania durfte sie oft in der Küche helfen. Süßspeisen zubereiten machte Aurora wahnsinnig Spaß, sie kreierte immer neue Variationen mit Rosinen, Honig, Milch und tausend Gewürzen. Mania war sowieso die beste Freundin, die Aurora sich immer gewunschen hatte. Mit ihr konnte man so schön über Männer reden und … na ja, eben über Frauenangelegenheiten. Und sie war so einfühlsam und sensibel! Nie waren ihre Worte hart und verständnislos. Und sie hatte so wunderbar angenommen, dass Aurora nicht als Mann leben konnte, weil sie eben nun mal keiner war!


    Wissen die Götter, wie es zu dieser Laune der Natur gekommen war und wie die Götter grausam genug sein hatten können, sie in einem männlichen Körper zur Welt kommen zu lassen. Sie! Eine Frau in einem Männerkörper! Wenn das mal nicht absurd war!

  • Ein bißchen burschikos wirkte die Sklavin ja. Selbst ihre Stimme klang irgendwie dunkel. Valerian dachte sich erst nichts dabei. Solche Frauen gab es. Er machte sich eher Gedanken darüber, daß gerade in vornehmen Haushalten manchmal die merkwürdigsten Gestalten an die Tür gestellt wurden. Viele konnten kaum Latein, andere wußten sich absolut nicht zu benehmen. Wieder andere... Also wer eine Frau an die Tür stellte, der konnte doch wirklich nicht ernst genommen werden! In einem Haushalt von ehrenwerten Consularen jedenfalls erwartete man so etwas nicht. Aber vielleicht war der eigentliche Ianitor ja auch verhaftet worden und die Frau tat einen Dienst, der gar nicht für sie vorgesehen war?


    Während die Soldaten ihr ins Atrium folgten, beobachtete Valerian sie. War das überhaupt eine Frau? Achwas, kein Senator würde einem Sklaven solch einen Aufzug durchgehen lassen. Aber, was wenn es ein Spion war? Gar kein Sklave? Und noch weniger eine Sklavin? Ach Unsinn. Warum hätte er dann nicht als männlicher Sklave auftreten sollen, was viel unauffälliger war. Nein. Ein Spion auf keinen Fall. Vielleicht ein überängstlicher Sklave, der dachte, als Frau könnte er eher einem schmerzhaften Verhör entgehen. Ja, natürlich. Das war die Erklärung, das war plausibel.


    „Schwärmt aus und durchsucht alles! Ich möchte alle Schriftstücke sehen, die auch nur ansatzweise nach Briefen oder nach politisch relevanten Notizen aussieht.“ Seine Männer waren gut darin, zu suchen. Sie hatten mittlerweile einige Übung. Valerian selbst wandte sich an die Sklavin, die wohl eher ein Sklave war. „Wie viele von euch sind im Haus? Ich möchte diejenigen sprechen, die für Schreibarbeiten eingeteilt waren.“

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    Nervös wickelte sie eine blonde Locke auf einem Finger auf.
    Stumm überschlug Aurora dabei, wie viele Sklaven sich nicht gerade mit den nicht-verhafteten Herrschaften … in weite Ferne verzogen hatten, und teilte ihr Ergebnis mit dem Centurio. Der am Rande erwähnt nicht ihr Typ war. Sie stand da eher auf weniger dunkle Männer.


    Na ja, die Männer. Die waren in der Regel ganz unkompliziert, was Auroras Körper anbelangte. Ein paar wenige waren enttäuscht, sobald sie die flache nackte Brust zu sehen bekamen. Aber die meisten fanden Gefallen an ihrem Körper, so wie er war, auch wenn er nicht in jeder Hinsicht so recht zu einer blondgelockten Frau passte.


    Aurora selber war da dagegen gar nicht zufrieden!
    Ach, wie oft ernteten andere Frauen durch Aurora neidische Seitenblicke. Wie gerne hätte sie auch so einen vollkommenen kurvigen, weichen Körper! Was würde sie dafür geben! Alles! Wirklich alles!
    Aber die Götter hatten kein Erbarmen. Als Kind hatte sie noch gehofft, sie würde eines Tages aufwachen und der Alptraum, diese tragische Verwechslung wäre vorbei … aber das war nie geschehen. Jedes Mal wieder war sie jedoch in einem Jungenkörper aufgewacht …


    „Das ist kein Problem, Centurio“, bestätigte sie höflich lächelnd.
    Es dauerte nicht lange und die Schreibsklaven, unter denen auch Lucianus‘ Leibdiener und oberster Unfreier Phaeneas war, trudelten im Atrium ein.

  • Ganz von selbst hatte sich natürlich sofort herumgesprochen, wonach die Urbaner suchten. Diese Tratscherei unter Sklaven und dass man dabei immer aufmerksam zuhörte, war von Kindesbeinen auf entscheidend für Unfreie. Und Phaeneas für seinen Teil wusste, warum er seine Briefe von Cimon nirgendwo lagerte, sondern immer bei sich trug, in einem Beutel an seinem Gürtel. Wenn sie irgendwo rumlagen, konnten sie ja von informationsbegierigen Mitsklaven – und die waren in der Regel ordentlich teilnahmsvoll am Leben anderer – oder von neugierigen Soldaten gelesen werden. Und Phaeneas konnte es nicht nur nicht ausstehen, wenn andere in seine Privatsphäre eindrangen, es konnte auch gewaltig gefährlich werden – wenn man entsprechende Herrschaften oder Sklavenaufseher hatte, die gerne per psychischer Gewalt Kontrolle ausübten.


    Mit perfekt entspannter Sklavenmiene erschien also auch der Bithynier im Atrium. Die Hände auf dem Rücken verschränkt harrte er dem, was die Soldaten von ihnen wollen konnten. Wenn man damit aufwuchs, mit einem Fuß im Grab zu stehen, konnte einen die Aussicht auf Gefängnis auch nicht mehr so recht erschrecken.
    Seine Mitbediensteten der Familia Vinicia allerdings hatten da ihre Kindheit unter anderen Umständen verbracht und sahen diese ganze Angelegenheit dementsprechend weniger gelassen.

  • Von den innerlichen Nöten des Sklaven oder der Sklavin, was auch immer es war, ahnte Valerian so überhaupt nichts. Selbst wenn es wirklich eine Frau war, sie war einfach zu burschikos, zu grob gebaut. Außerdem war er glücklich verheiratet. An Calvena kam ohnehin keine andere heran. Auch wenn er durchaus gerne schöne Frauen betrachtete. Und meist unweigerlich Vergleiche zog. Irgendetwas gab es immer, das ihm am Ende dann doch nicht gefiel.


    Auf jeden Fall war es durchaus kooperationsbereit und machte alle Angaben, die er erfragt hatte. Irgendwann kamen dann auch die Sklaven, die für die Schreibarbeiten zuständig waren. „Wer von euch ist den beiden Senatoren bei der Korrespondenz behilflich? Sagt es lieber gleich, sonst wird es am Ende für alle hier im Haus unangenehm.“ Ein bißchen drohen schadete nie, gerade Sklaven gegenüber. Zumal er wirklich keine Skrupel hatte, sie zum Verhör mitzunehmen.

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    So hatte sie sich damit begnügt, wenigstens so weit es ging ihr Äußeres an das einer Frau anzugleichen und die soziale Rolle einer Frau zu übernehmen. Wenn das nicht gerade jemand boykottierte, sie einen cinaedus nannte und sie durch eine Schlägerei an ihre „Männlichkeit“ zu erinnern versuchte. Herzlichen Dank. Als wär‘s nicht schon schwer genug.


    Na gut. Wie lief das noch mal, wenn ein Herr oder eine Herrin einen großen Haufen Sklaven direkt ansprach?, versuchte sich Aurora daran zu erinnern, wie das in einem von Phaeneas geführten Haushalt so ablief.
    Ach ja, genau. Phaeneas blieb in der Sklavenmenge, drückte sich vor seinem Job als Haushaltsvorsteher, und der Sklave, der sich sowieso schon um die Herrschaften kümmerte, war weiterhin zuständig. Also sie.


    „Natürlich, Centurio. Wir wollen deine Arbeit nicht behindern“, versicherte sie und benannte dann nacheinander, schön in der Reihenfolge, in der sie da standen, die Scribae der beiden Senatoren und deutete jeweils auf sie. Der thrakische Leibsklave Phaeneas war natürlich auch dabei.
    Klar, der stand ja sowieso auf so vertrautem Fuß mit dem Herrn Lucianus. Hatte mehr mit ihm als mit seinen Mitunfreien zu tun gehabt …


    Jedenfalls fiel Aurora gerade eine riesen Stein vom Herzen, dass sie keine Schreibarbeiten erledigte. Ja, so fühlte sich Dankbarkeit an.
    Sie konnte gar nichts dagegen machen, dass die in zarte Sandalen gesteckten Füße ein Eigenleben annahmen und der rechte mal links neben den linken Fuß tippte und umgekehrt.

  • Phaeneas verdrehte nur innerlich die Augen. Ja klar, Sklaven glaubten natürlich jeden Quatsch, den man ihnen erzählte. Und dementsprechend nahm jeder Sklave jede Drohung für bare Münze … und hatte natürlich sofort Angst!
    Als ob Sklaven nicht schon genug beschäftigt wären: Damit, zu analysieren, wie die Herrschaften diese Anweisung nun konkret gemeint hatten, wie sich eine Veränderung im Haus auf das Leben aller auswirken würde, womit zu rechnen war, wenn etwas nicht klappte, wie ernst es ihnen mit etwas gewesen war und so weiter und so fort.
    Da blieb natürlich noch jede Menge Zeit, um mit den Zähnen zu klappern!
    Ja, klar.


    Nebenbei hatte er ein Auge auf Aurora. Schließlich musste er sich, als oberster Unfreier, von Zeit zu Zeit von der Arbeit seiner Mitsklaven überzeugen.
    Aurora war der bunte Hund der vinicischen Familia. Um niemanden sonst zerriss man sich unter den üblich tratschfreudigen Sklaven so das Maul wie um sie. Aber vor acht … zehn … Jahren, so in etwa, hatte sie angefangen, sich als Frau zu zeigen und war seitdem konsequent ihren Weg gegangen.
    Phaeneas interessierte nur, ob sie ihre Arbeit machte.
    Und das tat sie gut, war höflich, gehorsam, hilfsbereit. Drängte sich nicht auf, benahm sich nicht sonstig irgendwie unpassend, aber war immer da, sobald man sie brauchte. So repräsentierte man die Familia Vinicia.

  • Die Sklavin wirkte nervös und erleichtert zugleich. Ihr Gezappel konnte einem schon ein wenig auf die Nerven gehen. Aber immerhin war sie kooperativ. Also versuchte Valerian, sie, beziehungsweise ihr Fußgetippel, zu ignorieren. Es war Zufall, daß er Phaeneas als ersten ansprach. „Für welchen der Senatoren hast Du gearbeitet? Oder für beide? Was genau war Deine Aufgabe?“ Es war immer besser, erst einmal den anderen reden zu lassen, um dann Ansatzpunkte für weitere Fragen zu finden. Sonst wurden stur die Fragen beantwortet, wobei so manche Wahrheit unausgesprochen blieb.

  • Äh nein, etwas gab es definitiv an Auroras Verhalten auszusetzen: dass sie ihre Füße nicht unter Kontrolle hatte. Innerlich seufzte Phaeneas. Bei solchen Dingen hatte er nachwievor Mühe, die vinicischen Sklaven zu beurteilen. Dort, wo er aufgewachsen war, wäre sowas ein Todesurteil gewesen. Aber die vinicischen Unfreien waren da ganz anderes gewöhnt. Die wurden von ihren Herrschaften beinah verwöhnt, wenn man ihn fragte. Was denen alles durchging, unglaublich.
    Nach einem strafenden Blick von Phaeneas hielt sie endlich ihre Füße still. Alternativ begann sie an dem Armreif an ihrem linken Handgelenk herumzuspielen. Diese verwöhnten Sklaven! Was für eine lose Moral! Da reichten ein paar Soldaten und die wussten nicht mehr, wie man sich zu verhalten hatte.


    „Für Senator Lucianus, Herr“, erwiderte der Bithynier. Hoffentlich waren die bald weg. „Ich habe seinen Tagesablauf koordiniert, ihm die Post gebracht und vorgelesen, Briefe für ihn geschrieben, bei seinen täglichen Aufgaben Notizen gemacht.“ Und so weiter und so fort. Mädchen für alles, pflegte Phaeneas zu sagen. Jedenfalls war sein Zuständigkeitsbereich sehr breit angelegt. Was in gewisser Weise eine logische Folge der Tatsache war, dass er Lucianus betreffend nichts gerne aus der Hand gab. Ach, was gäbe er dafür, wenn er ihm immer noch jeden Tag wichtige Schreiben aus dem ganzen Imperium präsentieren könnte …

  • Anscheinend hatte dieser Sklave einen gewissen Einfluß auf die anderen. Oder wie sollte Valerian diesen strafenden Blick bewerten, der die nervöse Sklavin traf? Ja, dieser Sklave schien kein schlechter Fang zu sein. „Wie lautete Dein Name?“ Er mochte den Mann nicht einfach mit Sklave ansprechen, obwohl das auch legitim wäre. Außerdem konnte es für die Befragungen anderer nicht schaden zu wissen, mit wem man gesprochen hatte.


    „Vinicius Lucianus also. Wie lange dienst Du ihm schon?“ Bisher wirklich harmlose Fragen. Es gab keinen Grund, ihn in diesen Fragen anzulügen. Valerian behielt den Sklaven im Auge, um zu sehen, wie er sich verhielt, bewegte und guckte, wenn er die Wahrheit sprach. Es konnte vielleicht helfen, Lügen zu erkennen, wenn er es später damit versuchen sollte.

  • Oh, ihr Götter, das durfte nicht wahr sein! Das war etwas, was dem Bithynier bis ans Ende seiner Tage ein einziges Rätsel sein würde! Er hatte ja schon Schwierigkeiten, übers Marsfeld zu laufen, ohne überall erkannt zu werden. Aber spätestens sobald sie den Namen seines Herrn erfuhren, wusste da draußen jeder dahergelaufene Bettler, wer Phaeneas war.
    Stellte der Urbaner sich dumm? Versuchte er mit dieser Tour, Phaeneas‘ Stolz zu treffen, indem er ihm jeden Wiedererkennungswert absprach?! Ein trauriger Versuch, denn dem Bithynier war vollkommen egal, welche Aufgaben er ausführte. Er wollte nur, dass Lucianus aus dem Carcer entlassen werden würde und halbwegs gesund nach Hause zurückkäme.
    Wollte er sich einen Witz auf Phaeneas machen, indem er mit dieser Frage darauf anspielte, wie wenig Privatsphäre man als engster Vertrauter eines Politikers noch hatte?! Dass alle Welt alles von einem wissen wollte, dass jeder einen vollschleimte und man nirgendwo mehr so recht seine Ruhe hatte?!
    Oder wollte er ihm damit zu verstehen geben, wie schnell sich Dinge änderten, wie schnell etwas vorbei war? Daran musste der Urbaner ihn nicht erinnern.
    Dass dieser Soldat hier jedenfalls mit seiner Centurie einfach so hereinschneite, ohne sich vorher wenigstens durch andere halbwegs danach zu erkundigen, wer in dem entsprechenden Haushalt was zu sagen hatte und wer den Herrschaften nahe gestanden hatte, das konnte er dem Bithynier so nicht verkaufen.
    Leute gab’s.


    „Phaeneas, Herr“, antwortete der Sklave ohne jede Regung.


    „Seit dem Beginn seiner Statthalterschaft in Germania“, erwiderte er. Ernst und mit fester Stimme. Wie immer. Dabei blickte er den Urbaner an. Nicht aufdringlich, nicht musternd. Leer waren seine Augen. Leere schwarze Augen. Keine einzige Emotion sprach aus ihnen, keine Angst, kein Widerwillen … nur Leere. Kühle Leere.
    Völlig ruhig stand er vor dem Soldaten, wandte keinen einzigen Augenblick die Aufmerksamkeit von ihm ab, ignorierte bewusst alle um sie herum. An den Sklaven hier lag ihm nichts. Und an den Soldaten noch weniger.
    Die schneeweiße, völlig nüchterne Tunica kontrastierte mit dem schwarzen Haar, den schwarzen Augen, der dunklen Haut … und allgemein der dunklen Art des bithynischen Sklaven.

  • Valerian stellte sich keineswegs dumm. Sicherlich hatte er das Gesicht schon mal gesehen. Er war froh, daß er die Senatoren noch so ziemlich alle erkannte. Und die kaiserlichen Beamten. Aber dann auch noch die Sklaven, die drumherum liefen? „Du bist Phaeneas? Die rechte Hand von Senator Vinicius Lucianus? Du bist noch hier? Warum haben die Praetorianer Dich nicht zum Verhör mitgenommen?“ DAS war die Frage, die wirklich interessant war. Valerian hatte tatsächlich nicht damit gerechnet, einen wichtigen Sklaven wie Phaeneas in der Villa noch anzutreffen. Auf jeden Fall ergab das einige Möglichkeiten. „Du wirst uns sämtlichen Schriftverkehr vorlegen, den Dein Herr mit anderen Senatoren, vorzugsweise mit Kommandanten militärischer Einheiten geführt hat. Natürlich besonders auch Korrespondenz mit Statthaltern und ähnlich wichtigen Persönlichkeiten. Ich nehme an, die Praetorianer haben diese Schriftstücke auch schon einmal gesichtet? Wurde etwas mitgenommen?“

  • Dabei hatte doch jeder große Mann in Rom eine Hand voll Sklaven hinter sich, denen sein Vertrauen galt, die seine Karriere mitbetrieben und die dementsprechend fester Bestandteil des Stadtgetratsches waren. Und Phaeneas wusste ehrlich gesagt nicht, warum Putz-, Aufräum- und Handwerkssklaven ihnen ihr Schicksal neideten. Weil es tausende von ihnen gab, beachtete sie auch niemand.
    Solche einfachen Unfreien hatten ihre Ruhe, wurden nicht von Leuten verfolgt, die sich nur ins gemachte Bett legen wollten, und auf ihnen lastete nicht die Bürde des öffentlichen Interesses. Das ihn gerade in der schlimmstmöglichen Erscheinungsform in der Mangel hatte.


    Na ja. Aber schlimmer als von Herrschaften belastet und auf ein Geständnis hinmalträtiert zu werden, war’s auch nicht.


    „Ja, Herr, der bin ich.“


    Als der Urbaner das Desinteresse der Prätorianer an Phaeneas ansprach, machte der sich noch nicht einmal die Mühe zu einem Schulterzucken. „Die Prätorianer schienen sehr auf meinen Herrn fixiert. Als sie hier waren, haben sie nur ihn abgeholt.“ Der Bithynier war bei all dem ja daneben gestanden. Aber auf ihn hatten sie keinen Seitenblick verschwendet. Denen war nur wichtig gewesen, Lucianus mitzuzerren.


    „Die Schriftstücke, nach denen du verlangst, Herr, wurden alle von den Prätorianern mitgenommen."


    Sim-Off:

    Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob die Briefe wieder zurückgegeben wurden. Die Ermittlungen gegen Lucianus laufen ja noch …

  • Sehr eigentümlich. Sonst waren die Praetorianer doch so gründlich. Es sei denn, es ging dem verfolgten Ziel entgegen, wenn sie den Sklaven mitgenommen hätten. Das ergab in gewisser Weise einen Sinn. Wobei es allerdings auch nicht schwer war, einen Sklaven dazu zu bringen, genau das auszusagen, was man hören wollte. Es blieb also merkwürdig, daß Phaeneas nicht verhaftet worden war. „So, sie haben also sämtlichen brauchbaren Schriftverkehr mitgenommen. Dennoch müssen wir nachsehen, ob weiteres zu finden ist. - Nenne mir die Klienten Deines Herrn, also nur diejenigen, die Ritter oder Senatoren sind.“ Sonst säßen sie morgen Abend noch hier. Ein Mann wie Vinicius Lucianus hatte sicherlich unzählige Klienten.


    Sim-Off:

    Ich glaube nicht, daß die irgendwas zurückgegeben haben

  • Nun gut, das Interesse ging von Phaeneas zu den Briefkontakten, die Lucianus – schreibunfreudig wie er war – bescheiden gepflegt hatte. Ihm sollt’s recht sein. Anfangs hatte er noch – unwissend wie er bei solchen Dingen war (schließlich interessierte ihn das römische Justizwesen und die damit verbundene Gefängniskultur keinen digitus weit) – gehofft, sie würden ihren Irrtum bemerken, ihn doch noch holen und zu Lucianus bringen. Lucianus … Seit der sich seines Vertrauens als würdig erwiesen hatte, hatte sich der bithynische Sklave nicht mehr so einsam gefühlt. Klar, einen Freundeskreis hatte er natürlich nie gehabt und in der Liebe war es bis vor kurzem auch nichts geworden. Aber bis er zehn gewesen war, hatte er schließlich nur seine Mutter gehabt und hatte er in dieser Zeit jemals etwas vermisst? Ein Mensch, dem man nicht gleichgültig war und dem man sich zugehörig fühlen konnte, reichte völlig, um die Kälte, Gleichgültigkeit und Beliebigkeit der Welt auf ein erträgliches Maß fernzuhalten.
    Aber da er bei einer Gefangennahme wohl kaum zu Lucianus gedurft hätte, war es besser, sie taten das mit ihm, was Phaeneas bei Fremden am liebsten war: sie ließen ihn in Ruhe.


    An die Papiere des Hauses durften sie sich gerne halten. Wenn sie hier alles auseinander nahmen – ihm sollt es recht sein. Ihm war das alles seit jeher vollkommen egal – solang sie nur Lucianus irgendwann freiließen.
    Auf den neuen Wunsch des Urbaners hin nickte er Syria, die dienstbereit im Hintergrund stand, zu und einige Momente später reichte sie ihm Notizen, aus denen er dem Soldaten vortrug: „ … , Aurelius Ursus, … … Hadrianus Iustus, Artorius Reatinus, Duccius Marsus”, schloss er eine lange Liste von Namen. Immer noch hatte er mit keiner Wimper gezuckt und nichts an seinem völlig leidenschaftslosen Tonfall verändert.

  • Zumindest waren die Sklaven zur Mitarbeit bereit. Obwohl Valerian ziemlich sicher war, daß die Sklaven mit den wichtigsten Informationen hinter dem Berg hielten, gab er sich mit dem zufrieden, was er bekam. Er wollte den Viniciern ja gar nichts ans Zeug flicken. Also befolgte er den Befehl, soweit er mußte, gab sich aber keine Mühe, mehr hinter die Kulissen zu schauen. Im Grunde müßte er all diese Sklaven zur Folter bringen. Vor allem diesen Phaeneas, der offenbar das volle Vertrauen seines Herrn besaß. „Aurelius Ursus, Legat der Prima? Und Artorius Reatinus, Legat in Aegyptus?“ Auch dieser Hadrianus und der Duccier waren keine Unbekannten, vor allem letzterer nicht. Valerian notierte sich sämtliche Namen, was er in seinem Bericht daraus machte, mußte er noch sehen. „Wie war das Verhältnis zwischen Deinem Herrn und Tiberius Durus?“ Immerhin galt der als einer der Hauptschuldigen.

  • Auf die Rückfrage hin nickte der Sklave nur: „Ita’st, domine*.“
    Einflussreiche Klienten zu unterschlagen war keine empfehlenswerte Strategie, schließlich ließ sich sowas per Nachforschungen leicht nachprüfen. Also gab es in so einer Situation nur eins: Gelassen die Wahrheit, die volle Wahrheit sagen und die Sache nicht kritischer machen als sie nicht ohnehin schon war.
    Die freien Bürger hatten schon komische Probleme. Im Grunde konnte Phaeneas darüber nur völlig verständnislos den Kopf schütteln, wie man sich so sinnlos zusätzliche Probleme schaffen konnte. Als ob sie nicht genug zu tun gehabt hätten … Na ja, Luxusprobleme eben. Die Unfreie wie üblich mit ausbaden durften. Aber das war wieder die völlig natürliche Ordnung. So wie das Schicksal es bestimmt hatte …


    „Sehr gut, Herr. Sie teilten ähnliche Wertvorstellungen, trafen sich oft zur Cena oder bei anderen privaten oder öffentlichen Veranstaltungen. Tiberius war ja Klient vom Bruder meines Herrn. Das wird wohl die Ursache sein, dass sie politische Freunde wurden.“
    Hoffentlich war das in etwa das, was der Urbaner hatte hören wollen. Phaeneas war ursprünglich nicht dazu erzogen worden, persönlicher Sekretär eines Politikers zu sein, und er hatte nie so hundertprozentig gelernt, die Welt aus diesen Augen zu sehen. Er mochte es nicht, in einer Situation unsicher zu sein, was von ihm verlangt war.
    Dass Tiberius Durus, den er so oft gesehen und mit dem Lucianus zuletzt doch viel Zeit verbracht hatte, jetzt tot war, war Phaeneas völlig egal. Schließlich war ihm der ältere Senator schon zu Lebzeiten nur gleichgültig gewesen. Menschlich war er ihm nie wichtig gewesen und Politik interessierte den Bithynier sowieso nicht. Er wollte nur Lucianus zurück haben, das allein füllte seine Gedanken aus, seit sein Herr weggebracht worden war. Dass dem das Schicksal des Tiberiers vielleicht doch mehr bedeutete als Phaeneas, kam ihm gar nicht in den Sinn. Schließlich war Lucianus nicht da, um ihm das zu zeigen. Und ohne mit der Nase darauf gestoßen zu werden, war der vinicische Sklave blind für das, was in anderen vorging.


    Sim-Off:

    *Ja, Herr.

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    Aurora war froh, dass sich der Centurio der Urbaner so an Phaeneas festbiss. Wobei man ja nie wissen konnte, was oder wer als nächstes dran kam.


    Klar, was sie sich von anderen gefallen lassen musste – als in einem Männerkörper geborene Frau - , war kein bisschen schön und ging auf keine noch so männlich erzogene Kuhhaut.


    Aber Aurora fühlte sich viel besser, seit sie diesen Schritt gegangen war, vor acht Jahren, offen Frauenkleidung zu tragen. Es war so eine ungeheure Erleichterung gewesen. Es fühlte sich einfach viel natürlicher und passender an, sich so anzuziehen und sich so zu verhalten, sie war einfach … sie selbst. Endlich.


    Das war all den Spott und all das Unverständnis wert. Denn trotz all dem fühlte sie sich jetzt einfach so wohl in ihrer Haut wie noch nie zuvor.
    Noch nie zuvor.


    Sim-Off:

    Ganz vergessen ;)

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