Nur die Aufhebung der Ausganssperre hatte Phaeneas dazu bewegen können, die Villa wieder zu verlassen. Denn allein der Gedanke, gegen römische Obrigkeit zu verstoßen und deshalb – folgerichtig - in Schwierigkeiten zu geraten, war für ihn ein reiner Alptraum. Nein nein nein, da war es im Haus schon wesentlich sicherer gewesen und nichts liebte der Bithynier schließlich so sehr wie Sicherheit.
Aber auch diese vermeintliche, zurückgekehrte Sicherheit auf den Straßen konnte Phaeneas nicht darüber hinwegtäuschen, dass er einsam war. Wieder einmal.
Es war seltsam, wenn dieses Gefühl zurückkam. So altvertraut, schließlich hatte ihn dieser Zustand nur durch winzig kleine Bruchteile seines Lebens nicht begleitet, und jedes Mal wieder verfluchte er sich selbst, dass er sich überhaupt wieder auf diese Illusion eingelassen hatte. Auf einen Menschen, auf diese Illusion, nicht allein zu sein. Denn letztlich war er allein, immer wieder, bei jedem Atemzug dazu verdammt, vom Schicksal dazu auserkoren … Vom unerbittlichen Schicksal …
Die Sorge um Lucianus machte ihn halb verrückt. Erst diese Ungewissheit, ob er sich Cimon anvertrauen konnte, die an seinen Nerven – aus Stahl! - gezehrt hatte, und jetzt das. Zur Zeit fielen irgendwie alle seine Alpträume zusammen. Vor seinen Augen hatten sie Lucianus abgeführt … Von einem Augenblick auf den nächsten war er weg gewesen. Wenn die Prätorianer Phaeneas wenigstens mitgenommen hätten, dann könnte er jetzt immerhin bei ihm sein, seinen üblichen Aufgaben als Leibdiener nachkommen … Bei reiflicher Überlegung erschien das dem Sklaven eigentlich auch wesentlich sinniger, schließlich hatte Lucianus vor ihm keine Geheimnisse gehabt und sämtliche Mitwisser versuchte der neue Kaiser von Rom in seine Gewalt zu bringen.
Und Cimon war weit weg … Wieder in Mantua. Halbwegs in Sicherheit, wie Phaeneas hoffte. Na ja, sein Herr war Legat einer Legion, das konnte in dieser Situation ein Vorteil wie ein Nachteil für die persönliche Unversehrtheit seines Geliebten bedeuten. An etwas anderem lag dem Bithynier ja schließlich nicht. Lucianus, Cimon, seine eigene Sicherheit. Um diese drei Dinge drehte sich sein ganzes Universum.
Aber mit dem weit entfernten Nubier verfuhr er genauso wie mit allen Geliebten, die das Schicksal je weit von ihm weggeführt hatte. Er verdrängte die Sehnsucht einfach. Es gab einfach nur den Gedanken an den wundervollen Cimon, den Phaeneas über alles liebte, mit dem er sehr glücklich war und der eines Tages wieder bei ihm sein würde. Nur die Götter wussten wann.
Selig lächelte er den ruhig fließenden Tiber hinunter, als er sich an Cimon und die wenige Zeit mit ihm erinnerte. Einfach umwerfend war allein noch die Erinnerung daran. Sobald er Geräusche hinter sich hörte, verschwand das Lächeln langsam aus seinem Gesicht. Fremde Leute gingen seine Empfindungen schließlich nichts an.
An diesen Ort hatte es ihn als allererstes gezogen, nachdem die Ausgangssperre aufgehoben worden war. An den Fluss, ans Wasser. Etwas kühl war es heute für eine Tunica, aber es ging gerade so. Ansonsten stand er vollkommen still, an dieser Stelle, an der man theoretisch ganz zum Tiber hinuntergehen hätte können, wenn man nur gewollt hätte. An dieser Stelle, an der er vor geraumer Zeit der jungen Frau begegnet war, zu der Phaeneas bewundernd aufgesehen hatte, weil sie versucht hatte sich umzubringen …
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