"Das wirst du mit der Zeit schon hinbekommen", zeigte sich Macer optimistischer, was die Gewöhnung an die Stadt betraf. Ohnehin hatte er nicht vorgehabt, für den Tiberier nun eine geografische EInführung zu geben, denn den fehlenden Überblick hatte er ohnehin eher auf die politische Lage bezogen. "Was die Machtverhältnisse betrifft, ist die Sache recht einfach: Vescularius Salinator, der als Stadtpräfekt unter Kaiser Valerianus diente, ist nun selber zum Kaiser ausgerufen und ernannt worden. Dagegen führt ein gewisser Cornelius Palma aus Osten Truppen ins Feld und wird nach allem, was man hört, dabei von der Rheinarmee unterstützt." Details dazu würde er ausbreiten, wenn danach gefragt wurde und er die Fragen auch tatsächlich beantworten konnte. "Dadurch, dass der Tod des Valerianus eben mit einer Verschwörung zu tun hatte, hat es einige Verschiebungen im Einfluss namhafter Männer und Familien gegeben, die du wahrscheinlich noch nicht bewusst sind. Fangen wir mit den Patriziern an. Das Schicksal der Gens Tiberia kennst du bereits. Die Gens Flavia hat ähnliches ereilt, denn auch deren führender Kopf, Manius Flavius Gracchus, hat mit seiner Familie die Stadt verlassen. Die Gens Claudia hatte schon vorher deutlich an Gewicht verloren. Ihr wichtigster Kopf dürfte Claudius Menecrates sein, ein Senator, der derzeit in Germania ein Legionskommando hat. Etwas besser steht die Gens Aurelia da. Aurelius Ursus hat das Kommando über die Legio I, aber alle anderen nennenswerten Aurelier sind auch aus Rom geflohen. Die Gens Ulpia schließlich spielt gar keine Rolle mehr seit dem Tod des Valerianus." Macer machte eine Pause, um einen Schluck zu trinken und auf Rückfragen zu warten.
[Tablinum] Ein unerwarteter Tiberier
-
-
Der noch unerfahrene Tiberier hörte sich die Ausführungen des Purgitius Macer sehr genau an. Hin und wieder nippte er an seinem Becher oder nickte nach einer bestimmten Aussage, die der Senator traf. Es war gut, dies alles noch einmal genau zu hören, vor allem von einem Mann, der mit den Verhältnissen bestens vertraut war. Alles, was Lepidus sonst zu hören bekam, waren Gerüchte, die auf alles mögliche hindeuten konnten. "Mir war das ganze Ausmaß noch nicht bewusst, auch wenn ich hier und da etwas aufschnappte. Mir scheint der Vescularier ist kein Freund von Patriziern? Ich kann mir jedenfalls kaum vorstellen, dass sie alle etwas mit der Verschwörung gegen Valerianus zu tun hatten..." Irgendwie klang dies alles ziemlich merkwürdig. Als hätte man mit einem Handstreich die gesamte politische Elite des Roms hinweggefegt und nur auf einen Anlass gewartet... "Hast du eine Ahnung, wie viele Legionen hinter diesem Cornelier stehen? Ist er denn eine tatsächliche Bedrohung?" Dafür, dass das Reich offensichtlich vor einem Bürgerkrieg stand, schien der Senator relativ ruhig und gelassen darüber zu sprechen. Den Tiberier verwunderte dies ein wenig, sprach jedoch umgehend weiter. "Ich sah bereits die Proskriptionsliste; einige namhafte Männer stehen auf ihr. Ich frage mich gerade: Wenn Aurelius Ursus das Kommando über die Legio I hat und, wie du sagst, alle nennenswerten Aurelier aus Rom geflohen sind oder sogar auf der Proskriptionsliste stehen, ist die Legio I dann überhaupt loyal auf Seiten des Vesculariers?" Lepidus versuchte sich über das Ausmaß dieser Möglichkeit im Klaren zu werden. Wenn nicht einmal die Legio I hinter dem neuen Imperator stand, wie sollte es dann für ihn eine Zukunft geben? Aus Mantua könnte sie ziemlich schnell in Rom sein. Daneben hätte man wirklich traurig über das Schicksal der edlen Patrizier-Familien sein können. Das Herz des Lepidus hätte sich in Schmerzen krümmen müssen, wenn er bedachte, dass eigentlich nur noch Plebejer die wichtigsten Stellungen in Rom einnahmen.
-
"Ja, damit hast du wohl Recht", stimmte Macer der Vermutung zu Salinators Einstellung zu den Patriziern zu. "Zumindest scheint er unter Patriziern auch keine großen Freunde zu haben, so dass es wahrscheinlich ganz auf Gegenseitigkeit beruht." Die Frage nach den Legionen des Cornerliers war da schon etwas schwieriger. "Nimmt man an, dass der Cornelier tatsächlich alle Legionen aus dem Osten hinter sich hat, ist das eine ganz erhebliche Anzahl. Mehr als ein Drittel unserer Armee steht schließlich dort. Selbst wenn er nur die Hälfte davon mitnimmt, um unsere Grenzen nicht zu entblößen, ist das ein gewaltiges Potenzial", gab er seine EInschätzung, die ihm als Kommandeur der Academia Militaris natürlich nicht schwer fiel. "Was die Legio I betrifft nehme ich an, dass Aurelius Ursus nicht mehr ihr Kommandeur wäre, wenn sich Salinator nicht absolut sicher mit seiner Loyalität wäre", vermutete er dann schließlich noch zum letzten angesprochenen Punkt.
-
Zweifellos, einen Emporkömmling wie diesen Salinator konnte ein Patrizier nicht wirklich gutheißen, aber wer hatte in diesem Verhältnis den ersten Stein geworfen? Dass Macer das Militäraufgebot des Corneliers für so bedrohlich hielt, wollte einiges heißen. Der Kaiser musste diese Rebellen in jedem Fall fürchten und mit aller Macht bekämpfen, falls er an der Macht bleiben wollte. Rom hatte schon viele solcher Kriege erlebt, meist war ihr Ausgang sehr ungewiss. "Hmm...", brachte der Tiberier nur hervor und verfiel in ein tiefes Nachdenken, um dann später erneut mit einer Frage anzusetzen: "Offensichtlich hat er ein Problem mit Patriziern, doch was ist mit euch Senatoren? Als ich nach meiner Ankunft in Rom das erste Mal die Thermen besuchte, sagte mir jemand, dass man nicht mehr allzu viel aus dem Senat hören würde. Habt ihr die Arbeit eingestellt?" Das Aurelius Ursus wohl treu zum Vescularier stand, nahm der Tiberier zur Kenntnis. Die Begründung schien einleuchtend. Neben der Frage, die er eben noch gestellt hatte, wartete der Tiberier, ob Macer seine Ausführungen über die Verhältnisse in Rom noch fortsetzen würde. Ihm schien als hätte er in seinen anfängliche Ausführungen nur eine Pause eingelegt, um Lepidus zu Wort kommen zu lassen.
-
Macer musste ein wenig schmunzeln, denn er konnte gut verstehen, dass man auf den Straßen den Eindruck gewann, der Senat hätte die Arbeit eingestellt. "Nein, eingestellt haben wir die Arbeit nicht", antwortete er. "Aber dadurch, dass einige Senatoren und zwar insbesondere jene, die Vescularius Salinator kritisch gegenüber standen, aus Rom geflohen sind und zudem zahlreiche Plätze mit anderen Senatoren gefüllt sind, die Salinator treu ergeben sind, gibt es im Senat einfach deutlich weniger Konfliktpotenzial als früher, das die Sitzungen in die Länge zieht und sie auch spektakulär macht. Man könnte sagen, dass die Arbeit des Senates im Moment recht effizient abläuft, denn das, was er zu entscheiden hat, ist bei den gegebenen Mehrheitsverhältnissen schnell entschieden", erklärte Macer dann. "Tiberius Durus war beispielsweise im Senat stets ein erbitterter Gegner des Germanicus Avarus, aber jener hält sich im Moment auch deutlich zurück. Vermutlich fehlt ihm ohne neuen Gegner schlicht die Fläche, auf der er sich mit großen Reden darstellen kann, wie er es früher eben gegen Tiberius Durus getan hat. Von anderen großen plebeischen Gentes im Senat, die du vielleicht aus deiner Kindheit in Rom kennst, hat man zuweilen aber auch schon länger nichts mehr gehört. Die Gens Decima ist inzwischen eher durch Ritter als durch Senatoren bekannt. Ähnliches gilt für die Gens Annaea, während man von der Gens Octavia zumindest ab und zu noch etwas hört. Aufstrebend ist beispielsweise die Gens Iulia, die man aber auch wieder zum Lager des Vesuclarius Salinator rechnen kann, so dass sie auch keim Potenzial für spektakuläre Senatsreden bietet", führte er dann weiter aus.
-
Klang so, als wäre dem Purgitier die Lage sehr angenehm, wenig Konflikte und viel Effizienz. Es schien wohl als wäre derzeit alles recht idyllisch, zumindest gewann Lepidus diesen Eindruck und würde sich wohl um den Senat keine Gedanken mehr machen. Durch die Ausführungen des Senators gewann er nun immer mehr ein Bild von den derzeitigen Verhältnissen und den Machtkonstellationen in Rom. Die Gens Iulia würde er im Hinterkopf behalten, möglicherweise würden sich entsprechende Kontakte durchaus lohnen. Auch den Namen Germanicus Avarus müsste er behalten. Auch wenn er ein Gegner von Durus war (was Lepdius eigentlich weniger wichtig war) so schien er ein temperamentvoller Senator zu sein, dessen Bekanntschaft eines Tages sicher sehr unterhaltsam sein könnte. "Vielleicht kannst du mir diesen Senator Avarus ja eines Tages mal vorstellen", sprach Lepidus eher als Phrase, als das er eine Entgegnung darauf erwarten würde und sprach deshalb sofort weiter: "Danke, dass du die aktuelle Lage so gut sezierst. Mir offenbart sich Stück für Stück das große Ganze.", sagte er anerkennend zu Macer. "Mir stellt sich derzeit vor allem die Frage, wo mein Platz in Rom sein könnte. Inmitten von drohendem Bürgerkrieg und enormen Machtverschiebungen scheint nur noch wenig Raum für einen armen kleinen Tiberier wie mich." Ein wenig schmunzeln musste Lepidus, als er die Adjektive "arm" und "klein" auf sich anwandte. Wieder ließ er sein Glas kreisen. "Zweifellos sind dies die schlechtesten Bedingungen unter denen ein Mann wie ich etwas tun kann...", stellte er nun doch mit etwas Realismus fest. "Du verstehst vielleicht, worauf ich hinaus will. Ich würde gern einer Arbeit nachgehen. Am liebsten ein Posten, der nicht ganz so auffällt, wo mir also niemand einen Strick aufgrund der mühseligen Vergangenheit dreht und wo ich dennoch Verantwortung übernehmen kann. Vielleicht fällt dir ja sogar etwas ein?"
-
"Tja, wer will das nicht?", fragte Macer lakonisch, als ihm der Tiberier seine Vorstellungen von einer Tätigkeit unterbreitete. "Maximale Verantwortung und Ansehen bei minimalem Risiko. Den Posten, auf dem man nur gewinnen kann, am besten sogar garantiert gewinnt." Macers Stimme klang leicht spöttisch, ohne dabei persönlich werden zu wollen, denn solche Vorstellungen hatte er schon mehr als einmal gehört. "Die viel wichtige Frage ist, wo dein Weg hin führen soll. Verantwortung kann man auf vielerlei Weisen übernehmen. Ein Centurio trägt Verantwortung. Ein Pontifex auch. Ein Magistrat natürlich auch. Das eine ist eine Lebensentscheidung, das andere eine auf Zeit. Das eine muss man lange vorbereiten, das andere geht recht kurzfristig. Bevor ich dir einen Weg zeigen kann, musst du mir also schon sagen, wohin du willst."
-
Lepdius rümpfte die Nase. Auch der Senator selbst konnte offensichtlich recht blumige Reden halten. Recht hatte er allerdings, ein solcher Posten war wohl immer heiß begehrt, aber wenn jemandem ein solcher zustand, dann doch wohl Lepidus, dachte er sich wie immer in kühnster Eitelkeit. Dennoch unterließ er es nicht, sich etwas individueller herauszustellen: "Nun, sicher ist es einerseits Bequemlichkeit, andererseits aber auch meiner besonderen Situation geschuldet, wie du wohl zugeben wirst. Ich auf einem wichtigen Posten mit hohem Risiko? Jemand der kaum bekannt ist und dazu auch noch einer Familie angehört, die am Boden liegt? Ich rechne mir da kaum etwas aus." Jetzt musste er schon den Bescheidenen spielen, irgendwie konfus, zumal der Tiberier die Worte des Purgitiers in seinem Sinne interpretierte, so dachte er doch glatt, dass Macer ihn für höheres berufen hielt und ihn auf einer Stelle mit größerem Risiko sehen wollte. Tja, und wo wollte er eigentlich hin? Für einen Priester hatte Lepidus das falsche Format. Bei den ganzen Ritualen würde er bestimmt irgendwann durchdrehen. Und die Armee? Ha! Bestimmt nicht in diesen Zeiten, sollen sich doch die anderen abschlachten lassen. "Du würdest mich doch glatt für vermessen halten, wenn ich dir meine ursprünglichen Pläne verriete." Lepidus lachte etwas komisch auf. "In die Politik wollte ich! Den Cursus Honorum wollte ich beschreiten! Das war mein Ziel. Doch seit Durus tot ist, sehe ich da kaum Hoffnung für mich." Auch wenn Lepidus nach wie vor überzeugt war, dass nur einer in angemessener Weise dessen Platz einnehmen konnte, und das war er selbst!
-
Also musste Macer wohl doch mal wieder Karriereberater für einen jungen Mann spielen, stellte er nach dieser Antwort fest. Ob es wohl in späteren Zeiten Leute geben würde, die sowas hauptberuflich machten? Macer verfolgte den Gedanken nicht weiter, denn selbst wenn, half ihm das im Moment auch nicht. Stattdessen betrachtete er den Tiberier noch einmal mit einem prüfenden Blick. "Nun, zum Berufssoldaten scheinst du jedenfalls nicht geschaffen zu sein, so dass wir diese Option schon einmal streichen können", begann er dann mit dem Offensichtlichen. "Wenn du die Politik zunächst einmal meiden möchtest, bliebe wohl zum Einen wirtschaftliche Tätigkeit. In wie weit die in deiner Familie üblich oder verpönt wäre, kann ich natürlich nicht beurteilen. Ohne großen eigenen Besitz wird der Einstieg aber in jedem Fall auch schwierig. Zum Anderen könntest du dich auf anderer Weise als der Politik öffentlichen Angelegenheiten widmen, zum Beispiel durch ehrenamtliche Tätigkeiten in einer Societas oder ähnlichem. Wählst du eine, die keinerlei politischen Einfluss wahrnimmt, wird deine Familienzugehörigkeit kaum von Belang sein, aber du kannst trotzdem Ansehen und Bekanntheit in der Öffentlichkeit gewinnen." Macer versuchte neutral zu klingen, denn in der Tat hatte er nicht vor, dem Tiberier irgendeine Tätigkeit besonders schmackhaft zu machen. Bisher hatte er zumindest noch nichts gefunden, was ihm besonders passend erschien.
-
"Ah, wie nett...", kommentierte der Tiberier die Bemerkung, dass er zum Soldaten nicht taugen würde, allerdings in einem etwas unverständlichen Nuscheln. Das wusste Lepidus zwar selbst gut genug, aber man musste es ihm ja nicht unter die Nase halten. Ehrenamtliche Tätigkeit? Lepidus nagte doch jetzt schon am Hungertuch, zumindest kam es ihm so vor. Ein besseres Einkommen wäre schon nicht schlecht... Immer mehr kam es ihm so vor, als wenn der Senator ihn aufs Abstellgleis schieben wolle, weshalb seine nächsten Worte auch zutiefst geheuchelt waren: "Überaus gute Ideen, die du hast." Zum Glück hatte der Tiberier reichlich Übung darin. "Ich werde mir wohl mal ansehen, was für eine Societas für mich die Richtige wäre. Meinst du, ich könnte mir auch durch die Arbeit in einer Factio einen angemessenen Ruf erarbeiten?" Zumindest Wagenrennen mochte der gute Lepidus; schon seit seiner Kindheit war ein großer Bewunderer dieser Rennen. "Doch selbst wenn ich mich irgendwo engagieren würde, so hätte ich doch immer noch nicht das Problem gelöst, dass ich derzeit kaum über angemessene finanzielle Mittel verfüge.", gab der junge Tiberier zu bedenken und kanzelte damit wohl auch gleich die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Tätigkeit ab. Er sah sich ohnehin mehr als Konsument denn als Produzent. Er verfügte zwar immer noch über genug, um seinen Lebensstandard beizubehalten, aber auf die Dauer würde das für seine zukünftigen Pläne nicht ausreichen. Es war ohnhein sehr subjektiv, was der Tiberier als wenig ausreichend empfand, sicher hätten andere das entschieden anders beurteilt. Und reichere Verwandte waren ja leider auch nicht in Sicht, naja, außer Albina im Verbund mit Macer, womit Lepidus wieder am Anfang wäre, aber da konnte er sich wohl erstmal nichts ausrechnen. So realistisch war er dann doch. Zumindest einen kleinen Verwaltungsposten hätte er sich durch die Vermittlung des Senators erhofft, aber dieser hätte das wohl schon erwähnt, wenn er da eine Möglichkeit gesehen hätte. Nach dem bisherigen Verlauf des Gespräches, unabhängig von seinem Ende, stand eines für den Tiberier bereits fest: Er würde noch viele Klinken putzen müssen, um irgendetwas Brauchbares aus sich machen zu können.
EDIT: Kleinere Anpassungen.
-
Bei der Frage nach den Factiones wogte Macer mit dem Kopf unschlüssig leicht hin und her. "Ich weiß nicht", sagte er dann. "Zweifellos ist die Tätigkeit in einer Factio einem Ruf nicht abträglich und je nachdem, in welchen Kreisen man schon bekannt ist, kann eine solche Tätigkeit die kreise auch erweitern und positiv stimmen. Aber um einen Ruf zu begründen würde das wohl nicht reichen", spekulierte er ein wenig. "Zumal es Leute geben soll, die einem nur deswegen abweisend gesonnen sind, weil man in der falschen Factio ist."
Was die finanziellen Mittel betraf, sah Macer die Sache pragmatisch. "Wenn du selber nichts hast, musst du dir etwas verdienen. Oder einen Unterstützer finden. Wenn du später selber politisch aktiv werden möchtest, würde es sich wohl am ehesten anbieten, jetzt bei einem politisch nach Möglichkeit unverfänglichen Senator als Privatsekretär oder Tiro anzufangen."
-
Die Factio wurde nach diesen Ausführungen nicht unbedingt attraktiv für den jungen Tiberier. Natürlich konnte man durch diese Arbeit bei entsprechenden Factio-Kollegen an Sympathien gewinnen, aber allein die Konkurrenz zu anderen Factios könnte sich als Problem herausstellen. Vielleicht wäre es ratsam sich zu informieren, in welcher Factio die derzeit interessantesten Charaktere Mitglied sind, auf diese Weise könnte sich der Tiberier sicher bei der ein oder anderen wichtigen Person beliebt machen. Er entschloss sich dies im Hinterkopf zu behalten.
"Ein politisch unverfänglicher? Gibt es denn derzeit so viele davon?", sprach Lepidus halb im Scherz. Die Aussicht ein Privatsekretär zu werden, machte ihn zwar nicht gerade euphorisch, aber es konnte wohl auch nicht schaden, sich möglicherweise bei einem einigermaßen einflussreichen Senator Lorbeeren dazuzuverdienen und auf diese Weise neue Türen aufzustoßen. "Ich nehme an, du selbst hast derzeit keine Verwendung für einen Privatsekretär? Vielleicht kannst du mich ja auch bei dem ein oder anderen deiner sicher zahlreichen Freunde empfehlen. Mein Dank wär dir sicherlich gewiss.", führte der Tiberer aus und beendete die bitte mit einem unwiderstehlichen und nicht minder schleimigen Lächeln. "Wo ich auch gerade bei dir bin, so interessiert mich natürlich auch, was der Mann meiner Cousine für Pläne verfolgt. Wirst du unter dem Vescularier vielleicht noch einen Posten übernehmen? Vielleicht auch noch einmal ein Konsulat anstreben?" Das Interesse war des Tiberiers am weiteren Weg des Purgitiers war äußerst hoch, wurde er doch in der Acta als der Mann beschrieben, "der im Reich schon so gut wie alles geschafft hat". Was fing man wohl noch mit sich an, wenn man schon alles gesehen und erreicht hatte. Würde ihn die Arbeit im Senat befriedigen, das Privatleben vielleicht? Und das bei einem Mann, der aufgrund seines Lebensweges doch im höchsten Maße ehrgeizig sein musste?
-
"Viele?" fragte Macer zurück und schüttelte dann den Kopf. "Nein, viele sicher nicht. Wobei es sicher auch darauf ankommt, was dir noch unverfänglich genug ist. Sowohl in den Reihen derer, die treu zu Vescularius Salinator stehen als auch in den Reihen jener, die ihm kritisch gegenüber stehen, gibt es extreme und weniger extreme Vertreter. Wobei dir mit einem schweigsamen Hinterbänkler für deine Karrierepläne wohl kaum gedient ist." Er machte eine Pause und dachte kurz nach, wen er guten Gewissens empfehlen könnte. "Ich habe in der Tat keinen Bedarf derzeit, auch wenn mich Albina wahrscheinlich fragen wird, ob ich es nicht trotzdem tun will. Ansonsten käme vielleicht ein anderer Consular infrage. Octavius Victor vielleicht oder auch Matinius Agrippa, wobei ich zu letzterem kaum nennenswerten Kontakt habe. Er lebt sehr zurückgezogen in letzter Zeit, genauso wie Helvetius Geminus. Falls dir mit Rücksicht auf deine Familie ein patrizischer Senator lieber wäre, muss ich dich allerdings leider enttäuschen. Da fällt mir zumindest gerade niemand ein."
-
"Nun, ich möchte selbstverständlich nur dort anfangen, wo ich auch gebraucht werde. Aus reiner Sympathie musst du mich nicht einstellen." Ja, was war ihm eigentlich lieber? Wenn er bei jemandem anheuerte, der treu zum Vescularier steht, müsste er sich komplett mit der neuen Ordnung arrangieren, aber diese Art von Opportunismus war ihm natürlich nicht fremd. Oder doch lieber bei einem kritischen Vertreter? Kommt wohl immer darauf an, auf wen man in der jetzigen Zeit wettete. Da Macer es gar nicht mehr nötig hielt, seine weitergehende Frage zu beantworten, dachte Lepidus, dass er wohl inzwischen des Gespräches überdrüssig wäre. Wer wollte es ihm auch verübeln, da Lepidus ja nun nicht unbedingt der umgänglichste Charakter war? Nun, er würde wohl demnächst zum Ende kommen. Eigentlich hatte er ihm nur einen wirklichen Name gesagt, wenn man von denjenigen absieht, die sich wohl in letzter Zeit etwas zurückgezogen hatten, also versuchte er zumindest etwas über die politische Gesinnung des Octaviers herauszufinden, damit er eine Entscheidung treffen konnte. "Dieser Octavius Victor... würdest du ihn eher zum Lager der Kritiker oder der Anhänger des Vesculariers zählen?"
-
Macer hatte gar nicht bemerkt, dass er einige Fragen nicht beantwortet hatte, aber bei einem Gespräch, bei dem das Thema ständig zwischen den Zielen seines Gesprächspartners und seinen eigenen hin und her wechselte, konnte man wohl schon einmal etwas übergehen. Stattdessen konzentrierte er sich weiterhin auf seinen Gegenüber. "Octavius Victor ist, soweit mir das bekannt ist, ein Klient von Vescularius Salinator. Allerdings nicht unbedingt einer der aktivsten. Erst kürzlich ist er wieder vermehrt öffentlich aufgetreten, nachdem er zum Beispiel bei der Ausrufung des Imperators nicht besonders in Erscheinung getreten ist. Aber zweifellos ist er ein erfahrener Mann, immerhin ist er schon einmal Praefectus Urbi gewesen", gab Macer die Informationen weiter, die ihm über Octavius Victor bekannt waren.
-
"Mich mit einem Klienten des Vesculariers gut zu stellen, könnte meinem Ansehen womöglich alles andere als schaden.", sprach der Tiberier seinen Gedanken laut aus. "Ich denke ich werde Octavius Victor bei Gelegenheit aufsuchen. Darf ich ihm deine Empfehlungen ausrichten?" Aber ob dem Octavier überhaupt einfallen würde derzeit einen Tiberier bei sich einkehren zu lassen? Zumindest sollte es einen Versuch wert sein und wenigstens war es eine kleine Perspektive. "Vielen Dank im Übrigen bereits jetzt für die Beantwortung meiner zahlreichen Fragen und dass du dich überhaupt mit mir auseinandersetzt." Aus heiterem Himmel ein kleines Dankeschön von Lepidus, was seiner Art eher weniger entsprach, gleichsam stellte er sogar noch etwas in Aussicht: "Sollte ich im Gegenzug jemals etwas für dich tun können, so zögere nicht dich bei mir zu melden. In der Villa Tiberia sollte mich ab sofort jeder Brief erreichen."
-
"Ja, du kannst ihm gerne meine Grüße ausrichten" stimmte Macer zu. Selber hatte er auch schon länger nicht mehr mit Octavius Victor gesprochen und vielleicht kam man so auch wieder miteinander ins Gespräch, wenn man sich zufällig traf und dann eben über Tiberius Lepidus sprechen konnte. Das Gegenangebot der Dienste nahm Macer dann mit einem freundlichen Nicken entgegen. "Ich werde mich deiner erinnern. Aber ich denke, dass wir uns ja ohnehin noch häufiger sehen werden, denn auch wenn du jetzt eigentlich Albina besuchen wolltest und sie unpässlich ist, so ist dies ja kein Dauerzustand, so dass du sicher demnächst noch häufiger unser Gast sein wirst", stellte er in Aussicht. Zumindest ging er davon aus, dass Albina sich nicht damit zufrieden geben würde, sich einfach nur von Macer über den Besuch berichten zu lassen, sondern dass sie Lepidus auch einmal persönlich treffen wollte, sobald es ihr besser passte. Wann auch immer genau das war. So eine Schwangerschaft schien interessante Begleiterscheinungen mit sich zu bringen.
-
"Davon ist auszugehen", bestätigte der Tiberier. "Sag doch Albina, sie solle sich bei mir melden, sobald es ihre Umstände erlauben. Vor allem, wenn das neue Familienmitglied endlich unter uns ist, würde ich mich sehr freuen euch alle gemeinsam zu sehen." Ob der Senator schon aufgeregt war in Anbetracht seiner kommenden Vaterschaft? Ob ihn die Götter wohl mit einem Mädchen oder einen Jungen beschenken werden? "Senator Purgitius Macer...", wählte er den Titel, Gensnamen und das Cognomen, um eine enge Bindung zwischen den beiden verbal zu symbolisieren. "...mich plagt so langsam die Müdigkeit. Vielleicht hast du mir zum Schluss noch einige Worte mit auf den Weg zu geben? Ansonsten werde ich wohl bald aufbrechen müssen und in die heimische Villa zurückkehren, zumal dort sicherlich noch einiges zu erledigen ist." Der Tiberier dachte dabei natürlich an die kürzliche Durchsuchung der CU, bisher war noch nicht alles so hergerichtet, wie Lepidus es wünschte und er musste den Sklaven noch viele Anweisungen erteilen.
-
"Du bist mein Gast, daher möchte ich dich keineswegs über Gebühr beanspruchen" antwortete Macer auf die Erwähnung der Müdigkeit. Tatsächlich hatte er nicht vor, den Tiberier weiter mit guten Ratschlägen und weisen Worten zu beglücken, wenn dieser sich lieber zurückziehen wollte. Daher verzichtete er auch darauf, ihm noch ein kluges Schlusswort mit auf den Weg zu geben. "Ich denke nicht, dass ich in der Position bin, dir jetzt noch einen besonders beherzigenswerten klugen Ratschlag mit auf den Weg zu geben, zumal dies ja nun eben nicht unser letztes Zusammentreffen gewesen sein wird. Ich werde sicher verfolgen, was aus deiner Zukunft wird", antwortete er stattdessen und erhob sich zur Verabschiedung.
-
"Überaus bescheiden," entgegnete der Tiberier als der Senator meinte, er wäre nicht in der Position. "So sei es." Lepidus erhob sich ebenfalls von seinem Platz. Die vielen Informationen, die auf ihn eingeprasselt waren, musste er erst einmal verarbeiten. "Dann wünsche ich dir noch einen angenehmen Abend, Senator. Und selbstverständlich, dies wird nicht unsere letzte Begegnung gewesen sein.", sprach der Tiberier verheißungsvoll und verabschiedete sich vom Mann seiner Cousine.
Zweifellos ein sehr interessantes Gespräch, konstatierte der Tiberier letztlich. Über die Lage in Rom schien er nun deutlich besser informiert, gleichsam gemahnte ihn dies zur Vorsicht. Nun hatte er immerhin ein paar Ansätze, wie er weiter vorgehen könnte. Er fragte sich, wann sich die beiden wohl wieder begegnen werden und ob der Senator dies ernst meinte, dass er den Weg von Lepidus verfolgen würde. Wahrscheinlich müsste der Tiberier aufpassen mit welchen Personen er sprach, damit der Purgitier nicht noch auf Umwegen schlechtes über ihn zu hören bekam. Schon gegenüber dessen Kollegen im Senat, Octavius Victor, musste er sich wohl strengstens benehmen. Aber das musste er ja wohl ohnehin, wenn er da irgendetwas erreichen wollte. Trotz aller schwierigen Gedanken verließ Lepidus die Casa mit einem guten Gefühl.
Jetzt mitmachen!
Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!