SPM et IA - Cena peramica

  • Schläfrig...
    Macers Worte hüllten sie wohlig ein, und Axilla lehnte sich noch ein wenig weiter in ihrem Korbsessel. Zu gerne hätte sie sich neben ihren Gast auf die Kline gelegt, aber irgend etwas sagte ihr noch, dass sie das nicht durfte. Als legte sie ihren Arm auf die Lehne und ihr Kinn auf ihre verschränkten Arme, hörte weiter treuherzig zu, während Macer erklärte. Von Schiffen und Flotten hatte sie wenig Ahnung, aber es klang logisch. Wobei zugegebenermaßen sie auch nicht einmal dachte, Macers Ausführungen in Frage zu stellen.
    “Aber warum sollte Cornelius in Asia bleiben wollen? Von da aus kann er ja nicht das Imperium beherrschen, das bringt ihn ja nicht weiter.“ Axilla schien die Möglichkeit, dass Cornelius sich in Asia gegen Turbo wehren würde, irgendwie dann doch ein wenig komisch. Warum sollte er dort bleiben? “Er kann ja das Reich nicht einfach zweiteilen und nur über einen Teil herrschen … auch wenn er den reicheren Teil hätte, genau wie Antonius damals...“ Sogar exakt den gleichen Teil, wenn Axilla so darüber nachdachte. Oder? Sie war sich nicht ganz sicher, was Asia anging, ob das damals zu Marc Anton oder zu Augustus gehört hatte. “Überhaupt erinnert das so ein bisschen daran, oder? Nur dass für Antonius keine Truppen aus dem Norden noch kamen...“ Vielleicht aber machte der Wein das ganze nur so logisch. Axilla erschien im Moment jeder Gedanke einfach nur genial und einzigartig zu sein.
    “Mir ist kalt...“ Ein bisschen fröstelte sie, und Axilla verließ ihre sehr bequeme Position kurzzeitig, um sich über die nackten Unterschenkel zu reiben, und ein wenig über die Unterarme. Eigentlich war es gar nicht so kalt, aber sie fröstelte gerade trotzdem. Eine Decke wäre etwas schönes.


    Macer riss sie von den Gedanken aber los, als er meinte, sie könne Salinator ermorden. “Nein, das trau ich mich nicht“, meinte sie erschreckend ehrlich und dachte einen Moment sogar wirklich darüber nach. Aber die skytische Leibwache würde sie in Stücke reißen, wenn sie das täte. Und überhaupt, wann und wo sollte sie das machen? Imperiosus wäre böse, wenn sie seinen Patron umbrachte, während sie dort zu Besuch wären. Und hier im Haus wäre er wohl erst recht wütend.
    Sie blinzelte den Gedanken kurz weg und ihr huschte durch den Kopf, was Macer sonst noch gesagt hatte. Uneinige Kommandanten. “Vescularius kennt ja alle seine Kommandanten, oder? Mit Turbo ist er gut befreundet, und auch sonst... in Rom hat er zumindest alle Truppen in seiner Hand. Der Sohn vom Praefectus Vigilium ist ja von ihm durch den kompletten Cursus Honorum gebracht worden. Oder war es der von den Cohortes...? Nein, war der von den Vigiles. Ich hab noch darüber geschrieben... ist aber schon eine Weile her...“ Ihr war immer noch kalt. Sie hatte Gänsehaut auf den Armen und fühlte sich irgendwie schwer und leicht zugleich. Komisches Gefühl.

  • Zum Glück ahnte Macer nichts von Iunia Axillas Gedanken über ihre bevorzugte Sitz- oder Liegeposition, denn ansonsten hätte er jetzt mächtig irritiert geguckt. Als sie später ihre Unterschenkel rieb, konnte er einen solchen zwar nicht mehr ganz unterdrücken, verbarg ihn aber rasch hinter einem Schluck Wein und außerdem könnte Iunia Axilla ihn wahrscheinlich ohnehin nicht sehen, während sie nach unten schaute. Einen eigenen Kommentar zur Raumtemperatur verkniff er sich natürlich. Ihm war nicht zu kalt und wenn die Belegschaft der Casa Pompeia es nicht schaffte, die Temperatur auf einem Niveau zu halten, welches der Hausherrin angenehm war, so war das nicht sein Problem. Zumal die gerade diskutierten militärischen Probleme viel spannender waren. "Nein, natürlich wird Cornelius Palma nicht in Asia bleiben wollen. Wie ich eben ja auch schon sagte, wird er Italia erreichen müssen, wenn er seine AMbitionen tatsächlich in die Tat umsetzen will" bestätigte er die Vermutung von Iunia Axilla, indem er seine eigene Aussage bekräftigte. "Aber es ist für ihn auch kein zu vernachlässigender Vorteil, ein recht zuverlässig abgegrenztes Gebiet unter seiner Kontrolle zu wissen. Solange er dort ist, braucht er sich möglicherweise keine Gedanken darum zu machen, wann ihn Marius Turbo angreift, sondern er kann selber den Ort und die Zeit bestimmen, wann er sich in die Reichweite seines Gegners begibt. Er hat somit die Initiative und das ist in den allermeisten Fällen ein Vorteil", erklärte er, was er wohl auch jedem jungen Mann in der Academia Militaris so erklären würde.


    Dass Iunia Axilla auf den Gedanken an eine Ermordung des Kaisers so erschrocken reagierte, amüsierte ihn, aber natürlich zeigte er dies nicht offen. Stattdessen verlies er sich darauf, dass sie als Mitarbeiterin der Acta Diurna über die kaiserlichen Beziehungen vermutlich sogar besser Bescheid wusste als er selber. "So ist es. Er hat zahlreiche gute Kontakte, wie es für einen Mann in seiner Position zunächst einmal auch gar nicht anders zu erwarten ist", antwortete er dann ganz allgemein. Bei Kontakten und Freundschaften anderer Personen tat er sich immer etwas schwerer als bei anderen Themen.

  • Von irgendwelchen Blicken oder Irritationen merkte Axilla wirklich nichts. Aber das hätte sie vermutlich auch nicht, wenn sie Macer in dem Moment direkt in die Augen geschaut hatte. In ihrem Kopf war alles leicht und alles so zwanglos und frei, dass sie bei keinem Blick der Welt auch nur irgendetwas anderes gedacht hätte, als dass es die normalste Sache auf der ganzen Welt wäre. Jetzt noch eine Decke, in die sie sich einkuscheln hätte können, dann wäre die Welt perfekt. Axilla verstand auch gerade gar nicht, warum sie sich vor Bacchus herrlichster Gabe vor wenigen stunden noch so gefürchtet hatte. Im Moment fühlte sie sich so frei wie schon seit Jahren nicht mehr. Und überhaupt nicht wirr, wie man es von Betrunkenen oft sagte. (Und außerdem war sie auch ganz sicher nicht betrunken, sondern nur ganz leicht beschwippst. Minimal, sozusagen. Kaum wahrnehmbar, bestimmt.)


    Und so plapperte sie auch völlig befreit, was ihr in den Sinn kam, ohne daran zu denken, dass neben ihr ein Consular saß und sie als Frau nicht mit ihm diskutieren sollte. “Das hat mein Vater auch immer gesagt. Das richtige Schlachtfeld gewinnt die halbe Schlacht. Will man Reiterei einsetzen, braucht man festen Boden ohne Geröll. Der Feind sollte am besten bergan stürmen müssen, so dass die eigenen Fernwaffen die höhere Reichweite haben. Und wenn man unterlegen ist, muss man es ihm so unbequem wie möglich machen, so dass er seine Stärken nicht einsetzen kann...“
    Axilla erinnerte sich an die grob skizzierten Schlachtfelder, an die geschnitzten Tiere aus Holz, die Kurzerhand als Einheiten hatten herhalten müssen, während ihr Vater mit ihr auf dem Boden saß und ihr geduldig erklärte, welche Schlacht wie stattgefunden hatte und was der Vorteil oder der Nachteil des einen oder des anderen gewesen war. Vor allem die Schlachten von Alexander dem Großen waren ihr im Gedächtnis geblieben. Wenn diese sich auch gerade zu einem großen Sammelsurium an Wissen zu vermengen schienen.
    “Aber ich glaube trotzdem, dass er nicht die Zeit hat, so lange in Asia zu bleiben. Oder in Syria. Wenn sich der Norden jetzt in Bewegung setzen würde – was ich nicht weiß, aber nur mal unterstellt – dann wäre das ja DIE Gelegenheit, vorzurücken, weil ein Teil der Truppen im Norden dann gebunden wird. Also, von Vescularius, mein ich jetzt. Weil der kann ja nicht überall sein, in Syria und in Germania....“ Axilla griff nochmal nach ihrem Weinbecher, stieß ihn dabei mit den Fingerspitzen fast um, weil das doofe Ding irgendwie im letzten Moment beiseite gehüpft war, aber sie bekam ihn doch noch gerade so eben zu fassen. Also nahm sie noch einen Schluck des wirklich guten Weines, ehe sie weiterplapperte. “Und wenn er da zu lang wartet, dann kann er Pech haben und sieht sich dann noch mehr Truppen entgegen, weil Vescularius aufgestockt hat und die in Germania besiegt sind. Gut, er kann auch Glück haben, dass sie siegen, aber trotzdem glaub ich, je länger er wartet und Vescularius in Rom im Palast sein lässt, umso schwerer wird er es haben. Von daher kann Cornelius das Schlachtfeld sich vermutlich nicht so frei aussuchen und vorbereiten.“

  • Macer war durchaus beeindruckt von dem militärischen Wissen, das Iunia Axilla hier von sich gab. Er hatte das nicht unbedingt von einer Frau erwartet, aber sie hatte wohl viel von ihrem Vater gelernt. "Dein Vater hat dir offenbar viel über das Militär erzählt", sagte er daher, auch um vom eigentlichen Thema abzulenken. Da schien ihm Iunia Axilla nämlich inzwischen etwas sehr munter drauf los zu spekulieren. "Bei welchen Einheiten hat er gedient? Bist du bei ihm im Lager aufgewachsen?" Letzteres wäre zwar selten, aber nicht völlig unmöglich gewesen und würde zumindest ihr ausgeprägtes militörisches Wissen erklären.

  • Kurz war Axilla richtig perplex über die Frage. Es hatte sie noch niemand so wirklich nach ihrem Vater gefragt. Alle vermieden das Thema, sobald sie erfuhren, dass er tot war. So genau hatte sie seit Jahren niemand nach ihm gefragt. Axillas Blick wurde weich und traurig, und trotzdem lächelte sie Macer an.
    “Er war zuletzt Tribun bei der Hispania. Und nein, ich war nicht im Lager. Mutter war immer sehr krank, und deshalb hatten wir ein Landgut in der Nähe von Tarraco. Da war es ruhiger. Aber er war oft daheim. Nicht immer, aber wann immer er konnte. Und dann war es einfach wunderbar.“ Axilla blickte auf die spiegelnde Oberfläche des letzten Schluckes Wein, auch wenn sie sie eigentlich gar nicht sah. Sie sah das alte Haus, den immer staubigen Hof, die weiten Wiesen und den nahen Wald von dem Ort, wo sie aufgewachsen war. Und ihren Vater, wie er auf seinem Pferd auf den Hof ritt, direkt unter ihren Baum, wie er so tat, als hätte er sie nicht auf dem Baum gesehen und würde sie suchen, bis sie sich runterließ, zu ihm, in seine Arme, und er sie mit einem “Na, mein Eichhörnchen?“ begrüßte.
    “Er saß dann im Atrium mit mir auf dem Boden und hat erzählt und erklärt. Er hat immer Holzfiguren für mich geschnitzt, und wir haben sie dann aufgestellt, damit ich sehen konnte, wie sich die Schlachtreihen bewegten. Einmal hat er mir ein Pferd geschnitzt, so groß“ Axilla zeigte mit Daumen und Zeigefinger in etwa die Größe von sechs digiti und ihr Lächeln wurde noch wehmütiger. “Das war immer Alexander. Es ist zerbrochen, als mein Lehrer versehentlich darauf getreten ist, weil ich es auf dem Boden vergessen habe. Mutter hat immer geschimpft und gesagt, Vater solle mir nicht solche Flausen in den Kopf setzen. 'Du machst sie noch zum Jungen' hat sie gesagt. Aber Vater hat gelacht. Er hat viel gelacht, und ich hab ihn so geliebt. Er hat gesagt, er schnitzt mir ein neues...“
    Aber das hatte er nicht mehr getan. Er war gegangen, um Aufständische zu befrieden, und war gefallen. Axilla merkte nicht, dass eine Träne über ihre Wange rann. Und wenn, hätte es sie in diesem Moment der Freiheit und Aufrichtigkeit auch nicht gestört. Sie dachte nicht einmal ansatzweise daran, wie sie sich gab oder wie sie hätte sein sollen. Bacchus war ein gnädiger und gleichzeitig grausamer Gott, weil er den Menschen durch den Wein das Vergessen schenkte. Zumindest zeitweise. Am nächsten Morgen würde sich Axilla wohl entsetzlicher fühlen denn je.
    “Er war ein bisschen wie du“, meinte Axilla und wandte sich wieder ihrem Gast zu, während ihre Gedanken fröhlich sprangen. Dass dieser jetzt würde sehen können, dass sie lautlos geweint hatte, war ihr nicht bewusst. “Wer war dein Vater?“ fragte sie, einem Gedankenfetzen folgend. Sie hatte keine Ahnung über die Herkunft ihres Gastes, auch wenn sie das vermutlich eigentlich wissen sollte.

  • Macer bemerkte, dass seine Frage vielleicht etwas direkt gewesen war, denn Iunia Axilla schien recht emotional zu werden bei der Beantwortung. Dementsprechend blickte er selber nun angemessen höflich und verständnisvoll und versuchte gar nicht weiter zu ergründen, ob das tatsächlich eine Träne auf ihrer Wange war, die er dort sah. "Dann war er sicher ein sehr guter Offizier", antwortete er leise. Auf die nächste Bemerkung hin musste er einen kurzen Augenblick nach passenden Worten suchen, auch weil er sich nicht sicher war, was Iunia Axilla damit genau sagen wollte. "Ich glaube, er ist für dich mit niemandem zu vergleichen", lehnte er dann ein etwaiges Kompliment ab. Nachdenklich nahm er einen Schluck Wein und beschloss, bei Gelegenheit herauszufinden, was die Archive der Academia Militaris oder des Kaiserhofs über den Vater von Iunia Axilla zu berichten wussten.


    "Mein Vater war Steuerpächter in der Nähe von Ostia", erzählte er dann. "In erster Generation in Italien sozusagen, nachdem meine Vorfahren in Germania inferior und Belgica tätig waren. Mein Opa väterlicherseits war Beamter, mein Opa mütterlicherseits Soldat", erklärte er dann die Herkunft noch etwas genauer.

  • Das Kompliment an ihren Vater ließ Axillas trauriges Lächeln breiter werden. Mit diesen wenigen Worten hatte Macer sie für sich eingenommen, auch wenn sie ihn vorher schon wirklich gern gehabt hatte. Und auch, wenn Axilla das gar nicht so wirklich merkte. Aber er hatte recht, ihr Vater war für sie mit niemandem so wirklich zu vergleichen. Und würde es vermutlich auch nie sein, da er für sie einfach alles verkörperte, was „Glück“ bedeuten mochte. Man konnte von Axilla sehr viel sagen, aber dass sie besonders viel Glück kennen gelernt hätte wohl weniger.


    Axilla trank ihren Weinbecher ein weiteres Mal leer und stellte ihn auf dem Tisch ab. Sie nahm wieder die Beine zu sich auf den Stuhl hoch, umarmte sie leicht mit ihrem Armen und legte ihr Kinn bequem auf den Knien ab, während sie Macer zuhörte. Steuerpächter... Germania und Belgica... Das klang alles irgendwie wild für Axilla. Auf wundervolle Weise wild. Wie es wohl sein mochte, wenn man nicht einen so alten Namen hatte, der mit so viel Tradition verbunden war? Und trotzdem hatte Macer es geschafft, Consul zu werden, und das in seinem Alter. Wie alt war er überhaupt? “Dann war es sicher nicht einfach in der Politik“, mutmaßte sie mit schläfriger Zunge. “Aber zuerst warst du bei der Legion, nicht? Bei welchen Einheiten warst du?“ Das interessierte Axilla weit mehr als die Politik, zumindest im Moment. Axilla mochte die Legionen.

  • "Nein, es war nicht unbedingt einfach. Und vor allem war es Zufall", antwortete Macer. Ganz genau erklären konnte er es gar nicht mehr, wieso er eigentlich damals plötzlich Politiker geworden war, obwohl er eigentlich Soldat werden wollte. Er war sich nur ziemlich sicher, dass sowas heute nicht mehr passieren würde und das war vermutlich auch ziemlich gut so. "Ich war bei der Legio I. Sie lag damals bei Ostia, so dass dies die naheliegende Wahl war. Aber es dauerte dann nicht lange, bis sie nach Mantua verlegt wurde. Mit anderen Einheiten hatte ich erst viel später zu tun, als ich Statthalter in Germania war. Da hatte ich dann das Kommando über die Legio II", zählte er seine doch recht überschaubare Menge an Karrierestationen bei den Legionen auf.

  • Ihre Augen wurden immer schwerer, und Axilla fror noch immer. Es war eine schwere Kälte, die sich über sie zu legen schien wie eine Decke. Ja, eine Decke... kam ihr in den Sinn. Eine Decke wäre jetzt wirklich etwas schönes. Sie würde sich gern in eine warme Decke kuscheln und nur einen Moment wohlig die Augen schließen, während die dicke Wolle sie wärmte. Das klang nach einer geradezu ausgezeichneten Idee.


    Aber erst lenkte Macer sie noch davon ab, während er von den Einheiten erzählte. Die erste Legion, als sie noch in Ostia war, und dann das Kommando über die zweite. In Axillas Ohren klang das wunderbar. “Ich wollte immer Legionär werden, die Rüstung meines Vaters anziehen anziehen und sein Gladius, und für den Ruhm meiner Familie kämpfen... Dumme Mädchenträume.“ Sie seufzte schläfrig. Wäre sie als Mann geboren, wären viele Dinge ganz anders gekommen. Sie hätte ihrem Vater sicher sehr viel Ehre gemacht. Er wäre stolz auf sie gewesen, bestimmt. Nicht so wie jetzt.
    “Vermisst du es?“ fragte Axilla plötzlich, ohne genauer zu spezifizieren, dass sie mit 'es' natürlich das Leben als Legionär meinte.

  • Leicht schmunzelnd hörte Macer zu, wie Iunia Axilla ihre Kinderträume erzählte und überdies inzwischen eindeutig müde zu sein schien. Inzwischen überlegte er, ob es wohl unhöflicher war, trotzdem hier zu bleiben, bis sie die Cena beendete, oder ob es unhöflicher wäre, von sich aus den Aufbruch anzuregen, um sie nicht weiter zu beanspruchen. Vorerst fiel die Wahl noch aufs Bleiben. "Das Leben bei der Legion? Manchmal noch, ja", beantwortete er ihre Frage. "Stünde ich noch einmal vor derselben Wahl wie damals, würde es mir aber wohl doch schwerer Fallen. Die Legion hat ihren Reiz, aber inzwischen fühle ich mich in der Politik auch durchaus wohl." Genauer hatte er aber noch gar nicht darüber nachgedacht. Letztlich konnte er es sich ja wohl auch kaum noch völlig frei aussuchen, wohin ihn sein weiterer Weg führen würde.

  • Das konnte Axilla so ganz und gar nicht verstehen. “Findest du? Ich finde Politik furchtbar langweilig“, gestand sie mit schon halb geschlossenen Augen und der Ehrlichkeit, die nur Betrunkene an den Tag legten. “Vor allem im Moment passiert ja auch gar nichts. Und es ist so kompliziert. Soldat sein ist da viel... klarer. Da weiß man wenigstens, was man tut und wofür.“ Es war ein relativ vernichtendes Zeugnis, was Axilla den Politikern ausstellte, aber so war nunmal ihre Meinung. Die Soldaten beschützten das römische Reich und damit jeden Bürger darin davor, als Sklaven verschleppt, gebrandschatzt oder getötet zu werden – außer diejenigen, die vom Abschaum der Gesellschaft verschleppt, gebrandschatzt und getötet wurde, natürlich – und leisteten damit einen unbezahlbaren Beitrag zum römischen Leben als solches. Politiker hingegen... Axilla hatte keine Ahnung, was die eigentlich so wirklich machten. Dasitzen und reden, ja, aber worüber? Gesetze fand Axilla fast noch langweiliger als alles andere. Was man tun sollte und was nicht war ja seit Jahrhunderten schon durch die Sitten der Vorväter geregelt. Sie wusste nicht, was an diesen Gesetzen schlecht war, so dass man neue gebraucht hätte. Folglich saß der Senat nach Axillas Vorstellung eigentlich nur herum und sponn Intrigen, und das war nicht richtig. Eigentlich sollten sie ja auch den Kaiser beraten, aber: “Vescularius lässt sich wohl auch eher weniger beraten. Ich glaub nicht, dass er Senatoren so gerne mag.“

  • Macer war sich nicht ganz sicher, ob Iunia Axilla inzwischen nicht doch deutlich übermüdet war und nicht mehr ganz das meinte, was sie sagte beziehungsweise das sagte, was sie meinte. Zumindest konnte er sich kaum vorstellen, dass sie Politik wirklich furchtbar langweilig fand, nachdem sie eben ein durchaus politisches Gespräch geführt hatten und sie außerdem für die Acta Diurna arbeitete. Letzteres musste zwar nichts heißen, weil dort auch gesellschaftliche Nachrichten verbreitet wurden, aber Politik und Gesellschaft ließen sich ja auch kaum trennen. "Wofür man etwas tut weiß man als Soldat auch nicht immer. Man geht davon aus, dass der Befehlsgebende es weiß, mehr nicht." Dieses Unwissen konnte etwas entspannendes und beruhigendes an sich haben, konnte aber auch zu Zweifeln führen. Da entschied dann wohl das Charisma des Befehlshabers. Aber bevor er dazu kam, das weiter auszuführen, war Iunia Axilla in Gedanken schon wieder weiter gesprungen. "Der Einfluss des Senates ist unter dem jetzigen Kaiser in der Tat geringer als unter seinen Vorgängern", stimmte er dann zu, was nicht allzu schwer fiel, war es doch reichlich offensichtlich.

  • Irgendwas in Axilla rebellierte bei dieser Einschätzung des Soldatenlebens auf. “Aber man beschützt das Imperium und hält Barbaren davon ab, herzukommen und alles zu verwüsten. Die Cimbri sind ja auch bis.. bis...“ Axilla versuchte, sich zu erinnern, aber irgendwie verschwamm die Erinnerung für einen Moment. “...Vercellae gekommen, und hätte Lutatius Catulus sie nicht geschlagen, wer weiß, wie weit sie gekommen wären. Und die Gallier waren ja auch in Norditalia und haben die Etrusker besiegt in Padanien.“ War das Padanien gewesen? Axilla wusste es nicht mehr, glaubte aber schon. Irgendwie verschwamm ihr Wissen langsam. “Da weiß man schon, wofür man kämpft“, murmelte sie weiter, ließ den Einwand mit den Befehlshabern so nicht gelten. Erst einen Augenblick später, als ihre Gedanken wieder bei den aktuelleren Ereignissen angekommen waren und nicht bei Dingen, die zweihundert Jahre und mehr zurücklagen, musste sie ihm doch ein klein wenig Recht geben. “Außer, es kämpft Römer gegen Römer. Aber das ist Unrecht und sollte so nicht sein. Mars würde das nicht so wollen...“

  • "Ja, so etwas zum Beispiel", stimmte Macer zu, obwohl er eben gar nicht an so ein klares Beispiel gedacht hatte. "Aber selbst wenn du keinen einzigen Kampf hast, keinen einzigen Barbaren siehst in deinen zwanzig Jahren Dienst, dann wirst du trotzdem SItuationen haben, in denen du dich einfach auf deinen Befehlshaber verlassen musst. Und sei es nur, weil du nicht weißt, wieso du zum dritten Mal hintereinander derjenige bist, der die Latrine sauber machen muss", brachte er dann ein viel banaleres Beispiel, was aber zweifellos viel häufiger vorkam als ein Bürgerkrieg. Was Mars von solchen Situationen hielt, wusste er allerdings nicht. Stattdessen leerte Macer seinen Becher und gab den bedienenden Sklaven zu verstehen, dass sie nicht noch einmal nachzufüllen brauchten.

  • Latrine putzen? Aber so meinte Axilla das doch gar nicht. “Aber so mein ich das doch gar nicht!“ In ihrem Kopf tanzten die die Gedanken zu einer schnellen, ägyptischen Trommel und dem scharfen Klang von mehreren Syringen und Auloi, die das Denken auch verplutot schwer machten. Dennoch versuchte Axilla, ein wenig Ordnung in das hüpfende und sich drehende Meer zu bringen und wenigstens ein paar Fetzen noch zu greifen. “Das ist ja nur das, was man in dem Moment tut, aber der große Sinn... das, warum man die vielen kleinen Dinge tut, das ist doch... man geht ja nicht zur Legion, um die Latrinen zu putzen, und es ist auch nicht Aufgabe der Legionen, das zu machen. Also, schon, aber, das ist nicht ihr Sinn und Zweck. Oder?“ Irgendwie war sie sich selber grade nicht mehr so ganz sicher, was sie hatte sagen wollen. “Aber bei der Politik versteh ich den Sinn nicht. Wir haben ja schon gute Gesetze, von unseren Vorvätern. Wir wissen ja schon, was richtig und was falsch ist. Glaub ich.“ Jetzt drehten sich die Trommeln und Auloi irgendwie mit den Gedanken mit, so dass in ihrem Kopf eine Kakophonie von Stimmen herrschte. Axilla fühlte sich mit einem Mal elend. “Und da... da weiß ich nicht, was man so als Politiker eigentlich macht, was da spannend wäre.“

  • Einerseits sah Macer auch in dieser Frage nach dem Sinn des Soldatenlebens noch gewissen Diskussionsbedarf, denn nicht wenige Männer wurden Soldaten, weil man dort einen guten Sold bekam und ohne sich Gedanken über die SInnhaftigkeit eines Kriegszuges zu machen, aber andererseits merkte Macer, dass es vielleicht nicht unbedingt hilfreich war, Iunia Axilla nun noch bezüglich eines einzelnen Details zu widersprechen. "Spannend wird Politik vor allem dann, wenn es um etwas geht, das neu ist. Aber sicher hast du Recht, dass dies nicht auf alles zutrifft", antwortete er stattdessen, allerdings auch hier ohne das Thema durch eine allzu konträre Meinung noch zu vertiefen.

  • So wirklich viel konnte Axilla mit der Antwort nicht anfangen. Was sollte denn an der Politik neu sein? Irgendwie verwirrte sie das nur, und sie fühlte sich noch ein klein bisschen müder. Sie machte zwar “Hmmhmm“, als hätte sie es verstanden, aber eigentlich hatte sie das nicht.
    Ein bisschen verschlafen merkte Axilla, dass ihr Gast gar nichts mehr zu trinken hatte, und fragend schaute sie zu dem Sklaven mit dem Weinkrug. Der schüttelte kurz den Kopf, und nicht verstehend schüttelte Axilla den Kopf mit fragendem Blick mit. Es dauerte recht lange, bis ihr klar wurde, dass ihr Gast wohl nichts mehr trinken wollte. “Oh“ kam es da erkennend über ihre Lippen, ganz ohne äußeren Zusammenhang. Ein leises Stimmchen in ihr meinte, es wäre eine gute Idee, den Abend jetzt zu beenden. Aber eigentlich wollte sie nicht. Dann wäre sie wieder ganz allein. Axilla hasste es, allein zu sein. Zumindest, wenn sie sich auch allein fühlte. Sie hatte als Kind nie ein Problem gehabt, allein in den Wald zu gehen, auch wenn es da dunkel war und überall gefährliche Pflanzen wuchsen und man wegen Tieren aufpassen musste. Aber da waren die Bäume gewesen, und Axilla hatte sich nicht allein gefühlt. Aber hier im Haus, wo Imperiosus weg war, der Krieg drohte und sie sich ständig Sorgen machte, da fühlte sie sich allein. Sehr allein sogar.
    Auf der anderen Seite konnte sie ihren Gast kaum fragen, ob er über Nacht bleiben wollte. Er würde das anders auffassen, als sie es meinen würde. Bestimmt wäre er dann auch böse. Imperiosus wäre ganz sicher böse. Verlegen kratzte sie sich am Unterarm. Es fühlte sich seltsam deutlich an, viel wirklicher als normalerweise. Es tat irgendwie weh, obwohl sie nicht fest kratzte.
    “Es ist schon spät, oder?“ fragte sie schließlich, weil sie irgendwas ja sagen musste, aber mit ihrem inneren Konflikt nicht so wirklich umgehen konnte. Sie wollte Macer nicht verabschieden, aber hier behalten konnte sie ihn ja auch nicht, und irgendwas außer 'oh' musste sie sagen.

  • Macer hatte den Blick von Iunia Axilla nicht ununterbrochen verfolgt, so dass er das nachdenkliche Murmeln und das spätere Oh nicht so ganz in Verbindung bringen konnte. Er nahm aber an, dass es wohl nichts mit einander zu tun hatte und Iunia Axilla stattdessen darüber nachdachte, ob sie das Thema noch fortführen sollte oder nicht. Sie entschied sich offensichtlich dagegen, was Macer durchaus Recht war. "Es war ein kurzweiliger Abend, der schnell verflogen ist" antwortete er dann auf ihre Frage, denn er konnte sich auch nur auf sein Zeitgefühl und ihre offensichtliche Müdigkeit verlassen. "Es war mir eine Freude, zu diesem Abend dein Gast gewesen zu sein", schloss er dann gleich lächelnd an, um nicht eine weitere schweigsame Pause entstehen zu lassen.

  • Eine seltsame Traurigkeit machte sich in Axilla breit. Sie realisierte, dass das eine Abschiedsfloskel war, und sie wusste, dass sie sich jetzt auch verabschieden musste. Aber sie wollte nicht. Sie wollte jetzt nicht wieder allein und im Ungewissen sein, darauf wartend, dass ihr Mann vielleicht zurückkam. Sie wollte nicht allein in ihrem Bett liegen und darüber nachdenken, was alles passieren würde und was passieren könnte, wie sie ihre Familie bei diesem ganzen Chaos würde beschützen können... Axilla wollte einfach keine Angst mehr haben. Aber es schien sich einfach nicht vermeiden zu lassen.


    Ihr Blick wurde trübe und auch wenn sie es wohl gewollt hätte, es woltle sich kein Lächeln zeigen, auch nicht bei dem Kompliment. Sie war traurig und zu weinselig, um das zu verbergen.
    “Dann sollte ich dich vermutlich zu deiner Frau wieder lassen, bevor es wirklich noch spät wird“, murmelte sie mehr, als sie sprach. Mit staksigen Bewegungen kam sie aus ihrem Korbsessel und stand nicht wirklich sicher da, wartete darauf, dass auch Macer sich erhob. Als er schließlich stand, wollte sie ihn richtig verabschieden, mit Kuss auf die Wange, aber ihre Füße wollten nicht so ganz mit ihr mit und sie fiel ihm halb entgegen. Sie fing sich an seinen Armen ab und musste sich einen Augenblick an ihm festhalten, um ihr Gleichgewicht zu bewahren. Ihre Wangen liefen knallrot an.
    “Ich glaube, ich hab ein wenig zu viel getrunken“, murmelte sie peinlich berührt und erschreckend ehrlich, ihren Gast entschuldigend anschauend. “Es war sehr schön, dass du heute gekommen bist“, überwand sie sich schließlich doch zu einer Abschiedsfloskel. Am nächsten Morgen würde sie für ihr heutiges Verhalten vermutlich am liebsten Sterben wollen, aber im Moment war eigentlich schlimmer, dass sie gleich allein sein würde.

  • Macer erhob sich ebenfalls von seiner Kline und stand offensichtlich nicht ganz so wackelig auf seinen Beinen, wie Iunia Axilla. Als diese ihm entgegen stolperte, zuckte er kurz, bevor er sie dann tatsächlich halbwegs geistesgegenwärtig auffing. Seinen eigentlich ganz guten Eindruck von ihr störte diese Einlage aber schon ein wenig. Offenbar hatte sie entweder sich oder ihren Weinkonsum nicht ganz unter Kontrolle. Oder sie hatte es doch, und diese kleine Einlage war dann doch Absicht gewesen, was aber auch bestenfalls als albern gelten konnte. Immerhin hielt er ihr zu Gute, dass sie rot anlief und zumindest überzeugend peinlich berührt wirkte. Dementsprechend ging er galant über den Stolperer hinweg. "Ich werde Albina empfehlen, dich und deinen Mann auch einmal als Gäste zu uns einzuladen", antwortete er stattdessen. "Versäume bitte nicht, deinem Mann meine Grüße auszurichten, wenn er zurück ist", hängte er dann die übliche Bitte zum Grüße ausrichten hinten dran. Dann bewegte er sich ganz langsam in Richtung Ausgang, wo auch irgendwo seine Sklaven warten würden, auch wenn er annahm, dass Iunia Axilla ihn noch bis zur Tür begleiten würde.

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