Conquassatum, vulneratum – Verhörraum II

  • Venox war selbst überrascht von dem Schwung, mit dem er sich hatte hochkatapultieren können. Er hatte den Prätorianer gar nicht wirklich berühren wollen, nur seine Aufmerksamkeit erregen, um ihn abzulenken, ihn an seinem Vorhaben zu hindern... Stattdessen verlor der die Kontrolle über seinen eigenen Schwung, wurde weiter voran getragen, versuchte noch sich zu stoppen und stolperte dabei beinahe, bis er schließlich gegen den Centurio prallte.
    Und prompt die Quittung dafür aufgetischt bekam. Krachend knallte er gegen eine Wand, als der Prätorianer ihn packte und durch die Gegend schleuderte, so heftig, dass ihm die Luft wegblieb und er für Momente nicht mehr wusste wo oben und unten war, und bevor er seine fünf Sinne wieder sammeln konnte, wurde er erneut gepackt – und bekam eine verpasst, die ihm nun wirklich die Luft raubte. Mit blutenden Lippen sackte er gegen die Wand und sank daran entlang nach unten. Der kurze Ausbruch hatte ihn einen großen Teil der jämmerlichen Reserven gekostet, die er noch hatte, und was noch übrig war, darauf schien er im Moment nicht zugreifen zu können – er wirkte vielmehr wie eine Marionette, deren Fäden urplötzlich durchgeschnitten worden waren. Nur wie durch einen Nebel hörte er, was der Prätorianer sagte, bekam undeutlich mit, dass er den Befehl wiederholte, dass er seine Familie haben wollte... „Bitte...“ wimmerte er. Er hatte ja damit gerechnet, dass sie ihn foltern würden, aber dass sie das einfach übersprangen und sofort seine Familie holten? Warum hatte er sie nicht in Sicherheit gebracht? Warum war er nur so blöd gewesen und hatte sie in Rom gelassen, hatte darauf vertraut, dass sich niemand um sie kümmern würde, dass niemand die Spur zu ihm zurück verfolgen würde? Es hätte doch alles glatt gehen sollen, hatte man ihm gesagt... niemand würde auf ihn kommen, wenn alles glatt ging... und er hatte darauf vertraut. Deswegen hatte er seine Familie in Rom gelassen, und deswegen war er selbst nur nach Sicilia geflohen, und nicht in irgendeine entlegene Provinz, oder gar jenseits der Grenzen des Imperiums. „Ich bin... ich weiß es nicht“, wimmerte er weiter. „Ich hab nur einen getroffen, nur einen, und der hat mir gesagt, dass ein mächtiger Mann in Rom den Kaiser aus dem Weg haben will.“

  • Na das klang doch schon vielversprechend, Seneca beugte sich interessiert nach vorne, fasste sich ans Kinn, seine Familie schien ein besseres Druckmittel zu sein als die schlimmste Folter an seinem Leibe, "Wer war dieser Mann? Wie sah er aus? Du musst irgendwas wissen, niemand kann so blöd sein und den Imperator töten, ohne auch nur ansatzweise die Hintergründe zu kennen Venox.", entgegnete ihm Seneca und setzte nach, "Es ist deine Chance die deinen zu retten, wenn du mir jetzt alles sagst was du weißt bekommen sie nur eine hübsche Führung durch die Castra, wenn nicht...", Seneca hielt kurz inne, er hasste die Vorstellung, aber für das Imperium mussten manchmal unangenehme Dinge gesagt oder getan werden, "... Bin ich gespannt wen du an den Schreien wieder erkennst.", Seneca blickte ihn an, und hoffte einfach dass er sich besinnen würde, warum auch nicht? Er plauderte ja nun schon, und die Erwartung lebend hier rauszukommen musste er auch nicht haben, aber seine Familie konnte er noch retten..

  • Venox' Atem ging schwer, aber immerhin, immerhin: der Prätorianer ließ mit sich reden. Da war noch nichts beschlossene Sache. „Er war... er... war ein Ritter... glaub ich... größer als ich, dunkle Haare, und jünger als ich... aber er hat nichts gesagt über... über irgendwelche Hintergründe, ich weiß davon nichts“, er bemühte sich ruhig zu sprechen, aber er konnte den bettelnden Unterton nicht ganz unterdrücken, und es wurde nicht besser, als der Prätorianer erneut mit seiner Familie drohte. Er würde sie also doch herbringen lassen. Venox hatte für wenige Momente gehofft, seine Frau und Kinder würden bleiben, wo sie waren, würden nicht mit hinein gezogen werden, aber jetzt realisierte er, dass diese Hoffnung vergebens war. Sie würden trotzdem hergebracht werden... und wenn sie einmal hier waren, waren die Chancen klein, so klein, dass sie unbeschadet wieder herauskamen. Venox glaubte nicht an das Märchen mit der Führung. Wenn sie hier waren, würden sie befragt werden. Ein trockenes Husten kam aus seiner Kehle, und mit rauer Zunge fuhr er sich über seine trockenen Lippen. „Er war... er hat nur gesagt, dass der Imperator im Weg ist. Für den neuen Kaiser, den Rom braucht in diesen Zeiten.“ Was ihm im Grunde völlig egal gewesen war. Ihn hatte das Geld interessiert, das Geld und das Versprechen auf einen neuen, lukrativeren Posten als bisher, und die Aussicht darauf, seinen Kindern nicht nur ein besseres Leben ermöglichen zu können, als er es gehabt hatte, sondern ein viel besseres, eines, das deutlich über dem Standard anderer Kinder von Freigelassenen war.

  • Bei seinen Worten wurde Seneca wütend, vielleicht war es immer noch die Scham des Versagens, welche wohl in allen Prätorianern saß, und ihnen noch lange zu schaffen machen würde, oder aber es war die schlichte Dummheit und Profanität seiner Worte, welche ihn vom Stuhl holten, und ihn direkt vor Venox auf den Tisch schlagen ließen..
    "Der Imperator im Weg?", brüllte Seneca, "Du widerliche Ratte, du tötest den Imperator, und seine Familie weil irgendein dahergelaufener sagt er sei im Weg?!", Seneca kochte, "Soll ich dir was sagen du Wurm? Wegen deiner Tat haben wir jetzt 'diese Zeiten', du hast tausende auf dem Gewissen, ich sollte dich und deine Sippe ans Kreuz nageln lassen.", der Iunier war in Rage, und doch versuchte er sich zur Ruhe zu rufen, atmete tief ein und aus, und setzte sich wieder, die Faust allerdings immer noch geballt, versuchte er ruhiger zu sprechen, "Aber gut...", sagte er ruhig, "...aber gut.", erneut rang er um die richtige Fassung. "Dieser Ritter, was hat er noch gesagt? Es kann doch wohl nicht sein dass das alles war? Wegen so etwas tötest du doch nicht den, der dich in die Freiheit entließ, und dir trotzdem einen Lohn bot.", argumentierte der Centurio und versuchte es auch noch auf eine andere Weise, denn er kannte ja den schwachen Punkt seines Gegenübers, "Hör zu Venox, ich weiß doch genauso gut wie du worum es geht.", sagte der Offizier ruhig, und lehnte sich etwas nach vorne, "Ich habe auch Neffen und Nichten, in etwa im Alter deiner Kinder, etwas jünger teilweise.", plauderte der Iunier und dachte dabei an Serranas und Axillas Kinder, "Hilf mir Venox, gib mir Informationen, ich will nicht der Mensch sein der das junge Leben deiner Kinder zerstört, aber mir bleibt keine Wahl wenn du mir nichts brauchbares sagst."

  • Venox versuchte es zu unterdrücken, aber er zuckte trotzdem zusammen, als die Faust runterkrachte, direkt vor ihm. Und alles, was der Prätorianer anfangs sagte, versuchte er auszublenden. Er hatte den Kaiser und seine Familie nicht umgebracht, er hatte nur... etwas in Gang gebracht, oder halt, nein, etwas, was schon in Gang gebracht worden war, von anderen, weiterhin am Laufen gehalten. Er war ja wirklich nur ein ganz ganz kleines Licht in dieser ganzen Sache gewesen, und dass er der Kontakt gewesen war, der die Tat überhaupt erst möglich gemacht hatte... nein, sicher hätten sie sonst jemand anderen gefunden. Er hatte sich das Ganze schön geredet, von Anfang an, er hatte es sich schön reden müssen, und daran hatte sich bis jetzt nichts geändert. Wenn überhaupt klammerte er sich jetzt fast noch mehr daran – der Gedanke, dass er da keine allzu große Rolle gespielt hatte, gewürzt damit, dass es richtig gewesen war, das war das einzige, was ihm noch blieb. „Er war überzeugend. Sehr überzeugend. Bitte...“ flehte er dann, während sein Blick nervös zur Tür irrte, als hielte er es für möglich, dass seine Familie schon hier wäre, obwohl der Miles gerade erst fort war. Was konnte den Prätorianer überhaupt davon abhalten, sich mit seiner Familie zu beschäftigen? Richtig... wenn er redete. Was ihn am Ende wirklich überzeugt hatte, war zwar das Geld gewesen, aber das hieß nicht, dass der Typ nicht mehr erzählt hatte – und es hieß noch weniger, dass er nicht noch das ein oder andere dazu erfinden konnte, wenn der Prätorianer unbedingt Details hören wollte. Solange sie nur seine Familie in Ruhe ließen... und ihn nicht folterten. „Seit dem Partherkrieg hatten wir keinen Feldzug mehr, seit Divus Iulianus umgekommen ist! Seitdem haben wir unseren Nachbarn, unseren Feinden nicht mehr demonstriert, wie stark das Imperium ist. Er hat gesagt sie lachen über uns, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie einfallen, weil unser Kaiser schwach und krank ist und nicht mehr in der Lage, das Römische Reich zu verteidigen! Es braucht einen starken Kaiser für ein starkes Reich, hat er gesagt... konnte doch keiner wissen, dass mehr als einer den Thron reklamiert, dass es Römer gibt, die Ulpianus' Testament nicht anerkennen...“ Venox glaubte tatsächlich, was er da sagte. Ihm war gesagt worden, dass es keine Schwierigkeiten geben würde, dass die Verschwörer dafür sorgen würden, dass das Testament eindeutig sein würde... er hatte keine Ahnung, dass auch die Fälschung erneut gefälscht worden war.

  • Seneca konnte sich nur ein müdes Grinsen abringen als er seine pathetischen Worte runterratterte.. Die Macht des Imperiums demonstrieren, den Parthern zeigen wer der Herr ist, lächerlich..
    "Du bist ein freigelassener, ein Sklave, und du willst mir erzählen dass du es für die Ehre Roms getan hast?", fragte Seneca mit laut erhobener Stimme, "Willst du mich auf den Arm nehmen? Ohne deinen ehemaligen Herren wärst du nichts gewesen, deine Familie wäre nichts gewesen, und du hast ihn getötet.", Seneca erhob sich erneut, beugte sich zu ihm herunter, "Wenn ich nicht den Befehl hätte jede kleine Information aus dir herauszuholen, ich würde dich auf der Stelle zu deinen Ahnen schicken, und niemand würde je wieder von dir hören.", Seneca setzte sich wieder, seine Miene blieb jedoch erbost, er konnte nicht nachvollziehen wie man solch einen widerlichen Verrat begehen konnte..
    "Und was das Testament angeht mein Freund, der Imperator wurde auch in diesem rechtmäßig als Erbe benannt. Scheinbar haben deine Auftraggeber auch dort nichts zu Stande gebracht.", Seneca lehnte sich zurück und versuchte seine Reaktionen in seinen Augen abzulesen. Irgendwie müsste er an mehr Informationen kommen, er brauchte Namen, eindeutige Beschreibungen, irgendwas handfestes..

  • Venox schrumpfte in sich zusammen, als ihm vorgehalten wurde, was er war: ein Sklave. Ein Freigelassener. Einer vielleicht mit einem höheren Status als so manch einfacher Römer... oder zumindest war es so gewesen... aber trotzdem nicht mehr als das. Es hatte eine Zeit gegeben, in der er sich eingebildet hatte, höher hinaus kommen zu können, noch höher, er, seine Familie, aber das... war eine Illusion gewesen. Er hatte das nur leider erst dann realisiert, als es zu spät war. Als sich herausgestellt hatte, dass die Ereignisse nach dem Kaisermord nicht ganz so nach Plan verliefen wie gedacht. Er antwortete nichts auf die beißenden Worte des Prätorianers – was hätte er dazu auch sagen sollen? Der Mann würde wohl nie verstehen, aus welchen Gründen er sich hatte überreden lassen. Und wenn er ihm sagte, dass er froh wäre um den Tod, dann würde er wohl erst recht davon absehen, ihn zu töten, selbst wenn er glaubte alle Informationen zu haben, die er aus ihm herausholen konnte. Als es um das Testament ging, sah er allerdings ein wenig verwirrt wieder hoch. „Er hat gesagt, dass die Nachfolge klar geregelt sein würde. Und sie ist doch klar geregelt. Vescularius ist Kaiser geworden“, antwortete er, und seine Verwirrung war ihm anzusehen. Er hatte keine Ahnung, was der Prätorianer mit diesem letzten Satz jetzt meinte. Er war sich überhaupt nicht mehr sicher, was nun funktioniert hatte in dem Plan und was nicht, mal abgesehen davon, dass der Kaiser und sein Sohn tot waren wie geplant.

  • Seneca schüttelte den Kopf, sicher, der Mann hatte keine Ahnung was in den letzten Tagen so vor sich ging, aber das er dennoch blind eine Tat ausgeführt hatte, eine Tat von solchem Ausmaß, ohne auch nur irgendwie die Hintergründe zu kennen, ließ in stutzen, das konnte er einfach nicht glauben...


    "Es ist nur seltsam dass alle deine Mitverschwörer wie die Ratten in ihre Löcher krochen, obwohl sie deiner Meinung nach ja nichts zu befürchten hätten. Deine Aussagen sind also völlig lächerlich Venox.", Seneca sah dass es heute keinen Sinn mehr hatte, und wer wusste schon was die nächsten Tage bringen würden, entwickelten sich die Dinge doch recht rasant. Ohne Venox noch einmal anzublicken erhob sich der Iunier und ging zur Tür, "Miles, begleite den Mann zurück zu seiner Zelle. Sieh zu dass der wachhabende Optio ein wenig Zeit für ihn einplant. Er hat uns wohl noch viel zu erzählen.", erklärte Seneca und verließ die Zelle ohne weitere Worte während er im Hintergrund hörte wie Venox aus dem Raum gebracht wurde. Ihm würden ein paar harte Tage bevorstehen, und Seneca wollte sich eigentlich gar nicht ausmalen wie der Mann danach aussehen würde, aber er war immerhin noch der Kaisermörder, Mitleid wäre wohl völlig fehl am Platz gewesen, auch wenn Seneca immer wieder Momente bemerkte, in denen er sich dem nicht entziehen konnte..

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