Die Stunden auf dem Schiff vergingen quälend, der Wind wehte zwar recht ordentlich, doch trotzdem konnte es Seneca kaum erwarten endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Es war auch weniger das stete Schaukeln des Kahns, welches scheinbar einigen anderen Mitreisenden zu schaffen machte, oder die Einöde wenn man den Blick über den Horizont schweifen ließ, sondern viel mehr die Zeit die einfach nicht zu verrinnen schien, und dem Iunier viel zu viel Spielraum boten über sich selbst nachzudenken.
Die Sonne ging unter, heute hatten die Männer nicht viel getan, die Besatzung des Boots navigierte, und vertrieb sich die Zeit mit ein paar Spielchen, und die Prätorianer übten sich in vornehmer Zurückhaltung, plauderten ein wenig, stets bemüht nicht aus ihrer Rolle zu fallen, und sie schliefen. Zumindest Seneca hatte den Tag über im schattigen Unterdeck gedöst, eine der wenigen Möglichkeiten seinen eigenen Gedanken zu entfliehen. Rom schien so weit weg, Sardinia schien so weit weg, innerhalb eines Tages hatte sich die Welt des Optio auf die Größe eines banalen Handelsschiffes verkleinert, und es sollte noch schlimmer kommen. Die Sterne zogen am Firmament auf, und auf dem Schiff wurde es stiller, die Miles schliefen, alle Besatzungsmitglieder welche entbehrlich waren schliefen und Seneca hatte so viel geschlafen dass er einfach kein Auge zumachen konnte, und so saß er auf dem Deck und dachte nach, über viele verschiedene Dinge, eng in seinen Umhang gehüllt, der kühlen Brise der Nacht geschuldet, sein Blick in die ferne schweifend...
"Das Meer ist ruhig, es ist eine gute Nacht.", jäh wurde Seneca aus seinen Gedanken gerissen, die Stimme des Seemanns klang rau, kernig, so wie sich Seneca erfahrene Seebären vorgestellt hatte..
"Wie es aussieht ja..", entgegnete Seneca mit einem gezwungenen Lachen, eigentlich war ihm nicht nach Lachen zumute, nicht einmal nach einem Lächeln, nicht in letzter Zeit, es gab einfach nichts wofür es sich zu Lächeln gelohnt hätte, aber das musste er wohl mit sich selbst ausmachen..
"Warum bist du nicht unter Deck und legst dich hin mein Freund, es passiert nichts mehr spannendes hier oben.", scherzte der Seemann weiter, und zurrte kurz an einem Seil, viel mehr gab es tatsächlich nicht zutun...
"Nun, das habe ich den ganzen Tag getan, und nun kann ich nicht mehr schlafen.", antwortete Seneca erneut recht zurückhaltend, als ob irgendwann heute irgendwas spannendes passiert wäre..
"Ist es nur das, oder hält dich was anderes wach?", Seneca horchte auf, hob den Kopf, diese Seeleute waren ja schon immer für ihr Gespür bekannt, Glückstreffer oder nicht, der Iunier war so sehr aus der Bahn gebracht dass er es schwerlich abwiegeln konnte..
"Wer hat keine Probleme?", gab er dem Mann zu verstehen und zog den Umhang noch etwas enger vor seiner Brust zusammen.. Dann folgte erst einmal stille, und trotzdem blieb diese angespannte Gesprächsatmosphäre, diese Stimmung wenn man einfach weiß dass das Gespräch noch nicht vorbei ist, trotz der nun schon längeren Pause...
"Ist es ein Mädchen?", fragte der gestandene Matrose neugierig, denn scheinbar hatte er genauso wenige Ideen die Zeit totzuschlagen wie der Optio, sodass er wildfremden Menschen viel zu persönliche Fragen stellte. Überraschenderweise waren jene wildfremden Menschen in solch einer Situation auch immer bereit diese Fragen zu beantworten..
"Ja.", erwiderte Seneca und versuchte Seiana irgendwie in seine gespielte Rolle eines einfachen Reisenden einzubinden, "Wir lieben uns, aber unsere Familien werden es niemals zulassen.", führte er geknickt aus, und dachte an das wirklich Problem, den Stand, ihren Ehemann, und das mit den Familien stimmte ja sogar zum Teil..
"Die Liebe ist eine launische Gespielin, genauso wie das Meer, und trotzdem fühlt man sich immer wieder dazu hingezogen. Du solltest daran festhalten mein Freund, ein Mann muss manchmal einfach wissen wofür es sich zu leben lohnt, sei es die Liebe oder die See, oder beides.", philosophierte der Mann, und implizierte dabei noch so einige andere Klischees über Seemänner, und auch wenn Seneca keine Lust hatte mit einem alten Mann die tiefen seiner selbst zu ergründen, so brachten ihn seine Worte doch zum Nachdenken, wofür lohnte es sich zu Leben? Es gab da so einiges, allein sein Dienst bei der Garde erfüllte ihn mit Stolz, ein jedes Mal wenn er das Banner des Skorpions zu Gesicht bekam. Für seine Familie, wohl die älteste Roms, ein edler Name, ein edles Geblüt, dass es zu alter Größe zu führen galt. Und für die Liebe, die wohl größte Schlacht für den Soldaten, eine Schlacht, welcher er sich tapfer stellte, und trotzdem nicht gewinnen konnte, ein Himmelfahrtskommando, und trotzdem dachte er nicht daran die Waffen zu strecken.
Der Seemann widmete sich wieder dem navigieren, und Seneca fragte sich ob es die Mission dieses Mannes war ihm einfach noch mehr zum nachdenken zu bringen, praktisch alles noch einmal aufzuwühlen um dann ohne zu helfen wieder von dannen zu ziehen, etwas zerknirscht zog er sich unters Deck zurück, suchte sich eine kleine Ecke, und zwang sich selbst in den Schlaf.
... Die Tage auf dem Schiff vergingen, wenn auch zäh, die Männer vertrieben sich die Zeit mit Essen, Schlafen und ein paar Brettspielen. Die einen lernten sogar etwas über die Nautik, und waren froh nicht bei der Classis angeheuert zu haben, und Seneca begann innerlich damit den kommenden Einsatz zu planen, auch wenn das andere Schiff wohl schon im Hafen von Caralis lag, und die Gruppe unter Miles Gaius schon die ersten Vorbereitungen getroffen hatten.
Plötzlich waren am Horizont einige Unebenheiten zu erkennen, und schon bald stellten sich diese, wie vermutet, als Land heraus. Da lag sie vor ihnen, die Insel Sardinia, ihr Einsatzziel, und die Möglichkeit für Seneca endlich diesem holzgewordenen Verließ zu entfliehen...