[Legiones inalpini] Zug des obergermanischen Heeres - der Weg über die Alpen - I - bis Curia


  • „Na wer hat mir erzählt, dass ich Kerle zu Brei schlagen soll, nur um mir Respekt zu verschaffen?“ Hadamar grinste flüchtig. „Mach das einfach mit jedem, den du beim tratschen erwischst.“ Konnte vielleicht beim Eindämmen etwas helfen. „Wobei wir auch gegenläufige Gerüchte in die Welt setzen könnten. Ermunterungsparolen vom LAPP... oder Bilder von nackten Weibern und Geschichten von fantastischem Sex, der uns erwartet wenn wir gewonnen haben.“ Jetzt grinste Hadamar noch breiter. Bei dieser Vorstellung verkroch sich die Müdigkeit langsam, und er begann zu seiner Tagesform zu finden. Oder anders gesagt: er bekam gute Laune. „Musst nur die richtigen von deinen Leuten drauf ansetzen, das zu streuen, dann funktioniert das, und am Ende weiß gar keiner mehr was drauf gestanden haben soll.“ Corvinus allerdings war und blieb unglaublich mürrisch... was Hadamar wie üblich allerdings wenig davon abhielt, seine gute Laune weiter zu pflegen. „Na siehst, da hätte Britannien doch auch was...“ Noch ein Grinsen, dann wurde er wieder etwas ernster. Obwohl er wieder Scherze machte und sich lockerer gab als der Kamerad, sah er das trotzdem nicht ganz so einfach wie Corvinus, dass das den oberen Rängen überlassen war, wie sie das lösen sollten. Als Optio konnte er kaum was machen, und es war auch nicht wirklich in seiner Verantwortung, trotzdem machte er sich seine Gedanken... und hatte vor allem das Bedürfnis, etwas zu tun. Mehr zu tun. Aber sich stur auf die Befehle zu konzentrieren, die er bekam, und nur die ausführen, das war noch nie seine Stärke gewesen.


    Er klopfte Corvinus kurz freundschaftlich auf die Schulter. „Ja, geh zu deinen Leuten, ich seh zu wie ich das mit dem Alarm verkaufen kann. Falls dir noch was zu Ohren kommt, sag mir Bescheid... ansonsten werd ich auch mal weiter machen.“

  • Zitat

    Original von Herius Claudius Menecrates et alii


    Der Veteran salutierte und verschwand aus dem Zelt, suchte dann seinen Optio und machte Meldung, bevor er schließlich seinen Posten bei der Leibwache einnahm.


    Hadamar derweil versuchte aus all den Meldungen, die die Milites seiner Centurie zurück brachten, ein einigermaßen vollständiges Bild zu erstellen – aber es stellte sich als schwierig heraus. Schwachstellen gab es durchaus die ein oder andere... zumindest solche, die ein gewitzter Kopf mit entsprechenden Mitteln und vielleicht ein bisschen Unterstützung durchaus nutzen konnte. Als der Veteran zu ihm kam mit den Befehlen des Legaten, schickte er noch mal den ein oder anderen los, um ein paar weitere Informationen zu bekommen... er selbst machte sich mal wieder auf zur Cohors II, nur dass ihn diesmal sein Weg zum Centurio der ersten Centurie führte, dem er den Befehl des Legaten mitteilte, bevor er danach auch bei Corvinus erneut kurz vorbei schaute, damit der Bescheid wusste, egal ob seine Centurie eingebunden werden würde oder nicht.


    Als er dann schließlich mehr oder weniger alle Informationen zusammen hatte – oder jedenfalls so viele, wie er in der Kürze der Zeit und der schwierigen Ausgangslage hatte kriegen können –, berichtete er zuerst dem Primus Pilus, bevor er zum Zelt des Legaten lief, um auch dort Bericht zu erstatten. Er nickte den Wachen kurz zu und betrat das Zelt... wo er zuallererst das hübsche Mädel bemerkte. Seit einiger Zeit sah man die an der Seite des Legaten. Hadamar war zwar nicht der Meinung, dass eine Frau, Sklavin hin oder her, auf einem Feldzug etwas zu suchen hatte – sah man mal von ein paar Huren ab, die gelegentlich um ihre Lagerstätten herumschwirrten, und denen auch er ab und zu mal einen Besuch abstattete –, aber er wusste, dass Römer das anders sahen. Jedenfalls was Sklavinnen betraf. Er zwinkerte ihr flüchtig im Vorbeigehen zu, wahrte aber eine weitgehend ausdruckslose Miene – auch dann noch, als er zu seinem Leidwesen als nächstes den Legatenenkel sah. Na super, der hatte ihm gerade noch gefehlt. Der Legatenneffe war ebenfalls da, und der Tesserarius der Cohors V, Centurie III, die in der vergangenen Nacht Wachdienst gehabt hatten... seit der Legatensklave es geschafft hatte, ihn mitten in der Nacht quer durchs Castellum zu hetzen und jeden einzelnen Tesserarius wegen einer Änderung der Wachpläne aufzusuchen, kannte er deren Gesichter besser als ihm lieb war. Irgendwie... hatte er es mit den Legatenleuten.
    Ah ja, der Legat. Der war freilich auch noch da.


    Das Wahrnehmen der verschiedenen im Zelt anwesenden Personen dauerte nur den Augenblick, den Hadamar brauchte, bis er vollends ins Zelt hinein getreten war. Anschließend salutierte er und meldete sich: „Optio Duccius Ferox meldet sich wie befohlen mit einem Bericht über die Lage.“

  • Zitat

    Original von Lucius Helvetius Corvinus
    Kurz nachdem Artorius sich seine Gedanken gemacht hatte tauchte ihr Centurio auf. Zunächst reihte er sich ganz normal an seinen Platz ein und starrte für ein paar Minuten ganz wie alle anderen über ihre Marschbefestigungen in die Gegend. Dann schwenkte er seinen Blick mal ins Lager, mal zu den Centurien rechts und links aber auch über so gut wie jeden einzelnen seiner Legionäre. Der Optio fehlte immer noch und Corvinus nahm schließlich eine kleine Wanderung auf. Bei Artorius angekommen sprach er diesen an.
    "Immer schön nach dem Feind Ausschau halten. Nicht zuviel denken... Wir sind Soldaten und keine Patrizier. Wir kümmern uns um das was vor unsere Gladi und Pila kommt und stechen das ab. Verstanden?"


    Für einen Moment wurde Regulus völlig herausgerissen aus seinem Gedankenspiel. Seine Nachdenklichkeit über die Zettel des Feindes schlug sich wohl in seinem Gesicht recht offensichtlich nieder. So erschrak der Artorier für einen kurzen Augenblick, stand dann aber stramm vor seinem Vorgesetzten. "Verstanden, Centurio." Für einen kurzen Augenblick wollte er es damit bewenden lassen, seine Neugier ließ ihn aber doch dazu hinreißen, eine Frage zu stellen, wenn der Centurio schon einmal gerade auf den Wällen war. "Gibt es denn schon Hinweise, wie diese Dinger in unser Lager gekommen sind? Ich meine, vielleicht könnten diejenigen, die das getan haben, auch noch ganz andere Dinge anstellen. Ich mag nicht eines Tages aufwachen und dann statt meines Gladius nur noch einen Baumzweig vorfinden..." Vielleicht waren tatsächlich nicht einmal die Zettel an sich das Problem, sondern vielmehr die Tatsache, dass die Wache so einfach überwunden werden konnte. Für die Moral war es in jedem Fall alles andere als dienlich.

  • Zitat

    Original von Gaius Artorius Regulus
    ...


    "Junge, das geht dich nen feuchten Kehricht an!", blaffte einer der anderen Männer, die auf dem Wallstück standen, auf dem sich auch der Artorier und Sönke selbst befanden, "Wenn du zuviel über den Tod nachdenkst, holt Pluto dich mit absoluter Sicherheit sobald du nur einen falschen Fuß aufsetzt."
    Von weiter den Wall entlang konnte man jemanden etwas rufen hören, doch Sönke verstand kein Wort: "Was schreit der da?"
    "Man bekommt wohl in der achten Legion Geld für jeden dieser Zettel!", antwortete ihm ein anderer.
    "Geld? Wieviel?" , fragte Sönke gleich nach, dessen Kasse sich durch gewisse Würfelabende arg strapaziert hatte.
    "Keine Ahnung, frag ihn selbst... und dann lass es mich wissen.", zuckte der andere mit den Schultern.
    "OY!!!" , rief Sönke also rüber, "WIEVIEL BEKOMMT MAN FÜR DIESE ZETTEL?"
    [SIZE=5]"SECHS SESTERCII!"[/SIZE], schallte es von weiter den Wall hinab herüber.
    "WATT? LAUTER!!!" , brüllte Sönke.
    [SIZE=7]"SECHS SESTERCII!"[/SIZE], schallte es ein wenig lauter. Stille folgte, denn Sönke und die anderen ließen die Menge auf sich wirken.
    "Das waren verdammt viele Zettel...", brummte einer.
    "Mit fünf solcher Zettel hat man einen Monatssold zusammen!", ein anderer.
    "CENTURIO!!!" , rief Sönke zu dem Helvetier rüber, "MELDE MICH FREIWILLIG FÜR DIE BESEITIGUNG DES PAPIERKRAMS!!!"

  • Menecrates fixierte den Tessarius und ließ ihn nicht wieder los - auch dann nicht, als der Mann längst geendet hatte. Seine Augen wirkten kalt. Er würde kein Verständnis für Nachlässigkeit zeigen, die allerdings laut Bericht auch nicht vorlag. Wenn der Eindringling nicht durch ein schlampig bewachtes Tor kam, blieb wenig Spielraum für Alternativmöglichkeiten. Gäbe es eine Schwachstelle in der Bewehrung, wäre sie allerdings dem Legaten bekannt.


    "Ich nehme an, du schließt Luftpost ebenso aus wie ich", begann Menecrates in schneidendem Tonfall. Er legte eine Gedankenpause ein, bevor er beschloss, die Nachforschungen kurzerhand einzustellen und stattdessen mit Konsequenzen auf den Vorfall zu reagieren.


    "Keiner der zum Wachdienst eingesetzten Männer ist über jeden Verdacht erhaben. Dein Wort reicht mir nicht, zu viele Leben und Roms Zukunft stehen auf dem Spiel", machte er zunächst klar. "Ich bekomme sämtliche Namen der eingesetzten Soldaten. Sie werden zukünftig nicht mehr zum Wachdienst herangezogen, sondern verstärken den Bestand unserer Trossknechte. Ihr Einsatzfeld im Gefecht wird bei den Plänklern sein. Und damit das klar ist: Die nächste nachlässige Wachmannschaft überlebt den Tag ihrer Wache nicht. Wegtreten!"


    Kein Exempel, aber ein Warnschuss, um jedem klar zu machen, dass er keinerlei Nachlässigkeit durchgehen lassen würde. Ein Plänkler lebte auch ein gefährliches Leben. Falls es tatsächlich sämtliche Wachsoldaten unverdient traf, würde es vielleicht andere geben, deren Gewissen dadurch zu schlagen begann. Andererseits schlug in Saboteuren selten ein aufrichtiges Herz. Eine Chance, mögliche Helfershelfer im Nachhinein überführen zu können, sah Menecrates nicht.



    Durch den Vorfall hatte sich Menecrates‘ Hunger in den hintersten Winkel des Magens zurückgezogen. Noch konnte er die Angelegenheit nicht als abgeschlossen betrachten.


    "Victor, wir brechen das Lager auf der Stelle ab. Gib den Offizieren die Anweisung und informiere den Feldherrn.
    Felix, für dich habe ich heute auch einen Auftrag. Misch dich unter die Soldaten, nimm deren Stimmung auf. Ich möchte wissen, wo die Entschlossenheit nach der Sabotageaktion brüchig geworden ist, wo sich Sympathisanten für den Salinator befinden. Es ist nicht sicher, dass du was finden wirst, aber wenn derartiges Pack unter uns haust, dann will ich das wissen."



    Menecrates wandte sich zum gehen. Er hielt kurz bei Taira, um sich ein Brotstück zu greifen. Jetzt spürte er das Ziehen im leeren Magen.
    "Beaufsichtige das ordentliche Verstauen meiner Sachen und Akten", sagte er zur Sklavin, bevor er das Zelt verließ.

  • Zitat

    Original von Lucius Duccius Ferox
    (...) Anschließend salutierte er und meldete sich: „Optio Duccius Ferox meldet sich wie befohlen mit einem Bericht über die Lage.“


    Die Besucher im Legatenzelt lichteten sich, übrig blieb schließlich nur noch Optio Ferox. Da Menecrates bereits den Abbruch des Lagers angewiesen hatte und selbst das Zelt verlassen wollte, stoppte er neben dem Optio, wies mit einer Kopfbewegung Richtung Ausgang und sagte: "Ich nehme den Bericht im Freien zur Kenntnis, Optio." Daraufhin schlüpfte er durch den Zeiteingang nach draußen, verweilte für einen Atemzug und schritt anschließend langsam Richtung Haupttor.


    "Mich interessiert die Stimmung im Lager, aber vor allem auch, welche Maßnahmen ergriffen wurden. Was konntest du bislang in Erfahrung bringen?“ Der Stellvertreter des Primus Pilus genoss inzwischen auch gewisses Ansehen. Zumindest vertrat er Massa häufig, wenn sich der Centurio schier zerreißen musste, um allen Anforderungen gerecht zu werden.

  • Hadamar nickte und folgte dem Legaten stumm ins Freie, immer einen halben Schritt hinter ihm – nahe genug auf seiner Höhe, dass er seinen Bericht ohne Probleme würde hören können, weit genug zurück, um nicht etwa anmaßend zu wirken, weil er neben ihm ging. „Wenig, Legat“, fasste Hadamar erst mal kurz und bündig zusammen. Was brachte es auch schon, um den heißen Brei herumzureden? Da hätte er auch gleich in die Verwaltung gehen können, wie von seiner Mutter gewünscht. „ Die Milites sind grad eher verwirrt, die meisten können nicht lesen, der Inhalt hat sich noch nicht so herumgesprochen. Die Order ist, dass die Blätter eingesammelt und verbrannt oder abgegeben werden sollen. In der Legio VIII werden sechs Sesterzen pro Wisch gezahlt, der zum Stab gebracht wird, ich denk damit werden die die meisten erwischen. In der Cohors II wurde heute Morgen sicherheitshalber Alarm ausgegeben und die Wälle zusätzlich bemannt, der Rest der Legio ist sich in Alarmbereitschaft. Ich hab einige Milites meiner Centurie losgeschickt, um Informationen zu sammeln, in den Cohorten, bei der Legio VIII, rund um die Wälle. Eine Spur der Eindringlinge haben sie aber noch nicht zu gefunden.“ Würden sie wohl auch nicht mehr. Was auch kein Wunder war... dass die Kerle gut waren, hatten sie ja schon bewiesen, indem sie es geschafft hatten ins Lager zu kommen.
    „Mir sind verschiedene Möglichkeiten eingefallen, wie sie das geschafft haben könnten...“ Hadamar wartete nicht groß ab, bis der Legat ihm erlaubte weiter zu sprechen. Er war ja ohnehin schon immer etwas laxer gewesen... Und dadurch, dass der Artorius so viele andere Aufgaben als Primus Pilus noch hatte, war Hadamar auch nicht übermäßig gedrillt darauf, sich in Gegenwart von Vorgesetzten hundertprozentig korrekt zu verhalten. Der einzige Höherrangige, mit dem er wirklich öfter Kontakt hatte, war Corvinus. Mit dem er befreundet war und sowieso anders umging. Ohne darüber nachzudenken fuhr er also fort: „Erstens: irgendein Wachdienst hat doch gepennt und traut sich nicht, das zuzugeben. Mein Vorschlag wär, alle eingehender zu befragen, um herauszufinden, ob nicht doch jemand nachlässig war.“ Und mit eingehend meinte Hadamar sicher nicht, sie einfach nur in einer Einzelsitzung lieb zu fragen... das hätte böse ausgehen können. Richtig böse. Wer auch immer sich reingeschlichen hatte, hätte genauso gut auch Kehlen aufschlitzen können. Unter anderem seine Kehle... So was nahm Hadamar übel. „Zweitens: es sind immer wieder Abordnungen der Aufklärer unterwegs, auch nachts kommen welche zurück. Vielleicht haben sie sich als die ausgegeben und sind damit durchgekommen.“ Bei entsprechend selbstsicherem Auftreten war das möglich... Hadamar wusste aus eigener Erfahrung, mit wie viel man durchkommen konnte, wenn man alle anderen nur mit einer Mauer aus Selbstsicherheit umhaute. Dazu kam, dass ihr Heer aus zwei Legionen und zwei Alae bestand, keiner konnte da alle kennen... das machte es nur umso einfacher. Variante Nummer zwei gefiel ihm persönlich am besten, er jedenfalls hätte es so versucht. „Auch in dem Fall müssen aber die Wachen noch genauer befragt werden, bisher hat keiner etwas gemeldet, dass jemand in der Nacht zurückgekommen ist. Und drittens: Sie hatten Hilfe von drinnen. Unzufriedene gibt es immer... und außerdem haben wir Gesellschaft von einem Prätorianer. Ein Decurio namens Atius Romanus.“

  • Der Legat legte die Strecke zum Haupttor zügig zurück, anschließend schritt er entlang des Walls. Er wollte sich noch einmal mit eigenen Augen von der Qualität der Lagerbewehrung überzeugen, die letzte Nacht überwunden und in Kürze ebenerdig gemacht werden sollte. Mit einem kurzen spöttischen Auflachen reagierte Menecrates auf die Auskunft, in der VIII. würden bei Abgabe 6 Sesterzen pro Flugblatt gezahlt. Die Maßnahme hielt er einerseits für klug, andererseits für traurig.


    Es folgten die Spekulationen über die Ursache der Pleite. Offensichtlich gab es bislang keinerlei Fakten oder wenigstens Indizien, doch Spekulationen konnte der Legat selbst anstellen, zumal die als erstes vorgebrachte von ihm selbst in Erwägung gezogen wurde und er bereits - unabhängig davon, ob sie zutraf oder nicht - zu radikalen Maßnahmen gegriffen hatte. Sämtliche Wachsoldaten wurden nicht nur vom Wachdienst abgezogen, sondern würden über den gesamten Feldzug keine ehrbare Aufgabe mehr zugeteilt bekommen. Bei Hilfsarbeiten konnten sie nur begrenzt Schaden anrichten.


    Menecrates holte bereits Luft, als sich der Optio zu einer weiteren Spekulation äußerte. Er registrierte die durchaus brauchbare Überlegung und sparte sich die ursprünglich angedachte Bemerkung. Stattdessen spielte er den Gedanken nochmals durch. Er würde die Wachleistung seiner Männer weniger stark herabmindern. Dennoch, die angedachte Strafe würde er auch in diesem Fall beibehalten.


    Als der Optio Spekulation Nummer drei formulierte, winkte Menecrates bei Zeiten ab. Die Möglichkeit, dass es Hilfe von innen gab, lag auch für ihn nahe. Kein neuer Gedankengang also. Außerdem wollte er eigentlich einen Bericht über die Stimmung im Lager haben und keine Hilfestellung bei der Ursachenforschung.


    "Dieser Atius, wo genau kampiert er?", wollte Menecrates als erstes wissen. "Ich möchte ihn nicht in unseren Reihen haben." Damit meinte er die der Secunda. "Zu den Flugblättern: Wir handhaben das wie die VIII., nur zahle ich 10 Sesterzen pro Blatt. Dann können sich die Männer auf die Ungleichbehandlung bei der Abgabeprämie zwischen den Einheiten stürzen, das lenkt vielleicht ab. Allerdings soll das Einsammeln nicht den Abbruch des Lagers unnötig aufhalten. Maximal einer pro Contubernium darf für das Sammeln und Einlösen der Prämie abgestellt werden.
    Eine Ansprache werde ich erst dann an die Männer richten, wenn sich herausstellt, dass weite Teile der Einheit zu lange über den Inhalt der Botschaft nachdenken. Ich möchte keine schlafenden Gänse wecken. Deswegen brauche ich - sagen wir morgen um die gleiche Zeit - einen aktualisierten Bericht über die Stimmung im Lager."

  • Hadamar lief mit dem Legat mit, stets einen halben Schritt zurück, und ließ seinen Blick ebenfalls über die Wälle schweifen, während er der Reaktion auf seine Worte zuhörte. „Nach meiner Information ist der Decurio im Umkreis des LAPP untergebracht“, antwortete Hadamar, und nickte zur darauf folgenden Anweisung. „Zu Befehl, Legat“, kam knapp über seine Lippen, während er schon überlegte, wie er das umsetzte... einer pro Contubernium war gut, die Zeltgemeinschaften konnten sich die Kohle dann teilen, und vielleicht schlossen sich auch mehrere zusammen. „Ich werd die Ohren offen halten, was die Männer sich so erzählen.“ Den Tag über, während des Marschs, vermutlich nicht allzu viel, aber spätestens heute Abend dann würde es wohl Tratsch geben. „Wenn ich einen Vorschlag machen darf, Legat?“ Diesmal wartete Hadamar, bis der Legat ihm die Erlaubnis erteilte weiter zu sprechen. Er hatte ihn zwar nicht gerügt... aber es war auffallend genug, dass er auf das meiste gar nicht eingegangen war von dem, was Hadamar gesagt hatte. Und es war nicht allzu schwer sich denken zu können, was das hieß – vor allem dass er wohl Glück gehabt hatte, keinen Rüffel zu kriegen. In jedem Fall aber, dass es besser war für sich zu behalten, was nicht über die Anforderungen des Legaten hinausging. Wäre vielleicht sogar besser gewesen, ganz die Klappe zu halten, nicht einmal mehr zu fragen ob er einen Vorschlag machen durfte... aber das brachte Hadamar dann doch nicht fertig, dass er stumm blieb, wenn ihm eigentlich was auf der Zunge lag.

  • Nachdem das Gespräch mit seinem Legaten beendet war und dieser ihn entlassen hatte, machte Hadamar sich zuerst mal daran, die Befehle umzusetzen, die er gekriegt hatte. Er ließ die Info verbreiten, dass auch in der Legio II für jeden Wisch etwas gezahlt wurde, gemeinsam mit der Order, dass höchstens ein Mann pro Contubernium sich darum kümmern durfte, während der Rest das Lager abzubauen und Marschbereitschaft herzustellen hatte. Danach rief er ein paar seiner Leute zu sich, denen er vertraute – er hatte immer noch einen schweren Stand, er kämpfte immer noch um Respekt und Anerkennung, auch wenn die Ablehnung nicht mehr so schlimm war, nicht mehr so offen, und vor allem nicht mehr bei so vielen... und ja, ein paar gab es mittlerweile, denen er eben tatsächlich auch vertrauen konnte, was allerdings nicht bei allen unbedingt gleichbedeutend war damit, dass diese ihn nicht ablehnten, sondern dass es aufrechte Kerle waren –, denen er den Auftrag gab, sich unauffällig umzuhören. Die Stimmung zu erforschen. Geschwätz aufzugreifen. So gut das möglich sein würde im Verlauf des morgendlichen Aufbruchs, und dann später am Abend, wenn sie wieder rasten würden. Ein weiterer wurde dazu abgestellt, sich offiziell am Abend die Berichte der anderen Cohorten zu holen, wie die Stimmung aussah, und Hadamar selbst nahm sich freilich ebenfalls vor, sich umzuhören. Er hatte lange nicht mehr so viel Zeit wie früher, einfach im Lager herumzustreifen abends und sich mal hier, mal da mit irgendwelchen Kameraden zusammenzusetzen, zu spielen, zu trinken, zu feiern, aber wenn er Zeit dazu hatte, machte er das immer noch... schon allein weil es ihm einfach Spaß machte, und weil er das in seiner eigenen Centurie einfach nicht mehr konnte. War einfacher in den anderen, wo sie ihn nicht notwendigerweise als Optio der Prima kannten. Und die von früher kannte er ja freilich immer noch. Einen Versuch war es also definitiv wert, sich auch selbst umzuhören.


    Am Abend machte Hadamar dann allerdings trotzdem zuerst was anderes, als das Lager stand und so weit alles geregelt war. Ihm ging der Prätorianer-Decurio nicht aus dem Kopf... und nach dem, was er erfahren hatte, war der Kerl nicht einfach nur so dabei – was ihn auch gewundert hätte –, sondern war in Mogontiacum festgesetzt gewesen und befragt worden. Jetzt hätte Hadamar freilich einfach darauf vertrauen können, dass das alles schon seine Richtigkeit gehabt hatte, aber... naja. Hadamar vertraute ungern blind auf das, was andere getan hatten, die er noch nicht mal kannte. Und er wollte gern ein bisschen mehr wissen, und das nicht über x Ecken, sondern so direkt wie möglich. Also machte er sich auf den Weg ins Zentrum ihres Heeres, dort, wo stets der LAPP war – was zum Glück nicht allzu weit weg war von seinem eigenen Lager, da das Heer zum einen durch das gemeinsame Riesenlager vergangene Nacht auch jetzt noch relativ dicht beieinander war, und zum anderen die jeweiligen Kommandanten in Reichweite zu bleiben versuchten, um sich rasch abstimmen zu können... und die Prima der II blieb freilich in der Nähe ihres Legaten. Es dauerte also nicht allzu lang, bis Hadamar das Lager des LAPP und seiner Leibwache erreicht hatte und sich dort bei der Wache meldete. „Optio Duccius Ferox von der Secunda, Cohors I, Centuria I“, salutierte er. „Ist Tribun Aurelius zu sprechen?“

  • Als Sextus anfänglich des Feldzuges gedacht hatte, er würde diesen hassen, hatte er noch nicht gewusst, wie entsetzlich dieser letzten Endes doch wirklich werden würde. Es schien ihm beinahe schon, als wäre es ein ganz anderes Leben gewesen, das er vor seiner Flucht und der Proskription geführt hatte, und als hätte er mehrere Jahre nun nur auf dem Rücken eines stinkenden Pferdes oder inmitten von stinkenden Männern verbracht. Gepflasterte Plätze, hohe Tempelbauten, tiefsinnige Gespräche, und vor allen Dingen: Ein Bad! Das waren Dinge, die so nach und nach zu einer vagen Erinnerung verblassten, als wäre Zivilisation nur eine Idee nach Vorbild Platos, etwas so unerfahrbares wie Gleichheit, Güte oder Gerechtigkeit. Sextus konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann er sich zuletzt so wirklich sauber gefühlt hatte.
    Auch heute bildete da keine Ausnahme. Nachdem wegen einer nach wie vor unbegreiflichen Situation das Lager in helle Aufregung verfallen war und man nur eine notdürftige und alles in allem unbefriedigende Lösung gesucht hatte, dieser Zettel Herr zu werden, hatte sich Sextus mit sich ausbreitenden Kopfschmerzen zurückgezogen. Seine Lösung für diese Sache wäre weitaus brachialer gewesen. Weitaus brachialer. Er konnte beim besten Willen nicht verstehen, wie man darauf verzichten konnte, die säumigen Wachen hinzurichten. Das war seiner Einschätzung nach extrem schlecht für die Moral. Die römische Legion funktionierte auf den Grundsätzen von Disziplin und Ehre. Ehre konnte man nicht erzwingen oder forcieren, sondern nur herbeireden. Aber Disziplin war ein scharfes Schwert, das durch solche Geschichten wie heute deutliche Rostflecken offenbarte, die man auswetzen musste, nicht wegkuscheln. Wenn dieser Vorfall ungestraft blieb, verlor die Obrigkeit für den gemeinen Soldaten seinen Schrecken. Wenn selbst Feinde Unmengen an Zetteln einfach so verteilen konnten, wie sollte man dann den Soldaten erklären, dass man eben diese Feinde in der Schlacht besiegen könnte? Hatte man einen Schuldigen, wurde der Vorfall mit ihm ausgemerzt und wenn schon nicht der Glaube an den Sieg, so führte doch die Furcht vor Strafe dann dazu, dass die Legionäre ihre Pflicht taten. Aber so? Nein, Sextus war mit der Gesamtsituation mehr als unzufrieden.


    Als er sich also gerade hinlegen wollte und so etwas wie ein wenig Schlaf zu finden in diesem armeegewordenen Alptraum, hörte er schon das nächste Problem vor seinem Zelt. Ein Optio von der zweiten Legion. Und hätte dieser nicht rein zufällig als Name ein vernehmbares Duccius anklingen lassen, Sextus hätte ernsthaft überlegt, vehemente Maßnahmen einzuleiten. Wenn er schon niemanden wegen dieser Zettelgeschichte bestrafen konnte, so doch ganz gewiss wegen Störung seiner Ruhe.
    Allerdings hieß der Optio nun einmal Duccius – auch wenn Sextus sich nicht daran erinnern konnte, dass einer von Valas Verwandten unter dem Claudier den Adlern diente. Was aber nichts heißen musste, hatte Sextus sämtliche Namen der Verwandten seines Verbündeten doch vergessen, kaum dass er sie gehört hatte – und so wägte Sextus ab, ob er Vala so vor den Kopf stoßen sollte oder die Situation einfach über sich ergehen lassen sollte. Letztendlich fiel die Entscheidung auf letzteres.
    Als also einer der Wachhabenden vor seinem Zelt die Plane liftete, um einen Blick ins Innere zu werfen, stand Sextus schon da und begab sich nach draußen. “Optio?“begrüßte Sextus den Mann mit Rang und gleichsam der unausgesprochenen Frage, was es denn so dringendes gab, was ausgerechnet mit ihm besprochen werden musste.

  • Lange warten musste er nicht, was er schon mal als Plus wertete – kaum dass die Wache sich umdrehte, um ins Zelt zu schauen, trat der Tribun auch schon hinaus. Hadamar konnte sich noch an das Fest erinnern, bei dem er den Mann kennen gelernt hatte, als... Bekannten, Verbündeten, Freund? von Alrik, aber er bezweifelte, dass der sich umgekehrt an ihn erinnerte. Es hatte eine Menge neue Gesichter gegeben für den Aurelius an diesem Abend, und viele davon waren wichtiger gewesen als er. Davon abgesehen hatte er an dem Abend kaum Zeit mit seiner Familie verbracht, sondern hatte sich recht bald verzogen, um die Petronia zu finden und danach mit seinen Kumpanen von früher zu feiern. Aber für den Grund, warum er hier, spielte das keine Rolle. Er salutierte vor dem Tribun erneut, sparte es sich allerdings, die komplette Meldung zu wiederholen. „Entschuldige die Störung, Tribun“, fing er an und warf aus dem Augenwinkel heraus einen kurzen Blick auf die Wachen, die in unmittelbarer Hörweite standen. Aber das lag nicht an ihm zu entscheiden, wo sie sich unterhalten würden, vorausgesetzt der Tribun hatte überhaupt Zeit dafür. Oder Lust darauf. Sein eigener Legat hatte ja nicht viel mehr zu dem Thema gesagt als dass er den Prätorianer nicht in der Nähe der Secunda haben wollte. „In unserem Heer ist ein Prätorianer... Decurio Atius.“ Es wäre einfacher gewesen, wenn er einen offiziellen Auftrag gehabt hätte, den er einfach runter rattern konnte... aber half ja nix, also rückte Hadamar einfach unverblümt raus mit der Sprache. „Ich hab gehört, du hast in Mogontiacum mit ihm gesprochen, und würd gern wissen was du von ihm hältst.“

  • Einen kurzen Augenblick überlegte Sextus, ob er den Kerl vor ihm noch kannte. Aber offensichtlich war das Gesicht als eindeutig nicht wichtig genug erachtet worden, um erinnert zu werden. Erwartet hatte er eine der üblichen Anfragen zur Truppenkoordination oder die Einladung zu der einen oder anderen Besprechung. Angesichts des Desasters vom vorigen Tag wäre eine Besprechung auch nicht unwahrscheinlich gewesen. Aber nein, der kleine Optio vor ihm wollte dann doch etwas unerwartetes.
    Sextus Augenbrauen wanderten fragend nach oben. Er sollte über den Atier reden? Was er von ihm hielt? Nun, Sextus fielen so einige Bemerkungen ein, die er – zu beiden Atiern in ihrem Heer – sagen könnte, allerdings war er sich nicht schlüssig, was der Duccius davon halten würde. Und überhaupt,w arum er das wissen wollte, und in welcher Beziehung. Eine Einschätzung über die Trinkfestigkeit und die Saufeigenschaften des Prätorianers war sicher etwas anderes als eine Einschätzung zu dessen Loyalität. Wobei Rang und Fragestellung sowohl das eine als auch das andere hier avancieren könnten. Und keines der Themen etwas für diese Örtlichkeit so war. Nicht, dass Sextus' Wachen nicht wissen dürften, dass er abfällig über im Rang niedriger stehende dachte. Er war Patrizier und ihm war egal, ob ihn die Leute hier mochten. Ein wenig gehörte es fast dazu, dass er auf den stinkenden Haufen despektierlich herabsah. Allerdings war es dennoch kein Zeichen von dignitas, über irgendwelche Legionäre zu lästern.
    “Mitkommen“, befahl Sextus also einfach, kurz und leise und stapfte los. Ein wenig Bewegung konnte gut tun und verringerte die Chance, gehört zu werden. Sextus schlug eine zackige Gangart ein, hinauf zu den Wällen, und gab so dem Gespräch einen semioffiziellen Charakter in Bezug auf die Befestigungen.
    “Weshalb fragst du nach dem Atier?“ stellte Sextus zunächst eine Gegenfrage, um den Hintergrund etwas näher zu beleuchten und so die Richtung der passenden Antwort herauszufiltern.

  • Hadamar war doch ein wenig erleichtert, dass der Tribun ihn nicht kurzerhand wieder fortschickte, sondern zumindest gewillt war sich weiter mit ihm zu unterhalten. Er löste seine Haltung und folgte dem Aurelier, hielt mit seinem forschen Tempo problemlos mit, blieb dabei aber stets einen halben Schritt zurück, wie immer, wenn er mit Vorgesetzten unterwegs war. Er hätte gar nicht mehr sagen können, wann genau ihm das in Fleisch und Blut übergegangen war... aber es war irgendwann nach seiner Beförderung zum Optio gewesen. Davor hatte er nicht so viel Wert auf solche Dinge gelegt... hatte nur getan, was gerade so nötig war, und hatte es trotzdem immer mal wieder geschafft, sich Schwierigkeiten einzuhandeln deswegen. Nachdem er Optio geworden war allerdings hatte er ziemlich schnell gelernt, dass es Dinge gab, um die er da einfach nicht mehr herumkam. Und obwohl er auch vorher schon gewusst hatte, dass Dinge wie Disziplin ihren Sinn hatten, war es doch eine Sache, das zu wissen, und eine andere, es tatsächlich zu erfahren.


    Er folgte dem Tribun also die Wälle hinauf und wartete, bis dieser wieder zu sprechen begann. „Er ist mir heut morgen über den Weg gelaufen“, antwortete er dann, während sie den Wall oben abschritten, und überlegte kurz, was genau er erzählen sollte. Und wie viel. Er wollte den Tribun ja überzeugen, ihm seine Einschätzung zu geben, ihm vielleicht sogar zu erzählen, was er mit dem Prätorianer besprochen hatte – sagte er zu wenig, oder zu viel, oder schlicht das Falsche, würde der Aurelier vielleicht kein Interesse daran haben ihm irgendwas zu sagen. Bei seinem Legat zumindest hatte er wohl zu viel geschwafelt, befürchtete er. „Er meinte, das mit den Zetteln letzte Nacht wären seine Kameraden gewesen – keine Ahnung, warum er das so rausposaunt hat, aber er ist verschwunden, bevor ich ihn was fragen konnte.“ Hadamar fand es immer noch seltsam, dass der Decurio einfach nur diesen Kommentar hatte fallen lassen, nur um danach gleich wieder zu gehen. „Hältst du es für möglich, dass er den Eindringlingen geholfen hat?“

  • Auf dem Wall war weniger los als im Lager selbst. Sextus stand da und sah nach Außen in das gräßlich bergige Gebiet, das noch vor ihnen lag. Er mochte sich die Plackerei gar nicht vorstellen, die es bedeuten würde, die ganzen Männer mitsamt des die Mission so schrecklich verlangsamenden Trosses über dieses steinerne Bollwerk zu schaffen.


    Der Duccius wiederum eröffnete das Gespräch auf die denkbar schlechteste Art und Weise. Er war ihm 'über den Weg gelaufen'? Wollte der Mann nun von jedem Mann eine persönliche Einschätzung, dem er über den Weg lief? Das könnte bei der Fülle an Männern im Lager dann ein langes Gespräch werden. Die folgenden Sätze revidierten diesen Gedankengang leider auch nicht vollständig.
    Sextus schwieg zunächst zu der Frage. Er hielt den Atier weder für fähig noch für intelligent genug, sich so mit Leuten von Außen im Vorfeld unterhalten zu haben. Die Koordination einer solchen Sache hätte seinen doch recht einfachen Verstand sicher überfordert. Sextus erwartete von einem Mann, der sich nicht einmal über eine militärische Reihenfolge im klaren war, nicht unbedingt hohe kognitive Planungen, die in einer derartig großen Sache mündeten wie diese Zettelaktion.
    Auf der anderen Seite war der Atier ein perfekter Sündenbock. Wenn man dem Lager einen Spion präsentieren könnte, der die Schuld an der Aktion trug, einen Kollaborateur, den man hinrichten konnte, um die Schande des eigenen Versagens mit dessen Blut von sich zu waschen, war das eine disziplinfördernde Maßnahme. Und Sextus konnte nicht behaupten, dass er den Atier oder seinen Cousin in irgendeiner Weise vermissen würde.
    Kurz blickte Sextus zu dem Duccier. Würde jener wohl den kompletten Gedankengang verstehen können, so dass er Tacheles reden konnte? Wohl eher nicht. Zu jung, zu ungebildet, zu germanisch. Und zu ungewaschen.
    “Der Atier erschien mir ein recht einfach gestricktes Gemüt zu haben. Allerdings kann jenes auch nur vorgetäuscht sein. Vescularius hat die Prätorianer schon vor langer Zeit auf seine Linie gebracht und sie immerhin auch dafür eingespannt, Imperator Valerianus für ihn zu ermorden. Zwar schwört der Decurio, davon ncihts gewusst zu haben und den Mord an Valerianus rächen zu wollen und uns deshalb helfen zu wollen, aber wer weiß, wie gut er lügen gelernt hat. Ich würde nicht so weit gehen, zu behaupten, er habe sich absichtlich gefangennehmen lassen, allerdings mag es durchaus sein, dass er die Gelegenheit genutzt hat. Eine Begleitung des Feldzuges ist sicher allemal besser als ein Carcer in Mogontiacum.
    Nur wüsste ich nicht, wie er Kontakt aufgenommen hat. Dies herauszufinden dürfte wohl die schwerwiegendste Frage hierbei sein.“

  • Hadamar grübelte über das, was der Tribun sagte. Einfaches Gemüt. Könnte aber vorgespielt sein. Er fragte sich nur, warum dieser Prätorianer sie nicht nur begleitete, sondern auch noch völlig frei im Lager herumlaufen durfte, wenn seine Kameraden doch offenbar den Kaiser umgebracht hatten. Den alten. Selbst wenn er tatsächlich helfen wollte, Hadamar hätte ihn wenigstens unter Beobachtung gestellt und ihn nicht allein rumlaufen lassen. Aber er hütete sich, den Tribun zu fragen warum das so war. Die unteren Ränge stellten nicht in Frage, was die Obrigkeit tat, so einfach war das. Schon gar nicht, wenn da ein Unterschied von mehreren Rängen dazwischen lag. Er konnte bei seinem eigenen Centurio in ruhigen Momenten nachfragen, manchmal sogar Zweifel äußern – ein bisschen war er ja als Optio dafür da, und ein bisschen nahm er sich das einfach heraus, auch wenn er dafür hin und wieder eins auf den Deckel bekam. Aber bei allen anderen Ranghöheren konnte er das ganz sicher nicht.


    Der Tribun allerdings schien nach wie vor nicht ungewillt zu sein, mit ihm zu reden... auch wenn Hadamar seine Ausdrucksweise ziemlich gestochen fand, und er zum ersten Mal seit langem feststellte, dass Latein, so fließend er es mittlerweile sprach, eben doch nicht seine Muttersprache war. Und er sich, vor allem nach dem langen Tag heute, gerade doch ziemlich konzentrieren musste, den Worten zu folgen. Aber: der Tribun redete, also beschloss Hadamar, die Gelegenheit zu nutzen und sich weiter voran zu tasten. Die erhaltenen Informationen konnte er immer noch später gedanklich vernünftig sortieren. „Er scheint sich frei im Lager bewegen zu können. Weißt du, ob er unter Beobachtung steht?“

  • Tja, genau dieselbe Frage stellte sich Sextus eigentlich auch. Er traute dem Atier nicht weiter, als er ihn werfen konnte, und dem Annaeer, auf dessen Mist diese ganze Idee gewachsen war, traute er sogar noch ein bisschen weniger. Hätte die alleinige Entscheidungsgewalt bei ihm gelegen, er hätte den Atier noch in Mogontiacum einen Unfall erleben lassen, einfach nur zur Sicherheit. Am besten im Verein mit seinem Vetter bei der Ala. Allerdings war letzterer ein Klient des Annaeus, wie sich herausgestellt hatte, und das erklärte wohl auch die Freizügigkeit des Statthalters in Bezug auf den Prätorianer, der nicht nur nicht-tot war, sondern auch noch durch die Gegend lief und kleine Optios verwirrte. Allerdings gehörte auch dies zu den Dingen, die zu kommunizieren eine gewisse Vertrauenswürdigkeit voraussetzen würde, und was diesen Duccier hier vor ihm anging, so rangierte er hier nur unwesentlich höher als der Atier selbst.


    “Diese Frage ist wohl dem Statthalter zu stellen, auf dessen Befehl sich der Atier im Lager aufhält.“ Und es war selbstverständlich, dass der Duccius dem Annaeus diese Frage nicht stellen würde. Was im Grunde kontraproduktiv zu Sextus' eigentlicher Idee war, in dem Atier einen Sündenbock zu generieren. Wobei sich hier vielleicht auch die Saat legen ließ, die in einem Zweifel an Annaeus Modestus resultierte. Kurz überdachte Sextus diese Möglichkeit. Auf lange Sicht sicher keine seiner schlechteren Ideen, und in der Tat eine Möglichkeit, diesen Mangel an vernünftiger Entscheidungskraft offenzulegen. Allerdings wohl noch verfrüht, denn die niederen Ränge sollten nicht an ihrer Führung dergestalt zweifeln beginnen, dass sie am Ende noch überlegten, ob es eine gute Idee wäre, weiterhin für sie zu kämpfen, oder nicht eine bessere, für ihren Gegner. Dies war ein unüberschaubares Risiko, und Sextus hasste unüberschaubare Risiken.
    “Ich nehme an, er hat seine Freiheit seinem Verwandten bei der Ala aus Confluentes zu verdanken. Und es wäre nicht auszudenken, wenn beide Männer hierbei zusammenwirken würden, immerhin befehligt Atius Scarpus kommisarisch die Reiterei.“ Dagegen, die Atier zu diffamieren und einen Keil zwischen Legio und Ala zu treiben sprach hingegen nichts. Die Reiter waren nur für Plänkeleien gedacht und nicht schlachtentscheidend. Darüber hinaus fände Sextus eine Eingliederung der Reiter in die Legionen für die Dauer des Feldzuges ohnehin pragmatischer, was eine Führung der Ala überflüssig machte. Noch dazu, wenn diese nicht einmal durch einen Mann von Stand bekleidet wurde. Sextus verstand nach wie vor nicht, warum der Annaeer dem Atier den Posten ließ, selbst wenn das sein Klient war. Ein klein wenig Standesbewusstsein hätte er einem Mann, der immerhin einmal Prätor war, doch zugetraut. “Allerdings scheint mir diese Zettelgeschichte doch ein wenig groß zu sein, als dass sie ohne Hilfe hätte bewerkstelligt werden können. Es waren ja doch einige Schriftstücke.“

  • Dem Statthalter. Na super. Zu dem würde er kaum einfach so hinlaufen und ihn bitten können, ob er ihm ein paar Fragen stellen durfte... Wobei Hadamar es auch ein wenig seltsam fand, dass der Aurelier ihm das nicht beantworten konnte. Immerhin war der doch der Tribun der Leibwache des Statthalters – sollten solche Sachen dann nicht gerade in seinem Aufgabenbereich liegen, eigentlich? Hadamar warf dem Mann einen leicht irritierten Blick zu, sagte aber nichts dazu. Entweder war das eine Sache, die er ihm nicht sagen wollte... und von der er ihm noch nicht mal sagen wollte, dass er sie ihm nicht sagen wollte – musste das so kompliziert sein? –, oder er wusste tatsächlich nicht Bescheid, was dann doch irgendwie hieß, dass der Statthalter seinen eigenen Tribun in der Sache außen vor ließ, aus welchen Gründen auch immer. Und beide Varianten waren nichts, wo ein einfacher Optio einen Tribun mit Nachfragen nerven sollte, wenn er nicht gerade die nächsten Wochen irgendeinen Strafdienst leisten wollte... und Hadamar wollte das ganz sicher nicht. Also schwieg er nur dazu und grübelte stattdessen, ob er sonst irgendwie rausfinden könnte, ob der Prätorianer unter Beobachtung stand... Gedanken, die dann allerdings gleich schon wieder weggewischt wurden durch das, was der Tribun als nächstes ausführte. Wenn die Ala II da mit drin steckte... das konnte übel enden. Sehr übel. Und Hadamar fand den Gedanken nicht so abwegig, jedenfalls nicht was die beiden Atier dann betraf – sie waren Familie, und Familienbande waren... stark. Er war sich ja selbst nicht sicher, was er tun würde, wenn seine Verwandten auf der anderen Seite in diesem Krieg stünden. Und es machte einfach Sinn... wenn der Prätorianer den Kommandant der Ala II auf seiner Seite hatte, dann wäre es ein leichtes für die beiden gewesen, irgendwo ein paar Prätorianer über den Bereich der Ala ins Lager zu schmuggeln.


    „Egal wer's war, Hilfe hatten sie auf jeden Fall. Ich frag mich nur warum sie net gleich noch nen bisschen Schaden angerichtet haben, wenn sie schon dabei waren“, brummte Hadamar und konnte gerade noch so den Fluch unterdrücken, der ihm auf den Lippen lag. Irgendwie sah es gerade nicht so aus, als ob es noch etwas gab, was er tun könnte. Am liebsten hätte er den Prätorianer irgendwie, irgendwo beim Trinken und Spielen erwischt, sich dazu gesellt, und mit ihm geplaudert, ganz zwanglos, bei Bier und mit Würfeln... aber das hier war ein Marschlager. Es gab keinen Platz, wo sich Soldaten unterschiedlicher Einheiten einfach so trafen. Die blieben alle unter sich, und wenn sie am Abend noch ein bisschen Spaß hatten, hatten sie es im kleinen Kreis am eigenen Lagerfeuer. Es würde auffallen, wenn er einfach so bei der Ala aufkreuzte oder im Gefolge des Statthalters und sich dort nach dem Prätorianer umsah. Der einzige andere Weg, der ihm noch einfiel, war der offizielle... der über seinen Legat. Aber nachdem der am Morgen kaum mehr gesagt hatte zu dem Verdacht, als dass er den Prätorianer nicht bei der Secunda haben wollte, glaubte Hadamar kaum, dass er einwilligen würde offiziell beim Statthalter anzufragen deswegen...
    Jetzt entwischte ihm doch ein leiser Fluch. „Wenn der Statthalter ihn hier haben möcht, geh ich mal davon aus, dass es keine Möglichkeit gibt, den Prätorianer zu befragen. Oder?“ machte er noch einen letzten Versuch. Mehr als nein konnte der Tribun kaum sagen... naja, vielleicht ihn rügen, weil ihm das dann doch zu dreist wurde.

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