Aufklärung gen Osten

  • Der Tag war wie im Flug vergangen.
    Außer Damasippus und Ocellus, die den Posten vor Ort zu stellen hatten und nun beauftragt waren, das Feuer zu löschen und alles wieder in den Zustand zu bringen, in dem sie ihn vorgefunden hatten, hatten sich alle equites ausgeruht. Der volle Magen tat ihnen allen gut, vor allem da keiner wußte, wann sie wieder zu solch einem Braten kommen würden.
    Langsam behgann es zu dämmern.


    "Hört her!"
    wandte sich der decurio an seine Männer.
    "Wir reiten in der gewohnten Einteilung und den bekannten Abständen. Damasippus und Ocellus, ihr wißt Bescheid. Labeo und Calenus als nächste Posten prägt euch den kommenden Weg gut ein. Antias reitet neben mir. In equos conscendite!"


    Dann gab er das Zeichen zum Abrücken.


    Sie hatten Glück. Die einfallende Nacht war ruhig und der Mond tat mit seinem Licht das Seine. Sie hielten sich abseits der großen Straße. Endlich erreichten sie einen Olivenhain. Der decurio ließ anhalten und die restlichen Paare aufrücken und absitzen..


    "Wir machen hier eine kurze Rast. Antias wird wieder einjeden nach eigenem Befinden und dem seines Pferdes befragen. Geredet wird, wenn unbedingt nötigt, nur im Flüsterton."

  • Das ungeahnt gute Essen, Ferkel am Spieß, eine willkommene Abwechslung im eintönigen Speiseplan. Antias hatte sich den Bauch vollgeschlagen. Den ganzen Tag träge herumliegen, die einzige Unterbrechung war die Wache. So war das Legionärsleben gar nicht schlecht. Der einzige Makel, ihm fehlte Lucilla.


    Am Abend ging es weiter, in der gewohnten Marschordnung. Dicht neben den Decurio ritt Antias. " Darf ich etwas fragen?" flüsterte Antias zum Decurio. " Auf wen werden wir zuerst treffen. Auf Freund oder Feind und woran erkennt man, wen man vor sich hat? Wir sind alle Römer." Das klang sehr seltsam aus dem Mund eines Thrakers. Die Frage hätte er vielleicht auch nicht stellen sollen. Für ihn war es wichtig. Er wollte nicht in Gefangenschaft oder getötet werden. Er wollte zurück nach Mantua.


    Hätte er Chio damals nicht überredet mit ihm zu kommen. Wären sie in Rom geblieben. Was hätte sie da erwartet? Schenkte er den Gerüchten glauben, war der alte Tiberer tot. Faustina galt als vermisst. Man hätte sie an andere verkauft. Nein es war gut so wie es war, redete er sich ein.


    Nach dem Absitzen ging er die Gruppen ab, überzeugte sich selber bei den Pferden, dass alles in Ordnung war. Bis jetzt gab es nichts auffälliges. Die Pferde waren in Ordnung, bei den Männern musste er glauben, was sie ihm sagten.


    " Alles in Ordnung Decurio. Bei den Pferden und den Männern. Die Wachen sind eingeteilt." meldete er flüsternd. Antias hatte die Paare und die Stunden gewechselt. Es sollte keine Routine bei der Wache einkehren.

  • Die kurze Rast war schnell beendet. Der decurio gab den Befehl zum Aufsitzen und die equites setzten sich wie angeordnet in Bewegung. Nach einiger Zeit wandte er sich leise an Antias.


    Zitat

    Original von Servius Obsidius Antias
    " Darf ich etwas fragen? Auf wen werden wir zuerst treffen. Auf Freund oder Feind und woran erkennt man, wen man vor sich hat? Wir sind alle Römer."


    "Um auf deine Fragen zurückzukommen. Auf wen wir zuerst treffen kann ich dir beim besten Willen sicht sagen. Auch nicht, ob es Freunde sind oder feindlich Gesinnte. Und woran würdest denn du sie erkennen? Es ist traurig genug, daß es sich, so wie es scheint, nur um Römer, also unsere Brüder, handeln wird. Aber um dies, wenn es soweit ist, herauszufinden sind wir vielleicht im Vorteil, denn die wissen wiederum nicht, wer und was wir sind. Unsere Kleidung, besser gesagt Verkleidung, tut hierfür das Nötige. Aber ..."


    er hatte die Sorge im Unterton des eques nicht überhört,


    " ... warum fragst du? Hast du jemanden, der auf dich wartet, ein Mädchen oder bist du liiert?"


    Bevor die Rückantwort kam wirkte er beruhigend auf den eques ein und fuhr fort


    "Keine Sorge, wie dem auch sei, bei uns equites ist so manches anders!"

  • Der Decurio tippte richtig. Antias zögerte. " Da sind zwei Mädchen. Eine Bäckerin und ihre Gehilfin." sagte Antias stolz. Er wollte nicht angeben. Es entsprach der Wahrheit. Lucilla und Marei waren seine beiden Mädchen. Das große seine Verlobte, das kleine wie seine Tochter.


    " Lebensmittel braucht jeder. Die werden sie sich bei den Leuten aus der Umgebung holen. Wir brauchen nur abzuwarten und die Augen offen zu halten." So dachte sich Antias das. Die gaben sich von selbst zu erkennen, wer sie waren und wohin sie gehörten.


    Es war die tägliche Anspannung, das auf der Hut sein, das Beobachten von Land und Leuten, was nervös machte. Die Worte des Decurios beruhigten wenigstens für den Moment.

  • "Bleibt nur zu hoffen,"


    der decurio lachte leise,


    "daß es sich dabei um eine hübsche Bäckerin handelt und die müßtest du mir natürlich dann vorstellen. Aber unter uns, wir alle wollen diese Aufklärung so gut wie möglich hinter uns bringen und uns alle wieder heil zurück in die castra bringen. Deshalb steht die Vorsicht an erster Stelle. Bis jetzt ging alles gut und, so es die Götter wollen, stehen sie auch weiter auf unserer Seite."


    Plötzlich hielt er sein Pferd an.


    "Hast du das gehört? Was war das?"


    Ein seltsames Geräusch hatte ihn aufmerksam gemacht.

  • Antias wollte antworten, eine sehr hübsche, als der Decurio sein Pferd zurück hielt. Er nickte dem Decurio zu. Das Geräusch kam von vorn. Was es war konnte er nicht sagen. Es war nichts zu erkennen. Candidus wirkte leicht nervös, seine Ohren spielten. Antias beugte sich nach vorn über den Pferdehals, ließ die Umgebung nicht aus den Augen. Beruhigend streichelte er Candidus den Hals. " Ruhig." flüsterter er dem Hengst zu. Vorsichtig tastete er nach seinen Waffen, für alle Fälle.

  • Während sie warteten schlossen die anderen equites auf. Die Stille wirkte auf ihre Art trügerisch. Ein kaum vernehmbares Säuseln des Windes, mehr war nicht. Ihre Augen versuchten die Nacht zu durchdringen. Langsam ritten der decurio und Antias weiter. Die restlichen equites folgten. Was auch immer es war, es war nichts zu sehen und zu hören.


    "Gib` durch und die anderen sollen es weitergeben: Wir reiten weiter, Abstände einhalten!"
    flüsterte der decurio seinem Mitreiter zu.

  • Antias ließ sich zurück fallen und flüsterte den Nachfolgenden den Befehl des Decurio zu. Das Geräusch mahnte zur Wachsamkeit. Auf was und wen trafen sie zuerst. Vor allem wo? Bei Nacht reiten und auf Freund oder Feind zu stoßen war gefährlich. Als er allen den Befehl überbracht hatte, ritt er wieder auf gleiche Höhe zum Decurio.

  • Und sie ritten schweigend weiter. Wie lange, das wußten sie nicht. Aber ein jeder war froh als endlich der Morgen anbrach. Nun konnte er mit Antias wieder lauter reden.


    "Da vorne sehe ich schemenhaft Häuser oder zumindest ähnliches. Wir reiten darauf zu und suchen nach einer Bleibe für uns und die Pferde. So wie es aussieht müßte es Concordia sein und hier müßten sich die Via Annia und die Via Postumia kreuzen.


    Nimm` Labeo und seht nach einem passenden Unterschlupf. Seid auf der Hut und denkt an euere Pfeifen!"

  • Mit gegebener Vorsicht, ritten die beiden auf die Häuser zu. Rechts waren Felder, durchzogen mit kleinen Hainen und Obstbaumwiesen. " Sieh den Hain da drüben an. Ich bleibe hier an der Straße." Antias stieg ab, nahm Brot und Käse und machte es sich am Straßenrand unter einem der Obstbäume bequem. Es sah so aus, als ob er noch eine Rast machte, bevor er in die Stadt ritt.
    Labeo murmelte was in seinen Bart, saß ab und ging mit dem Pferd am Zügel zu dem kleinen Hain.
    Auf der Straße kamen zwei Ochsenkarren. Die Leute grüßten. Antias erwiderte den Gruß. " Ist heute Markt?" fragte er. Der Bauer nickte. " Dann sehen wir uns vielleicht nachher." Grinsend gab der Bauer zurück. " Überleg nicht so lange, sonst holen die Legionen aus dem Norden alles weg." Legionen im Norden! Antias starrte ihn mit offenem Mund an. " Legionen?" Der Bauer trieb seinen Ochsenkarren an. " Ja, mein Nachbar hat es mir erzählt." rief er beim weiter gehen. Die Villa Rustica lagen nicht sehr dicht beieinander und meist traf man sich nur auf dem Weg zum Markt oder beim Tausch der Erzeugnisse. Das war was neues und wichtig. Antias wartete bis der Bauer ein Stück weg war. Labeo, das konnte dauern. Die Pfeife, ein langer Pfiff ertönte. Den musste Labeo gehört haben. Aus dem Hain kam er geflitzt, schwang sich auf sein Pferd und war im nu bei Antias. Der saß wartend im Sattel. " Wie sieht's aus?" "Ganz gut da. Warum machste denn so einen Wind?" Antias gab Candidus die Richtung vor und zurück ging es zum Decurio. " Im Norden sind Legionen aufgetaucht."


    Beim Decurio angekommen machte Antias Meldung. " Ein Bauer berichtete, dass im Norden Legionen aufgetaucht wären. Sein Nachbar habe ihm das erzählt." Legionen, Legion, es waren für den Bauern sicher viele Legionäre gewesen, die er gesehen hatte. Aber es waren Legionäre, davon konnte man ausgehen.

  • "Aus dem Norden?"


    zweifelnd sah der decurio zurück.


    "Wohin und zu wem wollen die? Wie dem auch sei. Unser Augenmerk ist ausschließen auf den Osten gerichtet. So lautet der Befehl. Ostwärtige Truppenbewegungen sind für uns interessant."


    Er wandte sich wieder an Antias.


    "Hör`zu! Es ist noch früh am Morgen. Reite mit Labeo nochmals zur Stadt und seht und hört euch um. Am Besten auf dem Markt, da wird viel geredet und viel gewußt. Vielleicht hat jemand diese Legionen, sprich Legionäre, gesehen und wir können daraus schließen, wer sie sind. Bis Mittag seid ihr wieder zurück. Am Abend reiten wir weiter, wir müssen morgen Aquileia erreichen. Ist alles klar?"

  • " Alles klar, Decurio." Labeo und Antias ritten in die Stadt. Auf dem Forum hatten die Händler begonnen ihre Stände aufzubauen. Gemüse, Honig, Getreide, Käse, Wein, Öl, Bekleidung, Geschirr aus Ton und was man für den Haushalt so brauchte. " Du kaufst Zwiebeln, Kraut, eingelegte Oliven, Garum und Öl." Labeo sah Antias verständnislos an. " Ich kaufe Honig, Schinken und Getreide. Hier sind 20 Sesterzen. Hör dich um, sprich mit den Händlern." Bei der Liste musste Labeo drei Händler aufsuchen, Antias das gleiche. Jeder machte seine Runde. Labeo flirtete mit einer jungen Frau am Gemüsestand, vergaß dabei nicht weswegen sie hier waren. Erfuhr von ihr wichtige Neuigkeiten. Antias besuchte zum Schluß seines Einkaufs, den Bauern, der Getreide verkaufte." Salve, nach dem was ich hier von anderen Händlern gehört habe, sind sie nicht mehr weit weg. Ich nehme einen Sack Getreide von dir." Der Bauer nickte freute sich über das Geschäft. " Du sagtest aus dem Norden, die anderen meinten aus dem Osten kommen sie." geschäftig rückte der Bauer den Sack zurecht. " Hilf mir beim Aufladen." Antias fasste mit an und sie legten den Sack quer über den Rücken des Hengstes." Ja, von uns ist es Norden. Mein Hof liegt bevor sich das Land nach Osten weitet. Für uns kommen sie alle aus dem Norden. Für den Gemüse-Bauern kommen sie aus dem Osten. Der hat seinen Hof weiter nördlich." Antias nickte und verstand. Es lag daran, wo die einzelnen Höfe lagen. Alle Unklarheiten waren beseitigt. Er bedankte und verabschiedete sich, ging zu Labeo." Verabreden kannst du dich später. Wir müssen das Zeug nach Hause bringen." Sie führten ihre beladenen Pferde aus der Stadt.


    Wieder bei der Truppe, erzählte erst Labeo und dann Antias was sie erfahren hatten. Beide stimmten überein, dass mindestens eine Legion aus dem Osten kam. Das Missverständnis mit Norden hatte sich geklärt. Die Bauern dachten bis zum Rand ihrer Felder und nicht weiter.

  • "Gut gemacht. Ich habe es mir gedacht",


    der decurio sah die beiden ernst an,


    "also doch aus dem Osten, und so lautet auch unser Auftrag. Die Sache scheint mulmig zu werden. Und, wie es zudem scheint, haben wir nicht mehr viel Zeit. Hört her,"


    er wartete bis sich seine equites um ihn versammelt hatten,


    "in einer Stunde reiten wir weiter. Wir müssen heute noch Aquileia erreichen. Die Abstände werden so vergrößert, daß das vordere Paar vom nachfolgenden noch zu erkennen ist. Sollte es aus den Augen verloren werden, ist selbständig aufzuholen. Labeo und Calenus bleiben hier auf Posten. Und vergeßt nicht, wir sind Zivilisten. Galleo und Callidus werden das nächste Postenpaar sein. Also, ruht euch noch ein wenig aus, Antias meldet die Abmarschbereitschaft."

  • Eine Stunde um auszuruhen. Für Antias weniger, er teilte mit Hilfe von Labeo die gekauften Lebensmittel unter den Männern auf. Alles war untergebracht bis auf das Getreide. Der Rest blieb bei Labeo und Calenus, die hier Posten bezogen.
    Die Stunde war um. Antias scheuchte die Männer hoch. Paarweise hatten sie Aufstellung genommen. Galleo und Callidus ganz vorn. Zur Sicherheit kontrollierte Antias jeden Reiter und sein Pferd noch einmal. Sie konnten sich keine Panne leisten.


    " Decurio , die Equites sind bereit zum Abmarsch."

  • "Also los!"


    Im Umdrehen rief der decurio dem nächsten Paar noch einmal zu.


    "Denkt daran! Erst, wenn ihr uns gerade noch seht, dann reitet ihr los. Auf nach Aquileia!"


    Incitatus schnaubte leise und setzte sich ohne irgendwelche Hilfen in Bewegung. Er wußte, was er zu tun hatte und verstand, was von ihm verlangt wurde.


    Von der Seite sah er den neben ihm reitenden Antias an.


    "Mal unter uns. Habt ihr wirklich nicht mehr auf dem Markt erfahren können? Oder war etwas anders als sonst? Ungewöhnlich? Du verstehst mich schon, einfach anders als sonst?"

  • Antias überlegte. Am Mittag als sie sich auf den Rückweg machten. " Bevor wir uns auf den Rückweg machten, hatten es zwei Händler ziemlich eilig zusammen zu packen und zu verschwinden. Der eine hatte Schweine verkauft. Der andere Gänse und Hühner. Ein Mann war bei ihnen aufgetaucht, hat mit ihnen gesprochen." Ob das wichtig war? Es konnte sein, dass es gar nichts mit ihnen oder den anrückenden Truppen zu tun hatte. " Naja, sie sind aus dem Nordtor." Waren sie dann nach Osten abgebogen? Das wusste Antias nicht. Es wäre zu sehr aufgefallen, wären sie ihnen gefolgt.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!