Die Pompa Funebris für Tiberia Albina

  • Vier Tage hatte Macer für die Trauerzeit festgesetzt, in der Albina im Atrium der Casa Purgitia aufgebahrt worden war. Vier Tage, die er brauchte, um seine eigenen Gedanken zu ordnen, sich auf die neue Situation einzustellen, Abschied zu nehmen und alles vorzubereiten, was vorzubereiten war. Gerade in diesen Zeiten kein leichtes Unterfangen, hatten viele Bürger doch andere Sorgen. Noch dazu stammte Albina aus der Gens Tiberia, die zumindest hochoffiziell aufgrund der Verwicklung in den Tod des Valerianus nicht gut gelitten war. Macer verzichtete daher darauf, den Weg des Leichenzugs von seiner Casa bis zur Grabstätte vor der Stadt über das Forum zu führen, wie er es unter anderen Umständen vielleicht getan hätte. Er tröstete sich damit, dass Albina in ihrer Bescheidenheit eine solche Ehrung vermutlich ohnehin nicht recht gewesen wäre.


    Ansonsten fehlte es aber an nichts, was man in der Pompa Funebris der Gattin eines Consulars erwarten durfte: Cornicines vorneweg, Klageweiber in nicht zu kleiner Anzahl, die Freigelassenen der Toten (wobei davon die meisten noch aus ihrer Zeit im Haus der Tiberia stammten) und dann Darsteller der großen Ahnen der Verstorbenen (von denen es in der Gens Tiberia einige gab). Es folgte das Totenbett und dahinter Macer und die Verwandten beider Familien. Auch die kleine Albina, die Tochter der Toten, wurde von ihrer Amme im Zug mitgetragen. Der ganze Lärm und Aufwand schien sie doch gehörig zu erschrecken und zu beunruhigen, so dass man sie nicht einmal dazu anhalten musste, es den Klageweiber gleich zu tun und herzzerreissend zu schreien.

  • Angeführt von getragener Blasmusik und begleitet vom Jammern der Klageweiber sowie dem Schreien der kleinen Purgitia Albina, erreichte der Leichenzug für Tiberia Albina nach dem Weg durch die Stadt die vorgesehene Verbrennungsstätte. Der Scheiterhaufen war aufgerichtet und mit dunklen Blättern bedeckt worden. Schweigend beobachtete Macer, wie das Totenbett dort abgelegt wurde, dann trat er vor, um zumindest eine kleine, eher persönliche Totenrede zu halten, wenn er schon auf eine große auf dem Forum aus politischen Gründen verzichtet hatte. "Tiberia Albina, eine viel zu kurze Zeit war uns vergönnt, in der ich die Ehre hatte, dich als Frau an meiner Seite zu haben, als Herrin meines Hauses, als Ratgeberin in schwierigen Fragen. Du hast mir die Tage erhellt mit deinem Lächeln und mir jede Rückkehr in die Casa zu einem freudigen Ereignis gemacht. Ein jeder hier ist Zeuge deiner freundlichen Art, die die Zeit in deiner Anwesenheit auf's angenehmste vergehen ließ. Viele hier sind Zeugen deiner umsichtigen Art, mit der du den Haushalt führtest und jede Angelegenheit umsichtig regeltest, die ich dir bedenkenlos anvertrauen konnte. Es ist ein nicht zu ersetzender Verlust, dass du den Weg in die Unterwelt angetreten hast. Ein Verlust für mich, für unsere Verwandten und Freunde, für die Menge deiner Sklavinnen und Sklaven und Freigelassenen, ja, für alle die dich kannten und auch für jene, die dich nun leider nicht kennenlernen werden. Vale bene, Albina! Sit tibi terra levis!"


    Macer schluckte einmal, um aufkommende Tränen zu unterdrücken und ließ sich dann eine Fackel reichen. Mit abgewandtem Blick entzündete er den Scheiterhaufen und beobachtete dann, wie sich die Flammen durch die Blätter fraßen und langsam das darunter liegende Holz in hellen Brand versetzten. Macer gab die Fackel zurück und ließ sich einen kleinen Korb reichen, in dem sich einige persönliche Gegenstände Albinas befanden, die mit verbrannt werden sollten. Langsam warf er einen nach dem anderen auf den Scheiterhaufen, leise und für die Umstehenden unverständlich vor sich hin murmelnd. Dann trat er zurück, um anderen ebenfalls die Gelegenheit zu geben, Grabbeigaben zu spenden.

  • Macer hatte alles sehr weise organisiert, nur mit dem Verzicht auf den Gang über das Forum war Lepidus im Vorfeld überhaupt nicht zufrieden. Einer Tiberia gebührte die volle Ehre, somit auch eine vollständige Prozession, ließ er gelegentlich verlauten, doch Macer war schließlich ihr Mann und von daher blieb Lepidus nichts andere übrig, als sich seiner Entscheidung zu beugen. Er verstand zwar die politischen Hintergründe, war aber selten Bereit diese Umstände auch zu akzeptieren.


    An der Spitze des Zuges marschierten die Musiker mit ihren Blasinstrumenten. Es waren genau 10 tibicines, wie es auch schon im Zwölftafelgesetz vorgeschrieben stand. Sämtliche Teilnehmer an der Pompa konnten ebenso den süßen stimmen der Klagefrauen lauschen, die die naenia sagen, das Loblied auf die Verstorbene. Es folgten dahinter auch Tänzer und Mimen, doch den wesentlichsten und bedeutendsten Teil des Zuges bildeten zweifellos die Ahnenbilder. Die Wachsmasken, welche die Gens Tiberia in ihrem Atrium aufbewahrte und speziell zu Anlässen der Bestattung hervorholten, wurden geeigneten Personen angelegt, die in diesem Falle engagierte Schauspieler waren. Es war als würden die Ahnen erscheinen, um die Tote in die Unterwelt zu führen.


    Die Verstorbene selbst folgte auf einem hohen Paradebett liegend und war unverdeckt. Die freigelassenen trugen auf ihrem geschorenen Kopf den pileus als Zeichen der Freiheit. Für Albina erwiesen sie nun ihren letzten Dienst. Einige von ihnen schienen ihre neugewonnene Freiheit kaum genießen zu können, hingen sie doch so sehr an ihrer Herrin. Direkt hinter dem Bette der Albina folgte auch Lepidus mit allen anderen, den Freunden, Verwandten und dem übrigen Publikum, welches sich der Pompa anschloss. Der Tiberia hörte Ausbrüche des Schmerzes, nicht wenige konnten ihre Tränen zurückhalten. Viele warfen Blumen, Haarlocken und andere Liebesbezeichnungen auf die Bahre der Toten. Ja, Albina hatte ein paar sehr gute Freunde, die sie über alles schätzten. Auch Lepidus warf eine kleine Blume auf das Totenbett.


    Als die Verbrennungsstätte erreicht wurde, setzten sich die Träger der Ahnenbilder nieder. Die komplette Begleitung stellte sich im Kreis um Macer auf, der nun die die Totenrede halten musste. Lepidus hörte ruhig und aufmerksam zu. Es waren schöne Worte und das Schlucken des Purgitiers, sein Kampf gegen die Tränen, war die entsprechende Untermalung für dieses zutiefst erschütternde Ereignis. Albina wurde den Flammen übergeben, ihr endete nun endgültig ihr Weg auf dieser Welt. Dem Feuer übergab Lepidus zwei Kränze, einmal einen Olivenkranz, der typisch für Minerva war und einen etwas ungewöhnlichen Kranz, der aus Schilf geflochten war. Letzterer war ein Zeichen für Tiberinus. Jene beiden Gottheiten, mit denen die Gens Tiberia aufs engste verbunden waren. Nachdenklich blickte Lepidus in das wärmende Feuer, kaum wissend, was er nun tun sollte oder wie es weiter ging. Wenn in so kurzer Zeit so viele Tiberii diese Welt verlassen mussten, wann war wohl seine eigene Zeit gekommen?

  • Seinem Rang entsprechend als einer der eher unwichtigen Klienten seines Patrons ging Helvetius Varus recht weit hintem im Trauerzug. Doch er war da und wollte, bei allen Verwicklungen die es bringen konnte im Moment Nähe zu einer Tiberia zu zeigen, sich dies nicht nehmen lassen. Die Helvetier waren schon immer für Treue und Loyalität gestanden und wenn die Frau seines Patrons starb so hatte man da zu sein.

  • Langsam aber stetig brannte der Scheiterhaufen herunter, nachdem die letzten Beigaben hineingeworfen worden waren. Parfüm war darunter gewesen und verbreitete einen durchaus angenehmen Geruch, sofern es bei einer Totenverbrennung so etwas geben konnte. Auch die Wärme des Feuers und das gleichmäßige Prasseln der Holzscheite sorgte für ein erstaunlich wohliges Gefühl. Wohlig genug, um Macers kleine Tochter nach dem bisherigen lautstarken Schreien seelig einschlafen zu lassen, wie Macer mit einem Lächeln auf den Lippen bemerkte. Doch bevor er sich zu sehr an diesem Anblick erfreuen konnte, holten ihn die Pflichten der zu Ende gehenden Bestattung wieder in die Realität zurück.


    Die Knochen und der Leichenbrand wurden aufgesammelt, nachdem er die heruntergebrannten Reste mit Wein übergossen hatte. Noch einmal mit Parfüm versetzt, wurden sie in eine Urne gefüllt, die Macer ins Innere des Grabmals brachte. Noch einmal gab es für die Anwesenden die Möglichkeit, Grabbeigaben abzulegen. Macer schloss zudem noch ein Opfer für Pluto und Proserpina an, wie er es den beiden Göttern der Unterwelt an Albinas Todestag versprochen hatte, als er keine angemessenen Opfergaben zur Hand gehabt hatte. Diesmal hatte er vorgesorgt, das blutige Opfer einer schwarzen Ziege allerdings durch das unblutige Opfer einer entsprechenden Figur ersetzt, um an Albinas Grab kein zusätzliches Blut zu vergießen.


    Mit diesem Opfer war die Abfolge der Riten dann aber abgeschlossen und der Zeremonienmeister begann damit, die Anwesenden mit einem Olivenzweig mit Wasser zu besprenkeln und damit von der rituellen Verunreinigung, die so eine Totenzeremonie mit sich bringt, zu reinigen. Die Klageweiber gestatteten das Verlassen der Begräbnisstätte, womit der offizielle Teil der Zeremonie endgültig beendet war. Macer indes blieb noch lange an dem Grabmal und kehrte erst spät mit den letzten Verwandten und Freunden zurück in die Stadt.

  • Varus blickte stumm mit abwesendem Gesicht in das Feuer. Er hatte die Tote nicht wirklich gut gekannt und auch seinen Patron stand er nicht wirklich nah als das ihm nun bestimmte Begegnungen oder Tage durch den Kopf gingen. Vielmehr schweiften seine Gedanken rund um das Thema Tod und das danach. Er dachte an die Beerdigungen auf denen er bisher gewesen war, fragte sich ob sie bald Helvetius Geminus zu Grabe tragen würden oder ob dieser noch einmal wiederkehren würde und ob demnächst sehr viele Römer verwandte beerdigen mussten wegen des Bürgerkrieges.


    Die Zeremonie nahm ihren Lauf und irgendwann war das Feuer hinuntergebrannt. Nachdem die Urne gemäß Protokoll gefüll und im Grabmal verstaut war kam der Moment an dem die Möglichkeit bestand der Toten noch etwas mitzugeben.
    Als die Reihe an ihm war trat Varus vor und legte seine kleine Grabbeigabe, eine kleine Vogelstatue aus Glas, ab und verharrte kurz.
    Anschließend reihte er sich wieder ein. Nachdem die rituelle Reinigung vollzogen war und die Klageweiber anzeigten das die Zeremonie beendet war ging er und überließ der Familie der Toten und dessen engen Freunden private Momente zum Abschied nehmen.

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