Eine Insula am Rande der Subura aber noch Rande zum Esquillin

  • Später. Nur nicht jetzt. Wie hatte er daran denken können, er würde sie nur besuchen, um ein paar Worte mit ihr zu wechseln? Doch da hatte Avianus nicht gewusst, dass sie ihm verziehen hatte, dass er sein Versprechen gebrochen hatte und nicht da gewesen war, alles noch immer so war wie früher und sie sich lediglich zurückgehalten hatte.
    Sie wollte seine Tunika loswerden, schob sie nach oben und wisperte, wie sie an ihm gezweifelt hatte, doch er wollte es nicht hören. Früher hatte es ihm stets einen sprichwörtlichen Dolch in die Magengrube gerammt, sich damit abfinden zu müssen, dass ihr vollkommenes Vertrauen praktisch unerreichbar für ihn schien. Aber selbst wenn sie auch in den letzten Wochen und Monaten an ihm gezweifelt haben mochte, er hatte sich selbst gehasst. Wie konnte er es ihr also verübeln?
    Er küsste sie, damit sie nicht weitersprach, und glaubte nicht daran, dass noch gesprochene Worte als Antwort vonnöten waren. Es spielte keine Rolle, jetzt erst recht nicht. Schließlich zerrte er sich die Tunika über den Kopf, damit sie sich ungehindert nehmen konnte, was sie sich wünschte. Genauso half er auch ihr, sich der Tunika zu entledigen. So schön sie darin auch ausgesehen hatte, wie sie jetzt vor ihm lag, war sie um ein Vielfaches schöner. Begierig ließ er Lippen und Hände über sie wandern, erneut stieg der süße Duft, den er zuvor bereits gerochen hatte, in seine Nase und verfehlte seine Wirkung nicht.
    Auch er hatte sich lange danach gesehnt, wieder bei ihr sein zu können, seit sie damals auf ihren Pferden nach Germania aufgebrochen waren, hatte er nicht damit aufgehört, und selbst als man ihm jegliche Hoffnung genommen hatte, waren seine Gedanken immer wieder zu ihr zurückgekehrt. Aber nichts davon war jetzt von Belang.

  • Er antwortete ihr lediglich mit einem Kuss, um sie auf diese zärtliche, doch bestimmte Art und Weise zum Schweigen zu bringen. Er wollte nichts davon hören. Es störte ihn scheinbar auch gar nicht. Alle Worte waren nun überflüssig, ja vielleicht sogar bedeutungslos in diesem so kostbaren Moment. Für Beroe, deren Gewissen sie noch bis zuletzt gequält hatte, war dies ein eindeutiges Indiz, dass er ihr in allem, was sie getan oder gedacht hatte, bereits längst verziehen hatte. Nichts konnte sie jetzt noch trennen. Und allein dieses Wissen machte sie überglücklich. Liebe heißt, niemals um Verzeihung bitten zu müssen. Es stimmte also doch, er liebte sie so wie sie war, ganz gleich, was sie irgendwann einmal getan hatte. Das Gleiche empfand sie für ihn. Die lange Zeit der Trennung, der Entbehrungen und der Erduldungen hatten sie nur noch enger zusammen geschweißt. Nichts und niemand konnte sie jetzt noch trennen.


    Sie erwiderte seinen leidenschaftlichen Kuss und war so dankbar dafür, dass sie diesen Augenblick erleben durfte. Er war nur wegen ihr da. Weil er sie liebte und endlich wieder spüren wollte. Umso besser, dass sie nun beide vom Stoff ihrer Kleidung befreit waren. Der sie nur voneinander getrennt hatte und sie in ihre Rollen gepresst hatte. Nun waren sie einfach nur Mann und Frau, so wie die Natur sie erschaffen hatte.
    Ohne zu zögern öffnete sie nun ihre Schenkel, um ihn endlich willkommen zu heißen, da sie sein Verlangen bereits deutlich spüren konnte. Gleichzeitig erkundeten ihre Finger den festen muskulösen Körper, für den sie so viel empfand und den sie so lange hatte entbehren müssen. Ihre Lippen flüsterten seinen Namen und liebkosten ihn. Sie war mehr als bereit. Nein, sie war ausgehungert nach ihm. Alles in ihr sehnte sich nach ihm.

  • Wie er es liebte, dieses Gefühl des Rausches, das seinen Kopf völlig leer fegte, und ihn nichts mehr fühlen und wahrnehmen ließ, als ihre Wärme, ihre Berührungen, ihre weiche Haut und das leise Wispern ihrer Stimme. Ihre Beine öffneten sich, wie eine stumme Einladung, welcher er ohne einen Augenblick des Nachdenkens folgte. Ihre Körper suchten einander, zwischen zärtlichen Berührungen und sanften Küssen, gleichzeitig immer ungehaltener und freier. Sie ließ ihn entfesseln, was sich in ihm angestaut hatte und er wollte dasselbe für sie tun, ihr zu der selben Extase verhelfen, die sie ihm darbot.


    Sein Kopf war in die Kissen gesunken und sein Blick ruhte noch immer auf ihr, als er sie an seiner Seite hielt. Viel zu lange waren sie sich nicht mehr so nahe gewesen, viel zu lange, um jetzt einzuschlafen. Was von diesem Tag noch übrig war, wollte er vollends auskosten. Ein Abend würde nicht reichen um nachzuholen, was sie an gemeinsamer Zeit versäumt hatten, doch es war ein Anfang. Seine Augen musterten ihre Züge, versuchten herauszufinden, was sie wohl dachte, wie sie fühlte und ob sie in diesem Augenblick ebenso zufrieden war wie er. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Ich liebe dich, wollte er sagen, was er ihr schon so viele Male zuvor gesagt hatte, und jetzt war er sich dabei wieder so sicher wie lange nicht mehr. Doch sie wusste es bestimmt.
    "Ich wünschte, ich wäre nie fortgegangen", sagte er dann leise, das Lächeln, zwar etwas verblasst, war nicht vollkommen verschwunden.

  • Sie verschmolzen zu einem Leib und stiegen gemeinsam hinauf zum höchsten Gipfel der Leidenschaft und gaben sich gegenseitig das, was sie so lange vermisst hatten. Die Zeit der Entbehrung war endlich vorüber!


    Als Avianus schließlich neben ihr im die Kissen sank, war sie so voller Glück. Ihre Hand suchte seine, um sie festzuhalten – um ihn festzuhalten, damit er ihr nie wieder verloren ginge. Ob er ähnlich empfand? Sie zweifelte nicht daran. Auch wenn sie der Alltag in so vielem trennte, so waren ihre Gefühle füreinander doch die Gleichen. Dieser Abend und die Nacht würde ihr Band wieder erneuern.
    Zufrieden lag sie nun da. Ihr Körper war noch erhitzt von der heftigen Erregung, die sie in vollen Zügen genossen hatte. Kleine Schweißbläschen hatten sich auf ihrer Haut gebildet, die nun langsam wieder verschwanden. Einfach nur daliegen und zu wissen, dass er hier direkt neben ihr lag, war wohl das Vollkommenste. Was hätte sie gegeben, wenn dieser Moment ewig gewährt hätte?


    Sie spürte seinen Blick, der auf ihr lag. Er beobachtete sie. Er ergründete sie. Dann, als sie seinen Blick erwiderte, lächelte er schließlich. Sein wunderschönes Lächeln, dass sie so an ihm liebte und dass ihr so sehr gefehlt hatte. Doch dann, so hatte es den Anschein, wollte sein Lächeln nachlassen. Seine Worte und die Vorwürfe, die er sich machte, zwangen ihn dazu.
    Beroe setze sich etwas auf und sah nachdenklich zu ihm herab. Dann küsste sie ihn, als ob sie ihn trösten wollte „Du hattest keine andere Wahl, Aulus,“ erwiderte sie und schenkte ihm ein versöhnliches Lächeln. Um ihm noch näher zu sein, legte sie ihren Kopf auf seiner Brust ab, so dass sie ihren Herzschlag hören konnte.
    „Nachdem du weg warst, lief anfangs noch alles gut. Und dann, nach einigen Wochen, als das Geld knapp wurde, bot ich Simon an, seiner Frau in der Taberna zu helfen. So konnte ich weiterhin dort wohnen und ich kam auf andere Gedanken und hatte nicht solche Sehnsucht.“ Allmählich wurden die Bilder vor ihrem inneren Auge wieder lebendig. Die Tage und Wochen, bevor das Unglück über sie hereinbrach, machten es ihr nicht schwer, sich zu erinnern. „Doch dann kam dieser Mann aus Myra in der Taberna an...“ Dann verstummte sie und ihr Lächeln verschwand. Stattdessen wirkte sie aufgewühlt. Es fiel ihr nicht leicht, nun über alles, was von da an geschehen war, zu sprechen.

  • Ihre Hand griff nach seiner, und er umschloss ihre, als sie sie fand. Ihr entging nicht, dass das Vergangene ihn noch immer beschäftigte. Doch sie hatte ihm bereits verziehen... auch die Dinge, die er hätte anders machen können? Sie würden sehen. Ein Kuss, ein Lächeln und tröstende Worte schenkte sie ihm – nicht umsonst.
    "Mhm", stimmte Avianus ihr als Antwort dennoch eher halbherzig zu und beließ es dabei. Er hasste es, Dinge nicht kontrollieren zu können und sich einfach seinem Schicksal ergeben zu müssen, und dass Sibel den Preis dafür bezahlt hatte, machte es kein Stück besser. Doch er wusste, dass sie Recht hatte. Es war nicht seine Entscheidung gewesen, nach Germania zu reiten, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, brachte ihn ebenfalls nicht weiter, und jetzt war sie da, und würde es auch in den nächsten Stunden sein. Der Gedanke daran ließ ihn wieder Glück verspüren, gemeinsam mit dem Gefühl, wie sie sich an ihn schmiegte. Wie sie nun eng beieinander lagen, konnte er nicht anders, als sich zurückversetzt zu fühlen in jene Zeit, bevor alles Unglück mit seiner Abreise seinen Lauf genommen hatte.
    Ruhig atmend lauschte er ihrer Stimme, als sie zu erzählen begann, bis er hörte wie ihre Entspannung langsam in Nervosität umschlug. Wieder richtete sich sein Blick auf sie und registrierte auch dort ihr Unbehagen.
    "Sibel… Was ist los?", fragte er mit besorgtem Unterton, drückte leicht ihre Hand und hätte sie gerne noch näher an sich gezogen, wäre es denn möglich gewesen. Er wusste, auch an ihr waren die letzten Monate nicht ereignislos vorbeigezogen, wahrscheinlich war es ihr noch sehr viel schlechter ergangen, als ihm, denn im Grunde war ihm – außer sie zu verlieren – gar nichts passiert.
    "Du brauchst dir keine Sorgen mehr zu machen", sagte er dann, obwohl er keine Ahnung hatte, ob seine Worte der Wahrheit entsprachen. Er hoffte es einfach. Die um sie geschlungene Hand strich dabei beruhigend über ihre Haut.

  • Zitat

    Original von Morrigan
    „Morrigan“ sagte ich geistesabwesend. Ob ihr Name heute schon mal gefallen war oder nicht, war mir im Moment nicht bewusst und ganz ehrlich es interessierte mich auch nicht. Ich wollte eigentlich nur mit MEINEM Centurio einen schönen Abend haben und das er schön werden würde, das war gewiss. Fortuna schien heute wirklich auf meiner Seite zu sein. Und genau diese Gedanken bestätigen sich just in diesem Moment, als seine Lippen zärtlich meinen Arm hinaus bis zum Hals wanderten. Bei allen Göttern, der verdreht mir glatt den Kopf. Es war ja fast so, als wollte er mich verführen und es gelang ihm auch. Ich die Lupa, die wer weiß wie viele Männer schon beglückt hatte, errötete tatsächlich leicht. Ich fühlte mich wieder wie ein junges unerfahrenes Ding. Herrjemine, der Centurio brachte mich wirklich durcheinander. So konnte ich auch nichts weiter tun, als lächelnd zu nicken und ihn in eine etwas privatere Atmosphäre zu entführen. Hier war ich es nun, die die Arme um seinen Hals schlang und entgegen dem was ich sonst tat, denn normalerweise gab es eine Maxime bei uns – küssen verboten - suchten meine Lippen die seinen und ich küsste ihn sanft auf seine Lippen, doch dieser sanfte Kuss entfacht ihn mir ein verlangen nach mehr und so wurde mein Kuss fordernder. Ja der Kuss würde ihm wohl zeigen, dass ich ihn wollte, ich wollte ihn ganz für mich, zumindest hier und heute würde er der meine sein. Meine Hände waren es, die auf Erkundungstour gingen, die seinen starken Körper liebkosten. Der Gedanken, dass er ja nur ein Kunde war, war gerade so weit weg, wie jener, dass ich ja nur eine Lupa bin, denn hier und jetzt war ich einfach nur eine Frau, eine Frau mit Bedürfnissen....


    So wie er den Namen registriert hatte, so schnell war er vorerst aber auch wieder dem Bewusstsein entschwunden. Denn sein Gegenüber schien dies hier fast so sehr zu genießen, wie er selbst. Aber wahrscheinlich konnte sie einfach nur wahnsinnig gut schauspielern. Sowas müssen die hier schließlich draufhaben, dachte sich der Centurio und versuchte sich nicht allzu viel einzubilden, auch wenn er die leichte Errötung meinte zu bemerken, die eine gewisse Verlegenheit bei ihr auszudrücken schien. Und dann küsste sie ihn auch noch auf den Mund! Das war vielleicht nicht üblich, aber für genug Geld ließ sich sicherlich auch sowas bekommen und so dachte Coriolanus einfach nur daran, dass der Nauarchus hier wahrscheinlich ein paar Sesterzen extra investiert hatte. Wie dem auch sei, er ließ sich natürlich nicht zweimal bitten und erwiderte ihre Küsse mit großer Leidenschaft und wagte es kaum, sich allzu schnell von ihren Lippen zu lösen. Während ihre Hände über seinen Körper gingen, suchte der Marcier danach, sie nun schnellstmöglich vollständig zu entblößen. Er streichelte mit seiner Hand ihre feste Brust - so langsam würde sich auch dieser Genussmensch von Centurio nicht mehr zurückhalten können! In immer stärkerer Wallung von Lust arbeitete er auf das 'Hauptziel' des Tages hin.

  • Als sie genau an diesem Punkt angekommen war, an dem zu berichten gewesen war, wie sich ihr Leben schlagartig verändert hatte, befiel sie wieder diese furchtbare Angst, er könne sich doch noch von ihr abwenden, weil das, was sie getan hatte, doch viel schwerer wog, als er es für möglich gehalten hatte. Doch sie durfte ihm nichts vorenthalten, das wäre in ihren Augen einer Lüge gleichgekommen. Seine Sorge um sie aber gab ihr wieder neue Hoffnung. Wenn sie ihm berichtete, was passiert war und erklärte, warum sie so gehandelt hatte, würde er sicher Verständnis aufbringen können.
    „Der Mann hieß Ioannis. Ich kann nicht sagen warum, aber ich war von Anfang an beeindruckt von ihm. Wir sprachen viel über Myra, obwohl ich mich kaum an meine Heimat erinnern kann, Aber vielleicht war es das, was mich so an ihm fesselte. Alles, was er sagte klang so überzeugend. Von ihm ging so viel Friede und Hoffnung aus.“ Noch immer konnte sie nicht begreifen, was an diesem so friedlichen Mann so Gefährliches gewesen sein sollte. „Kein Wunder, dass seine Anhänger sich um ihn gescharrt haben. An diesem einen Abend trafen sie sich in der Taberna. Sogar Rachel war gekommen. Simon war das gar nicht recht gewesen. Die Taberna aber war voll, wie seit langem nicht mehr. Ein paar Urbaner kamen dann auch noch. Ich weiß nicht, ob das ein Zufall war, oder ob ihnen jemand verraten hatte, dass sich einige Christianer dort aufhielten... Und dann war dann noch dieser feine Herr und seine Männer, die an diesem Abend gekommen waren.“ Im Grunde war dies der Anstoß zu ihrem Unglück gewesen. Dieser mysteriöse Herr und seine Männer…
    „Sie tranken und aßen viel und einer von ihnen drängte mich dazu, mich zu ihm zu setzen,“ fuhr sie fort. „Mir war schnell klar, was er von mir wollte. Er meinte, ich könne mir etwas dazuverdienen. Eigentlich wollte ich nicht mit ihm gehen. Ich wollte so etwas nicht mehr machen…das musst du mir glauben. Aber dann bin ich doch mitgegangen.“ Beroes eindringliches Geständnis musste wohl sehr bizarr in diesem Moment geklungen haben, denn schließlich arbeitete sie ja nun wieder als Lupa. Doch damals hatte sie auf ein besseres Leben gehofft.
    „Danach fühlte ich mich so schlecht, so schmutzig. Ich musste da einfach raus! Ich lief ziellos durch die kalte Nacht, bis ich auf Rachel und einige ihrer Freunde traf. Sie wollten zu einer ihrer Versammlung. Dort sah ich dann auch diesen Ioannis wieder. Er erzählte den Menschen dort von seinem Gott und was er sagte, das ging mir so nahe. Es war, als würde er nur zu mir sprechen, um mir Trost und wieder Hoffnung zu geben.“ Ob Avianus das verstehen konnte? Schließlich wusste sie ja, dass auch er, nun als frischgebackener Optio der Chohortes Urbanae, gegen die Chrisitianer vorgegangen war. „Und dann kamen die Urbaner…“ Beroe stockte. Sollte sie ihm wirklich alles erzählen? Sollte sie ihm davon berichten, wie rigoros seine Kameraden vorgegangen waren? Wie sie die Leute zusammengetrieben hatten. Wie einer der Seinen einen Handel mit ihr abschließen wollte – ihren Körper gegen ihre Freiheit…

  • Vor seinem inneren Auge setzten sich nach und nach die Teile zusammen, während sie weitersprach. Die Wirtin hatte trotz ihres wirren Zustands die Wahrheit gesagt. Sibel ... sie war mit einem Gast in ihr Zimmer verschwunden. Sie war eine Lupa, hatte er sich schon damals ins Gedächtnis gerufen. Nichts rührte sich auch jetzt in seiner Miene, obwohl er noch nie glücklich damit gewesen war, wie sie ihr Geld verdiente, vielleicht, tief in sich, hasste er es sogar, weil die Hoffnung es könnte sich daran jemals etwas ändern, inzwischen auf ein absolutes Minimum geschrumpft war. Aber sie trug keine Schuld daran und er konnte ihr nicht helfen. Anfangs hatte er sich ständig den Kopf darüber zerbrochen, wie er sie möglicherweise aus ihrer Lage befreien könnte, in letzter Zeit jedoch war das wichtigste, dass sie überhaupt am Leben war.
    Er schluckte also jegliche Gefühle, die sich bei dem Gedanken wie sie ihren Körper verkaufte in ihm regen wollten, wortlos hinunter. Nicht dass sie es tat, war das Problem, sondern dass sie es tun musste.
    Was ihn sehr viel mehr störte war, wie ahnungslos und naiv sie sich den Christianern bei ihrer Versammlung angeschlossen hatte, wie sie sich von den Worten des Predigers hatte beeinflussen lassen. Pass' auf dich auf, gib Acht, hatte er ihr immer wieder gesagt, doch am Ende umsonst.
    "Genau das ist es, was sie wollen, Sibel. Sie scharen die Leute um sich, mit leeren Versprechungen und Geschichten über ihren Gott, damit sie sich ihnen anschließen, und sorgen am Ende nur für Unruhe im Volk", sprach er bitter, und wollte es dabei bewusst vermeiden, sie direkt zu beschuldigen, obwohl ein Ansatz von Ärger in ihm aufkeimte. Auch den versuchte er ihr zuliebe hinunterzuwürgen. Sie war schon immer viel zu leicht zu überzeugen gewesen, von jedem beeinflussbar. Silanus hatte sie dazu gebracht, ihm nicht die ganze Wahrheit zu verraten, bevor der Iunier sich dann in einen Kampf eingelassen hatte, den er genauso gut hätte verlieren können. Er selbst hatte sie ständig davon überzeugt, alles wäre in Ordnung, sie wäre sicher und er könnte ihr helfen, obwohl sogar er sich dessen nicht sicher gewesen war. Und Sibel lernte nicht dazu. Diese Christianer hatten leichtes Spiel gehabt.
    Wieder brach sie ab, doch nach allem was er an Informationen zusammengekratzt hatte, ahnte er bereits wie ihre Geschichte weitergehen würde. Sie haben alle verhaftet, hallte die Stimme der Wirtin. Eine blöde Hure, die sich ihre Freiheit erkaufen wollte… , rief er sich Ahenobarbus' Worte wieder ins Gedächtnis, und sie hatte sich angelegt mit den Urbanern. Sein Magen krampfte sich auf einen Schlag zusammen.
    "Sie haben dich mitgenommen …", presste er hervor und tief gruben sich Falten in seine Stirn. "Warum?"

  • Kommentarlos hörte der Iunier ihr zu. Scheinbar hatte er ihre Beweggründe akzeptiert, die sie dazu bewogen hatten, mit diesem einen Gast zu gehen. Auch wenn er sich für sie etwas besseres erhofft hatte. Beroe fragte sich insgeheim, wie enttäuscht er wohl von ihr war. Im Grunde musste sie ihn doch auf ganzer Linie enttäuscht haben. Er hatte ja noch keine Ahnung, was sie ihm noch alles beichten wollte.


    Wenigstens machte Avianus ihr keine Vorwürfe oder beschuldigte sie gar, mit den Christianern zu sympathisieren. Stattdessen schluckte er all seinen Ärger hinunter und warnte sie eindringlich vor diesen Leuten, die in seinen Augen nichts anderes als Unruhestifter waren. Natürlich war der Lykierin aber auch nicht entgangen, was in ihm wirklich vorging. Sie schwor sich in diesem Augenblick für die Zukunft, sich von den Christianern fernzuhalten. Auch wenn sie noch immer nicht genau nachvollziehen konnte, was an ihrer Lehre so schlecht sein sollte.
    Doch letztendlich war es der weitere Verlauf jenes Abends, der ihn interessierte. Das Zusammentreffen mit den Urbanern. Der eigentliche Grund für ihre Verhaftung und alles, was danach geschah.
    „Ja, sie haben mich und Rachel mitgenommen,“ nahm sie vorneweg. „Das Zusammentreffen fand in einem Kellergewölbe statt. Es gab nur einen Ausgang. Als dann das Gerücht umging, die Urbaner seien da, wurden alle ganz panisch und versuchten irgendwie herauszukommen. Ich wurde von Rachel getrennt. Dann bekam ich einen Schlag auf den Kopf. Was dann passiert ist, weiß ich nicht so genau. Als ich wieder zu mir kam, war ich nicht mehr in diesem Keller. Jemand hatte mich und die anderen Verletzten nach oben gebracht. Wir befanden uns in einem Hof. Als mich niemand mehr beachtete, wollte ich einfach abhauen, aber dann rief Rachel nach mir. Sie war schwer verletzt. Ihr Bein war gebrochen und sie konnte auch nicht mehr laufen. Ich konnte sie doch dort nicht zurücklassen und wollte ihr helfen. Einer der Urbaner wurde auf uns aufmerksam. Ich tischte ihm die Geschichte auf, wir seien einfach nur zwei Lupae, die mir ihren Freiern hierhergekommen waren. Ich bat ihn, uns zu helfen, weil Rachel doch solche Schmerzen hatte. Aber umsonst wollte er uns nicht behilflich sein. Er forderte mich auf, kurz mit ihm zu verschwinden. Ich sollte für Rachel und mich arbeiten, dann wollte er uns gehen lassen. Als ich ihm dann zu Willen sein sollte, konnte ich es nicht. Nicht noch einmal! Ich rammte ihm meinen Oberschenkel zwischen seine Beine und rannte, so schnell ich konnte. Weil es aber dunkel war, stolperte ich und fiel hin. Der Kerl hatte mich natürlich eingeholt. Sie legten uns in Ketten und brachten uns in die Castra. Dort haben sich mich von Rachel getrennt. Ich habe sie dann nie wieder gesehen.“ Als Beroe geendet hatte, standen ihr Tränen in den Augen.

  • Als sie erwähnte, wie ihr einer der Soldaten ein Angebot gemacht hatte, hörte Avianus ihre restlichen Worte kaum noch. Nein, Ahenobarbus hatte ihm bei weitem nicht alles erzählt, und die Wahrheit erst recht nicht. Denn selbstverständlich vertraute er Sibels Version um einiges mehr. Sie hatte ihm das Angebot gemacht? Einen feuchten Dreck hatte sie. Und er wollte nur ein wenig Spaß haben? Schwachsinn! Und als wäre all das nicht genug, hatte er noch den Helfer geheuchelt. Dieses notgeile Arschloch… er würde den Kerl zerreißen, wenn er ihm jemals wieder begegnete.
    Sibel bekam ein verächtliches Schnauben zu hören. Er setzte sich ein wenig auf, obwohl er sich bereits Mühe gab ruhig zu bleiben.
    "Dieser Kerl… weißt du noch seinen Namen? Domitius Ahenobarbus? Ein gewöhnlicher Soldat? Groß? Kräftig? Dunkle Haare?", fragte er schließlich, während sich sein Blick in die gegenüberliegende Wand bohrte, und kannte die Antwort doch bereits. Sein Kiefer spannte sich merklich an. "Ich werde diesen Scheißkerl auseinandernehmen …"
    Sein Blick senkte sich wieder und völlig unverhofft sah er Tränen in Sibels Augen schimmern. Erst ein wenig hilflos, ermahnte er sich dann, wieder einen Gang zurückzuschalten. Sie brauchte ihn dringender, der Domitius konnte warten. Noch immer verkrampft, ließ er sich wieder etwas in die Kissen sinken, zog sie näher zu sich und strich ihr über die Haare. Um sich selbst abzulenken, begann nun auch er zu erzählen:
    "Ich habe nach dir gesucht. Zuerst in der Taberna. Dort hat mir die Wirtin davon berichtet, wie die Urbaner Christianer verhaftet haben und dass sie dich und Rachel seitdem nicht mehr gesehen hat. Deshalb habe ich diesen Miles befragt. Er sagte, unter den Gefangenen wären auch zwei Lupae gewesen. Eine wollte sich freikaufen, meinte er, aber beide seien im Carcer gelandet. Erst hat er gesagt er würde mir helfen, aber dann habe ich nichts mehr von ihm gehört. Also bin ich allein dorthin gegangen, aber im Carcer habe ich nur erfahren, du wärest tot. Dieser Optio, er hat vor meinen Augen Asche in einer Zelle verstreut… deine Asche… und deinen Namen gerufen. Er hat dich beschimpft und zu den anderen Gefangenen gesagt, ihnen würde dasselbe passieren, wenn sie sich gegen die Cohortes Urbanae stellten… und dann habe ich aufgegeben", erklärte er mit belegter Stimme und schob die Augenbrauen zusammen. Vorerst erzählte er nicht weiter, davon wie er sich im Anschluss hinter den Baracken wie ein kleines Kind aufgeführt und später nichts mehr mit sich anzufangen gewusst hatte, und wie seine Beförderung ihm wenigstens ein gewisses Maß an Ablenkung verschafft hatte. Wahrscheinlich musste er auch gar nicht davon erzählen, damit sie verstand, wie er sich in jener Zeit gefühlt hatte. Sie kannte ihn gut genug.

  • Ihr Bericht ließ nun vollends seinen Zorn in sich aufkeimen. Es musste ihm sehr zusetzten, nun zu hören, dass es im Grunde seine Kameraden gewesen sein konnten, die dazu beigetragen hatten, was seiner Geliebten widerfahren war. Doch es lag nicht in Beroes Interesse, noch mehr Zwietracht zu säen oder gar auf Rache zu hoffen. Umso mehr erschrak sie, als Avianus plötzlich diesen Namen nannte, der sich förmlich in ihrem Gedächtnis eingebrannt hatte. Ahenobarbus – genauso hatten sie ihn gerufen. Und auch sein Äußeres würde sie nie wieder vergessen können.
    „Ja, ich glaube, er hieß Ahenobarbus. Und ja, er war kräftig und groß. Ob er dukles Haar hatte, kann ich nicht genau sagen. Dafür war es zu düster.“ Kaum hatte sie geantwortet, da bereute sie es bereits. Sie ahnte, dass es Avianus damit nicht bewenden lassen würde. Vielleicht hätte man das als Beweis seiner Liebe zu ihr interpretieren können. Beroe jedoch sah das ganz anders. „Aulus bitte! Bring dich wegen mir nicht in Schwierigkeiten. Nicht wegen mir!“ Sie hatte sich nun aufgesetzt, sah ihn mit einem sehr eindringlichen Blick an und beschwor ihn, nichts weiter zu unternehmen. Am Ende würde er sich damit nur selbst schaden. Und vielleicht würden sie sich dann niemals mehr sehen können.


    Er zog sie wieder zu sich her. Hoffentlich würde er sich ihrer Bitte erinnern können, wenn er wieder bei seinen Männern war. Beroe versuchte sich wieder zu entspannen. Er half ihr dabei, indem er sie streichelte. Dann begann auch er zu erzählen.
    Er hatte sie nach seiner Rückkehr tatsächlich gesucht. Er war zur Taberna gegangen und hatte sich auch ausgerechnet mit diesem Urbaner getroffen, der ihr damals nicht geholfen hatte. Als sie das hörte, meldete sich sofort ihr schlechtes Gewissen zurück. Wie hatte Beroe damals im Carcer nur einen Moment zweifeln können? Wie hatte sie sich einreden können, er habe sie vergessen können? Warum hatte sie nicht glauben können?
    Still rannen ihr die Tränen über die Wangen. Auch dann noch, als er weiter erzählte, glaubte sie, diese schreckliche Zeit noch einmal erleben zu müssen. Offenbar war er nur wenige Stunden später im Carcer gewesen, nachdem der Tribun sie hatte gehen lassen. Und dieser Optio, der ihr während der Befragung so zugesetzt hatte, hatte sich mit ihm einen bösen Scherz erlaubt.
    „Dann warst du nur wenig später nach meiner Entlassung im Carcer? Und sie haben dir gesagt, ich sei tot?“ Beroe schluchzte. Wenn sie ihm nun auch noch von ihrem Verrat erzählte, dann würde sie ihm damit doch einen weiteren Stoß in sein Herz versetzen. Aber sie durfte es ihm auch auf keinen Fall verschweigen! Aber wie sollte sie es ihm beibringen? Sie war in einer Zwickmühle gefangen.
    Vielleicht nicht heute, sagte ihr eine innere Stimme. Erzähl es ihm irgendwann später! Dieser Abend ist viel zu kostbar.
    Also legte sie wieder ihren Kopf auf seine Brust ab und lauschte dem Schlag seines Herzens, der sich langsam wieder zu beruhigen schien. So lag sie eine ganze Weile bei ihm und schwieg einfach. Auch wenn es noch so viel zu sagen gegeben hätte. Jedes weitere Wort aber hätte jetzt nur gestört. Sie wusste nun, was auch er durchgemacht hatte. Für ihn musste es auch der reinste Tartaros gewesen sein. Aber nun war alles wieder gut… War es das?

  • "Ja", gab Avianus ihr lediglich eine knappe Antwort und blickte sie ratlos an. Dass sie vor seinen Augen, noch während er gesprochen hatte, vollends zu weinen begonnen hatte und ihn nun tränenüberströmt nach dem offensichtlichen fragte, ließ ihn etwas hilflos zurück. Nahm seine Geschichte sie wirklich so sehr mit? Er wünschte sich noch im selben Augenblick, er hätte gar nicht erst angefangen davon zu reden. All das sollte doch hinter ihnen liegen.
    Wortlos legte sie am Ende wieder den Kopf an seine Brust, und er wusste sich nicht anders zu helfen, als ebenfalls schweigend den Saum der Decke ein wenig über sie zu ziehen und die Arme um sie zu legen. Kein Wort verlor er mehr über seine Suche nach ihr oder was sonst noch geschehen war. Nicht weil es nichts mehr zu erzählen gab, sondern weil er nicht wusste wie, ohne dass sie erneut zu weinen beginnen würde. Vielleicht brauchte sie einfach nur etwas mehr Zeit. Und auch die Sache mit dem Domitius ließ er ruhen, sein anfänglicher Zorn legte sich, obwohl es in seinem Kopf weiterarbeitete. Es ging dabei nicht ausschließlich um sie. Unter anderem, aber nicht nur. Er glaubte, mehr als nur einen Grund zu haben, der rechtfertigen würde, sich den Mann vorzunehmen. Etwa dass er offenbar nicht verstand, dass die Cohortes Urbanae dazu da waren, die Leute zu schützen, und nicht dazu im Grunde unschuldige junge Frauen dazu zu zwingen mit ihrem Körper für ihre Freiheit zu bezahlen. Manche mochten ihre Arbeit nicht so ernst nehmen, wie er es tat, aber irgendwo musste es für jeden Grenzen geben. Und er hatte ihn belogen. Sie alle hatten ihn belogen.
    Er blickte zu Sibel hinab, um herauszufinden, ob noch immer Tränen ihre Augen verließen, wischte ihr eine alte weg, suchte nach beruhigenden Worten, doch beließ es dabei.


    "Was denkst du, wie lange ich bleiben kann ohne dass jemand blöde Fragen stellt?", fragte er nach einer ganzen Weile, die er nur stumm nachdenkend an ihrer Seite verbracht hatte. Er würde noch länger bleiben, wenn sie es wollte. Und wie er sie kannte, würde sie ihn wohl kaum für die Nacht bezahlen lassen. Doch dass sie womöglich in Schwierigkeiten geriet, weil sie nach Stunden mit einem Mann in ihren Zimmer kein As verdient hatte, war das letzte, was er wollte.

  • Hätte dieser Moment doch nur für immer und ewig sein können! So nah bei ihm in seinen Armen, seinen Herzschlag hören. nur sie beide und die Welt dort draußen konnte auf sie warten.Bei ihm fühlte sie sich geborgen, ganz gleich, was kam. Beroes Tränen trockneten wieder. Wenn er bei ihr war, dann vergas sie alles Schlechte, was ihr den Alltag erschwerte.


    Doch dann durchbrach Avianus das Schweigen. Seine Frage war durchaus berechtigt, denn im Prinzip verbrachten sie die gemeinsame Zeit während ihrer Arbeitszeit und für gewöhnlich hatte sie auch noch nach Sonnenuntergang zu tun. Bisher hatte sie sich wenig Sorgen darum gemacht, wie lange ein Mann bei ihr blieb, denn schließlich arbeitete sie ja für sich und musste nur einen Teil ihres Verdienstes abtreten. So war es zumindest, solange Morrigan hier das Sagen hatte. Nur war Morrigan nun aber nicht mehr da. Seitdem sich der eigentliche Besitzer des Lupanars bei ihr vorgestellt hatte, kamen ihr langsam Zweifel, ob Morrigans Regeln auch weiterhin Bestand haben würden. Beroe aber hätte es nicht übers Herz gebracht, ihren Geliebten nun einfach so fortzuschicken. Und selbstverständlich würde sie von ihm kein Geld verlangen!
    „Mach dir keine Sorgen. Normalerweise stellt hier keiner blöde Fragen. Jedenfalls bisher nicht,“ raunt sie ihm zu und begann mit ihren Fingerspitzen über die geschmeidige Haut seines Oberkörpers. „Die Frau, die mich hierher brachte, ist leider nicht mehr da. Und Greta, die sie vertritt, ist eigentlich sehr kulant und schaut über einiges hinweg.“ Die Lykierin fragte sich, ob sie Morrigan jemals wieder sehen würde, jetzt nachdem sie gefasst worden war. Sklavenhalter konnten zu ihren geflüchteten Sklaven unglaublich grausam sein. Das hatte sie selbst einmal miterleben müssen. Umso mehr war sie nun wegen der Begegnung mit dem Helvetier besorgt, der sie aus „Vorsichtsmaßnahmen“ praktisch zu seiner Sklavin machen wollte.

  • Seine Bedenken waren vollkommen unnötig gewesen, stellte Avianus beruhigt fest.
    "Nein … ich mache mir keine Sorgen", brummte er leise zurück und lächelte leicht, "Jetzt nicht mehr. Ich bin froh, dass es dir hier gut geht."
    Ein wohliger Schauer wanderte durch seinen Körper und ließ ihn für einige Augenblicke die Augen schließen, als sie über seine Haut streichelte. Langsam öffnete er sie wieder und betrachtete Sibel einmal mehr. Sie wirkte ruhig, gelöst und keine Träne glänzte mehr auf ihren Wangen. Wie seiner ging auch ihr Atem ruhig. Was hätte er gegeben, damit es für immer so blieb, denn alles war beinahe zu schön um wahr zu sein. Sie war bei ihm, gesund und sicher, in einem warmen Raum, einem Zimmer, das ihr gehörte, was zu klären gewesen war, war geklärt, und er musste nicht gehen. Sie schenkte ihm Ruhe und besaß die Fähigkeit seine Sorgen fortzuwischen, so wie sie es jetzt tat, mit ihrer bloßen Nähe oder ein paar sanften Worten. Das hatte sie schon immer gekonnt, schon damals in den Gärten, gleichzeitig nahm sie seine Launen hin, störte sich nicht daran, und für alles war er ihr unendlich dankbar, selbst wenn er sich nicht daran erinnern konnte, es ihr jemals direkt gesagt zu haben. Vielleicht sollte er damit beginnen das versäumte nachzuholen, dachte er noch, während sich seine Lider wieder senkten und er wieder ihren Atemzügen lauschte, die ihn langsam forttragen wollten.

  • Bei ihm zu liegen war die vollkommene Harmonie. Ihre Worte hatten dazu beigetragen, dass auch seine Sorgen um sie von ihm abfielen. Sie waren zusammen und hatten noch die ganze Nacht für sich. Bei beiden wollte sich langsam der Schleier der Müdigkeit ausbreiten. Nach allem was sie durchlebt hatten, diesen Augenblick des vollkommenen Glücks hatten sie sich redlich verdient. Doch Fortuna war sprunghaft. So schnell und unverhofft sie manchmal zu den Menschen kam, verschwand sie auch wieder und ließ diejenigen, die geglaubt hatten, es nun endlich geschafft zu haben, standen auf einmal wieder im Regen.


    Ja, sie hatte es gut hier. Bis vor wenigen Tagen hatte sie auch noch selbst fest daran geglaubt. Beroe hatte ihre Zweifel geschickt vor Avianus verbergen können. Vielleicht hatte sie sich einfach auch nur zu viel Sorgen gemacht, weil sie so oft schon in ihrem Leben schlechte Erfahrungen hatte machen müssen. Sie wollte ihre Probleme, die eben gerade erst am Horizont aufgetaucht waren, vor Avianus fernhalten. Jedenfalls solange, bis sie tatsächlich zur Bedrohung wurden.
    Dennoch gab es da immer noch eine Sache, die tief in ihrem Inneren an ihr nagte. Etwas, was sie auf später verschieben wollte, was ihr aber nun unablässig im Kopf herumschwirrte. Anfangs hatte sie sich eingeredet, den Abend nicht mit dieser letzten Sache zu vergiften, die noch zwischen ihnen stand. Doch nun, nachdem er glaubte, alles sei gut, konnte sie ihm diese „letzte ausstehende Wahrheit“ nicht länger vorenthalten. Selbst wenn dies das Ende ihrer Beziehung bedeuten sollte. Sie redete sich plötzlich ein, seine Liebe nicht zu verdienen, wenn sie nicht voll und ganz aufrichtig zu ihm zu sein.
    Beroe schlug ihre Augen auf, hob ihren Kopf an, so dass sie sein Gesicht sehen konnte und strich ihm sanft über den Arm. „Aulus, es gibt da noch etwas… was ich dir sagen muss,“ sagte sie leise, aber bestimmt.


  • Nach dem Sex lag ich erschöpft und keuchend neben ihr. Es war ein Ausbruch an Gefühlen und Reizen gewesen - und jetzt, wo alles vorüber war, stellte sich eine unglaubliche Ruhe und Entspannung ein. Alles war still um uns herum. Ich spürte ihren verschwitzten Körper an dem meinen und lag vollkommen entspannt und befriedigt da, vollkommen ruhig... Sollte ich etwas sagen? Aber was sollte ich denn sagen? Oder wäre ein Dialog jetzt vollkommen fehl am Platze?


    Ich streichelte ihre Rundungen und plötzlich überkam mich eine Welle voller Zärtlichkeit. Ich wollte sie umarmen, sie küssen, ihre Haare streicheln. Doch dann meldete sich der Verstand zurück - mein Verstand, der einige Momente zuvor die Flucht ergriffen hatte: Letzten Endes war die Frau neben mir doch eine Lupa. Sie wurde bezahlt und handelte - im Bett jedenfalls - nicht nach Leidenschaft. Ich gab mich also besser nicht meinen Gefühlen hin.


    Ich wollte sie umarmen, aber ich hielt inne. Sie war ja wirklich eine Lupa... Und so lag ich da und wartete ab, was als nächstes kommen würde. Denn irgendwie genoss ich ihre Nähe doch und wollte nicht von hier weg.

  • Lange Tage und schlaflose Nächte wollten ihren Tribut fordern, doch noch einmal unterbrach Sibel die Stille und ihre Stimme drang leise zu ihm durch, als er schon beinahe eingeschlafen war.
    "Hm?", machte Avianus erst, während er spürte wie sie sanft seinen Arm berührte. Ich liebe dich auch, wollte er daraufhin einfach nur sagen. Doch ihre Stimme hatte etwas Ernstes besessen, einen Unterton, der ihn dazu zwang, die Augen wieder zu öffnen. Als er sie dann erblickte, spürte er, dass sich auch an dem Ausdruck in ihrem Gesicht etwas verändert hatte. Gerade eben hatte es noch so gewirkt als wäre praktisch zum ersten Mal alles in Ordnung, sodass er sich nun leicht irritiert fragte, was es noch zu besprechen gab. Was konnte so wichtig sein dass es nicht bis morgen warten konnte… oder bis zu ihrem nächsten Treffen. Denn er würde wiederkommen, sagte er sich selbst, ganz bestimmt.
    "Was ist los?", fragte er dennoch ruhig und strich ihr zärtlich über die Wange, fast so als wäre es nun an ihm, ihr zu sagen, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte, denn es schien so, als wäre sie aus irgendeinem Grund noch immer beunruhigt.

  • Ihr Liebster war bereits schon dabei gewesen, langsam hinüber in den Schlaf zu gleiten, als sie beschlossen hatte, ihm auch noch den letzten Rest ihrer Geschichte zu beichten. Vielleicht würde sie sich danach besser fühlen und er klarer sehen können. Vielleicht aber zerstörte diese Beichte auch alles, was zwischen ihnen war. Doch es war inzwischen eine ganze Menge, was sie miteinander verband. Und genau das ließ Beroe hoffen, dass er verstehen würde.
    Nun, da er wieder seine Augen aufgeschlagen hatte und ihr zärtlich über ihre Wange strich, hätte sie beginnen können. Doch dann zögerte sie wieder und küsste stattdessen seine Hand. Sie war noch immer so ausgehungert nach seinen Zärtlichkeiten und hätte am liebsten die ganze Sache wieder aufgeschoben. Sie wusste jedoch, dass dies nichts daran ändern würde. Außer dass es feige gegenüber ihm war.
    „Ich habe dir noch nicht erzählt, unter welchen Umständen ich wieder frei kam. Wieso sie mich gehen ließen..“, begann Beroe schließlich und wollte sich vorsichtig an die Sache herantasten. Sie wollte es ihm schonend beibringen. Stück für Stück, damit er nachvollziehen konnte, was und wie es geschehen war. „Ich weiß nicht, wie viele Wochen ich eingesperrt war, in der Dunkelheit. Jeden Tag mit der Angst leben zu müssen, dass sie mich holen und dass es mir so ergeht, wie den anderen Frauen, die in meiner Zelle saßen.“ Es fiel ihr nicht einfach, diese schlimme Zeit wieder vor ihrem inneren Auge auferstehen zu lassen. Es blieb ihr aber keine andere Wahl. „Doch niemand kam und fragte nach mir. Ich war mir nicht sicher, ob ich darüber froh sein sollte, dass sie mich vergessen hatten. Doch je länger ich da drinnen war umso mehr war ich davon überzeugt, dass ich dort sterben würde. Das ich eins werde, mit der Mauer in meiner Zelle. Da drinnen habe ich meine Hoffnung verloren und das war das Schlimmste.“ Dann schwieg sie. Sie brauchte einen Moment, bevor sie weiter erzählen konnte. Dabei hoffte sie, er würde sie in den Arm nehmen und damit sei dann alles gut.

  • Sie erwiderte seine Zärtlichkeit, indem sie seine Hand küsste. Dennoch, etwas war nicht in Ordnung, sodass ihr sanfter Kuss nicht ausreichte, um ihn beruhigt zurück in die Kissen sinken zu lassen.
    Bisher hatte sie lediglich erwähnt, dass man sie entlassen hatte, und Avianus hatte es nicht für nötig gehalten, weiter nachzuhaken. Dass sie jenes Thema ausgerechnet jetzt noch einmal ausgrub, ließ ihn aufhorchen und während sie erzählte, unterbrach er sie nicht, obwohl sich immer mehr ein ungutes Gefühl in seiner Magengrube ausbreiten wollte, je länger sie von ihrer Gefangenschaft erzählte und die Geschichte ihrer Entlassung hinauszögerte.
    "Es tut mir leid", sagte er, als sie eine Pause machte und nahm erneut ihre Hand. Natürlich wusste er, dass Sibel ihm für nichts die Schuld gab, das tat sie nie, doch zu erfahren, was sie im Carcer durchgemacht hatte, ließ auch ihn nicht kalt. Wochen. Wochen hatte sie gewartet. Sie, bei der die Angst selbst dann nicht nachließ, wenn sie in Sicherheit war, im Carcer musste sie sie zerfressen haben. Und er wusste, wie es im Carcer aussah, er kannte den Dreck, der zwischen den Fugen klebte, das feuchte Stroh, die kalten Wände, das dämmrige Licht. Es schmerzte ihn, dass Sibel alles noch sehr viel besser kennen musste.
    "Das ist aber nicht alles?", fragte er besorgt und runzelte nachdenklich die Stirn. Ihm war nicht entgangen, dass sie von ihrer Freilassung noch nicht einmal angefangen hatte.

  • „Nein, das ist nicht alles,“ antwortete sie. Avianus war nun hellwach. Ihm musste nun endlich bewusst geworden sein, das ihre Erlebnisse im Carcer noch lange nicht die Spitze des Eisberges gewesen war. Dass noch Schlimmeres im Verborgenen lauerte, auf dass er gefasst sein musste, ganz gleich wie es über ihn hereinbrach.
    Die erhoffte Umarmung war ausgeblieben, doch wenigstens hatte er ihre Hand ergriffen. Aber auch das half Beroe, auch noch das letzte Geheimnis zu offenbaren. Die Erinnerungen hatten sie eingeholt. Ihr eindringlicher Blick lag auf Avianus. Endlich fasste sie sich den Mut und erzählte weiter.
    „Eines Tages öffnete sich wieder die Zellentür. Ein junger eleganter Mann betrat die Zelle und fragte jede nach ihrem Namen und weswegen sie hier war. Als ich an der Reihe war, erregte ich anscheinend seine Aufmerksamkeit. Ich erzählte ihm, ich sei auf einer Versammlung der Christianer gewesen. Daraufhin wollte er die genaueren Umstände meiner Verhaftung erfahren. Ich sagte ihm, dass ich mich widersetzt habe, als einer der Urbaner mich vergewaltigen wollte. Dann haben sie mich in einen Verhörraum gebracht. Dieser Mann, er war der Tribun Sowieso, den Namen habe ich vergessen und zwei weitere Soldaten waren bei dem Verhör dabei. Sie haben mich beschimpft und der Lüge bezichtigt. Sie fragten mich immer und immer wieder. Aber ich konnte doch nichts anderes sagen, weil es doch schon die Wahrheit war. Irgendwann sagten sie mir, dass Rachel entlassen worden wäre… weil sie hier keine Leichen sammelten. Ich war wirklich am Ende, Aulus. Ich konnte nicht mehr. Und dann habe ich es gesagt… weil ich an dich denken musste, Aulus… An dich! ….Es ist mir einfach so rausgerutscht,… wirklich Aulus, Es tut mir so leid!“ Mit jedem einzelnen Satz ging ihr Atem schneller. Bis sie schließlich völlig aufgelöst war. Sie zitterte am ganzen Körper. In ihrem Blick spiegelte sich ein Mischung aus Scham und Sehnsucht und die Bitte, sie nun nicht fallen zu lassen.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!