[Tempel vor der Stadt] Merkur und Rosmerta

  • Der Victimarius packte den Schafbock an den Hörnern und sah zum Pontifex.


    "Agone?"


    fragte er mit einem klaren gallischen Einschlag.


    "Age!"


    befahl Crispus und der Schlächter schlitzte mit einem kraftvollen Zug die Kehle des Tieres auf. Nun waren die Ministri wieder an der Reihe, sich um das sterbende Tier zu kümmern.

  • Es war nur ein kleines Pffft, als das Messer durch den Hals des Schafbocks glitt. Es war gut geschärft, blieb nicht hängen und sorgte für einen sauberen Schnitt. Der Schafboch wusste gar nicht, wie ihm geschah, doch war s Curio nicht entgangen, dass er einmal tief eingeatmet hatte, bevor das Messer durch seinen Hals fuhr. Danach floss das Blut in Strömen. Tullus hatte bereits ein Gefäß zur Hand, mit dem er etwas Blut auffing, während Viridomarus mit geübtem Griff dafür sorgte, dass das Tier sich nicht bewegen und schneller ausbluten konnte. Als dies geschehen war, traten Tullus und Viridomarus zurück, während Curio mit der Patera zum Altar trat, wo der Schlächter begann, die Eingeweide des Tieres zu entnehmen und in die Opferschale zu legen.


    Curio schauderte kurz, als ihm der Geruch des Blutes in die Nase fuhr, schaffte es aber an sich zu halten, sich nicht zu übergeben oder gar ohnmächtig zu werden. Als der Schlächter Curio dann zu verstehen gab, dass alle entscheidenden Innereien in der Opferschale lagen, trat Curio einen Schritt vom Altar zurück hin zum Pontifex, damit die Eingweideschau beginnen konnt.

  • Während die Ministri ihren Aufgaben nachgingen, betrachtete Crispus einen Vogelschwarm, der in weiter Ferne den Himmel entlang zog. Natürlich wusste er, dass die Viecher für das geübte Auge Informationen über die Zukunft offenbaren konnten - nur leider beherrschte er diese Kunst ebensowenig wie die Innereienschau! Zwar wusste er, wie eine Leber auszusehen hatte und dass Verfärbungen und ungewöhnlicher Geruch schlechte Omen waren - aber genaueres konnte er aus der Leber auch nicht lesen. Dafür gab es aber auch Haruspices...


    Und so nahm der alte Petronier die Patera, hob die Innereien kurz hoch, roch an ihnen und betrachtete sie von allen Seite...


  • Schon wieder! Schon wieder wurde ihm hier ein nicht-klimpernder Ziegenbock - ach nein, war ein Schaf, aber trotzdem! - angeboten! Und dabei hatte Mercurius es ganz genau klimpern gehört, als einer der Menschlein beim Voropfer immer hin und her gegangen war, um ihm dem Weihrauch und die Opferkuchen zu bringen. Er hatte sogar etwas von einem ganzen Säckchen Münzen die Sterblichen reden hören, ganz sicher! Aber irgendwie hatte das ältere Menschlein das wichtigste am ganzen Opfer einfach so vergessen.


    Mercurius saß in einer Ecke und schmollte. So machte das doch keinen Spaß, wenn diese Menschlein schon Sachen für ihn mitbrachten, und dann doch für sich alleine behielten. Nein, da wollte er gar nicht weiter zuschauen.
    Auch nicht, als Rosmerta dann ankam und ihm bittelnd und bettelnd ganz tief in die Augen schaute. “Dann nimm du das doch an, wenn es dir gefällt. Ich bleib hier sitzen und warte auf meine Münzen!“ schmollte er weiter. Oh ja, wenn das alte Menschlein in ein paar Jahren von ihm zum Elysium gebracht werden wollte, würde Mercurius sicher auch den ein oder anderen Weg vergessen....


    Seine Mitgöttin war da schon gnädiger und ließ daher das Opfer nicht fehlschlagen, nur weil der Handelsgott wie ein Kleinkind beleidigt war. Der Haruspex würde wohl auf der Leber eindeutig uneindeutige Zeichen finden, und etwas, das entfernt an eine Geldmünze erinnerte, auf der negativen Seite der Leber. Aber nichts ernsthaft gefährdendes.

  • Um Münzen zu entdecken war der alte Petronier viel zu wenig geschult - stattdessen stellte er fest, dass das Organ zumindest nicht völlig verfärbt war oder ähnliches, sodass er schließlich eine


    "Litatio!"


    verkündete. Damit legte er die Leber wieder ab und wartete, dass man ihm eine Wasserschüssel zum reinigen der Hände bereithielt - immerhin waren sie ziemlich blutig nach der ganzen Eingeweideschau!

  • Curio verfolgte die Eingeweideschau neugierig und atmete schließlich durch, als der Pontifex verkündete, dass das Opfer angenommen worden sei. Die Wasserschale wurde dann durch Fabricius Tullus zum Pontifex gebracht, während Curio mit einem Tuch dazutrat, mit dem sich der Pontifex die Hände trocknen könnte. Aber das Opfer war erfolgreich und das war die Hauptsache.

  • Crispus ließ sich das klare Wasser über die Hände gießen und reinigte sie ausgiebig - trotzdem waren einige rosige Flecken auf dem Handtuch zu sehen, als er sich abgetrocknet hatte.


    "Ich denke, ihr habt euch ein bisschen Opferfleisch verdient!"


    sprach er den beiden Dienern zu. Vorher gab es aber natürlich noch Einiges zu erledigen:


    "Bis dahin helft dem Victimarius beim Zerlegen und Braten!"

  • Antoninus, der und da muss man mittlerweile zum Glück sagen, sein Geld nie mit auf Reisen nahm, sondern immer nur einen kleinen Teil. War in gewohnter Manier zum Tempel des Merkur gekommen, um einen Teil seines Geldes wiederzubekommen. Er hatte es beim Tempel des Merkur in Rom in Verwahrung gegeben und war mit den Priestern des Merkur sehr zufrieden als Bankherren. Er hatte immer wieder bei verschiedenen Merkurtempeln Ein- und Auszahlungen gemacht und das hatte immer reibungslos funktioniert. So hatte er auch hier wieder einen Wechsel vorgezeigt und nach einer Auszahlung war diese auf dem Schriftstück vermerkt worden. Den Göttern sei Dank war er schon früh zu dieser Verfahrensweise übergegangen. Sonst wäre er nach dem Überfall in Cappadocia sicher deutlich ärmer gewesen. War er auch, denn sein ganzes Reisegepäck war verloren, aber zum Glück nicht sein Geld.

  • Der Morgen ist kühl, als ich die Schwelle des Tempels übertrete. Der Wind trägt den Geruch von Öl und altem Stein mit sich, und das leise Klingen der bronzenen Anhänger zwischen den Säulen begrüßt mich, als wüsste der Ort, warum ich komme. Ich halte meine Opfergabe fest in den Händen – ein kleines Tongefäß meiner besten Schale, mit duftendem Öl bestrichen, getrockneter Lavendel als Zeichen der Reinigung, und drei Münzen: Messing, Kupfer und Silber. Es ist nicht viel, aber es ist ehrlich – wie mein Handel. Vor dem Altar des Merkur knie ich nieder. Die Statue des Gottes blickt auf mich herab, jung, klug, mit dem Hauch eines Lächelns. In der einen Hand hält er eine Waage, in der anderen seinen geflügelten Stab. Ich senke den Kopf und beginne zu sprechen.


    "Merkur, Herr der Wege, Gott des Handels,

    ich komme mit dem, was ich selbst geschaffen habe.

    Aus Erde geformt, mit Feuer gebrannt, mit Mühe vollendet.

    Schenke mir ein gutes Geschäft, einen klaren Blick,

    bewahre mich vor Täuschung, vor Gier, vor schlechtem Tausch.

    Lass meine Tonwaren Käufer finden,

    und mein Name für Qualität stehen – über die Märkte hinaus."


    Ich lege die Opfergabe nieder. Das kleine Tongefäß platziere ich sorgsam auf dem Altar, die Kräuter daneben, die Münzen lasse ich in die Opferschale gleiten. Ihr Klang hallt kurz durch die Halle – hell, rein. Einen Moment lang geschieht nichts. Dann knackt das Tongefäß leise, ein feiner Sprung läuft durch seine Mitte. Ich atme tief ein. Das gilt als Zeichen – Merkur hat gehört. Vielleicht hat er sogar gelächelt. Ich erhebe mich, und als ich den Tempel verlasse, fühlt sich die Luft leichter an, mein Gang fester. Ich weiß nicht, was der Tag bringt. Aber ich weiß, dass ich nicht allein handle.

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