Ein Karren voller Hoffnungen, Träumen und Wünsche hatte sich vor einigen Wochen in Achaia auf den Weg gemacht, um in Rom sein Ziel zu finden. Nun auf den letzten Meilen herrschte im Wagen aufgeregte Stimmung, da die Insassen unter dem weißen Tuch, welches den Wagen überdeckte, freudig die Urbs (Rom) am Horizont erblicken können. Das Tuch, welches über dünnes Holzn gespannt war, gab nur nach Vorne einen weiten Blick frei, so dass sich die Augen nur auf die ewige Stadt richten konnten. Das alte Pferd trabte müde über die Decksteine der römischen Straße, die bereits seit mehreren Dekaden unverändert war. Es hatte am meisten auf dieser Reise gelitten, da es die Last des Wagens und seiner Passagiere alleine tragen musste. Das Pferd rumorte wiehernd auf.
Verus hielt die Zügel fest in seinen Händen. Das Leder drückte sich schon seit einigen Stunden in sein Fleisch und hatte einige Striemen hinterlassen, die aber bei der Ankunft schnell vergehen würden. Kurz versicherte er sich seiner Calena, die neben ihm saß. Es war ein dunkler Tag, da die Wolken die Sonne verdeckten, wie das Tuch um sie herum, die Blicke zu den Seiten. Die Luft schmeckte seltsam frisch auf seinen Lippen, stellte Verus gedanklich fest, während seine Augen wieder die Stadtmauern am Horizont suchten. "Wir werden bald angekommen," sagte er nüchtern, da ihm flau im Magen war. Ihm war schlecht. Es mochte an dem alten Obst liegen, welches er vor einigen Stunden verspeist hatte oder auch an der Tatsache, dass er nun Rom betreten würde, die Stadt, die er eigentlich meiden wollte. Nicht nur aus Selbstschutz, da auch er die Gerüchte über die Tiberier kannte, sondern auch aus Angst vor der Größe dieser Stadt. Sie war unvorstellbar groß für einen einfachen Mann, wie Verus einer war. Gut, so einfach war er dann auch wieder nicht, da er ausreichend Bildung genossen hatte, vor allem in Philosophie; dennoch sah er sich nicht als echten Patrazier, der sich bald in die Ränkespiele dieses Pfuhls vor ihm einreihen würde und sich aus seiner einfachen Lebensrolle erheben würde.
Er war bis dato nur Landbesitzer und im Groben Händler, der die Güter seiner Ahnen verwaltet hatte, um mit deren Erträgen ein erträgliches Leben zu finanzieren. Sie waren nie wirklich arm aber hatten auch nie einen Fuß in der Politik. Ihre Macht war allein das Gutsvermogen gewesen, welches ihnen leider vor einigen Monaten vom wilden Pöbel genommen wurde als man in den Wirren des Bellum Intestinum, dem großen Furor, der das Imperium zerwühlt hatte, ihre Güter entflammte. Verus konnte gerade noch seine kleine Familie retten und dies auch nur unter Einsatz seines Lebens, weil er einen Aufrührer, der die Treppe zum Hauptflügel hinaufstürmte, diese wieder hinunterstieß, so dass dieser unsanft aufschlug und verstarb. Doch hatten ihm die Götter einen kleinen Schutzgeist gewährt, der die engsten Sklaven der Familie dazu anhielt, sie zu warnen und den Pöbel kurzzeitig abzulenken. Verus war seinen Sklaven so dankbar, dass er ihnen spontan, ohne öffentlichen Akt, die Freiheit gewährte. Natürlich waren nicht alle Sklaven auf Verus Seite, doch wollten sie keinen Mord begehen und erhofften sich bei den Plünderungen große Beute, wenn der Hausherr einmal geflohen war. So geschah es auch. Verus floh mit seiner Calena aus seinem eigenen Haus. Der Karren war schnell beladen, mit dem nötigsten und wertvollsten, was er finden konnte und dann gab man dem Pferd die Zügel.
Seit diesem Ereignis ist nun einiges an zorniger Zeit vergangen aber es war für Verus immer noch präsent. So präsent, dass er sich fürchtete, in diese Stadt zu gehen, die das Zentrum des blutigen Bruderkrieges war. Am Wegesrand patroullierten bereits Soldaten, die ihm Wagen in kleinen Conternubien vorbeimarschieren. Verus schluckte, befeuchtete seine zittrigen Lippen, die im kalten Wind, der in sein Gesicht schlug, wankten, wie die Selbstsicherheit des fliehenden Patraziers. Die Soldaten beachteten den Wagen weiter nicht, da sie es scheinbar ebenso eilig hatten, in Richtung der Stadt zu kommen. Welcher Partei gehörten diese Milites an? Verus ließ seine Gedanken durch seinen Geist zucken, wie die Blitze vor ein paar Tagen, die ihm aus dem Schlaf gerissen hatten. "Hmmm...", machte er, während er versuchte, die Kämpfer auf der breiten Straße, nicht anzublicken. Wieder blickte er zu seiner Calena, die immer noch leicht im Sitzen döste und sich an die Querstrebe des Stoffdaches lehnte. Sie war ebenso müde, wie er. Leider konnte sich der junge Ehemann dieser Römerin nicht ausruhen, denn an ihm lag es, nun weiter auf das Ziel dieser Flucht zu zusteuern, wie ein Seemann in einen Hafen. Nur wollte Verus diesen Hafen eigentlich nicht sehen. Nicht unter diesen Umständen und zu dieser Zeit. Sein Herz begann zu pochen. Nur noch wenige Momente. "Aufwachen," peitschte er zusammen mit den Zügeln, während er wieder in Fahrtrichtung starrte. "Wir müssen an der Porta den Wagen verlassen," erklärte er noch. Er kannte die Prozeduren von anderen Städten, nur war man in Achaia ein wenig freier und ließ einen Mann auch mit Gutdünken durch. Hier ging er nicht davon aus, da dies Rom war und Rom war nicht bekannt für einen laxen Umgang.