Gespräche mit Ex-Verbannten I: Lucius Flavius Furianus

  • Das Gesprächsansuchen von Senator Flavius Furianus war nicht völlig überraschend gewesen, war seine Verbannung doch durch Cornelius Palma aufgehoben worden, was ihm eine Rückkehr nach Rom ermöglichte. Trotzdem war Cornelius Palma nicht recht klar, ob er sich auf mehr als eine Dankbarkeitsbekundung hätte einstellen sollen, als er in seinem Arbeitszimmer saß und die Ankunft des Senators erwartete.

  • Flavius Furianus hatte sich nicht groß vorbereitet auf dieses Gespräch. Es galt einige Dinge zu besprechen und abzustecken, nicht nur Bitten zu äußern, sondern auch Erfahrungen auszutauschen. Zumindest hatte er sich so einen Verlauf vorgestellt, ob der Imperator nun Lust hatte oder nicht, er wollte es mehr nach einem Plausch aussehen lassen als nun nach einer Audienz.


    So schritt er selbstbewusst hinein und erblickte ein weiteres Mal die Pracht, die seine Ahnen auch genießen durften.


    "Ave, Augustus!", sprach er, hob seinen rechten Arm und liess diesen mit geballter Faust zur Brust gehen. Eine kleine Verbeugung komplemmentierte die Begrüßung.
    "Ich gratuliere dir zu deinem Sieg, nicht nur auf dem Felde, sondern auch in den ehrwürdigen Hallen des Senates. Ein Sieg, den ich mir erwünschte und doch, ein Sieg, zu dem ich weniger nicht hätte beitragen können. Ich wünschte, es wäre anders."

  • Cornelius Palma nahm die Mischung aus militärischem Gruß und angedeuteter unterwürfiger Geste als Begrüßung entgegen, ohne damit allzu viel anfangen zu können, denn schließlich war der Senator weder aktiver oder kürzlich entlassener Offizier, noch fremder Würdenträger oder Bediensteter. Aber er nahm an, dass sich das Motiv für die Wahl der Gesten wohl noch aus dem Gespräch ergeben würde. Entsprechend grüßte er relativ neutral zurück.


    "Senator Flavius. Ich danke dir für deine Gratulation. Danke du den Göttern, dass sie auch ohne dein Tutun jenes Ergebnis herbeigeführt haben, welches du dir erwünscht hast. Doch da wir beide die Zeit nicht zurück drehen können, ist es sicher nicht dein Wunsch nach einem nachträglichen eigenen Beitrag zu diesem Sieg, der dich zu mir führt. Hättest du der Kanzlei vorab dein Anliegen mitgeteilt, hätte ich mich gegebenenfalls auch vorbereiten können. So wirst du mich nun weniger vorbereitet mit deinen Wünschen konfrontieren müssen."


    Wenn man wollte, konnte man aus diesen Worten heraushören, dass Cornelius Palma diese Art der Gesprächsführung nicht unberdingt schätzte, aber vielleicht musste er einfach erst noch seine Art und Weise finden, wie er als Kaiser Audienzen vorbereiten und führen musste. Die ersten Audienzen, zu denen auch diese gehörte, waren in dieser Hinsicht zweifellos mehr oder weniger intensiv genutzte Experimentierfelder.

  • Den kleinen Hinweis, er hätte ein konkretes Anliegen formulieren sollen, überging er ganz bewusst. Natürlich gab es einen Grund - den gleich keinen Termin zu erhalten, wenn das Anliegen offen geäußert werde.


    "Einen nachträglichen Beitrag würde ich durchaus gerne übernehmen und böte mich an eine kleine Spende an die Tempel in Form einiger Reparaturmaßnahmen durchführen zu können. Die Tempel Roms beherbergen geschöpfe unendlicher Schönheit und Alters - doch sie selbst bröckeln gar zu oft.", fuhr er fort, ohne sich beirren zu lassen und blickte dem Kaiser nun doch recht eindringlich in die Augen.
    "Man kann ihnen nicht genug danken, dass sie den Zustand, in welchem unser Stand leben musste, welchen er erdulden und ertragen durfte, abändern konnten. Mehr noch, sie haben einen der Unsrigen zu unserem Hüter und Wächter erkoren.", und hoffte mit dieser Anspielung dem Kaiser genug Hinweise auf den weiteren Verlauf dieses Besuches gegeben zu haben.


    Natürlich war ihm klar, dass ein Mann, welcher über allen Stand, sich nicht unbedingt mit dem letzten Stand asoziierte, sondern eher seinen Erhabenen annahm und lebte - dennoch, die Patrizier waren nach wie vor dominierend auf den gesellschaftlichen Ebenen, die auch den Kaiser zu tragen pflegten.


    "Meine Familie hat sehr unter dem Homo Novus gelitten. Wir wurden gejagt wie die Tiere, verbannt, gar feige ermordet.", fuhr er mit theatralisch gesenktem Blick fort. Auch wenn der Mord an Flavius Piso nicht geklärt werden konnte, so war es doch recht verdächtig, dass ein Senator patrizischen Geschlechts vor der Ermordung an dem Kaiser und dem darauf folgenden Machtanspruch eines Adelshassers ums Leben kam, sehr verdächtig.
    "Die Sorge um meine Lieben trieb mich die ganze Zeit umher, ich war rastlos und gebeutelt, zumal mein Verbannungsort mir jeglichen Spielraum der politischen Agitation nahm. Zum Glück konnte ich einen Teil meines Vermögens in Sicherheit bringen. Viele konnten es nicht. Unser Stand ist gebeutelt, nicht nur physisch, sondern auch finanziell. Die alten Söhne Roms, welche die Stützen dieses Reiches über Jahrhunderte waren, mit ihren Kaisern, in deren Tradition du stehst, wurden behandelt wie Hunde. Was glaubst du, mein Kaiser, werden wir Patrizier genug Genugtuung erfahren, genug Vergeltung an jenen, die uns beutelten und töteten, erhalten?"


    Und das war der Punkt, an dem seine müde und alte Haut sich an den Schläfen beulte, ein wenig roter wurde, denn dieses Thema versetzte ihn in tiefe Wut, gar Rage. Sich bei diesem Thema zusammen zu reissen fiel ihm schwer und er wischte sich kurz mit einem Leinentuch über die Stirn.

  • Mit einem diplomatisch unverbindlichen Lächeln machte es sich Cornelius Palma in seinem Stuhl etwas bequemer, als er die verschiedenen Ansinnen des Senators gehört hatte. Dem Mann konnte geholfen werden!


    "Es ehrt dich, dass du auf diese Weise deinen Beitrag leisten möchtest und du hast meine volle Unterstützung dabei. Zweifellos hast du dir bereits meine Rede im Senat als Abschrift zukommen lassen und diese studiert, so dass dir bekannt ist, dass ich bezüglich des Wiederaufbaus unseres Staates gerne das Bild des Bauwerks verwende. Ja, es findet meine vollste Zustimmung, dass du dich diesem Aufbau auch physisch widmen möchtest und deine Verantwortung für die Allgemeinheit auf diese Art und Weise wahrnehmen möchtest. Und auch meine Einstellung zur Genugtuung und Vergeltung wirst du dieser Abschrift entnommen haben und daher wissen, dass es mein fester Wille ist, dass Unrecht beseitigt und Schäden beglichen werden, genauso wie es meine Überzeugung ist, dass unsere Gerichte die gerechten Strafen gegen jene verhängen werden, die dem Einzelnen und ihrem eigenen Vorteil gedient haben oder in Zukunft dienen statt dem Wohle Roms."


    Mit diesen Worten war aus seiner Sicht zunächst einmal alles gesagt, denn eine weitere Beurteilung und Einmischung verbot sich wohl von selber, wenn man gerade erst auf die Gerichte verwiesen hatte. Daher schwieg Cornelius Palma und blickte den Senator an, ob dieser noch etwas hinzuzufügen hatte.

  • Der Senator nickte bedächtig und war froh nun den eigentlichen Punkt ansprechen zu dürfen.


    "Eine famose Rede, wahrhaftig eines großen Staatsmannes Werk. Es ist nur richtig das von Salinator begangene oder oktroyierte Unrecht schnellstmöglich beiseite zu schaffen. Daher bin ich auch erleichtert, dass ein Unrecht Salinators, eine weitere Schlinge, die er um den Hals unseres Standes geworfen hatte, bald der Vergangenheit angehört - die aufgehobene Steuerfreiheit unseres Standes. Ich bin mir durchaus bewusst, dass der Bürgerkrieg Unsummen verschlungen hat und daher bin ich auch hier, um dir zu sagen, dass ich wohl nicht im Namen meines Standes sprechen kann - der dir sowohl in der Schlacht beistand, als auch jetzt beistehen wird - aber doch in meinem Namen als Flavius, der auf die Kompensation von der Vermögenssteuer Salinators entgangenen Sesterze und Güter verzichtet. Zum Wohle des Reiches, mein Kaiser, und auch zum Wohle der Festigung deiner Herrschaft.", und dabei verbeugte er sich leicht, um der damit verbundenen Demut Tribut zu zollen.

  • Cornelius Palma hatte es schon geahnt, dass dieses Anliegen auf den Tisch kommen würde und er konnte nicht behaupten, dass ihm Flavius Furianus in der Art wie er es vortrug sympathisch wurde. Dementsprechend schüttelte er milde lächelnd den Kopf.


    "Senator Flavius, ich bin überzeugt, dies hier ist weder der geeignete Ort, noch die geeignete Zeit oder die geeignete Runde, dieses Anliegen weiter zu vertiefen. Der Zustand der Staatskasse ist noch nicht einmal zur Gänze bekannt, so dass es per se schon einmal unseriös wäre, darüber Spekulationen anzustellen. Wenn die Aufhebung der Steuerfreiheit ein Unrecht war, dann ist es ferner die Aufgabe eines richterlichen Gremiums, dieses Unrecht festzustellen und ein solches richterliches Gremium sind wir beide hier sicher nicht. Und schließlich sind Steuern seit jeher eine Res Publica gewesen und gehören meines Erachtens daher im Senat besprochen. Dort kann dann auch jeder für den sprechen, für den er mag."


    Davon, dass ihm Flavius Furianus hier im Zwiegespräch den Beistand der Patrizier versicherte, nur um im gleichen Satz zu sagen, dass er gar nicht im Namen seines Standes sprechen kann, hatte Cornelius Palma nämlich wenig genug, um damit wirklich unangemeldete Gesprächstermine füllen zu müssen.

  • Eine Augenbraue schob sich nicht unauffällig die Stirn herauf und sein Körper insistierte dieser Aussage mit allem zu widersprechen. Aber er konnte es nicht.
    Scheinbar wollte dieser Kaiser Unrecht zu Recht erklären, denn nichts anderes würde geschehen in den hohen Gerichten Roms. Vor allem das Mittel ließ nichts anderes zu.


    "Plato sagte einst, mein Kaiser: Ehrenwert ist der Mann, der selbst kein Unrecht tut, und doppelter und dreifacher Ehre wert, wenn er auch nicht geschehen läßt, daß andere Unrecht tun.
    Ich denke wir sind beide recht ehrenwerte Männer. Wir dürfen nicht zulassen, dass aus Unrecht Recht entsteht."


    Anscheinend legte der Kaiser keinen Wert darauf seine Position bei dem Stand zu festigen und zu legitimieren, der durch persönlichen Einsatz, Geld und Courage das Unrecht der salinatischen Anwesenheit unterband. Diesen Kaiser einsetzte.


    "Man hat jenes Unrecht durch kein richterliches Gremium unserem Stand aufgebührt. Du würdest ein großes Zeichen damit setzen, wenn du dich nicht den zähen und langwierigen Gerichten bedienst, sondern die Mühen, Strapazen und Entbehrungen der Patrizier ein wenig Linderung verschaffst."


    Res Publica, davon hielt er nichts. Unrecht wurde begangen und musste sofort aufgehoben werden, sonst liess man ihm freie Wahl. Er wusste auch, dass das Gewissen gar zu oft Unrecht zu geltendem Recht erheben konnte - wenn es nur einem Zweck diente. Diesen sah man dem Cornelier an.
    Res Publica. Diese wurde primär und seit Ewigkeiten durch den kultischen Dienst seines Standes aufrecht gehalten. Nicht durch stinkendes Geld. Aber dieser Ausspruch würde ihn einiges kosten. Jetzt schon lehnte er sich aus dem Fenster, zu viel riskieren würde er nicht.

  • Die Erwiderung trug nicht dazu bei, dass Cornelius Palma dieses Gespräch nun besser schätzte, hatte Flavius Furianus seinen Wink wohl offenbar nicht verstanden. Also musste Cornelius Palma wohl etwas deutlicher werden.


    "Plato war zweifellos ein weiser Mann und da ich mich kaum in derselben Weisheit sonnen kann werde ich sicher nicht so vermessen sein, die Taten eines Einzelnen auf Wunsch eines anderen Einzelnen und als einzeln handelnder zu negieren. Sollte die Maßnahme ein Unrecht nach dem Worte des Gesetzes darstellen, so ist sie vor einem richterlichen Kollegium genau richtig aufgehoben, und die Dauer, die dies in Abspruch nimmt, wird die Entschädigung nicht schmälern. Ist die Maßnahme jedoch anders geartet und ein Unrecht im Geiste, steht es dem Senat frei, mit frischem Geist nun andere Regeln zu beschließen, völlig ungehemmt von der möglichen Langsamkeit eines Gerichtes. Ich bin kein Alleinherrscher, der dir das eine oder das andere abnehmen könnte. Hast du weitere Anliegen zu besprechen?"

  • "Deine Bescheidenheit ehrt dich, Augustus.", folgerte er und verstand, dass er mit sturrem Wiederholen seiner Ansichten und Meinung nicht voran kann.
    Dieser Kaiser erschien republikanischer als die Republik und das machte ihn ein wenig stutzig. Würde dieser sich vollends zurück nehmen, anstatt im Wohle Roms schnelle Entscheidungen zu erwirken, konnte dies recht schnell zum Negativen gereichen. Nicht ihm, seinem Stand, gar Rom selbst.


    Oha, nun sprach er es aus. Er sei kein Alleinherrschert. Das von einem neu gekröntem Haupte. Der Flavier wurde misstrauisch, da die Strategie des Kaisers eine Ungewöhnliche war. Insbesondere in diesen Zeiten. Wollte er womöglich durch seine Zurücknahme in politischen Entscheidungen Vertrauen gewinnen? Das war hoffentlich nicht der politische Pfad, auf welchem er zu wandeln trachtete. Rom benötigte jetzt eine starke Hand, schnelle Entscheidungen, um sich schnellstmöglich zu erholen. Vor allem wirtschaftlich.


    "Natürlich, Augustus, der Senat steht an deiner Seite und ist wahrlich zu einer Entscheidungsfindung in dieser Thematik ein guter Garant. Ich werde mich persönlich einsetzen, um diesen Umstand der Unsicherheit im Senat anzusprechen und mein Anliegen zu vertreten.", versicherte er dem Cornelier und hatte selbst Zweifel an dem Erfolg dieses Vorhabens. Zu viele Neider, Hasser und falsche Prediger saßen noch im Senat.


    Weitere Anliegen hätte er wohl gehabt, doch der Start war recht miserabel. Anscheinend musste der Flavier an seinem sturren Vorgehen ein wenig arbeiten, der Kaiser ließ sich ja überhaupt nicht darauf ein.


    "Du hast sicherlich wichtige Entscheidungen zu treffen, Augustus. Ich möchte deine Zeit nicht über das Maß hinaus strapazieren.
    Ein Anliegen hätte ich jedoch. Wenn Rom oder du, Augustus, mich braucht, so stehe ich bereit. Ich bin zwar nicht der Jüngste, doch Erfahrung habe ich umso mehr."


    Eigentlich eine Floskel, da er kein weiteres Geld mehr benötigte, kein weiteres Amt für seine Reputation, und doch, es waren turbulente Zeiten und er würde helfen können, wenn man ihn brauchte. Vor allem, da er durch den patrizischen Hintergrund des Kaisers gewisse Sympathien für jenen hegte. Diesen gut zu unterstützen war daher ein besonderes Anliegen. Bürgerkriege konnte sie nicht gebrauchen, der Kaiser musste sich halten.

  • Halbwegs zufrieden registrierte Cornelius Palma, dass nun immerhin der zweite Wink angekommen zu sein schien und Flavius Furianus das Thema in den Senat tragen wollte. Er quittierte dies mit einem zustimmenden Nicken, ohne dass seine Miene dadurch freundlicher wurde. Auch auf die Feststellung hin, dass er sicher wichtiges zu tun hatte, nickte er noch einmal, hörte sich dann aber trotzdem dias weitere Anliegen an. Immerhin war dieses leicht zu beantworten.


    "Nichts anderes erwarte ich und erwartet sicher auch Rom von dir. Nimm deinen Platz im Senat wieder ein und Rom wird dein Einsatz an vielen Stellen willkommen sein."


    Er verzichtete auf eine Auflistung aller möglichen Tätigkeitsfelder, in denen sich ein gestandener Senator engagieren konnte, sondern erhob sich stattdessen, um das Ende des Gesprächs anzukündigen.

  • Und nichts anderes erwartete der Flavier, besser gesagt hoffte, in diesem Zusammenhang. Es wäre zu müßig gewesen nun wieder Rom zu verlassen und innerhalb der Stadt gab es wenig, was ihm Zerstreuung im Dienste Roms gestatten konnte. Praefectus Urbi wäre etwas gewesen, mit dem er sich recht gut angefreundet hätte. Leider nicht vakant.
    Daher nickte der Flavier bedächtig und verbeugte sich.


    "Das werde ich, Augustus. Mögen die Götter Dich und die Deinen behüten.", wünschte er zum Schlusse, um sich danach auf den Weg zu machen.
    Viel hatte er zwar nicht erreicht, konnte den Kaiser jedoch besser einschätzen. Immerhin etwas.

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