Der Ruf der Freiheit

  • „Wer keine Lust auf Sklavenmarkt oder noch was schlimmeres hat, kommt mit mir!“ hatte Brennus gerufen, als Demetrios der Sklavenschaft den Tod der Domina verkündet hatte. Kurz zuvor hatte Beroe in der Küche zwei Sklaven belauscht, die laut darüber nachgedacht hatten was mit ihnen geschehen würde, sobald die Domina tot sei. Es gab ja schließlich keinerlei Nachkommen mehr, an die sie hätten vererbt werden können. Welche Optionen blieben da noch übrig?


    Die Worte des Galliers hatten nicht nur in Beroe etwas ausgelöst. Zum ersten Mal in ihrem Leben wollte sie mutig sein. So eine Chance würde nicht so schnell wieder kommen. Denn eins wusste Beroe ganz genau: Nie wieder wollte sie auf einem Verkaufspodest stehen müssen und dabei von gierigen Blicken gelöchert werden.
    So geschah es also, dass sie und ein paar der anderen niederen Haussklaven die Villa am frühen Morgen verlassen hatten. Auch Arete, die Leibsklavin der Domina ging, nachdem sie ihre Herrin ein letztes Mal für ihre finale Reise herrichtet hatte. Nur einige wenige waren geblieben. Darunter der alte Demetrios, der alte Maiordomus und Vertraute des Dominus.


    Brennus der einstige Leibwächter des Dominus hatte die kleine Gruppe angeführt. Er hatte den Weg direkt in die Berge gewählt. In Misenum unterzutauchen wäre einfach nur fahrlässig gewesen. Die Gefahr, dort erkannt zu werden, war einfach zu groß.
    Eine Höhle in den Bergen war für die ersten paar Tage zu ihrem Versteck geworden, bis sie sich gewiss waren, dass niemand sie verfolgen würde. Dann wanderten weiter nach Norden und mieden dabei die größeren Städte. Die Bauern auf dem Land waren meist hilfsbereit. Doch Beroe merkte schnell, dass das Landleben auf Dauer nichts für sie war. Nach einigen Wochen verließ sie die Gruppe und wanderte alleine nach Rom weiter. Vor vielen Jahren war sie schon einmal in dieser riesigen Stadt gewesen. Doch ihre Erinnerungen daran waren schon längst verblasst.


    Selbst als Beroe längst die Stadtgrenzen überschritten hatte und in das geschäftige Getümmel eingetaucht war, sah Beroe sich immer wieder um, da sie glaubte, es verfolge sie jemand. Aber wer sollte ihr jetzt noch etwas anhaben wollen? Sie war doch schon einige Wochen unterwegs, weit weg von dem Ort, der ihr Zuhause gewesen war. Und außerdem, wer hätte sie verfolgen sollen? Alle, die es gekonnt hätten, waren tot oder hatten sich selbst aus dem Staub gemacht. Außerdem gab es ganz bestimmt niemanden in Rom, der sie gekannt hätte. Dieser Verfolgungswahn der sie manchmal immer noch überkam und der sie dann regelmäßig verunsicherte, machte sie noch ganz verrückt. Zudem war es für sie immer noch ein befremdliche Gefühl, so ganz auf sich allein gestellt zu sein. Niemand war mehr da, der Befehle erteilte, der sie beaufsichtigte und triezte oder ihr Vorhaltungen machte und mit der Peitsche drohte, wenn sie mal wieder das Brot im Ofen verbrennen gelassen hatte oder eines der teuren Gläser fallen ließ. Diese Zeiten gehörten nun endlich der Vergangenheit an! Beroe konnte es immer noch nicht wirklich wahrhaben. Die ganzen Ereignisse der letzten Wochen und Monate, der Bürgerkrieg, der das Leben des jungen Dominus gefordert hatte, die Verhaftung des Hausherren durch die Rebellen, weil erauf den falschen Mann gesetzt hatte und sein daraus resultierender Selbstmord in seiner Zelle, sowie letztendlich der Tod der Domina, die die Wochen, nachdem ihr Gatte fort war, nur noch im Opiumrausch dahinsiechte und am Ende für immer eingeschlafen war.

    Es hatte wirklich keiner großen Überlegung bedarft, ob sie hier bleiben oder weiter ziehen sollte. Rom war der ideale Ort, um in Freiheit zu leben, so glaubte sie. Ein Leben in Freiheit! Freiheit - Nächtelang hatte sie sich den Kopf darüber zerbrochen wie es wohl sein könnte, frei zu sein. Diese süße Frucht, die noch vor einigen Wochen für sie unerreichbar schien, hielt sie nun in ihren Händen und sie konnte es kaum erwarten, davon einen ordentlichen Bissen zu kosten. Doch bevor es soweit war, sich an der Freiheit vollends zu laben, mussten noch einige wichtige Dinge erledigt werden: Ein Platz zum Schlafen musste gefunden werden. Und etwas Essbares wäre sicher auch von Vorteil. Und um diese beiden Dinge auf Dauer zu gewährleisten zu können, war eine sinnvolle Beschäftigung, die einen guten Verdienst mit sich brachte nur von Vorteil. Man Arbeitete und bekam dafür auch noch Geld! Das musste man sich erst einmal vorstellen!
    Nun, das mit der Arbeit hatte gewiss noch etwas Zeit. Rom wurde ja auch nicht an einem Tag erbaut!
    Vielmehr meldete sich Beroes Magen lautstark zu Wort, der seitdem sie das Landgut ihrer ehemaligen Besitzer fluchtartig verlassen hatte, ständig zu kurz kam. Hie und da hatte sie auf dem Land etwas bei freundlichen Leuten ergattern können. Aber hier in der Stadt schwanden ihre Hoffnungen bald, nachdem sie nicht nur einmal mit bösen Verwünschungen vor einer zur anderen Garküche vertrieben worden war nur weil sie höflich gefragt hatte, ob man für sie etwas übrig hätte.
    Das waren leider die Schattenseiten des Frei- Seins. Zu den gewohnten Mahlzeiten gab es kein Stück Brot oder eine Schale voll Puls.


    Da Beroes Hunger mit der Zeit immer schlimmer wurde und sie von der langen Reise mehr als erschöpft war, ließ sie sich irgendwo nieder und begann nachzudenken, was sie tun konnte, um ihren Hunger zu stillen.
    Nun ja, da gab es zum einen das Betteln. Eine relativ einfache Art der Geld- beziehungsweise der Nahrungsbeschaffung. Man musste nur das passende Fleckchen finden, an dem viele potentielle Geber vorbei kamen und man sich dann platzieren konnte, um die Hand aufzuhalten. Allerdings war sich Beroe sicher, dies würde sie einiges an Überwindung kosten.
    Desweiteren war da noch die Möglichkeit des Stehlens. Diese Variante war im Gegensatz zum Betteln doch gleich etwas schwieriger. Man musste geschickt und schnell sein. Zwei Eigenschaften die beide nicht unbedingt Beroes Stärken waren. Also fiel diese Option schon mal flach.
    Die dritte Möglichkeit (und bei einem Großteil der Bewohner dieser Stadt wohl auch die gängigste) war schließlich noch der käufliche Erwerb von Nahrungsmitteln. Diese Option zog allerdings Beroe erst einmal gar nicht in Betracht. Denn woher sollte sie das Geld nehmen, wenn Möglichkeit eins und zwei nicht so einfach umsetzbar waren?
    Beroe zerbrach sich weiter den Kopf, was mit einem leeren Magen gar nicht so einfach war. Wie kam man in dieser Stadt zu Geld, um ein Stück Brot zu kaufen?

  • Ratlos ließ Beroe ihre Blicke schweifen, in der Hoffnung auf diese Weise eine Antwort auf ihre Frage zu erhalten. Da war eine Unzahl von Händlern mit allerlei Waren aus den entferntesten Provinzen des Imperiums. Der Duft wohlriechender Gewürze und Öle drangen an ihre Nase, feine Stoffe in den unterschiedlichsten Farben, filigrane Handarbeiten, edle Geschmeide und vieles mehr fielen ihr ins Auge. Waren, die im Augenblick unerschwinglich für Beroe waren.


    Etwas weiter entfernt wurde die Ware Mensch feil geboten. Der Sklavenhändler, scheinbar ein listiger Fuchs, versuchte mit großem Geschick, feingewählten Floskeln und Gesten seine Ware an den Mann zu bringen. Die armen Gestalten, die dabei vor das johlende Publikum gezerrt wurden taten ihr in der Seele leid. Dann lieber etwas hungern, dachte sie sich und wandte ihren Blick verächtlich ab.


    Man müsste selbst etwas verkaufen oder anbieten können, war dann irgendwann ihr Gedanke, der sofort ihren Körper durchströmte und sie zum Tatendrang anstachelte, fast noch bevor sie ihn zu Ende gedacht hatte. Statt höflich nach etwas essbarem zu bitten, könnte sie sich als helfende Hand anbieten und auf diese Art und Weise ehrliches Geld verdienen. Jedoch erhielt ihr Ehrgeiz schon bald einen Dämpfer, als sie einen der Händler genauer beobachtete. Mit welcher Hingabe er seine Kunden von seinen Waren überzeugte. Ein umfangreiches Wissen über sein Angebot und dessen Beschaffenheit sowie die Fähigkeit, mit wohlüberlegten Worten dies auch noch zu kommunizieren, waren dazu nötig. Beroe hatte niemals so etwas wie Bildung genossen. Sie konnte weder lesen noch schreiben. Und mit der Gabe, sich gewählt ausdrücken zu können, war sie auch nicht gesegnet.


    Es musste doch aber irgendetwas geben, was sie gut konnte! Je länger sie darüber nachdachte, kam sie zu dem Schluss, dass sie ja doch eine ganz passable Sklavin gewesen war, die den Herrschaften immer Wein nachfüllen oder sie während der Cena bedienen konnte. Auch in der Küche war sie recht gut zu gebrauchen. Gut, ab und zu waren ihr einige Patzer unterlaufen. Niemand ist wirklich perfekt. Aber ansonsten… ach nein, vom Leben als Sklavin hatte sie mehr als genug!


    Leichtniedergeschlagen ob ihrer aktuellen Situation schweiften ihre Gedanken ab und mit etwas Wehmut erinnerte sie sich an frühere Zeiten, in denen sie den Dominus nach Misenum begleitet hatte. Ach ja, die herrliche Stadt am Meer und der Schrei der Möwen, der große Kriegshafen mit seinen unzähligen Schiffen und dann noch das verruchte Viertel in der Hafengegend, welches besonders gerne das Ziel des jungen Dominus gewesen war…
    Einige der „leichten“ Mädchen dort waren sogar freie Frauen gewesen, die sich auf diese Weise ihren Lebensunterhalt verdient hatten. Nun ja, dies war nicht unbedingt die ehrenhafteste Art, sein Geld zu verdienen. Aber wenn man Hunger hatte, konnte man sich den Luxus, wählerisch sein, einfach nicht leisten.


    Nach einer Weile, in der sie alles, was noch an Energie in ihr gesteckt hatte und diese mobilisierte, um sich zu überwinden, erhob sie sich und trat beherzt vor den erstbesten Kerl, der einigermaßen danach aussah, als verfüge er über etwas Geld.
    „He, was gibst du mir, wenn ich für ´ne Stunde mit dir geh´?“, kam mehr stockend als flüssig aus ihrem Mund heraus. Der Angesprochene war regelrecht erschrocken über so viel Aktionismus und betrachtete sie kurz aber abschätzig. Schließlich räusperte er sich. „Nix, zieh Leine!“


    Beroe ließ sich von ihrem ersten Versuch, der gründlich schief gegangen war, nicht aus der Fassung bringen. Vielleicht lag es ja einfach an ihrem Aussehen. Der Staub der Landstraße lag noch dickschichtig auf ihrer Haut. Außerdem war sie verschwitzt und ihre Kleidung konnte man als solche eigentlich nicht mehr bezeichnen. Bevor sie sich nun auf ihr nächstes Opfer stürzte, wollte sie sich zuerst an einen Brunnen etwas frisch machen. Wenn wenigstens ihr hübsches Gesicht etwas sauber war.


    Das kalte Wasser tat so gut auf der Haut. Sie benetzte auch ihr Haar, die Arme und ihre Schultern, die von der Sonne ganz braun gebrannt waren. Und obwohl es wohl lebensgefährlich war, nahm sie einen großen Schluck davon. Ah, war das gut bei dieser Hitze!
    Ganz erfrischt versuchte sie abermals ihr Glück bei dem nächstbesten Passaten. „Na Süßer! Wie wär´s? Du und ich…“ Ihre Worte kamen nun schon etwas flüssiger über die Lippen. Das Gesicht war aber zu einem eher gezwungenen Lächeln verzogen.

  • Drei Prätorianer schienen ihren ersten freien Tag seit langem bereits in vollen Zügen zu genießen. Oder zumindest sah es aus der Ferne so aus.
    "Gib' mir mal die Amphore rüber, Proculus", sagte Canus und streckte die Hand nach dem Gefäß aus, das sie gerade erst bei einem Weinhändler erstanden hatten.
    "Ha! Hättest du wohl gern", bekam er von seinem Kameraden zurück, während sie weiter die Straße zwischen den Marktständen hinabgingen.
    "Canus hat Recht, du hast schon genug getrunken. Wir haben doch gesagt, wir heben sie für später auf." Avianus schenkte Proculus einen Blick, der ganz genau klar machte, dass er keine Lust auf unnötige Diskussionen hatte. Immerhin hatten sie alle dafür bezahlt.
    "Wisst ihr, wie lange schon kein guter Wein mehr meine trockene Kehle benetzt hat?", bemerkte Proculus nach einer Weile mit theatralischem Unterton und gönnte sich noch einen Schluck.
    "Zwei Tage", erwiderte der Iunier bloß trocken.
    "Stimmt. Du hast heimlich an Catos Flasche genippt."
    "Wer hat gesagt, dass das Zeug gut war?" Proculus grinste schief.
    "Ehrlich gesagt hätte ich jetzt auch gerne noch einen Schluck", gab Canus zurück und kaute auf seiner Unterlippe herum. Avianus zog ärgerlich eine Augenbraue in die Höhe.
    "Bin ich hier als einziger noch vernünftig oder was?" Wenn das so weiterging, brauchten sie Abends gar keine Taverne mehr aufzusuchen. Seine Kameraden würden die Taverne einfach zu ihnen bringen.
    "Vernünftig? Wer war denn in Vicetia zu blöd, sein Schild zu halten? Ich war von links komplett ungesichert. Draufgehen hätte ich können wegen dir. Und dann mussten wir dich noch aus der Scheiße ziehen", brummte Canus vorwurfsvoll und nahm Proculus den Krug aus der Hand.
    "Das war nicht meine Schuld, ich habe mir die Hand verbrannt, verdammt nochmal."
    "Ahaha!!! Fidenas' Topf!", lachte Proculus lauthals. "Das wird's gewesen sein!"
    "Und dann war ja noch die Sache mit..."
    "He, warte mal." Mit unbestimmter Miene betrachtete Avianus eine Frau die sich unweit von ihnen mit einem Mann unterhielt, oder besser, ihn umgarnte.
    "Hm?"
    "Die da? Ehrlich?" Canus starrte zu der recht heruntergekommenen Frau hinüber.. Ein schönes Gesicht hatte sie ja, aber gepflegt war was anderes. "Nein also echt, Junge."
    "Wenn du's so dringend nötig hast, leih' ich dir auch Geld für ein Lupanar", murmelte Proculus und schenkte dem Iunier einen verwunderten Seitenblick.
    "Geht einfach mal weiter, ja?", sagte Avianus schlicht. Die beiden hatten ganz klar wirklich schon zuviel intus. "Wir treffen uns später wieder in der Castra, klar?"
    "Ist das jetzt dein Ernst?", hörte er noch, bevor seine Kameraden sich auf den Weg machten.
    Avianus ging ein Stück auf die junge Frau zu starrte sie einen Moment lang an und fragte sich ob er sich nicht doch irrte. Aber wenn er Recht hatte, wusste er genau, was zu tun wäre. Und damit würde er, ehrlich gesagt, nur ungern den freien Tag verbringen. Aber eine gewisse Pflicht hatte er als römischer Bürger und Soldat dennoch. Das Gesicht der Frau kam ihm jedenfalls auf jeden Fall bekannt vor. Er würde aber erst einmal vorsichtig sein mit übereilten Schlussfolgerungen und sehen, ob er mehr herausfinden konnte.
    "Salve, wie ist dein Name?", begann er glatt, nachdem er näher an die dunkelhaarige herangetreten war. "Gibt es irgendein Problem?"
    Catus und Proculus behielten Recht, sauber sah anders aus, trotz der Katzenwäsche, die die Frau offenbar hinter sich hatte. Von seinen Gedanken war in seinen Zügen jedoch nichts zu erkennen. Die schienen freundlich wie immer.

  • Obwohl der Angesprochene wohl eher von dem, was vor ihm stand, angewidert war, zögerte er und ging nicht gleich weiter. „Du und ich? Und was weiter?“, entgegnete er ihr mit einem gewissen Maß an Häme in seiner Stimme. „Bei dir holt man sich ja sämtliche Krankheiten! Wasch dich erst mal!“


    Das Lächeln war nun vollkommen aus Beroes Gesicht gewichen und Schamesröte machte sich breit. Am liebsten hätte sie sich irgendwohin verkrochen oder hätte sich in Luft aufgelöst. So sehr schämte sie sich. Doch noch ehe sie sich versah, machte sich ihr potentieller Kunde recht übereilt aus dem Staub. Warum? Nun, es dauerte nicht lange, bis sie selbst herausfand, warum.


    Wie aus dem Nichts stand plötzlich dieser Uniformierte vor ihr. Zwar hatte sie keine Ahnung worum es sich bei dieser Art von Uniform handelte. Doch alleine schon die Tatsache, dass dieser Mann nun vor ihr aufgetaucht war und sie auch noch ansprach, schüchterte sie umso mehr ein.
    Nein, jetzt wäre sie wirklich gerne im Boden versunken. In der Gewissheit, dass ihr Weg in die Freiheit hier und jetzt endgültig vorbei sein würde, hob sie gequält ihren Kopf und sah dem Soldaten direkt an.
    Scheiße! Das ist doch.. war ihr erster Gedanke, als sie dieses Gesicht erblickte. Oder narrten sie nur ihre Sinne, weil sie sowieso schon angespannt war und kurz vor dem Hungertod stand.
    „Ber… äh Sibel heiße ich“, antwortete sie unsicher und log damit nicht einmal, denn Sibel war tatsächlich der Name, der ihre Eltern ihr damals gegeben hatten. Beroe war lediglich das Produkt ihrer Domina, die schon immer einen gewissen Hang zur Theatralik besessen hatte.
    „Nein, äh, hier ist alles bestens… ja wirklich… alles gut!“, fügte sie etwas holprig hinzu, was von einem lauten Magenknurren noch zusätzlich begleitet wurde.

  • Es schien so, als hätte Avianus ihren "Kunden" vergrault, von einer Entschuldigung sah er jedoch ab. In seinem Kopf trieben sich wichtigere Gedanken herum.
    Ein wenig verpeilt nannte die junge Frau ihm ihren Namen. Der sagte ihm wenig, was aber auch nicht weiter verwunderlich war. Wer fragte schon für den Namen einer Sklavin, die einem im Haus eines Bekannten den Wein einschenkte? Und selbst dann, wer merkte ihn sich? Aber in dem Augenblick in dem sie ihn ansah, war er sich sicher, dass er sich nicht irrte, es sei denn er hatte im Krieg den Verstand verloren. Wenn sie nicht die war, für die er sie hielt, würde er seinen Cassis fressen.
    "Wirklich? Ich hätte schwören können, dass du jemanden gebrauchen könntest, der dir ein wenig unter die Arme greift", gab er noch immer mit freundlicher Miene zurück. Er fühlte sich fast ein wenig wie auf geheimer Mission, aber er war sich noch immer nicht sicher, ob er das überhaupt wollte. Einen Tag mit derartigen Kleinigkeiten vergeuden, die sowieso nicht in die Zuständigkeit der Garde fielen. Und wer wusste schon, was seine beiden Kumpanen in der Castra schon wieder über ihn herumerzählten, wenn sie vor ihm dort waren. Aber einfach die Augen zu verschließen und sich davonzumachen ließen weder sein Pflichtgefühl noch sein Stolz zu.
    "Ich frage mich nur, was mein alter Freund Latro davon hält, wenn sich seine Besitzungen hier in Rom auf der Straße anbieten", bemerkte er noch, dieses Mal recht ungerührt, und ging damit in die Offensive über. Etwas gewagt, musste er zugeben. Man würde sehen, wohin das führte. Latro als alten Freund zu bezeichnen, war vielleicht übertrieben, aber er kannte den Mann und hatte mehr als nur einmal seine Casa in Misenum betreten. Genau wie er hatte auch Latro vorgehabt, sich als Soldat zu melden. Was aus dem Mann und seinen Plänen geworden war, wusste Avianus nicht. Er hatte ihn seit Misenum nicht mehr zu Gesicht bekommen. Aber eine seiner Sklavinnen war jedenfalls hier. Und die machte nicht unbedingt einen seriösen Eindruck auf den Iunier. Er wartete ab, was Sibel ihm zu sagen hatte. Vielleicht machte sie es ihm auch einfach und versuchte zu türmen. Wer sich aus dem Staub machen wollte, hatte meistens Dreck am Stecken.

  • Natürlich hätte Beroe dingend jemanden gebraucht, der ihr ein wenig unter die Arme griff oder ihr zumindest etwas Essbares zusteckte. Was dann auch promt von ihrem Magenknurren deutlich unterstrichen wurde. Aber die junge Frau war auf der Hut. Dieser Kerl sah wirklich wie einer von Latros Kumpeln aus. Gelegentlich hatte sie auch den Besuch des jungen Dominus bedienen müssen. Davor hatte sie sich immer gesträubt. Aber ihr Bitten und Betteln hatten Demetrios nur selten davon abgehalten, sie für diese Aufgabe einzuteilen. In der Regel arteten diese Besuche in feuchtfröhliche Besäufnisse aus, bei denen die jungen Herrn sich auch gerne einmal am Dienstpersonal vergriffen. Aber das war zum Glück lange her.


    Doch die nächste Äußerung des Soldaten traf Beroe wie einen fiesen Tritt in den Bauch. Eiskalt überlief es sie, als sie Latros Namen aus seinem Mund vernahm. Beroe hatte sich also doch nicht geirrt! Sie war diesem Mann schon einmal begegnet. Hatte ihn womöglich bedient oder hatte ihm in anderer Weise zu Diensten sein müssen. Und als er sie schließlich noch mit „Besitzung seines alten Freundes“ betitelte, konnte kein Zweifel mehr daran bestehen, dass auch er sie erkannt hatte und sie folgerichtig eingeordnet hatte.
    „Latro? Kenn ich nicht! Wer soll das sein?“, gab sie Schultern zuckend zurück und war selbst über ihre Kaltschnäuzigkeit erstaunt. „Du musst mich verwechseln! Aber wenn du willst, mach ich für dich ´nen Sonderpreis“, fügte sie noch hinzu und hoffte, ihr Angebot würde abschreckend auf den Soldaten wirken.

  • Noch konnte er es sich anders überlegen. Ein kleines "Ja, tut mir leid. Verwechslung" hätte gereicht und er hätte sich umdrehen und verschwinden können. Nur sie beide wüssten von der Sache und mit größter Wahrscheinlichkeit hätte niemals jemand anders davon erfahren. Und interessiert hätte sich dafür vermutlich auch kein Mensch, außer vielleicht Latro, wo auch immer der gerade war. Der hätte aber bestimmt auch irgendwo einen Ersatz für die junge Frau bekommen und wäre darüber weggekommen. Dass Avianus grundsätzlich nichts gegen Sklaven hatte, kam noch hinzu. Für ihn waren sie zwar etwas zwischen Ding und Mensch, aber solange sie ihren Platz kannten, durften sie Mensch sein. Wenn nicht, zog das eben Konsequenzen nach sich, wie bei jedem anderen auch. Und genau da war der Haken.
    "Danke, ich verzichte", schlug er erst ihr Angebot aus. "Aurius Latro, ein junger Herr aus Misenum, der zufällig eine Sklavin besitzt, die dir wie ein Ei dem anderen gleicht. Aber vielleicht irre ich mich tatsächlich", sagte er, jedoch nicht sonderlich von seinen eigenen Worten überzeugt. Er wollte seinen Cassis behalten. "Dann sag' mir doch, wo kommst du her?", bohrte er weiter nach und zog fragend die Augenbrauen in die Höhe. Hoffentlich kam sie mit einer halbwegs anständigen Geschichte. Er zweifelte jedoch daran, dass schlussendlich irgendetwas daran vorbeiführte, dass er sie festnehmen musste, jedenfalls nicht wenn er auf Nummer sicher gehen wollte. Wenn er Glück hatte, konnte er sie vielleicht lange genug in ein Gespräch verwickeln, bis eine Truppe der Stadtkohorten vorbeimarschierte, dann konnte er denen das Problem aufdrücken. Sollten sich die damit herumschlagen. Er war schließlich nicht dienstlich unterwegs.

  • Ein wahnsinniger Druck lastete auf der jungen Frau, der nur noch stärker werden zu schien, als er wiederholt Latros Namen erwähnte. Selbst dann, als der Soldat einzuräumen begann, sich eventuell doch geirrt zu haben, wollte und konnte sie sich noch lange nicht in Sicherheit wähnen. Jetzt durfte sie unter gar keinen Umständen einen Fehler machen. Ausgerechnet sie, Beroe, die die Fähigkeit besaß, das Unglück an manchen Tagen regelrecht anzuziehen, wenn man ihrer Domina Glauben schenken durfte.


    „Tut mir leid, deinen Aurius Latro aus Misenum kenn ich nicht. Und Frauen wie mich, gibt´s wie Sand am Meer.“, entgegnete sie schnell. „Und außerdem war ich noch nie in Misenum. Ich weiß gar nicht, wo das liegt.“ Hoffentlich trug sie jetzt nicht zu dick auf. Misenum kannte doch jeder, na ja fast jeder.
    Eigentlich konnte der Kerl ihr doch gar nichts anhaben, solange sie sich nicht verplapperte, dachte Beroe schließlich und der Druck ließ langsam etwas nach. Glücklicherweise war Beroe niemals während ihres Sklavenlebens gezeichnet worden. Lediglich ein kleines Amulett auf dem ein mit Lorbeer bekränztes A eingeritzt war, hatten die die Sklaven der Aurii zu tragen. Genauso wie jenes Amulett, welches noch immer um Beroes Hals hing. Zu dumm, dass sie nie daran gedacht hatte, es abzunehmen. Dies war wohl die Macht die Gewohnheit. Seit ihrer Kindheit hatte sie es getragen und niemals abgenommen.


    „Ich komme aus Lykien. Aus Myra, um genau zu sein.“ Und dabei darf auch wieder angemerkt werden, dass dies absolut der Wahrheit entsprach. Sibel, also Beroe, war tatsachlich in Myra geboren und dort aufgewachsen, bis ein Schicksalsschlag sie mit acht Jahren in die Sklaverei gezwungen hatte.

  • "Tatsächlich? Sehr ungewöhnlich. Misenum liegt ein ganzes Stück weit südlicher an der Küste", sagte Avianus im Plauderton. "Aber gut, von Italia brauchst du für deine Arbeit wohl nicht viel zu wissen."
    Die Frau schien ihm nicht blöd zu sein, nervös vielleicht und, wie er glaubte, fast schon ein wenig naiv, aber nicht blöd. Avianus lächelte leicht. Wenn er es recht bedachte, konnte die Geschichte mit dieser Sibel auch ganz interessant werden. Und als Soldat ein wenig mehr Einsatz zu zeigen, wenn man fast den ganzen Krieg über auf der falschen Seite gestanden hatte, konnte bestimmt auch nicht schaden. Auch wenn es anstrengender war, als mit irgendwelchen Kameraden in einer Taberna zu sitzen. Es war eine lästige Angelegenheit, aber davon einmal abgesehen konnte sie ihm nur Vorteile bringen.
    "Du bist von Lykien bis hierher gereist? Ein recht weiter Weg durch das Reich, um am Ende nicht einmal zu wissen, wo Misenum liegt", entgegnete er beiläufig. Sein Blick schweifte einen Moment lang über den Markt. Kein Mann der Cohortes Urbanae weit und breit. Dann lag es wohl an ihm, einen Schlussstrich zu ziehen, so gerne er ihr auch eigentlich geglaubt hätte.
    "Vielleicht solltest du mich zur Sicherheit einfach kurz in die Castra Praetoria begleiten. Wenn du die Wahrheit sagst, hast du ja nicht viel zu befürchten", fuhr er höflich fort. Verweigerte sie, hatte er nur einen Grund mehr, sie doch ins Lager zu bringen.
    Fast hätte er breit gegrinst, nicht aus Boshaftigkeit oder weil ihm diese Unterhaltung dermaßen Freude bereitete, sondern schlichtweg, weil er sich über seinen eigenen Schachzug freute und gespannt war, was ihm die junge Frau als nächstes sagen würde.

  • Ein richtig großes Stück, wollte Beroe ihm lauthals beipflichten, ließ es aber, weil sonst ja ihre Tarnung hinüber gewesen wäre. Mehrere Wochen war sie unterwegs gewesen, bis sie endlich in Rom angekommen war. Und wen traf sie dort als erstes? Ja richtig, einen Soldat aus Misenum, der sie dazu auch noch erkannt hatte. Die Welt war so ungerecht!


    Beroe kam langsam zu dem Schluss, dass ganz gleich was sie sich aus den Fingern sog, keine große Wirkung auf ihr Gegenüber hatte. Dieser Mann glaubte kein Wort, von dem was sie ihm aufgetischt hatte. Sogar das, was der Wahrheit entsprochen hatte. Und jetzt wollte er sie auch noch mit in die Castra nehmen. Beroe wusste, was dies letztlich für sie bedeutete, so dumm war sie nun auch wieder nicht. Der Traum von der Freiheit schien ausgeträumt, noch ehe er richtig begonnen hatte. Was würde man in der Castra mit einer flüchtigen Sklavin anstellen? Sie einsperren, und foltern bis sie irgendwann ihr wertloses Leben ausgehaucht hatte? Oder würde sie sich nächste Woche dort drüben auf dem Podest des Sklavenhändlers wieder finden?
    Diese Gedanken und der elende Hunger der an ihr zehrte, ließen sie wie ein Kartenhaus ineinander sacken. Dieses kleine Stück Selbstbewusstsein, welches sie noch vor wenigen Minuten an den Tag gelegt hatte, als sie den jungen Dominus verleugnet hatte, war wie Eis dahin geschmolzen. Zurück geblieben war nur ein Häufchen Elend.


    Ihre Augen füllten sich langsam mit Tränen. Am liebsten hätte sie losgeheult. Doch diese Schmach wollte sie sich nicht auch noch geben.
    „Ja, es war eine sehr lange Reise. Zuerst auf dem Schiff bis Brindisium und dann weiter zu Fuß bis…“ Beroes Stimme war nun ruhig geworden und hatte einen ernsteren Ton angenommen. In ihrem Gesichst spiegelte sich plötzlich ihre ganze Hoffnungslosigkeit wieder. „… bis Misenum. Ich war damals erst acht. Viel zu jung, um zu begreifen, was mit mir geschah." So, nun hatte sie sich tatsächlich selbst offenbart. Und was jetzt? Sollte sie ihm jetzt noch die ganze Wahrheit beichten? Und wenn sie es täte, würde er ihr dann Glauben schenken?
    "Bitte bring mich nicht in die Castra! Bitte! Ich bitte dich inständig!“ Beroe hatte wenig Hoffnung, von diesem Soldaten so etwas wie Gnade zu erfahren.

  • Centho schritt in Richtung Sklavemarkt. Nachdem er Romanus in der Villa gelassen hatte um nach dem Rechten zu sehen und ansatzweise für Ordnung zu sorgen war er zunächst an den bekannten Tabernae unterwegs um Aris oder Thrax seine beiden Begleiter aus Britannia zu finden. Sie waren kräftig und konnten anpacken.
    Doch anscheinend hatten sie ihren Lohn noch nicht durchgebracht und machten sich in irgendeinem Lupanar einen schönen Tag.
    Dieser Umstand und die Hitze war nicht geeignet um Centho´s Miene geschweige denn sein Gemüt zu erhellen.
    Vor sich hinbrütend näherte er sich dem Praetorianer, welcher eine junge Frau vor sich hatte. Die Frau schien in ein unerfreuliches Gespräch verwickelt zu sein.
    Kurz bekam ein Anflug von Neugier die Oberhand und sorgte für eine kleine Ablenkung. Er taxierte langsam in angemessenem Abstand weitergehend die Situation. Offenbar eine Lupina,...nein,...zu schmutzig und abgerissen.
    Der Praetorianer wirkte wie üblich selbstsicher. Erstaunlich, wenn man die zurückliegenden Ereignisse bedachte.
    Was wollte er von der Kleinen?
    Übernahmen die Praetorianer jetzt die Aufgaben der CU?
    Wollte er sich einen schönen Nachmittag machen?
    Mit solch einer Gestalt?
    Seine Gedanken schweiften wieder ab und gewegten sich in Richtung Sklavenerwerb. Er konnte nur hoffen, daß vernünftige Ware da war. Der Umstand, daß einige hohe Häuser aufgrund der zurückliegenden Aktion mit den Proskriptionslisten und des Machtwechsels inzwischen verwaist waren mochte dafür sprechen, den einen oder anderen brauchbaren Sklaven zu ergattern um die Villa für die Rückkehr des Pater familias wieder in Stand zu bringen. Am Geld sollte es wahrlich nicht liegen.


    Sim-Off:

    Vom Plural ins Singular ;)

  • Avianus konnte regelrecht beobachten, wie das Selbstbewusstsein der jungen Frau nach seiner letzten Aussage verflüchtigte wie Rauch. Der Satz hatte seine volle und bereits erwartete Wirkung entfaltet. Auch der Klang ihrer Stimme hatte sich verändert und zum ersten Mal glaubte er, die volle Wahrheit zu hören. Hätte er gegrinst, wäre ihm dieses Grinsen nun dennoch wieder vergangen, vielmehr übte er sich jetzt in ernster Zurückhaltung.
    "Sag' mir nur, wo ist dein Dominus? Ist er noch in Misenum?", fragte er. Vielleicht konnte er ihr so zumindest einen Teil der Unannehmlichkeiten ersparen, indem man sie kurzerhand wieder nach Misenum schaffte. Was Latro dann mit ihr anstellte und ob er eine einmal entflohene Sklavin überhaupt noch wollte, war eine andere Frage. Irgendeine Form von Strafe hatte sie auf jeden Fall zu erwarten. Aber sie gehörte nicht ihm und er hatte darüber nicht zu entscheiden.
    Er hielt ein Seufzen zurück, als er sich die Geschichte der Sklavin anhörte. Es war immer dasselbe. Irgendwann irgendwo festgenommen und verkauft, oder eben bereits als Sklave geboren. Manche fanden sich damit ab, blickten vielleicht sogar hoffnungsvoll in die Zukunft und bemühten sich um eine spätere Freilassung. Andere wollten sich nicht damit arrangieren und die Dinge selbst in die Hand nehmen. "Ich kann leider nicht viel für dich tun. Ich habe auch schon so genügend Probleme", spielte er kurz auf seine eigene Situation an. Und er als kleiner Soldat war ohnehin nicht in der Position in irgendeiner Weise groß eigenständig zu handeln. Er erwartete jedoch nicht, dass Sibel davon in irgendeiner Weise eine Ahnung hatte.

  • Und wenn sie ihm sagte, wo ihr Dominus war? Was dann? Würde er sie etwa dann gehen lassen? Wohl kaum! Beroe hatte noch nie viel Vertrauen in Leute mit Uniform gehabt, ein Trauma, welches in ihrer Kindheit verwurzelte war. Er sagte doch selbst, er könne nichts für sie tun und fing plötzlich an von irgendwelchen Problemen zu faseln. Beroe verspürte große Lust einfach loszulachen. Sie hatte Probleme, ernsthafte sogar. Aber dieser Soldat? Wo bitteschön sollte der Probleme haben?


    „Latros ist tot.“, begann sie schließlich. „Er fiel gleich zu Beginn des Bürgerkrieges. Das hat die Domina nie wirklich überwunden.“ Damals war das Leben in der Villa noch viel schwieriger geworden, besonders dann wenn man zur Sklavenschaft gehört hatte. „Den Dominus haben die Rebellen festgenommen. Ein paar Tage später erhielt die Domina die Nachricht vom Selbstmord ihres Gatten. Von da an…“ Beroe war ins stocken gekommen. Ich Magen krampfte mittlerweile vor Hunger und von der extremen Anspannung.
    Genau in diesem Augenblick fiel ihr einer der passierenden Togaträgern ins Auge. Der Mann machte einen sehr gepflegten Eindruck und unterschied sich deutlich von der übrigen Menschenmasse, da seine saubere elegante Kleidung deutlich hervorstach. Aus unerfindlichen Gründen fühlte sich plötzlich ausgerechnet zu diesem Togaträger hingezogen. Wenn es doch noch irgendwelche Götter gab, die endlich Mitleid mit Beroe hatten, würde ihr dieser Mann aus der Patsche helfen.


    „Da, das ist mein Dominus!“ rief sie plötzlich dem Soldaten zu und sprang auf den Togaträger zu. Als sie direkt vor ihm stand warf sie sich ihm zu Füßen und rief laut hörbar: „Oh bitte Dominus, sei gnädig mit mir, ich werde auch nie wieder davon laufen!“ Dabei wurde sie auch auf den elfenbeifarbenen Halbmond über den Knöcheln des Fremden aufmerksam. Sie hatte es hier mit einem Patrizier zu tun! Dann sah sie bittend zu ihm auf. „Bitte hilf mir, dieser Soldat ist völlig verrückt geworden… Du musst mir helfen, bitte!“ Ganz leise, so dass der Soldat sie keinesfalls hören konnte, hatte sie sich an den Fremden gewandt. Vielleicht wurde jetzt doch noch alles gut.

  • Centho war zunächst ein wenig perplex als ihm plötzlich etwas in den Weg sprang und ihn Dominus nannte. Zuerst war er geneigt sich zu empören über diese dreiste Methode der Bettelei, dann erkannte er das etwas seltsame Mädchen von vorhin und hörte die gemurmelten Worte. Sein Blick suchte den Praetorianer, welchen er im Gespräch mit der Kleinen gesehen hatte.
    Naja, verrückt sah der junge Praetorianer nicht gerade aus. Bestenfalls genau wie er selbst ein wenig überrascht ob der Entwicklung des Geschehens.
    Centho beschloß spontan etwas zu unternehmen, Noblesse oblige...
    Mit ruhiger Stimme sagte er,
    Nun, mein Kind,...das will ich für dich hoffen, denn es wäre schade wenn ich dich auf die Felder schicken müsste!---obwohl deinem Aussehen und Geruch nach zu urteilen scheinst du in dieser Angelegenheit ja schon eine Wahl getroffen zu haben!
    Mit einer Geste gebot er ihr sich zu erheben und in geziemtem Abstand zu warten. Er nickte dem Praetorianer zu und meinte,
    Marcus Claudius Centho...offenbar hast du eine unserer Sklavinnen... Sein Blick fiel auf das Mädchen. ...gefunden,... und wieder zu dem Praetorianer zurück wo sein Blick sich auf der Nasenwurzel des jungen Mannes festsetzte. ...hab´Dank dafür!
    Dabei wirkte er wie einer jener Priviligierten die keine Ahnung über den Umfang ihres Sklavenbestandes hatten und keinerlei Diskussion über ihre gerade getroffene Entscheidung duldeten.
    Er hob seine rechte Hand Finde dich in der Villa Claudia ein, dort wirst du einen Obulus für deine Hilfe erhalten.
    Natürlich hatte er kein Geld bei sich, es wäre Unsinn mit einer Börse in der Urbs unterwegs zu sein, entweder würde sie Opfer von geschickten Taschendieben oder leerte sich bei den zahlreichen Bettlern unnötig.
    Es war nichjt so, daß er noch etwas von dem Praetorianer zu hören erwartete, daher wandte er sich langsam ab...

  • Avianus blickte sie erst leicht beunruhigt an, dann nickte er, während sie weiterssprach. Tot. Es war nicht weiter verwunderlich das der Aurius gefallen war, wenn sie die Wahrheit sagte jedenfalls. Der Iunier blieb zwar vorsichtig, sah allerdings keinen Grund ihr in dieser Hinsicht nicht zu trauen. Doch gerade als er den Mund öffnen wollte, um etwas zu sagen, warf sich die junge Frau völlig unvermittelt vor einem Fremden auf den Boden und fing an, den größten Schwachsinn von sich zu geben, den er von ihr jemals gehört hatte. Er starrte Sibel mit großen Augen an, dann den Mann. Dem stand im ersten Moment ebenfalls die Verwirrung ins Gesicht geschrieben. Bisher hatte er recht gefasst vor ihr gestanden, doch darauf war auch er nicht vorbereitet gewesen. Was ihn allerdings noch mehr irritierte war die Reaktion des augenscheinlichen Patriziers, der ohne allzu langes Zögern bei der Sache mitspielte.
    Einen Augenblick später hatte er sich wieder gefangen. "Das muss wohl ein schlechter Scherz sein", zischte der Iunier ungehalten zurück. Würden sie sich nicht mitten im Marktgeschehen befinden, hätte er sich lauter bemerkbar gemacht. Dennoch, bis auf seine bebenden Nasenflügel, blieben seine Züge vollkommen ruhig. Er versuchte, sich die Chancen auszurechnen, die er in einer Auseinandersetzung mit diesem Patrizier haben würde. Am Ende stand für ihn allerdings nur eines fest: Der Mann half einer entflohenen Sklavin und ging dabei offenbar noch dreister vor als die Sklavin selbst. Sogar Geld bot er ihm an. Sollte das etwa Bestechungsgeld sein, oder gehörte es einfach nur zu dieser unsäglich miesen Vorstellung?
    "Sie hat selbst gestanden, dass...", begann Avianus erst bestimmt und endete abrupt, als sich der Claudier bereits abgewandt hatte. Er war Prätorianer und hatte eigentlich keinen Grund, sich groß einschüchtern zu lassen. Doch die Sklavin hatte, wenn er es recht bedachte, gar nichts gestanden, bevor sie sich dem Centho vor die Füße geworfen hatte. Das fiel ihm erst auf, als er sich darauf berufen wollte. Er war sich im Grunde sicher, dass das, was hier gerade passierte, Diebstahl oder aber Beihilfe zur Flucht, je nachdem, was er später mit der Frau vorhatte, war. Aber er hatte keinen Beweis, nicht einmal eine Aussage.
    "Nur eine Frage an dich Claudius Centho, wann hast du diese Sklavin erstanden?", fragte er, nicht einmal sicher ob der Mann ihn noch hören konnte.

  • Centho wandte sich dem Praetorianer zu sah den unterdrückten Zorn an den Nasenflügeln beben und entgegnete ruhig,
    Nun, ich pflege Sklaven nicht selbst zu erstehen,dafür... er zuckte leicht die Schultern ...haben wir einen wahren Fachmann in Diensten.
    Lächelnd schloß er ...ich denke jedoch, da mich diese Sklavin erkennt wird auch er sie erkennen und zuzuordnen wissen...falls sie keine von den Unseren ist, werden sich Mittel und Wege finden sie seinem Besitzer zu überstellen...
    Er trat lächelnd einen Schritt auf den Praetorianer zu.
    Wie ist dein Name Praetorianer...und was glaubst du gibt dir das Recht mich hier öffentlich zu komprimittieren?
    Centhos Tonlage blieb zwar ruhig, nahm jedoch an Schärfe ein Stück weit zu.
    Das Verhalten des jungen Mannes tangierte langsam die Grenzen des Möglichen.

  • Glücklicherweise spielte der Patrizier ihr Spiel mit und reagierte sofort in der erhofften Weise. Unterwürfig, wie es sich für eine Sklavin ziemte, gehorchte sie und erhob sich. Ganz schuldbewusst hörte sie sich an, was ihr vermeidlicher Dominus zu sagen hatte. Gelegentlich nickte sie ihm dabei zustimmend zu.
    Beroe hätte niemals geglaubt, eine solche schauspielerische Gabe zu besitzen. Offenbar wuchsen manche Menschen in Extremsituationen über sich hinaus. Wie auch immer, in all den Jahren ihres Sklavendaseins hatte sie ja schließlich gelernt, unterwürfig zu sein.


    Als der Patrizier schließlich den Soldaten zu sich her winkte und ihm dankte, eine seiner Sklavinnen „wiedergefunden“ zu haben, konnte die Lykierin sich sicher sein, dass ihre List aufgegangen war. Wer würde denn einen ehrenwerten Patrizier als Lügner bezichtigen? Beroe grinste in sich hinein, wovon man aber äußerlich nicht viel mitbekam. Danke, ihr Götter, dachte sie nur. Sobald sie sich etwas Geld verdient hatte, würde sie irgendeinem Gott ein Opfer bringen, schwor sie sich.


    Marcus Claudius Centho hieß also ihr Wohltäter. Vielleicht würde er sich, sobald diese dumme Angelegenheit aus der Welt geschafft war, noch etwas mehr als Wohltäter erweisen und ihr etwas zu essen spendieren. Und ein paar neue Kleider wären auch nicht schlecht… Aber aber, wer wollte denn gleich unverschämt werden? Aber ein kleines Stück Brot musste doch drin sein, dachte sie sich.


    Verständlicherweise fühlte sich der Soldat durch die veränderte Situation völlig überrumpelt und drückte dies auch gleich verbal aus. Aber offenbar hatte er sich gut unter Kontrolle, denn er vermied es vorerst, dem Claudier eine Szene zu bereiten. Stattdessen begann er nun den Patrizier mit seinen Fragen zu löchern. Und genau da spürte Beroe, dass die Situation doch noch einmal zu kippen drohte. Ihr war bewusst, dass sie dem Patrizier nicht ins Wort fallen durfte und hoffte nur, dass er nun nichts abwegiges erzählte. Doch wie konnte man ihm begreiflich machen, was die richtige Antwort war? Der Patrizier jedoch zog sich gekonnt aus der Affäre und ging sogar noch ein Stückchen weiter. In diesem Moment war Beroe so stolz auf ihren Gönner!

  • Ausweichen. Das schien der Claudius gut zu können.
    "Selbstverständlich", entgegnete Avianus trocken. "Mein Name lautet Aulus Iunius Avianus und als Teil des Exercitus Romanus sehe ich es als meine Pflicht an, dafür Sorge zu tragen, dass den geltenden Gesetzen Folge geleistet wird." Er musterte den nun lächelnden Claudius mit unveränderter Miene. Selten hatte er sich selbst derart bemüht erlebt, ein Gespräch in die richtige Richtung zu lenken. "Jegliche Maßnahmen dafür sind auf keinen Fall als Angriff gegen dich aufzufassen. Ich ziehe es lediglich vor, meine Arbeit gründlich auszuführen", endete er glatt. Alle Worte waren regelrecht aus ihm herausgeflossen. Oh ja, er konnte, wenn er es bloß wollte. Ihm würde eine ganze Rede einfallen über Pflichtgefühl, Loyalität und Zuverlässigkeit. Aber nun reichte es auch ihm mit kuschen vor dem Patrizier, alles Weitere wäre lächerlich. Der Patrizier schien ihm ganz schön aufgeblasen, von einem Gardisten eine Rechtfertigung für sein Vorgehen zu verlangen. Und doch sah er sich nicht in der Position, es sich leisten zu können, in irgendeiner Weise negativ aufzufallen. Selbst wenn der Grund nur irgendein aufgeblasener Patrizier war. Wie machte er das nur, dass er immer in irgendeine Scheiße geriet? Und dabei war er sich dieses Mal sogar sicher, keinen absolut fundamentalen Fehler begangen zu haben. Vielleicht sollte er wieder einmal seine Ahnen und die Götter um Beistand bitten. Auf jeden Fall schien es irgendwer auf ihn abgesehen zu haben, und wenn es das Schicksal höchstpersönlich war.

  • Centho betrachtete den Praetorianer mit einer Mischung aus Belustigung, solch eine Unverschämtheit war ihm bisher noch nie untergekommen, einiger Nachsicht , immerhin hatten die Praetorianer im Moment einige Probleme mit ihren Stand beim neuen Kaiser, weshalb sie sich unentbehrlich darzustellen suchten und dem unbestimmten Bedürfnis ihn in seine Schranken zu weisen.
    Iunus Avianus,...du bist dir im Klaren, daß du mich gerade bezichtigst eine Straftat zu begehen?!
    Dabei richtete er sich vollends zu seiner ganzen Größe auf und seine Miene verlor auch den letzten Rest von Freundlichkeit. Er war wieder ganz der Gutsherr im wilden Britannia. ...und das, Iunus Avianus betrachte ich sehr wohl als einen Affront gegen meine Person...und gegen einen solchen Affront, Iunus Avianus werde ich all die mir zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen um dich in deine Schranken zu weisen, wo du dann über deine Worte nachdenken kannst, falls du noch die Zeit dafür findest!
    Es dürfte nicht schwierig sein sich auszumalen wie dann der weitere Lebensweg des Iunus Avianus verlaufen würde.
    Ich fordere dich jetzt auf deiner Wege zu gehen.
    Sollte die Aussage der Sklavin zutreffen und sie zum Hause der Claudier gehören, dann wird dein Eifer dich hier als Exercitus fernab deiner Aufgaben, nämlich den Kaiser diesmal zu schützen, aufzuspielen in Bereiche befördern die deine Vorstellungskraft und Leidensfähigkeit bei weitem übertreffen.

    Langsam ging ihm dieser selbstherrliche kleine Gardist ein wenig auf die Nerven. In seinem Innersten begann etwas zu brennen.
    Ein lange vergessenes Gefühl, welches er in Britannia in zahlreichen Keltenscharmützeln austoben konnte. Doch dies hier war nicht der Norden Britannias und der Mann vor ihm kein blau bemalter Kelte...er rief sich zur Ruhe und Besonnenheit.
    Seine Erziehung bekam seine Wut in den Griff. Was blieb war ein finsterer Blick und eine schneidend eiskalte Stimme.
    ...sollte sich die Aussage der Sklavin als unwahr herausstellen werden wir sie den Cohortes Urbanae übergeben, damit sie ihrem wahren Besitzer ausgehändigt und für ihr Fehlverhalten entsprechend bestraft wird.
    Er ließ keinen Zweifel daran, daß er den für ihn vollkommen überraschenden und vor allem ungehörigen Beschuldigungen des Iuniers Taten folgen lassen würde. Aulus Iunus Avianus......den Namen würde er vorerst nicht vergessen.


    Sim-Off:

    Edit wegen Regelverstoß

  • Binnen kürzester Zeit wurde Beroe Zeugin, wie zwischen den beiden Männern ein gewaltiges Wortgefecht ausgebrochen war, welches an Schärfe und Aggressivität stetig zunahm. Anfangs hatte es die „Ex“-Sklavin noch recht belustigend empfunden, dass die beiden wegen ihr so viel Aufhebens machten. Doch allmählich begann sie zu zweifeln. Insbesondere dann, wenn der Patrizier darauf hinwies, sie den Cohortes Urbanes übergeben zu wollen. War das tatsächlich noch Schauspielerei? Und was, wenn er am Ende den Spieß umdrehte und sie selbst zu seiner Sklavin machte? Sie wusste doch noch, dass man den Römern nicht trauen durfte! Das hatte sie doch mehrmals in ihrer Laufbahn als Sklavin schmerzlich erfahren müssen! Und wenn der Patrizier dies tatsächlich alles hier nur veranstaltete, um sie zu schützen, würde sie sich bei ihm bedanken – später! Da sie sich schon immer Namen gut merken konnte, würde sie sicher auch herausfinden können, wo Marcus Claudius Centho wohnte. Ebenso würde sie sich aber auch den Namen Inius Avianus merken und in Zukunft vermeiden, ihm noch einmal über den Weg zu laufen.


    Doch nun war es für Beroe an der Zeit, sich unbemerkt aus dem Staub zu machen, solange die beiden Streithähne noch ihren verbalen Ringkampf ausfochten unaufmerksam waren und alles um sich herum vergaßen.
    Wortlos trat sie erst einen Schritt zurück, dann noch einen und bevor sie sich endgültig umdrehte um Reißaus zu nehmen, meinte sie ganz nebenbei: “Ich geh´ dann mal besser. Macht´s gut!“ Weg war sie! Im Schutz des Getümmels versuchte sie schnellstens Land zu gewinnen und vielleicht bei Gelegenheit auch noch etwas Essbares zu finden.

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