Nasse Füße im Vicus Navaliorum

  • Es war das erste Mal, dass Pacatus an einer Sitzung des Ordo Decurionum teilnahm. Natürlich war das Alles für ihn noch neu und er verhielt sich zunächst ruhig. So wie ein junger Hund, der sich erstmal die Welt genau anschaut, bevor er mit dem Bellen anfängt. Als die Decuriones mit ihrer Diskussion zu einem Ende gekommen waren, meldete er sich.


    "Werter Duumvir, ich bitte um das Wort. Ich möchte eine Angelegenheit aus dem Vicus Navaliorum zur Sprache bringen."

  • Der frisch verheiratete Sippenführer der Söhne Wolfriks war heute etwas abgelenkt. Es war die erste Sitzung seit seiner Vermählung und Witjon musste ständig an seine Frau denken. Gedankenversunken spielte er an seinem Ehering herum, den er nun rund um die Uhr trug. Nur mit halbem Ohr bekam er mit, dass es der matinische Magister Vici aus Navaliorum um das Wort bat. Erst als sein Sitznachbar Witjon anstupste und ihm einen tadelnden Blick zuwarf, richtete der Duccius seine Aufmerksamkeit auf den Redner.

  • Pacatus wurde sich mit einem leichten Schrecken bewusst, dass es jetzt kein Zurück mehr gab, nachdem er um das Wort gebeten hatte. Wie nicht anders zu erwarten, führte der leichte Schrecken dazu, dass ihm die Worte, die er sich in Gedanken wieder und wieder zurechtgelegt hatte, nun gänzlich entfallen waren. Aber, scheiss drauf, er hatte die schlafenden Hunde geweckt und jetzt musste er zusehen, wie er mit ihrem Gebell fertig werden würde.


    "Werte Decuriones, die Schwierigkeiten, die im Vicus Navaliorum bei Hochwässern auftreten, sind vielleicht dem einen oder anderen von Euch bekannt." Dieser etwas nichtssagende Satz verschaffte ihm einen kurzen aber wertvollen Zeitgewinn.


    "Ich will aber trotzdem die Situation kurz erläutern. Bei fast allen Hochwässern des Rhenus wird die Uferstraße überschwemmt, die vom Stadttor am Ende der Via Praetoria, wir nennen es Hafentor, zum Handelshafen führt. Dass die Vicani, die entlang dieser Uferstraße wohnen, dann nasse Füße bekommen, ist dabei nicht mal das primäre Problem. Vielmehr ist ihnen dann der Zugang zur Stadt abgeschnitten und, was mindestens eben so wichtig ist, die Handelsstadt Mogontiacum hat keinen Zuweg mehr zu ihrem Hafen. Bisher hat man sich mit lausigen Alternativen beholfen, indem man die Transporte durch die Canabae über elende Feldwege geschickt hat oder über die kleine Straße, die parallel zur Uferstraße direkt unterhalb der Stadtmauer zum Hafen führt. Für Schwertransporte mit Ochsengespannen sind beide Alternativen völlig ungeeignet und bislang sind diese Wege regelmäßig durch liegengebliebene Gespanne dann auch blockiert worden. Das Widersinnige dabei ist, dass der Hafen selbst bei den meisten Hochwässern funktionsfähig bleibt, weil man dort die Uferstraße beim Bau der Kaimauern hoch genug aufgeschüttet hat."


    Na, läuft doch, sagte sich Pacatus und wie es schien, hörten die Decuriones auch zu. Dass da hinten in der Ecke auch einige der hohen Herren miteinander tuschelten, störte ihn zwar etwas, aber das sind eben die unvermeidlichen kleinen Sauereien, die auch die Götter niemals verhindern können.


    "Ich möchte, mit Eurer Erlaubnis, einen Vorschlag zur Lösung dieses Problems machen. Wie ich beim letzten Hochwasser gesehen habe, wurde die Uferstraße zumeist drei Fuß hoch überflutet. Wenn man die Straße auf einer Länge von dreieinhalb Stadien oder 440 passus um etwa fünf Fuß höher anschüttet, wird es zwar immer noch Hochwässer geben, die da drüberschwappen, aber das wird sehr viel seltener passieren. Dabei kann man auch in Betracht ziehen, die kleine Parallelstraße unterhalb der Stadtmauer ebenfalls auf einer Länge von eineinhalb Stadien um drei Fuß zu erhöhen, um bei großen Hochwässern wenigstens einen fußläufigen Zugang zur Stadt einzurichten. Dabei könnte man die eigentlichen Arbeiten im Wesentlichen im Rahmen von Opus Publicum durchführen. Es sind ja nach dem letzten Strafprozess noch ein paar Burschen dazugekommen, die eine Schaufel schwingen können. Ich danke Euch für Eure Aufmerksamkeit."

  • Hochwasser war ein Problem, das in Mogontiacum so alltäglich war wie Taschendiebe auf dem Forum - der Rhenus schaute quasi jedes Jahr in der Stadt vorbei - mal nur im Vicus, mal bis hinter den Wall. Manch einer der Fischer im Vicus Navaliorum hatte sein Haus deshalb von vornherein auf Stelzen gebaut - Crispus hatte dies auch schon für seine Lagerhalle erwogen, das ganze bisher aber immer aufgeschoben.


    Dass der Magister Vici dieses Problem nun anpacken wollte, war erfreulich - zu überlegen war aber, wie man dies tat..


    "Hochwasser ist wirklich ein leidiges Problem im Vicus. Die Erhöhung der Uferstraße wäre sicherlich sinnvoll, sie könnte auch als Damm für die Häuser dahinter dienen. Aber die Frage ist, was so etwas kosten würde. Hast du bereits einen Kostenvoranschlag oder so etwas?"


    Die Stadt hatte ja gerade in letzter Zeit viel Geld ausgegeben für die Bemühungen um den Stadtrechtserwerb - da musste man schon überlegen, welche weiteren Großprojekte man angehen wollte...

  • Hochwasser, darum ging es also heute. Witjon versuchte aufmerksam zuzuhören, denn er hatte durchaus selbst einige Lagerhäuser und Betriebe, die vom Hochwasser regelmäßig beeinträchtigt wurden. Die Erläuterungen des Matiniers überzeugten Witjon, auch wenn er das Problem ja schon kannte. Aber der Magister Vici brachte die wichtigsten Punkte nochmal auf den Tisch und brachte sie auch den weniger betroffenen Honoratioren nahe.


    Marcus Petronius Crispus erklärte schließlich seine grundsätzliche Zustimmung zum Lösungsvorschlag des Magisters. Außerdem stellte er natürlich die obligatorische Frage nach den Kosten. War ja klar, dass irgendwer immer gleich krähte, wo das Geld herkommen solle. Witjon rieb sich das rechte Auge und dachte einen Augenblick über den Lösungsvorschlag des Matiniers nach. Er wollte nicht gleich auf die Frage des Pontifex losschießen, bevor er nicht selber mal erst überlegt hatte.


    Mit aufgehelltem Gesichtsausdruck meldete Witjon sich daraufhin zu Wort: "Wenn ich gleich mal einwerfen darf: Ist es denn praktisch überhaupt möglich, da gleich die gesamte Straße zu erhöhen? Immerhin stehen da ja angrenzende Gebäude, oder nicht? Verbaut man denen nicht die Hauseingänge, wenn man denen einfach mal fünf Fuß Pflastersteine vor die Tür legt?" Er sah fragend in die Runde und fixierte dann den Magister Vici. "Vielleicht bietet sich ja eher eine erhöhte Kaimauer an der Stelle an. Das würde vielleicht" - und jetzt sah er zu Marcus herüber - "von vornherein die Kosten senken."

  • Mit der Frage nach den Kosten hatte Pacatus fest gerechnet und sich deswegen dazu auch ausgiebig die Birne zermartert. Blödsinnigerweise waren die Kosten horrend hoch. Den Decuriones würde das grade mal so gut schmecken wie Kuhscheiße, nämlich gar nicht.


    "Verehrte Decuriones, die Frage nach den Kosten hat mich auch beschäftigt und ich kann dazu folgendes sagen: für die Erhöhung der Uferstraße müssen nach meiner Schätzung knapp 23000 Tagwerk angesetzt werden. Bei Einsatz von Taglöhnern ergäben sich damit Kosten von rund 45000 Sesterzen."


    Pacatus schaute in die Runde, aus der ihm erwartungsgemäß ein augenblickliches gemeinsames Erbleichen entgegenschlug. Er hob die Hände und fuhr fort.


    "Bei diesem Preis ist mir auch der Schreck in die Glieder gefahren, werte Decuriones, aber ich denke, dass man die Kosten durchaus noch senken kann, zum Beispiel, wenn man Sklaven einsetzt. Und ich bin der Meinung, dass ja nicht nur die Civitas an diesem Projekt interessiert ist, sondern vor allem auch der Handel. Und wer ein Interesse daran hat, muss auch Kosten übernehmen. So gesehen glaube ich, dass Mogontiacum ein solches Vorhaben durchaus stemmen könnte."


    "Ich habe gleichwohl nach billigeren Lösungen Ausschau gehalten. Wenn man also statt der Uferstraße die derzeit etwas enge Straße direkt vor der Stadtmauer ausbauen würde, könnte man die Kosten auf gut ein Drittel reduzieren, sodass wir mit vielleicht 17000 Sesterzen davonkämen. Die Straße müsste um zwei Fuß verbreitert werden und braucht unbedingt eine festere Decke. Weil sie insgesamt höher liegt als die Uferstraße, muss man sie nur auf einer Länge von knapp einem Stadium um drei Fuß erhöhen. Damit wäre auch das - allerdings recht geringe - Problem der verschütteten Hauseingänge vom Tisch, das du, verehrter Duccius Marsus angesprochen hast. Ganz entschieden würde ich jedoch vom Bau einer Kaimauer abraten, denn dies würde die Kosten ins Uferlose treiben."


    So weit, so gut. Jetzt konnten die Decuriones sich mit Eifer der Debatte um das Ja oder Nein und um die Kostenverteilung widmen. Pacatus setzte sich erstmal.

  • 45 000 Sesterzen??? Crispus riss erstaunt die Augen auf - das war eine Summe, die er noch nie auf einem Haufen gesehen hatte und die er sich eigentlich auch gar nicht vorstellen konnte. Und in der Stadtkasse gab es so viel Geld schon gar nicht...


    "Die Stadtkasse hat momentan gerade einmal 30 000 Sesterzen - wir können uns so ein Projekt also auf keinen Fall leisten."


    warf er deshalb spontan ein, ehe Pacatus weitersprach. Die Sklaven-Lösung erschien ihm auch problematisch, denn woher sollte man die Sklaven nehmen? Die Civitas beschäftigte nur eine Handvoll - oder gab es eine Möglichkeit, große Mengen an Bausklaven zu mieten? Vielleicht Kriegsgefangene aus dem Bürgerkrieg?


    Blieb die Idee mit der anderen Straße...


    "Naja, bei der hinteren Straße gibt's ja das gleiche Problem, da stehen ja auch Häuser. An der Wallseite könnte man höchstens das ganze Bodenniveau anheben... Aber warum wäre die Kaimauer so viel teurer?"

  • Pacatus hatte hatte kurz auf seinem Abacus gerechnet, bevor er Cripus antworten konnte. "Verehrter Petronius Crispus, eine Kaimauer muss hinterfüllt werden, sonst ist sie nicht standfest genug. Das heißt, dass wir allein für das Aufschütten schon die vorhin erwähnte Summe aufbringen müssten. Für die Kaimauer selbst würden dann zusätzliche Kosten entstehen. Man bräuchte rund 2000 bis 3000 gerade gewachsene Eichenstämme. Daraus müssen Balken gemacht werden und Pfähle, die man mit Eisenschuhen versehen muss und die dann auch in den Untergrund gerammt werden müssen. Schon die Beschaffung des Holzes würde teuer werden, weil große Bäume in der näheren Umgebung rar geworden sind."


    "Und was die Straße direkt unterhalb der Stadtmauer angeht," Pacatus rieb sich das Kinn, "die muss nur auf den ersten 130 passus erhöht weden. Dort grenzt sie nicht unmittelbar an Häuser. Ansonsten kann sie ohne Probleme auf der Seite verbreitert werden, die der Stadtmauer zugewandt ist. Dort ist Platz genug."

  • Sim-Off:

    Da haben wir uns wohl missverstanden. Ich bin davon ausgegangen, dass dort bereits eine Kaimauer existiert, die lediglich ein Stück erhöht werden müsste. Auf der Stadtkarte gibt es im Hafenbecken und entlang des bebauten Rheinufers nämlich eine etwas dickere braune Linie, die so etwas andeutet. Aber wir können auch einfach so weitermachen, die Alternative mit der Parallelstraße hat auch was für sich. :D


    Pacatus rechnete zügig vor, dass Witjons Vorschlag absolut ruinös sein würde. Der Duccier schluckte nur kurz und verwarf die Kaimauer wieder. Zum Glück stellte Petronius im Folgenden die richtigen Fragen, was den Matinier zu weiteren Erläuterungen hinsichtlich der Straße unterhalb des Walls führte.


    "Wenn ich das also richtig sehe", warf Witjon schließlich ein, "ist die Anpassung der Straße entlang des Walls die kostengünstigere und unkomplizierter umzusetzende Variante." Er warf einen Blick in die Runde, nachdem er diese Feststellung vorgebracht hatte, denn nun kam der ungemütliche Part: "Aber mit 17.000 Sesterzen ist das ganze natürlich immer noch unerschwinglich, wenn die Civitas aus eigener Kasse schöpfen muss. Wie Matinius bereits andeutete, müssen die Profiteure der Bauarbeiten an den Kosten beteiligt werden. Da könnte man zum Beispiel über eine Abgabe für über den Rhenus eingeführte Waren nachdenken, die bei Löschung der Ladung eingezogen wird."

  • Ich dachte etwas nach und rechnete kurz im Kopf, wie sich das auswirken könnte und kam zu einem nicht mal so schlechten Ergebnis.


    "Ja, Duccius Marsus, gar keine so schlechte Idee. Wenn wir, mal angenommen, für jeden Ochsenkarren, der vom Hafen in die Stadt fährt, zwei Sesterzen nehmen, egal, ob über die Uferstraße oder die obere Straße, dann könnten wir an die 7000 Sesterzen im Jahr einnehmen. Vorausgesetzt, dass jeden Tag zehn Ochsenkarren fahren. Das wäre eine Straßenmaut. Ich würde aber eher das Gewicht oder das Volumen der importierten und exportierten Waren als Grundlage nehmen. Das wäre ein Zoll. Da werden die Kaufleute und Spediteure zwar aufheulen, aber das müssen wir aushalten."

  • Was Massula da so referierte, klang vernünftig. Witjon dachte darüber nach. Eine Maut wäre von der Anzahl der Karren abhängig. Ein Zoll von der Menge oder vom Wert der Waren. Witjon konnte sich noch nicht so recht entscheiden. Immerhin würde sowohl das eine als auch das andere auch seine eigenen Warenimporte betreffen.


    "Ich denke...auch wenn es meiner Kaufmannsseele weh tut...ein Zoll nach Warengewicht wäre wohl das Einträglichste. Mir fallen zumindest spontan keine Argumente dagegen ein. Außer dem Heulen der Betroffenen."

  • Das Heulen der Betroffenen - das würde wohl primär aus diesem Gremium erklingen, denn hier waren ja die wichtigsten Großhändler vertreten. Und mancher von ihnen setzte sogar eine ganze Menge über den Rhenus um. Dazu gehörte auch Ovinius Sabinus, der vor allem Keramik ins gesamte Imperium verkaufte:


    "Ein solcher Zoll wird aber auch Händler davon abhalten, ihre Güter über Mogontiacum zu handeln. Zwei Sesterzen pro Ochsenkarren mögen wenig klingen, aber aufsummiert gibt es für den einen oder anderen doch ein ganz schönes Sümmchen. Und dann muss man sich doch überlegen, ob man seine Fracht nicht lieber nach Bingium fährt und dort ablädt. Oder über Confluentes, wo es ja auch eine Rhenus-Brücke gibt. Wenn aber weniger Schiffe bei uns anlegen, werden auch die Tavernen im Vicus Navaliorum weniger einnehmen, in den Märkten weniger gekauft und so weiter und so fort."


    "Sehr richtig, sehr richtig! Außerdem ist die Frage, wieso überhaupt wir Händler die Straßenerhöhung zahlen sollen? Ich habe davon nichts! Und wieso sollte ich mehr zahlen, weil ich Eisenbarren handle, während ein Lederhändler viel weniger zahlen müsste? Sollen doch die Einwohner des Vicus dafür eine Sondersteuer zahlen!"


    warf noch ein anderer Decurio ein, der tatsächlich im Vicus Salutaris wohnte.


    Auch Crispus gab noch ein paar Bedenken zum Besten, denn ein Straßenzoll belastete wohl tatsächlich alle.


    "Das stimmt allerdings. Und wenn die Schiffe dann einfach im Hafen von Bauconica anlegen und ihre Güter durch das Stadttor karren, ist ja auch nichts gewonnen. Dem Vicus Navaliorum wird es auf jeden Fall schaden, das müssen wir bedenken.


    Sollten wir es nicht vielleicht erst einmal mit dem Sammeln von Spenden versuchen? Vielleicht gibt es ja ein paar Kaufleute, die freiwillig etwas geben, um solche Zölle und so weiter abzuwenden."

  • Siehste, das Aufheulen hatte schon begonnen. Selbstverständlich war mir klar, dass jedwede zusätzliche Abgabe den Handel beeinträchtigen konnte. Es kam wohl darauf an, dass man den Obolus so gestaltete, dass er gerade noch akzeptiert werden konnte und irgendwelche Vermeidungsschleichwege verbaut sein sollten.


    "Na, na, werter Ovinius Sabinus, rechne mal nach, was ein Landtransport von Bingium oder gar Confluentes kostet. Das ist zehnmal so teuer als wenn du den Krempel mit dem Schiff bringen lässt. Von diesen Mehrkosten könntest du dann locker hier in Mogontiacum auch eine dreimal so hohe Maut bezahlen. Also nee, das rechnet sich nicht. Selbst, wenn man in Bauconia leichtert, kriegt man seine Ladung nicht für zwei Sesterzen auf dem Landweg nach Mogontiacum, verehrter Petronius Crispus. Aber eure Einwände sind insofern in Ordnung, als wir gut überlegen müssen, wie hoch eine solche Maut angesetzt werden sollte. Und richtig ist auch, dass wir uns ebenso nach anderen Geldquellen umsehen müssen."

  • Crispus nickte - das hatte er mal wieder nicht bedacht. Allerdings hatte er auch nicht so viel Ahnung von der Kaufmannschaft. Andere dagegen schon:


    "Jaja, nach Mogontiacum! Aber der Transitverkehr könnte sich verlegen, Domitius! Nur ein Bruchteil der Güter, die in unserem Hafen verladen werden, gehen direkt in unsere Stadt - vieles wird von Mogontiacum aus verteilt, sowohl hinter den Limes, als auch nach Westen! Und diesen Verkehr wollen wir doch nicht verlieren, oder?"


    wandte Sabinus ein und hob belehrend den Zeigefinger. Auch der andere schien nicht zufriedengestellt und verschränkte die Arme vor der Brust.


    "Und noch einmal: Warum sollten ausgerechnet die Händler bezahlen?"

  • Einige gequälte Aufschreie gab es schon, wobei man bedenken musste, dass Händler halt nur für ihr Leben gerne in Gejammer ausbrechen und dies auch beim geringstmöglich denkbaren Anlass. Streng nach dem Prinzip, Jammern hilft immer. Gejammer ist eben ein adäquates Mittel, um die eigene Knete vor irgendwelchen Zugriffen zu schützen. Es war Pacatus vollkommen klar, dass die Ängste der Händler keinen handfesten Hintergrund hatten.


    "Verehrter Ovinius Sabinus, Du weißt doch ganz genau, dass die Frachten in die Germania Magna oder nach Westen den Hafen gar nicht verlassen. Sie werden lediglich in den Lagerhäusern im Hafen zwischengelagert oder gleich von Schiff zu Schiff umgeladen und dann gehen sie per Schiff den Moenus hinauf nach Osten oder über die Naha und die Mosella nach Westen. Ledigleich die Händler kommen in die Basilica am Forum zur Warenbörse. Der Transitverkehr wäre also von einer Maut so gut wie nicht betroffen, falls man nicht den Händlern eine Maut pro Centopondium Lebendgewicht abknöpfen wollte. Einzig und allein das, was nach Mogontiacum und ins Hinterland geht, würde davon erfasst."


    Und dann war da noch der herzzereissende Aufschrei aus dem Vicus Salutaris, der beklagte, dass es immer und immer wieder die Händler träfe.


    "Beim Hades, jede Abgabe, die man Händlern abfordert, wird doch postwendend auf die Endpreise umgelegt. Es trifft also nicht immer wieder die Händler, sondern die Verbraucher. Du kannst also Deine Tränen gleich wieder trocknen."

  • Hades? Ach richtig, das war ja Pluto - Crispus musste kurz überlegen, obwohl er als Pontifex wohl etwas genauer hätte Bescheid wissen müssen. Die Einwände des Matiniers waren aber nicht falsch und treffend. Dass es aber auch dagegen Einwände gab, war natürlich klar:


    "Wenn es sowieso auf den Verbraucher aufgeschlagen wird, können wir es doch auch gleich als Steuer einziehen. Dann sieht es wenigstens nicht so aus, als würden wir die Preise in die Höhe treiben!"


    Immerhin schien Sabinus das Maul gestopft worden zu sein.

  • Eine neue Steuer einführen? Mir lief es kalt über den Rücken. Für so etwas war doch mit Sicherheit kein gewählter Magistrat zu haben. Außer dem Quaestor, natürlich. Ich schüttelte den Kopf.


    "Verehrte Decuriones, für eine zusätzliche Steuer empfinde ich nun wirklich gar keine Sympathie. Ich meine, dass man für eine Abgabe auf ein- und ausgeführte Waren, wenn man dies zweckgebunden mit dem Ausbau der Uferstraße verknüpft, bedeutend mehr Verständnis bei den Betroffenen finden kann, als mit einer Steuer. Vor allem ist es auch viel leichter zu bewerkstelligen, diese Abgabe wieder rückgängig zu machen, wenn der Ausbau abgeschlossen ist. Bei einer Steuer hingegen wird man auf hinhaltenden und schlitzohrigen Widerstand der Verwaltung stoßen, die tausend Gründe finden wird, sich eine solche inzwischen liebgewonnene, sprudelnde Einnahmequelle bis in alle Ewigkeit zu erhalten. Ich plädiere also für eine zweckgebundene Abgabe. Wir sollten uns aber mit Sorgfalt der Frage widmen, wie hoch diese Abgabe sein kann, denn das ist entscheidend dafür, wie sie angenommen wird. Kann jemand in der Verwaltung mal ausrechnen, wie viele Waren für Mogontiacum und sein Hinterland im Hafen umgeschlagen werden? Und dann ist noch zu überlegen, ob das Vorhaben unbedingt in einem Jahr durchgezogen werden muss oder über mehrere Jahre gestreckt werden kann. Daraus kann man dann die Höhe der Abgabe herleiten."

  • "Naja, aber warum ist denn eine Abgabe auf die Händler eigentlich besser als eine Steuer? Wir können das eine doch genauso schnell wieder abschaffen wie das andere. Und was hat ein Händler aus dem Vicus Salutaris davon, wenn im Vicus Navaliorum die Straße angehoben wird?"


    wandte Crispus ein, der natürlich keine Ahnung vom Warenumschlag im mogontiner Hafen hatte, aber die Einwände des Händlers auch nicht dumm fand.

  • Er schien nicht hingehört zu haben, der alte Crispus oder er hatte mit seinem Sitznachbarn getuschelt.


    "Warum eine Abgabe günstiger ist, habe ich doch gerade erklärt, werter Petronius Crispus. Und was den Händler aus dem Vicus Salutaris angeht, solange der keine Waren im Hafen umschlägt, wird er bei einer Abgabe ja auch nicht zur Kasse gebeten. Bei einer allgemeinen Steuer holt man ihm aber ganz im Gegensatz dazu sehr wohl ein paar Sesterzen aus dem Sack, obwohl er von dem Straßenausbau nicht die Bohne hat."

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