Horti Lolliani - Da trifft es sich ganz ungeniert

  • "Ganz im Gegenteil. Ich nehme meistens alles ein wenig zu ernst", erwiderte er und sein Lächeln erhielt einen leicht gequälten Ausdruck. "Aber hier ist wohl alles etwas anders." Sie hatte diese eine seiner Macken ja schon einmal selbst miterlebt.
    "Ich bin einfach nur die Straße runter gegangen und plötzlich war da nichts mehr. Ich habe nicht einmal jemanden gesehen", sagte er nachdenklich und schürzte die Lippen. Die Zeitspanne zwischen dem Schlag und dem Moment, in dem er die Augen wieder geöffnet hatte, war in seiner Erinnerung gähnende Leere, eher sogar noch weniger als das. "Dann müsstest du dich aber auch im Dunkeln bewerben. Die Castra steht nur Männern offen", kommentierte er noch ihren Scherz.
    Doch sie spürte offenbar, wie ihn bereits wieder etwas beschäftigte, obwohl er immer noch ein leichtes Lächeln in den Zügen trug und eigentlich froh darüber war mit ihr hier zu sein. Wahrscheinlich hätte sie es auch bemerkt, hätte er seine Gedanken nicht ausgesprochen.
    "Denkst du, ich hätte das vergessen? Ich meine viel eher so etwas wie die Sache mit dem Amulett", gab er zurück. Sie hatte ihm doch bereits damals unweit der Castra davon erzählt, dass geschriebene Nachrichten keine wirkliche Option waren, natürlich wusste er das noch. "Aber ich weiß nicht wie… und was…", setzte er ein wenig unbeholfen fort. Er wollte ihr irgendeine Möglichkeit geben, sich ihm gegenüber bemerkbar zu machen. Was würde es ihr schon bringen, wenn er ihr seine Hilfe anbot, sie ihm jedoch nicht klarmachen konnte, wenn sie sie dringend brauchte? Außer eben wenn sie sich dann und wann mal trafen.
    "Ich könnte dir einen versiegelten Brief geben. Wenn du mich brauchst, gibst du ihn bei der Casa Iunia ab. Du sagst einfach, du wärst die Botin von irgendwem und dass es wichtig ist, dann wird er mit Sicherheit irgendwie zu mir finden… und das wäre etwas diskreter, als direkt zur Castra zu marschieren…" Er brauchte nicht einmal etwas zu schreiben. Ein Stück Papyrus, ein Siegel drauf, fertig. Er würde auch so wissen, von wem der Brief stammte, da brauchte nicht erst noch viel draufzustehen. Und mit einem Siegel verschlossen würde ihn auch zumindest von den iunischen Sklaven niemand öffnen. Es verstand sich für ihn allerdings von selbst, dass sie weder wie eine abgerissene Bettlerin noch in "Arbeitskleidung" vor der Porta der Casa auftauchen sollte, falls es sich verhindern ließ.

  • „Ja, das hab ich gemerkt!“, kicherte sie und spielte dabei auf ihre erste Begegnung auf dem Markt an. Wenn sie nur daran dachte, wie hartnäckig er sich mit dem Claudier gestritten hatte - wegen ihr!
    „Ja, nachts ist es in den Gassen gefährlich. Und manchmal sogar am Tag,“, gab sie zu bedenken. Seit sie Silanus kennengelernt hatte, wusste sie das nur zu gut. Dass nun die Diebe und Verbrecher aber so dreist geworden waren und sogar einen Soldaten überfielen, war schon sehr bedenklich. Dieses Gesindel, eigentlich gehört sie ja genaugenommen auch dazu, wurde immer unverschämter. Und sie würde da auch nichts ausrichten können. Sie brachte es ja nicht mal fertig, sich Silanus vom Leib zu halten.
    „Ach nee. Dazu habe ich keine Lust. Abends will ich meine Ruhe haben,“ entgegnete sie ihm lachend. Wahrscheinlich würde sie in der Castra unnötigerweise auch noch einige ihrer Kunden über den Weg laufen. Dieser Gedanke war wirklich nicht besonders erstrebenswert.


    Es nagte wirklich an Beroe. wie gerne hätte sie schreiben und lesen gelernt! Jetzt hätte sie es brauche können. Offen gesagt hatte sie keine Idee, wie sie ihm sonst signalisieren konnte, wenn sie Hilfe brauchte. Schließlich konnte sie nicht einfach zur Castra spazieren, um ihn zu besuchen. Doch dann hatte Avianus eine Idee, die sich nicht schlecht anhörte. Ein Brief, ja genau ein Brief! Ein Brief war unauffällig. Das allein würde bereits ausreichen. Und den Brief musste sie gar nicht bei der Castra abgeben sondern im Haus seiner Familie.
    „Das ist eine gute Idee! Wirklich! Ich muss ihn nur gut vor Silanus verstecken.“ Den letzten Satz hatte eigentlich mehr zu sich gesagt und erst jetzt realisierte sie, dass sie den Nmen ihres Peinigers Preis gegeben hatte.

  • Seine Idee gefiel ihr wohl und das freute ihn nicht unwesentlich, doch an dem Namen, den sie ihm nannte, blieben seine Gedanken weniger glücklich haften.
    "Silanus? Der, der dich bedroht und benutzt? Ist er ein Römer?", fragte Avianus etwas verwirrt. Gleichzeitig widerte ihn die Tatsache an, dass der Mann offenbar den Namen mehrerer großer Iunier trug, was er auch deutlich hören ließ. Aber hatte sie nicht gesagt, sie würde ihn nicht verraten? Dass sie an dieser Stelle ihre Grenze erreicht hätte? Es musste ein Versehen gewesen sein. Avianus hoffte, ihr würden derartige Unabsichtlichkeiten in Zukunft nicht häufiger passieren, vor allem nicht, wenn es um ihn ging. Er vertraute ihr, bestimmt würde sie sich bei ihm zusammenreißen.
    "Und wenn er ihn findet? Dann steht eben nichts drin. Was soll schon groß passieren? Ich werde kein Siegel verwenden, das etwas mit mir zu tun hat", sagte er ermutigend. Je mehr er über seine Idee nachdachte desto besser hörte sie sich an, aber vor allem schien sie sicher, für sie beide. "Ich werde dir den Brief so bald wie möglich unter den Stein legen, du weißt schon wohin… und wegen einem leeren Zettel würde er dir doch bestimmt nichts antun… ?" Er hatte keine Ahnung wie weit der Mann gehen würde, doch er konnte sich nicht vorstellen, dass Sibel hier allzu viel zu befürchten hatte. Natürlich mussten sie vorsichtig sein, doch das Risiko war für ihn vertretbar. Ansonsten würde er es der jungen Frau gar nicht erst zumuten.
    "Ach ja, hast du das Amulett bei dir?" Beinahe hätte er vergessen, danach zu fragen, schließlich musste sie es ihm noch zurückgeben.

  • Oh nein, was hatte sie getan! Warum war ihr das nur herausgerutscht? Avianus griff den Namen natürlich gleich auf und begann sie wieder zu löchern.
    „Ich weiß nicht, ob er Römer ist…Aber bitte, vergiss diesen Namen wieder ganz schnell! Er wird mich töten, wenn er erfährt, dass ich ihn verraten habe!“ Beroes unbändige Angst trat in diesem Moment wieder ganz deutlich hervor. Sie hatte es noch ganz genau vor Augen, wie er sie bedroht hatte. Warum war sie auch immer so ungeschickt!


    „Ich werde den Brief immer gut verstecken… ehrlich… ich sorge dafür, dass er ihn nicht findet“ Hoffentlich klappte wenigsten das! Und falls er den Brief doch finden sollte, so war er völlig unverfänglich, da er ja ohne Inhalt war.


    Beroe hing an seinen Lippen. Sie würde es genauso machen, wie er es ihr sagte. Sie würde auch weiterhin jeden Tag hierher in die Gärten kommen und unter dem Stein nachsehen. Eigentlich hätte sie jetzt froh sein müssen. Sie hätte sich sicherer fühlen müssen. Doch irgendetwas verhinderte das. Es musste wohl ihre Furcht vor Silanus sein. Wie schnell konnte er ihr die Kehle durchschneiden, wenn er von Avianus erfuhr und von ihrem Verrat.
    „Ach ja,… das Amulett! Hier habe ich es.“ Beroe wirkte etwas abwesend, als sie das Amulett über ihren Kopf streifte und es ihm gab.
    „Bitte versuch nicht Silanus zu finden. Das musst du mir versprechen. Bring dich wegen mir nicht in Gefahr. Glaub mir, ich bin es nicht wert.“ Ihr Gesicht hatte sich verfinstert, denn sie meinte es genau so, wie sie es gesagt hatte.

  • Wie er es vermutet hatte, war ihr der Name unabsichtlich herausgerutscht.
    "Ha! Vergessen? Aber keine Sorge, ich werde keinem davon erzählen, vertrau mir", entgegnete er ruhig. Er spürte wie sie selbst jetzt alleine mit ihm in den Gärten Angst hatte. Doch er hatte nicht vor, die Geschichte, die sich zwischen ihnen beiden abspielte, und den Namen ihres Unterdrückers in ganz Rom herumzuposaunen, bis es auch der Mann selbst hörte, der Sibel so im Griff hatte.
    "Du darfst den Brief nur im Notfall benutzen, in Ordnung? Und ich werde alles tun, um dann noch am selben Abend hier zu sein." Wäre sie an dem Abend nicht ebenfalls in den Horti Lolliani wusste er nun zumindest den Namen des Mannes, der vermutlich dafür verantwortlich wäre.
    Er nahm ihr den Anhänger ab und legte ihn sich kurzerhand selbst um den Hals.
    "Du hast gesagt, ich hätte es nicht verdient auf der Straße zu verrecken. Gut. Und du hast ihn nicht verdient", meinte er nur trocken. "Selbst wenn du es nicht wert bist, was ich nicht glaube, hätte dieser Silanus es aber bestimmt verdient, dass ich mich um ihn kümmere. Aber keine Angst, ich weiß genau was ich tue. Und ich werde nichts machen, außer du sagst irgendwann, du willst es." Oder falls er irgendwann spürte, dass es unbedingt nötig war und sie nur deshalb nichts sagen wollte, weil sie glaubte, dabei sein Leben aufs Spiel zu setzen. Doch bisher war er noch immer überall lebend heraus gekommen. Er hatte zwar das Pech, ständig in irgendeinen Mist zu geraten, andererseits offensichtlich auch genug Glück, jedes Mal mehr oder weniger unbeschadet wieder herauszukommen. Er machte sich mehr Sorgen um Sibel, die sich täglich mit dem Scheusal herumschlagen musste.

  • Beroes Gedanken kreisten immer wieder um die Frage, wie es sein würde, wenn Silanus heute Abend wieder in der Casa erscheinen würde. Ob er es ihr ansah, dass sie ihn verraten hatte? War es ganz deutlich auf ihrer Stirn zu lesen: Verräterin! Würde sie sich durch ihr Verhalten am Ende selbst verraten?
    Und was war mit Avianus? Sie wusste, wie sehr er sich in eine Sache hineinsteigern konnte. Doch der versprach ihr hochheilig nichts zu unternehmen und niemand etwas zu sagen. Und trotzdem hatte ihre Angst sie voll im Griff.
    „Ich vertraue dir!“ Und das war nicht nur so daher gesagt. Sie glaubte ihn nun schon etwas besser zu kennen und sie wusste, dass der Iunier immer zu seinem Wort stand. Er würde auch da sein, wenn sie ihn eines Tages brauchte, da war sie sich ganz sicher. Den Brief würde sie nur im dringendsten Notfall benutzen. Ja, sie hatte verstanden, sie nickte. Wie schön wäre es gewesen, wenn sie sich in diesem Moment in vollkommener Sicherheit hätte wiegen können. Aber das konnte sie nicht. Es gab so viele durchlässige Stellen in ihrem Plan, die ihre und seine Sicherheit gefährdeten.


    Doch was er dann zu ihr sagte, rührte sie fast zu Tränen. Seit dem Tod ihrer Eltern hatte es nie wieder jemand so gut mit ihr gemeint, wie er es tat. Sie hätte sich so gerne mit irgendetwas erkenntlich gezeigt, mit irgendeinem Zeichen des Dankes. Aber was hätte sie ihm geben können?
    Schließlich umarmte sie ihn. „Danke, dass du das alles für mich aufnehmen willst. Aber du weißt, du musst das nicht tun.“ Wie schön wäre die Vorstellung, wenn er sie tatsächlich eines Tages von Silanus befreien könnte. Dann wäre sie endlich wirklich frei. Und was wäre dann? Wie sehr würde sich ihr Leben dann von dem unterscheiden, das sie jetzt gerade führte?

  • Sie vertraute ihm. Sie musste ihm fast vertrauen. Was sie geplant hatten, bestand zu einem großen Teil daraus – einer Halskette, bald einem Stück Papier und ganz viel Vertrauen. Bei dem Gedanken umspielte wiederum ein schiefes Lächeln seine Lippen. Und selbst wenn sie Angst hatte, er würde sich nicht mehr derart von seinen Sorgen einnehmen lassen, wie er es zu Beginn getan hatte. Er hatte sich inzwischen genug den Kopf darüber zerbrochen, um sagen zu können, dass er wusste, auf was er sich einließ.
    Natürlich musste er nichts von dem tun, was er ihr hier versprach. Oder zumindest verlangte sie es nicht von ihm. Aber irgendwie musste er es dennoch. Weil er der einzige Mensch war, den sie hatte, und ihn anderenfalls wieder sein Gewissen zerfressen hätte. Aber viel mehr noch wollte er. Weil er sie mochte. Nicht nur er war es, der sich Sorgen um sie machte, sie sorgte sich fast noch mehr um ihn, alleine damit hatte sie ihn schon ein wenig eingewickelt. Und er war sich zwar nicht sicher, was sie davon halten würde, aber er genoss es, von ihr so sehr gebraucht zu werden. Vielleicht würde sie es falsch verstehen. Denn er wäre noch immer da, sollte sie ihn einmal nicht mehr brauchen, sollte sie das auch wollen. Aber für den Moment tat es ihm einfach gut, ihr derart viel zu bedeuten. So genoss er es auch, als sie ihre Arme um ihn schlang, und er zögerte keinen Moment, ihre Umarmung zu erwidern und sie ein wenig an sich zu drücken. Dennoch hütete er sich davor, an mehr zu denken, als an bloße Freundschaft.
    "Natürlich weiß ich das. Und du nimmst doch genauso viel auf dich", gab er nur zurück. Aber wahrscheinlich würde sie ihn nie voll und ganz verstehen.
    "Es wird dunkel", bemerkte er dann unglücklich und eigentlich unnötigerweise, immerhin konnte sie es selbst sehen. Er hatte keine Ahnung mehr, wie viel Zeit sie an diesem Abend gemeinsam verbracht hatten, doch es fühlte sich nach viel zu wenig an.

  • „Danke! Du bist so gut zu mir.“ Sie entließ ihn wieder aus ihrer Umarmung und lächelte wieder etwas. Es gab einen sehr triftigen Grund, weshalb sie das alles auf sich nahm. Schließlich hatte sie sonst keine Wahl, wenn sich etwas ändern sollte. Denn sie wusste genau, früher oder später würde Silanus genug von ihr haben und sich ihrer entledigen. Sie wollte nicht mit aufgeschlitzter Kehle in der Kloake enden! Und noch weniger sollte Avianus wegen ihr in Schwierigkeiten geraten.
    Der Iunier war etwas ganz besonderes für sie. Er war nicht wie ihre Kunden, die am Tage zu ihr kamen. Er war anders. Zu ihm hatte sie Vertrauen gefasst. Er war wie ein Freund. Nein, er war ein echter Freund, sonst wäre er nicht so besorgt um sie gewesen.


    Inzwischen war der Abend weiter vorgerückt. Beroe hätte nicht sagen können, wie lange sie mit ihm hier in den Gärten gewesen war. Die Zeit war so schnell vorbei gegangen. Es begann dunkel zu werden. In weniger als einer Stunde würde es stockdunkel sein. Nun war es besser, wenn sie sich langsam verabschiedeten.
    „Ja, das wird es. Wir sollten zurückgehen.“ Sie sagte das nur ungern. Wer wusste schon, wie lange es dauern würde, bis sie sich wieder sahen? Und was würde sie im Laufe des Abends noch erwarten? Der Weg zum Aventin war weit und die Gassen wurden um diese Zeit begannen für eine Frau wie sie unsicher zu werden. Doch morgen schon würde sie wieder hierher zurückkommen, sowie auch in den kommenden Tagen. Solange bis sie seinen Brief oder das Amulett unter dem Stein finden würde.

  • Auf ihren zweiten Dank bekam sie mit Ausnahme eines ehrlichen Lächelns, das auch noch zu sehen war, als sie sich wieder voneinander gelöst hatten, keine Antwort mehr.
    Er nickte nachdenklich. Sie sollten sich verabschieden, bevor es endgültig Nacht wurde. Gemeinsam gingen sie das Stück bis vor die Gärten, wo sich ihre Wege unweigerlich wieder auf ungewisse Zeit trennen würden. Er hätte ihr nur zu gerne einen bestimmten Tag genannt, einfach nur, damit sie sich etwas sicherer fühlte und sie der Anblick, dass sie an der vereinbarten Stelle eben nichts fand, nicht jedes Mal enttäuschte. Aber so, wie es jetzt war, funktionierte es, und das war wohl das wichtigste.
    "Du wirst nicht lange auf den Brief warten müssen. Und auf das Amulett nicht länger als nötig", sagte er zu ihr mit einem aufmunternden Lächeln. Tatsächlich hatte er vor, den Brief schon morgen für sie unter den Steinen zu hinterlegen, damit sie zumindest ein wenig mehr Sicherheit hatte. Doch selbst mit dem Brief würde er sie nicht wirklich beschützen können. Er war mehr ein verzweifelter Versuch, als eine richtige Lösung für das Problem, dass er nicht zu jeder Zeit für sie da sein konnte. Und am Ende würde Sibel doch irgendwie immer auf sich alleine gestellt sein.
    "Bis bald, Sibel. Gib auf dich Acht."

  • Sie schenke ihm zum Abschied auch noch ein Lächeln. Zugegebenermaßen war es nicht so ein schönes strahlendes, wie sie es ihm im Laufe ihres gemeinsamen Abends einmal zugeworfen hatte. Der Gedanke, sich nun von ihm auf unbestimmte Zeit trennen zu müssen, machte sie einfach traurig. Doch bald würde sie den Brief in Händen halten können. Damit würde sie dann auch ein „Instrument“ besetzten, mit dem sie ihn um Hilfe bitten konnte.


    „Ich hoffe nur….“, begann sie, stockte dann aber und verwarf den Gedanken schnell wieder. „Ach nichts, es wird schon klappen!“ Sie gingen noch ein Stück nebeneinander her, doch dann mussten sich ihre Wege unweigerlich trennen.


    Als er sich von ihr verabschiedete, umarmte sie ihn noch einmal leicht. „Das werde ich. Wir sehen uns dann! Mach´s gut!“
    Dann löste sie sich von ihm und ging, nicht ohne sich noch einmal kurz zu ihm umzudrehen und ihm zu winken.

  • Ständig, bei jeder Gelegenheit umarmte sie ihn und der Iunier fühlte sich zweifellos gut dabei. Doch er ahnte, dass sie ihn mit jeder weiteren Umarmung mehr und mehr an sich band. Und am liebsten hätte er sich selbst geohrfeigt, dafür dass er diesen Gedanken gekonnt verdrängte. Weil im Grunde jeder, auch er, wissen müsste, dass es zwischen ihm und der Lupa nicht ewig glatt laufen konnte – und er wusste es.
    "Vale", sagte er noch, als sie sich bereits von ihm abgewandt hatte. Er lächelte leicht, als sie sich erneut zu ihm drehte und winkte, und blickte ihr nach, bis sie endgültig aus seinem Blickfeld verschwunden war. Noch im selben Moment war der Zauber verflogen und er wusste wieder nicht mehr, was er von sich selbst halten sollte. Trotzdem war er sich sicher, er würde diesen Abend jedes Mal wieder erleben wollen. Er marschierte, immer noch ein wenig nachdenklich, in Richtung Castra davon.
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    Gäbe es irgendjemand, der sich zu den Horti Lolliani aufmachte, noch bevor der Morgen wirklich graute, hätte diese Person eine Silhouette im dämmrigen Licht wahrgenommen, die sich zügig daran machte, unter einer Bank zwischen den Steinen herumzuwühlen. Doch besagte Silhouette, die vielmehr ein römischer Soldat war, der dabei war, sein Versprechen einzuhalten, hatte das Glück zu einer Zeit unterwegs zu sein, zu der in diesem Teil Roms noch nicht besonders viel los war. Und tatsächlich wühlte er zwischen den Steinen nicht nach irgendetwas, sehr viel eher war er damit beschäftigt, etwas einzugraben. Und wer auch immer vorbei gehen würde, würde sich wohl nicht groß für ihn interessieren.
    Am Ende, als der Schemen wieder verschwunden war, konnte jemand, der ganz genau hinsah, sorgfältig um eine versiegelte Schriftrolle drapierte Steine entdecken. Wer sie hinterlassen hatte, hatte jedenfalls Wert darauf gelegt, dass sie sowohl heil als auch möglichst unentdeckt blieb, und dabei ganze Arbeit geleistet.

  • Ganz früh am Morgen hatte Beroe die Casa verlassen. Nur wenige Leute waren zu dieser Zeit schon auf den Straßen unterwegs. Einige Händler waren ihr auf ihrem Weg durch die Stadt begegnet, die unterwegs zu den Märkten waren, um ihre Waren feilzubieten.
    Sie genoss diese Frische am Morgen. Das Licht der aufgehenden Sonne tauchte die Stadt in ein goldenes Licht. Ihre Schritte wurden schneller, als sie die Gärten erreicht hatte. Es waren erst einige Stunden her, seitdem sie sich hier mit dem Iunier getroffen hatte. Sie hatte dieses Treffen so sehr herbeigesehnt und in der Tat, es war einfach gut gewesen, die Stunden mit ihm zu verbringen. Er hatte ihr so viel Hoffnung gegeben und sie hatte so viel Geborgenheit bei ihm erfahren. Nur ungern hatten sie sich am Abend getrennt.
    Doch nun war sie wieder hier, denn sie war sich ganz gewiss, an ihrem verabredeten Ort etwas vorzufinden. Und dem war dann auch so! Unter dem Stein entdeckte sie den versiegelten Brief vor. Wie eine edle Kostbarkeit verbarg sie ihn vorsichtig unter ihren Kleidern. In der Casa würde sie ihn gut verstecken, so dass er vor unerwünschten Augen sicher verwahrt war.


    Mit einem Lächeln auf ihren Lippen machte sie sich wieder auf den Weg. Seitdem sie jeden Tag hierher kam, hatte sie die Gärten liebgewonnen. Sie hatte einige schöne Plätze entdeckt, an denen es sich lohnte, die Seele baumeln zu lassen. Irgendwann würde sie dort mit Avianus verweilen.


    Da sie ihr nächstes Treffen kaum erwarten konnte, kehrte sie auch weiterhin jeden Tag hierher zurück, um nachzusehen, ob er ihr Amulett unter den Steinen abgelegt hatte. Jedes Mal, wenn sie es dort vorfand, empfand sie eine unbändige Freude und bei jedem ihrer Treffen, versuchte sie ihn mit etwas besonderen zu überraschen.
    So auch an diesem Abend. Sie hatte früher als sonst den Markt verlassen, denn am Morgen hatte wieder einmal das Amulett unter dem Stein gelegen. Den ganzen Tag über sehnte sie den Abend herbei. Sie konnte es kaum erwarten, ihn wiederzusehen.
    Bevor sie dann schließlich zu den Gärten aufgebrochen war, hatte sie sich noch frisch gemacht und ihre neue Tunika angezogen. Am Abend zuvor hatte sie Honigkekse gebacken, die sie auch noch eingepackt hatte. Dann war sie losgeeilt und als die meisten Besucher der Horti Loliani bereits gegangen waren, hatte sie auf der Bank an ihrem vereinbarten Treffpunkt Platz genommen und wartete auf ihren Prätorianer, so hatte sie inzwischen begonnen ihn zu nennen.

  • Avianus hatte das Versprechen gehalten, das er Sibel und vor allem auch sich selbst gegeben hatte, und ihr das Amulett so oft für sie hinterlegt, wie es ihm möglich gewesen war. Und nicht ein einziges Mal war er an den Abenden umsonst in die Gärten gekommen, die junge Frau war jedes Mal da gewesen, um ihm ihr stahlendes Lächeln zu schenken, das er noch von ihrem ersten Treffen kannte.
    Es tat ihm gut, jemanden außerhalb von Arbeit und Familie zu haben, sodass inzwischen auch bei ihm die Freude, sie wiederzusehen, seine Bedenken übertraf.
    Der Iunier befand sich auf dem Weg zu den Gärten. Erst letzten Abend hatte er das Amulett wieder für sie unter dem Stein hinterlassen und hegte keine Zweifel daran, dass sie auch heute da sein würde. Er wagte es schon lange nicht mehr, Sibels Konsequenz in Frage zu stellen, wenn es darum ging, täglich einen Blick unter den Stein zu werfen.
    Schon aus einiger Entfernung erkannte er die inzwischen recht vertraute Gestalt der auf der Bank sitzenden jungen Frau und konnte ein Lächeln nicht zurückhalten, als er weiter auf sie zuging. "Sibel", sagte er nur kurz und war bereits dabei, sie für einen Moment in seine Arme zu schließen.
    "Du siehst gut aus", bemerkte er fröhlich. Wunderschön hätte er sagen sollen, doch er hielt sich zurück. Und gar nicht so sehr wie eine Lupa, dachte er noch immer lächelnd. Nein, die Sibel, die er abends hier traf, war keine Lupa, so sehr sie das auch den Rest des Tages sein mochte, wenn sie bei ihm war, spürte er nichts davon.

  • Beroe, oder Sibel, so wie Avianus sie nannte, musste nicht lange allein ausharren. Schon bald erschien die vertraute Gestalt eines Mannes. Mit schnellen Schritten nahte er heran und schließlich erkannte sie wieder sein wunderbares Lächeln, welches sie so an ihm liebte. Auch Beroe konnte sich nicht zurückhalten, ihrer ganzen Freude Ausdruck zu verleihen. Sie umarmte ihn freundschaftlich als er endlich vor ihr stand. „Danke! Mir geht es auch gut!“, erwiderte sie fröhlich und lächelte dabei. Am liebsten hätte sie es laut hinausgeschrien, wie gut es ihr ging!
    Offenbar sagte ihm auch ihr Äußeres zu. In der neuen Tunika wirkte sie nun wirklich nicht mehr wie eine Lupa und auch ihr Gesicht war nur ganz dezent geschminkt. Auch mit den Haaren hatte sie sich ordentlich viel Mühe gegeben. Schließlich wollte sie hübsch sein für ihn. „Die Tunika habe ich nur für dich gekauft. Ich hoffe sie gefällt dir.“ Der grüne Fummel, den ihr Silanus gekauft hatte, wollte sie nie wieder anziehen, wenn sie sich mit ihm traf. Wenn sie beide zusammen waren, sollte nichts mehr an ihn erinnern. Absolut gar nichts mehr!


    „Stell dir vor… ich glaube…ich bin ihn los! Silanus… er war jetzt schon eine ganze Weile nicht mehr bei mir. Und normalerweise kommt er ziemlich regelmäßig, um seinen Anteil abzuholen!“ Beroes Ausdruck konnte man entnehmen, wie froh und erleichtert über diese Tatsache war. Sie hatte tatsächlich schon zu hoffen gewagt, dass sie nun endlich frei war! Wenn das kein Grund zum Feiern war!
    Allerdings… plötzlich kam ihr ein Gedanke, der sie irgendwie nicht mehr loslassen wollte. Wenn sie nun nicht mehr in Gefahr war, dann… gab es dann für den Iunier noch einen Grund, sie zu treffen? Diese Frage begann nun innerlich an ihr zu nagen, doch sie ließ sich nichts, noch nichts anmerken. Vielleicht beantwortete sich diese Frage schon von ganz allein… Kam der Iunier nur deshalb, weil er ihr helfen wollte… oder gab es da inzwischen mehr zwischen ihnen?

  • Avianus hatte sofort bemerkt, dass es ihr gut ging. Er sah ihr an, dass sie glücklich war, aber ganz anders als sonst. Als wäre sie nicht nur glücklich, weil er jetzt bei ihr war.
    Es schmeichelte ihm, dass sie sich nur für ihn neue Kleider gekauft hatte. "Warum?", fragte er allerdings erst und befürchtete gleich, sie könnte ihn falsch verstehen. "Du weißt, dass du für mich kein Geld ausgeben musst. Du siehst darin großartig aus, aber sag' mir bloß nicht, was das gekostet hat", fügte er deshalb sofort hinzu. Er würde sie auch treffen, wenn sie noch immer die alte Tunika trüge, die sie damals für ihn zerrissen hatte, aber das wusste sie bestimmt. Und das war es, was ihn ein wenig erstaunte. Dass sie sich so viel Mühe gab, ihm zu gefallen, und dass sie es auch irgendwie schaffte. Und noch bevor der Iunius fragen konnte, was ihr Peiniger eigentlich davon halten würde, wenn sie ihr Geld für derartiges ausgab, kam sie auch schon auf Silanus zu sprechen und er erfuhr, weshalb sie heute so fröhlich war.
    "Wie? Er ist weg?", fragte er überrascht und zog die Augenbrauen nach oben. "Das ist… Ich freue mich für dich, wirklich." Das Erstaunen in seinem Gesicht verwandelte sich in reine Freude, während er die Worte aussprach.
    Dass sie ihn jetzt eigentlich nicht mehr brauchte, schob er in irgendeinen verstaubten Winkel seiner Gedanken zurück, zumindest für diesen Abend. Er würde nicht zulassen, dass seine Gefühle und Gedanken ihnen den Abend zerstörten, gerade jetzt, wo sie so glücklich war. Und er hatte noch nicht vergessen, dass er einmal mit sich selbst vereinbart hatte, weiterhin für sie da zu sein, auch wenn sie Silanus loswürde. Ob sie wusste, dass es auch ihm gut tat, sich mit ihr zu treffen? Dass er sich nicht nur aus Mitleid all die Abende mit ihr verbracht hatte?
    "Wo willst du heute hingehen?", fragte er noch immer lächelnd und deutete mit einem Nicken in die Gärten.

  • Er fragte, warum! Man merkte es ihm direkt an, dass er in seinem Alltag wenig bis gar nichts mit Frauen zu tun hatte. Dabei lag es doch in der Natur der Frauen, sich für den, den sie liebten… äh mochten, schön zu machen. Und genau da stellte sich doch die Frage, wie viel sie für ihn empfand. War es nicht mehr als nur Sympathie. Oder hatte sich daraus schon mehr entwickelt? Ganz gleich, was es war, sie genoss die gemeinsamen Stunden. Denn hier konnte sie ganz sie sein und war keine Lupa.
    Ja, ich weiß, aber ich wollte eben einfach schön sein für dich. Und mach dir darüber keine Sorgen, was es gekostet hat. Ich habe es mit meinem eigenen Geld bezahlt.“ Für dass sie schließlich gearbeitet hatte!


    Beroes Freude wuchs noch mehr, als sie in sein erstauntes Gesicht blickte. “Ja, es ist, als wäre ein böser Traum endlich zu Ende.“ Es war so schön auch ihn so fröhlich zu sehen. Von nun ab würde alles nur noch besser werden. Wenn sie an ihre Zukunft dachte, dann sah sie kein hässliches dunkles Bild vor sich, nein, dann war alles in ein leuchtend goldenes Licht getaucht, so wie die Stadt am frühen Morgen, wenn sie sich zu den Gärten aufmachte.
    „Ich kenne da einen sehr schönen Platz, den ich kürzlich entdeckt habe… Komm einfach mit!“ Sie nahm ihn bei der Hand und zog ihn mit sich. Ein Stück mussten sie gehen. Vor ihnen tauchte schließlich ein künstlich angelegter Teich auf, dessen Uferbereich von einigen Pinienbäumen gesäumt war. Dort fand sie ein schließlich ein nettes einladendes Plätzchen, auf das sie zusteuerte. „Na, gefällt es dir hier?“ Hier konnten sie sich im Gras niederlassen und auf den Teich hinausschauen.

  • Für ihn. Sie wollte für ihn schön sein. Den Rest ihrer Worte hörte Avianus kaum, denn er war viel zu sehr damit beschäftigt, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, was in ihr vorgehen mochte, was sie wohl fühlte, und noch viel wichtiger, ob er vielleicht dasselbe fühlte. Weil er nicht wusste, was er fühlte, sehr viel eher wusste er, was er fühlen durfte und das war im Grunde gar nichts. Er hatte seine Grenzen eigentlich schon damit überschritten, dass er sich so viel mit ihr abgab. Doch das war ihm inzwischen tatsächlich ziemlich egal, er hatte einfach beschlossen, seine Grenzen neu zu stecken. Für sie. Und auch hier fragte er sich einen kurzen Moment lang warum.
    Er riss sich wieder aus seinen Gedanken, um sich mit ihr über Silanus' Verschwinden zu freuen.
    Sie griff nach seiner Hand und führte ihn durch die Gärten. "Wohin willst du?" Doch er erwartete eigenlich keine Antwort. Hin und wieder fragte er sich, wie viel Zeit Sibel sonst noch in den Horti Lolliani verbrachte, dass sie solche Plätze wie den kannte, den sie ihm jetzt zeigte.
    "Das fragst du noch? Natürlich, es ist wunderschön hier", meinte er ruhig. Er wehrte sich gegen das Gefühl, dass ihm einreden wollte, mit ihr würde es überall wunderschön sein. Weshalb musste alles so kompliziert sein? Sie ihn an diesen Ort bringen, schön, wie sie sich für ihn gemacht hatte? Als wollte sie nicht, dass alles beim Alten blieb. Dabei waren die anderen gemeinsamen Abende doch gleichermaßen schön gewesen, anders, aber eben auch schön. Trotzdem ging er nicht, obwohl er ahnte, was hier zwischen ihnen passierte oder passieren würde. Stattdessen setzte er sich ins Gras, blickte auf den Teich und seufzte. Er fand keine Worte mehr.

  • Zufrieden lächelnd setzte sie sich ins Gras. Genau so hatte sie es sich vorgestellt, als sie vor einigen Tagen dieses hübsche Plätzchen entdeckt hatte. Und nun war sie hier mit ihm. Sie hätte ihre Freude, die sie nun empfand nicht in Worte fassen können. Gab es etwas Schöneres?
    „Du hast wirklich Glück!“, begann sie schließlich. „Gestern Abend habe ich Honigkekse gebacken. Ich habe uns einige eingepackt.“ Sie kramte in ihrer Stofftasche, die sie dabei hatte und zog ein kleines Päckchen heraus, in dem sich einige duftende Kekse befanden. „Und weil Honigkekse am besten zu Würzwein schmecken, habe ich auch noch etwas Conditum Paradoxum mitgebracht.“ Noch einmal griff sie zu ihrer Tasche und zog einen Schlauch mit dem Getränk heraus. Natürlich hatte sie auch an zwei Becher gedacht, die sie nun füllte. Lächelnd reichte sie ihm einen Becher. „Lass es dir schmecken!“ Dann nahm sie einen kleinen Schluck des würzig-süßen Getränks.
    „Diesen schönen Platz habe ich vor einigen Tagen entdeckt. Morgens, als ich hier war, um nach dem Amulett zu suchen,“ fügte sie noch hinzu. nicht dass er am Ende noch glaubte, sie käme mit ihren Kunden hierher. Zu diesem Platz würde sie nur zusammen mit Avianus kommen, denn dieser Platzstrahlte eine besondere Ruhe aus. Das Leben hätte so einfach sein können, wenn es überall so wie hier gewesen wäre. „Es macht mich unheimlich glücklich, zusammen mit dir hier zu sein,“ sagte sie nach einer Weile. „Du machst mich glücklich.“

  • Sibel setzte sich neben ihn und schien in ihrer Freude gar nicht zu bemerken, wie nachdenklich der Iunier war. Sie packte sogar noch Kekse und Wein aus.
    "Danke, das ist nett von dir. Tut mir leid, dass ich nicht daran gedacht habe etwas mitzubringen." Er lächelte leicht, nahm einen der Kekse und den Becher Wein entgegen. "Du kommst bis hierher, wenn du das Amulett suchst?"
    Er nahm einen Schluck, schob sich den Honigkeks in den Mund. Er schmeckte gut, trotzdem nahm er sich keinen zweiten. Stattdessen sah er ihr forschend in die Augen. Ihre Worte hatten ihn aufhorchen lassen. Aus einer vagen Vermutung wurde langsam Gewissheit. Ihr Verhalten, ihr Blick, was sie gesagt hatte, er konnte nicht länger einfach darüber hinwegsehen. Natürlich machte sie auch ihn glücklich, aber er befürchtete, dass sie es anders meinte.
    "Wohin soll uns das führen? Was willst du von mir, Sibel?", fragte er ruhig. Sie sollte es nicht als Vorwurf verstehen, doch das Lächeln war aus seinem Gesicht gewichen. Sibel, Sibel, Sibel. Er sagte ihren Namen doch nicht zu oft, oder? Aber er klang so schön und fast schon zu zart für seine Stimme, glaubte er. Und es half ihm, zu verdrängen, was sie tat, wenn sie nicht bei ihm war. Beroe war die Lupa, er traf sich mit Sibel, und die war jemand ganz anderes, redete er sich ein. Er rieb sich mit der freien Hand den Nacken. Sie war immer liebenswert und zuvorkommend gewesen, aber heute war sie mehr als das. Sie war dabei, ihm den Kopf zu verdrehen und er wollte sich nicht eingestehen, dass es so war.

  • Ja, die Kekse waren ihr diesmal wirklich sehr gut gelungen! Und der Wein passte ganz vorzüglich dazu. Auch Avianus nahm sich einen und aß ihn. „Ja, am frühen Morgen ist es hier wunderschön. Dann sind hier noch keine Leute unterwegs und über allem liegt diese erhabene Ruhe. Man hört nur das Singen der Vögel und den sanften Wind in den Bäumen.“ Eine ähnliche Ruhe empfand nur noch, wenn sie bei ihm war, so wie jetzt. Gab es ein größeres Glück auf der Welt?
    Ob er auch so empfand? Er war so still geworden, als ob ihn etwas nachdenklich stimmte. Gab es irgendein Problem. Konnte er in Zukunft nicht mehr zu ihren Treffen kommen? Ader waren die Gründe dafür noch tiefgreifender? Doch dann stellte er ihr diese Fragen.
    „Ich weiß es nicht, wohin uns das führen wird,“ antwortete sie ganz ruhig nach einer Weile. „So etwas habe ich noch nie erlebt.... Aber eins musst du wissen, Aulus! Ich will nichts, was du nicht bereit bist, zu geben. Wenn du mich jetzt fortschickst, dann werde ich gehen… Ganz gleich, ob dabei mein Herz zerbricht… oder nicht. Aber ich werde dankbar für jede Minute sein, die ich bei dir sein durfte.“ Ihre Fröhlichkeit war gewichen. Ihre Stimme war ruhig und fest geblieben und ihr Gesicht hatte ernste Züge angenommen. Doch sie lächelte mild, als ihr der letzte Satz über die Lippen gekommen war.

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