Kandidatur zum Cursus Honorum [10/13] - Marcus Decimus Livianus

  • Livianus nickte dem Venicier zu. Es war ihm bewusst, dass es noch eine persönliche Aussprache geben musste. Doch hier war weder der passende Zeitpunkt, noch der passende Ort dafür. Auch mit diesem jungen Aurelier hatte er vor nach der Wahl noch das Gespräch zu suchen, um den Grund für seine ziemlich harte Diskussionsführung herauszufinden. Es musste doch mehr dahinter stecken als nur politisches Interesse. Er ging daher wieder einen Schritt zurück auf seinen Platz in der Mitte der Halle und wandte sich wieder an die Senatsversammlung für einen aus seiner Sicht abschließenden Apell.


    "Senatoren. Ich kann das Geschehene leider nicht ungeschehen machen. Ich kann lediglich einen jeden meines Mitgefühls versichern, der in diesem Bürgerkrieg Angehörige oder Freunde verlieren musste. Genauso wie ich mich bei jedem entschuldigen werde, der durch die Taten, die mein Adoptivsohn im Auftrag des Usurpators verrichtet hat, Unrecht erleiden musste. Ich kann euch versichern, dass auch wenn mein Sohn durch den Kaiser begnadigt wurde, für mich als Vater diese Angelegenheit dadurch noch lange nicht vom Tisch ist. Doch lasst mir die Zeit den ganzen Umfang der Geschehnisse in Erfahrung zu bringen und zu begreifen. Wie ich sagte, war es bisher nicht möglich mit meinem Sohn darüber zu sprechen und auch beim Kaiser konnte ich vor dieser Wahl keinen Termin für eine Audienz erhalten. Doch sobald es Serapios Gesundheitszustand zulässt, werde ich mit ihm diese Angelegenheit klären und dementsprechende Konsequenzen daraus ziehen. Das versichere ich euch. Doch dies ist meine Angelegenheit als Vater und ich werde sie noch vor meinem Amtsantritt abschließen.


    Heute stehe ich jedoch als Kandidat für das kommende Consulat vor euch. Und ich denke gerade aufgrund der nun lange diskutierten Zerrissenheit in meiner eigenen Familie halte ich mich dafür geeignet dieses Consulat anzutreten. Ist das römische Volk denn nicht noch genauso zerrissen nach diesem verhängnisvollen Bürgerkrieg? Wer wäre besser geeignet dafür, die Gegner des Usurpators und die ehemaligen Anhänger wieder friedvoll zu vereinen und zu versöhnen, als jemand, der diese Gräben, die dadurch existieren, bereits aus seiner eigenen Familie kennt.


    Es gibt genug das endlich begonnen werden, soviel das getan werden muss und ich wäre mehr als bereit dazu, als gewählter Consul den Vorsitz dieses Gremiums zu übernehmen und die Verantwortung dafür zu tragen. Es gibt große und kleine Vorhaben von denen ich weiß, dass sie euch ein Anliegen sind. Diese möchte ich angehen und versuchen sie gemeinsam mit euch und den neu gewählten Magistraten umzusetzen. Sei das der Wunsch von Consular Aelius eine Renovatio im Senat einzuleiten oder das Anliegen Senator Sedulus, der das Ulpianum endlich in voller Größe seiner Bestimmung zugeführt sehen möchte. Sei es der Wunsch einiger Senatoren, die meinen Vorschlag ein großes Opfer mit Senat und Imperator darzubringen, sehr befürworten und es umgesetzt sehen wollen oder das große Anliegen unseres Imperators, der sich deutlich für einen funktionieren wieder erstarkten Senat ausgesprochen hat, der ihn wieder in seinen Regierungsgeschäften unterstützen kann.


    Ihr seht man muss nur kurz überlegen und hat zahlreiche Dinge im Kopf die nicht länger aufgeschoben werden sollten. Ich kann euch daher nur noch einmal um euer Vertrauen bitten und um eine vorurteilsfreie Chance, euch beweisen zu können, dass ich trotz aller Vorbehalte, die manche von euch aus verständlichen Gründen gegen mich hegen, meine ganze Kraft dafür einsetzen möchte, den Senat und unser zerrissenes Reich wieder zu Einen und in eine friedvolle und stabile Zukunft zu führen."

  • Es bereitete Vala größte Mühe, seine Fassungslosigkeit über die Vorgänge im Senat hinter einer stoisch zusammengeklammerten Miene zu verbergen, auch wenn er sich das eine oder andere Mal am liebsten mit der flachen Hand auf die Stirn geschlagen hätte, weil die Geschehnisse hier vor seinen Augen sich abseits jeden Verstands bewegten. Hinzu kam, dass der Aspirant auf das Consulat sich wand wie ein Regenwurm auf einem Pflasterstein.. hätte er seine Betroffenheit in Worte fassen müssen, er hätte es nicht gekonnt. So war es seine Hand, die sich vor seinen Mund schob und ihm zu einer nachdenklichen Pose verhalf und damit verhinderte, dass er dem ganzen Theater mit hilflos offenen Mund beiwohnte.


    Dass sein Patron irgendwann wie erwartet deutlich machte, dass er die Kandidatur des Decimus nicht unterstützen würde, nahm Vala einerseits eine unbequeme Entscheidung ab, andererseits machte es ebenso deutlich wie der Decimus die Bewerbung auf das höchste noch erreichbare Amt des Cursus Honorum vollkommen verpatzt hatte. Nicht nur, dass er die Bewerbung auf das Consulat kurz nach seiner Rückkehr ins öffentliche Leben rausgehauen hatte und sich dabei vollkommen auf seine Taten verlassen hatte, an die sich in Rom nur ein stets kleiner werdender Kreis von Menschen erinnerte. Hinzu kam, dass die Vorbereitung auf die Kandidatur davon zeugte, dass der Decimus den Aufwand vollkommen unterschätzt hatte.. wohl weil seine letzte Wahl schon einige Jahre zurücklag. Dann die fehlende obwohl streng obligatorische Besprechung der Kandidatur mit dem Kaiser... und dann die offensichtlich fehlende Vorbereitung auf kritische Fragen im Senat, die so vorhersehbar ausfielen wie der Auf- und Untergang der Sonne.
    Nein, diese Kandidatur war gründlich verkorkst, so dass Vala den Decimus wohl selbst dann nicht gewählt hätte, wenn er nicht so eng an das Votum seines Patrons gebunden wäre.

  • Während Livianus darauf wartete, ob es noch zu einer Wortmeldung kam, zog er für sich gedanklich ein Resümee.


    Auf Aurelius Lupus bisherigen Werdegang hatte er fairer Weise zu wenig Einblick, um die Diskussion in eine andere Richtung lenken zu können. Hätte er zu diesem Zeitpunkt schon gewusst, dass es sich bei ihm um einen Klienten des Kaiser handelte, hätte seine erste logische Gegenfrage gelautet, ober Lupus seinen Patron ebenso hart angegriffen und mit Vorwürfen überhäuft hatte, in Bezug auf die Freilassung und Begnadigung Serapios. Denn wer hätte bei all den Anschuldigungen gegen seinen Adoptivsohn ein besseres Urteil über Serapios Taten fällen können als der Kaiser selbst, der ihn bis vor wenigen Tagen noch in Gefangenschaft hielt. Doch aus irgendeinem Grund negierte der Patrizier diese Tatsache gegenüber seinem Patron gänzlich, hielt sich aber bei dieser Diskussion auch nicht zurück, um sich der eindeutigen Entscheidung seines Patrons und Kaisers in Bezug auf Serapio zu fügen. Irgendwie war das merkwürdig und passte nicht zusammen. Doch es war vermutlich einfacher im Senat als glänzender Verfechter der Gerechtigkeit aufzutreten, als mit dem Kaiser darüber zu diskutieren und sich dadurch vielleicht seinen Unmut zuzuziehen.


    Hätte Livianus zudem gewusst, dass es die ständigen Vorwürfe der Folter, die er hier mehrmals zu hören bekam, gar nicht im Auftrag und im Einverständnis seines Sohnes stattgefunden hatten und stattdessen Palma hinter dem Giftanschlag auf Kaiser Valerianus steckte, hätte er vielleicht noch mehr auf seinem Standpunkt beharrt, Serapios Vorgehen als vereidigter Offizier zu verteidigen. Vereidigt auf einen Kaiser, den dieser Senat dazu gemacht hatte. Doch eine Folter an einem Senator machte sich immer gut um die Stimmung negativ aufzuheizen. Serapio war bereits von der Gesellschaft Roms ausgeschlossen, seine Karriere war ein für alle Mal beendet und seine Freunde hatten sich abgewandt. Würde sich nun auch noch die Familie gegen ihn aussprechen und Livianus nicht zumindest versuchen einen Spießrutenlaufen durch die verschiedenen Fragen und Vorwürfe der Patrizier hinzulegen, dann blieb Serapio nur noch der Gang ins Elysio. Doch vielleicht legten es die ehrenwerten Senatoren ja genau darauf an.


    Hinzu kam auch noch, dass sich bestimmt der eine oder andere über die Tatsache wunderte, aber leider nicht aussprach, dass Livianus die streng obligatorische Besprechung der Kandidatur mit dem Kaiser fehlte. Wie sollten sie denn auch wissen, dass er bis heute auf eine Antwort des Palastes auf seinen Brief wartete, der vermutlich auf irgendeinem Schreibtisch vor sich hinvegetierte.


    Alles in Allem konnte er auch nicht gerade sagen, zu wenig Zeit oder Energien in die Vorbereitungen gesteckt zu haben. Hatte er doch fast jeden nennenswerten Senator direkt oder über Dritte kontaktiert, eine Brotverteilung am Forum veranstalten lassen und ein Theaterstück am Vorabend der Wahl organisiert. Im Vergleich zu Consular Furianus, hatte er vermutlich im letzten Monat dadurch mehr Aktivität gezeigt als dieser in den letzten beiden Jahren.


    Und dass sich bisher lediglich die Gegner Livianus zu Wort gemeldet hatten, machte die ganze Angelegenheit auch nicht gerade besser und einfacher. Quarto war der einzige gewesen, der sich klar zu Livianus positioniert hatte. Was half es da zu wissen, dass es nur ein paar wenige Senatoren waren, die ihn hier so gezielt und gnadenlos anfeindeten, wenn es sich um die einzigen Aktiven handelte und der Rest des Senats vorzugsweise den Mund hielt.


    Unterm Strich konnte man festhalten, dass er allem Anschein nach die einzige Angriffsfläche für den Frust und die Verachtung der betroffenen Senatoren bot und dies obwohl er mit den Geschehnissen der letzten beiden Jahre nicht einmal etwas zu tun hatte, sondern sich als klarer Gegner Salinators ins selbstgewählte Exil zurückgezogen hatte. Doch wie man hörte, waren alle anderen Klienten und Unterstützer Salinators untergetaucht. Irgendeinen Sündenbock musste sie ja finden, den sie stattdessen vorführen und zu ihrem Bauernopfer machen konnten, auch wenn dieser bisher auf eine sehr lange und bis dato rechtschaffende Laufbahn zurückblicken konnte.


    Irgendwie hatte sich der Decimer seine Rückkehr in das öffentliche Leben anders vorgestellt. Und auch die Senatoren mit denen er es hier zu tun hatte, zeigten nicht gerade großen Willen oder das Bedürfnis danach, positive Veränderungen im Imperium Romanum anstreben zu wollen. Vielleicht war er ein hoffnungsloser Optimist, doch er hoffte der Rest des Senats sah das anders.

  • Wie dem auch sei... Ich werde Senator Decimus Livianus meine Stimme geben.


    Verkündete Sedulus.
    Schließlich waren beide Familien miteinander befreundet und sogar durch Avarus und Lucilla verwandt miteinander. Zumal Sedulus es versprochen hatte.

  • Schweigend verfolgte Senator Avarus die unendlichen Anschuldigungen, die Gegenwehr, das verbale Gefecht eben jenes streitsüchtigen Blockes, den er unter Salinators Herrschaft so garnicht vermisst hatte. Zurück in die alten Gräben und Dreck schaufeln. Ein feiges Motto hat man selbst so gar keine Argumente parat, die allein den Kandidaten betreffen, der sich hier zur Wahl stellt.


    Er selbst hielt sich raus. Es war eh so ähnlich wie das Mahlen des Mühlsteins. Seiner Stimme konnte sich der Decimus sicher sein und so hoffte er auch derer vieler Anderer, die sich nicht von dem Gift der ewig Nörgelnden anstecken ließen.

  • Menschen beim Denken zuzusehen ist nur in den allerseltensten Fällen amüsant, noch seltener ist es informativ, da man bekanntlich nicht in die Gehirne der Gegenüber hineinsehen kann.


    Dennoch tat es in diesem Moment Hungi, er sah den Senatoren beim Denken zu. Musste es tun, denn sah man von einer Wortmeldung des Germanicus Sedulus ab, dachten die Herrschaften so vor sich hin. Wie glorios. Fehlte es etwa den Herrschaften an Mut, ihre Gedanken laut auszusprechen?


    Dann blieb wohl nur zu hoffen, daß diese Sprachlosigkeit nur temporärer Natur war.


    Damit man Hungi nicht etwa das gleiche vorwerfen konnte, sprach er den Gedanken aus, der ihm gerade in den Sinn kam. Hm, Germanicer und Aelier, fast schon die traditionellen Bündnispartner der Decimer. raunte er seinem Sitznachbarn zu. Leise, er wollte ja die meditative Stimmung der anderen nicht stören. Aber wer ihn sonst noch wählt, macht es wohl eher aus Mitleid. erlaubte er sich eine (wie er selbst wusste) stark befangene Meinung zum vorigen Geschehen.

  • Man soll Mitleid mit niemand haben, man soll sich vielmehr schämen, dass es so werden konnte, würde irgendwann einmal ein kluger Mann sagen. Doch hier und heute war sich Livianus sicher, dass er diesen Wahlsieg keiner Barmherzigkeit zu verdanken hatte. Nachdem alle Stimmen ausgezählt und das Ergebnis der Wahl bekannt gegeben wurde, wandte er sich ein letztes Mal in dieser Sitzung an den Senat. Aus vermutlich verständlichen Gründen, war seine Freude über den Wahlausgang ein wenig gedämpft. Vielmehr hatte er sich über das großartige Wahlergebnis seines jungen Verwandten Aquila gefreut. Dennoch schenkte er vor allem seinen augenscheinlichen Unterstützern ein dankbares Lächeln.


    "Ich danke euch für das in mich gesetzte Vertrauen. Ich kann euch versichern, dass ich alles tun werde um es zu rechtfertigen und nicht wieder leichtfertig zu verspielen. Viel Arbeit liegt vor uns und ich werde die Zeit bis zu meinem Amtsantritt gut nutzen, um mich darauf vorzubereiten. Vielen Dank!"


    Mit diesen kurzen Worten des Dankes zog sich der nunmalige Consul designatus nach diesem anstrengenden Tag zurück und trat das Wort wieder an den amtierenden Consul ab, der vermutlich zum nächsten Punkt der Tagesordnung übergehen würde.

  • Auch wenn er einige Probleme mit diesem Wahlergebnis hatte - wie wohl manch andere auch - erhob er sich von seinem Platz, um dem frisch gewählten Consul zu gratulieren.


    "Mögen die Götter dich führen und an deiner Seite sein. Entscheide weise und im Sinne Roms, Consul Marcus Decimus!", rief er in dessen Richtung aus und reichte diesem die Hand.


    Die Formen musste gewahrt werden und der Decimer wurde gewählt. Daran konnte man nicht rütteln, sondern versuchen eine gute Zusammenarbeit zu erreichen. Zum Wohle Roms war dies mehr als nötig und persönliche Attitüden hatten hinten anzustehen.

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