• Aquila war fassungslos. Im positivsten Sinne: fassungslos. Es war der Abend der Wahl, und als er das Ergebnis gehört hatte, hatte er geschwankt zwischen einfach Umkippen, und Freudensprüngen, die ihn mindestens bis nach Ostia gebracht hätten. Hin und her gerissen zwischen diesen beiden Gegensätzen hatte er dann erst mal gar nichts gemacht, als er das Ergebnis gehört hatte, sondern war einfach nur fassungslos da gestanden, und das war ein Zustand, der ihn auch jetzt noch, nur wenige Stunden später, im Griff hatte. Freilich hatte sich mittlerweile ein Grinsen dazu gesellt, das sich so sehr festgekleistert hatte, dass es schon herunter geprügelt hätte werden müssen, und eine ausnehmend gute Laune. Und die Lust zu feiern. Er hatte sich mit ein paar Bekanntenschrägstrichfreunden in der Taverna apicia verabredet, und gerade, als er sich auf den Weg hatte machen wollen von der Casa Decima aus, in die er einen kurzen Abstecher gemacht hatte, da war ihm der junge Aelier über den Weg gelaufen, seines Zeichens nun Tiro des designierten Consuls. Und ohne groß Federlesens hatte Aquila ihn einfach mitgeschleift, das hieß, er hatte ihn freilich gefragt, ob er mitkommen wollte, aber er hatte nicht so wirklich darauf geachtet, wie sehr der andere nun wollte oder nicht... ein nein hätte er ohnehin nicht gelten lassen. Nicht an diesem Tag. Nicht mit diesem Ergebnis. So kam es, dass Aquila nun mit dem Aelier im Schlepptau die Taverna betrat und zielsicher einen der Tische ansteuerte, an dem schon der ein oder andere Jungspund in ihrem Alter saß und den Abend feuchtfröhlich anging. Die Begrüßung war nicht viel mehr als ein kleines Gejohle, das plötzlich losbrach und in dem genauere Worte untergingen... was Aquila am Ende nur zu einem noch breiteren Grinsen verleitete, und erst als es wieder ein bisschen ruhiger wurde, stellte er kurz den Aelier vor, der dem ein oder anderen aus der Runde vermutlich auch schon bekannt war – immerhin waren sie alle im ähnlichen Alter und zählten alle mehr oder weniger zu den gehobeneren Familien Roms. Wenn auch vielleicht nicht ganz so gehoben wie die Aelii und Decimi, wie Aquila durchaus selbstzufrieden, aber nur für sich selbst feststellte... Consul in der Familie. Nobilitas. Das musste man sich auch erst mal auf der Zunge zergehen lassen. Und an der Stelle war Aquila auch völlig egal, dass ihn zwei oder drei Ecken von Livianus trennten. „So“, machte er dann, als die Gespräche am Tisch wieder aufgenommen worden waren und auch die neuesten Ankömmlinge etwas zu trinken bestellt hatten – in Aquilas Fall ein Bier. Und wo sie nun so bequem beieinander saßen, verzichtete er ohne nachzudenken auf die Förmlichkeiten, weil er das lächerlich fand. Oder gefunden hätte, hätte er darüber nachgedacht. Ach ja, nur so nebenbei: das Grinsen klebte ihm immer noch im Gesicht. „Der Tag war der Wahnsinn. Kannst dich schon mal auf was gefasst machen, wenn du antrittst, Paetus.“

  • Paetus war von Aquilas Angebot überrascht worden. Wie es seiner Natur entsprach, hatte er zunächst gezögert, sich ihm dann aber doch freimütig und im Grunde genommen erfreut angeschlossen. Er kannte noch nicht so viele Leute in Rom, wenige in seinem Alter und diesen jungen Decimer näher kennen zu lernen, das konnte vielleicht nicht nur erfreulich sein, sondern mochte sich eines Tage sogar als nützlich erweisen.


    “Ich freue mich wirklich sehr für dich. Du hast es ganz bestimmt verdient.“, antwortete er dem überschwänglichen Decimer. Das seine eigene Kandidatur, wann auch immer er sich zur Wahl stellen würde, dann in Wahnsinn und wohlmöglich in einem weniger glanzvollen Ergebnis endete, ja, dass befürchtete er auch, wenn auch ganz anders als es Aquila vermutlich gemeint hatte.


    Paetus war etwas befangen. Er war es nicht gewohnt, im Kreise junger Männer um die Häuser zu ziehen und er brauchte etwas länger, um wirklich 'aufzutauen'. So war er eben.


    Jetzt bestellte der 'Wahlsieger' sogar Bier!


    “Kann man das überhaupt trinken?“, fragte er, zugleich scherzhaft, wie auch ernsthaft zweifelnd. Wer wusste schon, was hier für ein Gebräu ausgeschenkt wurde? Bier – nein, dass tranken die einfachen Leute, die Arbeiter in den Olivenhainen seiner Familie, irgendwelche Barbaren jenseits der sicheren Grenzen des Imperiums, aber bei den Aeliern kam gewöhnlich Wein in den Becher, mal mehr, gelegentlich auch weniger verdünnt, aber zumeist von der besseren Sorte.

  • „Naja, nachdem das das erste Amt ist... verdienen muss ich's mir wohl erst noch“, hatte Aquila dann trotz Wahlsiegstimmung den Anstand, ein bisschen Bescheidenheit an den Tag zu legen. Wobei auch eine Rolle spielte, dass er sich nicht so sicher war, ob der ein oder andere Senator nicht deswegen für ihn gestimmt hatte, weil ein paar der Patrizier sich so auf ihn eingeschossen hatten... aber allzu lang wollte er sich ausgerechnet darüber keine Gedanken machen, weil das dann doch die Freude über die erfolgreiche Wahl etwas schmälerte. Und ohnehin hatte er ja vor zu zeigen, dass er das Vertrauen des Senats verdient hatte.


    Bei der Reaktion auf seine Bestellung grinste Aquila schon wieder. „Klar kann man. Macht sich an so nen Abend besser als Wein, find ich... war in Hispania so, wird hier nicht anders sein.“ Trotz aller Würden, die die Decimi erreicht haben mochten, konnte man eben doch merken, wie frisch diese noch waren in der Familie, und dass ihre peregrinen Wurzeln erst wenige Generationen zurücklagen. So lange Aquila seinen Pflichten und dem Unterricht nachgekommen war, hatte er ziemlich viele Freiheiten gehabt. Die Bestellung kam indes, und Aquila schnappte sich einen der Krüge und prostete seinem Gegenüber zu, bevor er einen Schluck trank. „Das letzte Jahr war ich Tiro fori bei dem duccischen Aedil, aus Germanien. Bier ist da auch beliebter als hier... und Met. Hast du mal Met probiert?“

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