Tablinum | Die Mechanik des Zufalls ...

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    Mit tänzelnden Schritten ging Dina voraus und führte den Gast in das angrenzende tablinum, hin zu einer gemütlichen Sitzgruppe, die aus ein paar bequemen Sesseln und Klinen zusammen gestellt worden war. Neben frischem Obst und allerlei süßen Köstlichkeiten standen dort ebenso erfrischende Getränke, wie Wein und diverse Genussmittel bereit, um die Wartezeit so angenehm wie möglich zu gestalten. Ja sogar eine Sklavin samt Laute stand dezent im Hintergrund bereit, um im Bedarfsfall die Ohren des Gastes mit leisen wohlklingendenTönen zu betören.


    "Bitte nimm Platz Herr … Möchtest du etwas trinken? Oder eine Kleinigkeit essen? Darf es ein wenig Musik sein, oder hast du gar einen bestimmten Wunsch den wir dir erfüllen dürfen?", erkundigte sich Dina zuvor kommend bei dem Flavier, dem bestenfalls die Qual der Wahl blieb, bis schließlich und letztendlich die Aurelia erscheinen- und sich ihm und seinem Anliegen annehmen würde …

  • +++ Zur gleichen Zeit, im anderen Flügel der villa +++


    "Domina? … DOMINA PRISCA … WO BIST DU? … DOOOMMMINAAAAAAAAAAAAAA?! … HUHU?", rief Darius, der entsandte kleine Sklavenjunge, lautstark suchend nach der Herrin während er gleichzeitig und genüsslich einen leckeren Honigkuchen verspeiste. Den hatte er vorhin in der culina stibitzt und da dieser so gut schmeckte, hatte er es der 5-jährige Dreikäsehoch nicht gerade eilig die Herrin zu finden. Nichtsdestotrotz ging er bei seiner Suche nach der Aurelia sehr akribisch vor, indem er - in seiner kindlich verspielten Art - hinter jeder Säule, jedem Vorhang und jeder Statue nach sah ob sie sich eventuell dort versteckt haben könnte. Schließlich wurde er auch fündig, bzw. eher umgekehrt, da die Aurelia dem Lärm folgend, ihm entgegen gegangen war und er ihr regelrecht in die Arme lief .


    "Hoppla, was ist denn passiert? Brennt das Haus oder warum schreist du hier so herum?", stellte Prisca den Kleinen leicht genervt zur Rede, nachdem sie ihn wieder etwas von sich geschoben hatte. Doch was war das? "Oh nein, jetzt sieh dir das an! Mein schönes Kleid!!!" Der Lauser war doch glatt mit seinem verschmiertem Kuchenmund an ihr blütenweißes Kleid geraten, sodass nun auf Höhe ihrer Oberschenkel ein "Kussmund" aus Honig und Kuchenbröseln prangerte.

    "Tschuldigung, domina. Das wollte ich nicht ...Wirklich nicht", erwiderte der Kleine erschrocken und aus seinen großen Kulleraugen heraus sah er flehend zu der Aurelia hoch: "Werde ..Werde ich deswegen jetzt gekreuzigt?" Man sah ihm die Angst und Panik vor einer Strafe deutlich an, denn ohne es zu wissen hatte ihn ein älterer Sklavenjunge mit dieser Geschichte aufgezogen, dass die Aurelier am liebsten kleine Sklavenjungen kreuzigten.


    "Was? …Du meine Güte, aber nein, woher hast du denn bloß diesen Unsinn? ...Natürlich wirst du nicht gekreuzigt." Die Frage des Jungen kam so überraschend, dass Prisca´s Wut über das besudelte Gewand augenblicklich verflog. Vielmehr musste sie angesichts der blühenden Phantasie des Kleinen belustigt auflachen: "Du bekommst höchstens eine Ohrfeige wenn du das nächste Mal nicht aufpasst und noch einmal eines meiner Kleider beschmutzt" - "Ach so, na dann… ", atmete Darius mehr oder weniger erleichtert über diese Aussage auf. Eine Ohrfeige war allerdings auch nicht gerade erstrebenswert und deshalb versuchte er nun schnell zu erklären, weshalb er eigentlich so herum geschrien hatte: "Aber ich ...ich wollte dir doch nur mitteilen, dass da ein Mann im tablinum auf dich wartet. Ist anscheinend ein wichtiger Herr, ganz edel gekleidet, … seinen Namen hab ich mir aber trotzdem nicht gemerkt. Ist das schlimm?"


    "Ein Mann? Wer denn? ...Ach herrje, warum haben wir eigentlich keine Botenjungen, die einigermaßen verständliche Nachrichten überbringen können"Kopfschüttelnd und, mit einem resignierenden Seufzer zu sich selbst gesprochen, winkte Prisca ab: "Ist schon gut, ...geh jetzt, ...spielen, oder was auch immer du sonst so machst." Gerade plagten sie ganz andere Sorgen - Soll ich mich schnell umziehen gehen , oder lieber gleich nachsehen, wer da im tablinum auf mich wartet? Ist es am Ende gar der Tiberer? Oh je oh je, mit dem habe ich ja gar nicht gerechnet. Hoffentlich sehe ich gut genug aus... - und wie so oft siegte die Neugier. Nur schnell noch einen Seidenschal um die Hüften gebunden, sodass dessen Enden den Makel des Kleides bedeckten und schon fühlte sich Prisca wieder angemessen genug gekleidet, um jenem wichtigen Gast entgegen treten zu können.


    +++


    Die Überraschung war allerdings groß, als Prisca beim eintreten erkannte, wer da tatsächlich auf sie wartete: "Senator Flavius?! … ", fast ungläubig klingend und fragenden Blickes und, dennoch mit einem bezaubernden Lächeln auf den Lippen, trat Prisca dem Gast entgegen. Dem Oberhaupt der Flavier, dem Onkel ihres verblichenen Gatten und, … dem vermeintlichen Liebhaber dieses widerlichen Decimer, der es gewagt hatte sie aus Rom zu entführen: "Welch eine …" - Überraschung? - "Ehre und Freude, dich hier begrüßen zu dürfen. Wie geht es dir denn? Dir und deiner Familie?" Mittlerweile hatte Prisca die Sitzgruppe erreicht, wo sie geradewegs einen der Sessel ansteuerte um sich darauf nieder zu lassen. Die Freude über das Wiedersehen war ihrerseits nicht geheuchelt, wenngleich sie es nicht vermeiden konnte über den Grund seines Besuches gedanklich zu spekulieren. Ein Zufall konnte es doch nicht sein, dass er ausgerechnet zu ihr wollte - oder doch? ...

  • Es war recht lange her, seitdem Gracchus zuletzt in der Villa Aurelia zu Gast war gewesen, tatsächlich konnte er sich dessen nicht einmal mehr entsinnen - wie so vieles indes war es noch vor dem Bürgerkriege gewesen, welcher noch immer ein beständig dräuender Fixpunkt, respektive Fixperiode, in seinem Leben schien. Er wählte einen verdünnten Wein zur Erfrischung, lehnte Speise und musikalische Untermalung ab, und nahm Platz. Während der kurzen Zeit, welche er der Aurelia harrte, betrachtete er die Linien eines Mosaiks, ohne dies indes zur Kenntnis zu nehmen, formulierte er doch gleichsam in Gedanken zum wiederholten Male seine Worte, arrangierte sie neu, strich das ein oder andere, wählte sie alternativ, bis dass Prisca das Atrium betrat. In ihr Kleid aus hellem Stoff gehüllt, ein entwaffnendes, offenes Lächeln auf den Lippen haftete ihr ein Anflug von epiphaner Leichtigkeit an, und einige Augenblicke war Gracchus schlichtweg erleichtert, dass sie die Wirren der Vergangenheit augenscheinlich unversehrt hatte überstanden.
    "Salve, Aurelia Prisca"
    , erwiderte er darob die Begrüßung nicht minder erfreut und erhob sich.
    "Die Ehre und Freude liegt ganz auf meiner Seite!"
    Er wartete bis dass die Aurelia saß und nahm dann ebenfalls wieder Platz, um ihre Frage mit einem knappen Rapport zu beantworten, welcher allfällig ein wenig unpersönlich mochte ausfallen, doch immerhin dazu geeignet war, seine eigene Wenigkeit dabei nicht in Betracht ziehen zu müssen.
    "Meine Familie be..findet sich wohl, meine Gemahlin und meine Tochter weilen auf einem Landgut im Norden Italias, meine Söhne sind hier bei mir in Rom. Erst vor kurzem haben wir Minimus' Liberalia gefeiert."
    Obgleich die Not, welche zu diesem Ereignisse hatte geführt, nicht sonderlich erfreulich gewesen war, so huschte doch ein Anflug von Stolz über sein Antlitz.
    "Es ist wahrhaft erstaunlich mit den Kindern - im einen Augenblicke werden sie gerade geboren, im nä'hsten sind sie bereits erwachsen."
    Insbesondere wenn ein Bürgerkrieg sie aus der Kindheit riss.
    "Ich hoffe, du und die deinen, ihr be..findet euch ebenfalls wohl?"
    Gracchus war kein Freund von belangloser Konversation, welche oftmals nur dazu diente, das eigentliche Thema eines Gespräches hinauszuzögern, doch dem Wohl der Aurelia galt sein Interesse durchaus ernsthaft, schlussendlich war sie die Witwe seines Vetters und hatte lange genug in der Villa Flavia gewohnt, um noch immer auf eine etwas weiter gefasste Art und Weise Teil der Familie zu sein.

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  • War es auch nicht der erhoffte Besucher, den Prisca zuerst vermutet hatte, so war sie doch nicht minder erfreut nun Senator Flavius begrüßen zu dürfen. Allerdings drängte sich auch sofort die Frage in ihr auf, aus welchem Grunde das Oberhaupt der Flavier ausgerechnet zu ihr wollte. Natürlich konnte es sich um einen reinen Nettigkeitsbesuch handeln, doch war der Zeitpunkt und die Tageszeit etwas ungewöhnlich gewählt. Ging es gar um ihren verblichenen Gatten Flavius Piso? Oder war der Grund womöglich doch etwas delikaterer Natur, bezogen auf das "kleine Geheimnis" in Form eines Kästchens, das nach wie vor an einem sicheren Ort sein Dasein fristete? Prisca hatte nicht vergessen unter welchen Umständen es in ihre Hände gelangt war und sie verband durchaus einige unschöne Erinnerungen damit. Insbesondere an jenen Decimer, der sie verhaftet und verschleppt hatte und gegen den sie das Kleinod als Druckmittel hatte einsetzen wollen. Nachdem der Krieg nun glücklicherweise zu Ungunsten dieses Mistkerls ausgegangen war, war der Inhalt des Kästchens im Grunde wertlos geworden - zumindest für Prisca.


    Die Neugier in Prisca war also groß zu erfahren was den Flavier zu ihr führte, doch galt es diese zu zügeln so lange die Konversation auf einer lockeren Plauderei beruhte. Dagegen gab es freilich nichts einzuwenden und davon abgesehen war es natürlich ebenso interessant zu erfahren wie es der Familie ihres Verblichenen in der schweren Zeit des Krieges ergangen war. "Es freut mich sehr zu hören, dass es dir und deiner Familie gut geht, Senator und ich ich gratuliere dir herzlich zur Liberalia deines Sohnes. ... Ja in der Tat, die Zeit scheint wie im Fluge zu vergehen, doch ist es andererseits ein Geschenk der Götter, mit ansehen zu dürfen wie aus Kindern Erwachsene werden. Vor allem nachdem, was in jüngster Zeit passiert ist. Ich denke wir können uns alle glücklich schätzen den Krieg wohl behalten überstanden zu haben", entgegnete Prisca deshalb mit ehrlicher Erleichterung auf die Worte des Flaviers hin und gleichzeitig musste sie aber wehmütig aufseufzen. Zum einen wegen dem leidigen Thema "Zeit" und der Tatsache, dass die Zeit nicht nur Kinder zu Erwachsenen machte, sondern Erwachsene genauso zu Greisen.


    Und zum anderen musste Prisca bei den Worten spontan an Flora denken und an ihren Cousin Ursus und wie es ihm gerade ergehen mochte: "Leider kann ich in Bezug auf meine Familie nicht vollumfänglich behaupten, dass es uns allen gut geht. Meine Cousine Flora starb erst vor kurzem bei der Geburt ihres Kindes und sicher kennst Du meinen Cousin Ursus, … er … er laboriert noch immer an seinen schweren Verletzungen, die er sich im Krieg davon getragen hat. Seine Frau und er sind noch immer in Mantua und werden es wohl auch bleiben, so lange mein Cousin nicht transportfähig ist. Nun ja, wenigstens sind die Ärzte der Meinung, dass es durchaus Hoffnung gibt, dass er wieder gänzlich genesen wird. … So weilen augenblicklich nur mein Cousin Lupus, meine Cousine Lentidia, der kleine Sohn meines Cousins Ursus und ich wohl behalten in Rom", erklärte Prisca und sie versuchte zuversichtlich zu wirken, da sie den Flavier nicht mit ihren Sogen belasten wollte. Den Neuankömmling Scipio erwähnte sie bewusst vorerst lieber nicht, da dieser erst seit ein paar Tagen hier in Rom wieder aufgetaucht war.


    Tja, wie nun am besten auf ein anderes Thema umschwenken, dachte Prisca und deshalb nahm sie erst einen Schluck von dem Essigwasser das sie sich hatte einschenken lassen, um dem Flavier die Gelegenheit zu geben gegeben falls seinerseits die Initiative, in diese Richtung zu ergreifen.

  • Der Blick des Flaviers wurde undurchdringlich als die Aurelia von Tod und Verletzung berichtete, denn obgleich ersteres noch dem unabänderlichen Laufe der Natur folgte, so waren Kriegsverletzungen in diesem Falle doch eine direkte Konsequenz seines eigenen Handelns. Gleich wieviel Zeit auch verrann, nirgendwo gab es ein Entrinnen vor dieser Verantwortung - an welchen Ort, in welches Haus er auch seine Schritte lenkte, stets wartete bereits ein neues Quantum mehr an Schuld auf ihn.
    "Sei dir meines Beileides zum Tode deiner Cousine versichert. Und so sehr ich erlei'htert bin, dass du selbst dich wohl befindest, um so betrüblicher stimmt mich die Nachricht ob deines Vetters Ursus. Ich werde die Götter darum bitten, dass sie seiner Genesung Beihilfe leisten mögen."
    Der Drang hierzu trat nicht etwa aus Eigennützigkeit hervor, um sich der Schuld eines weiteren Opfers zu entledigen - es waren längst zu viele, als dass ein Toter mehr oder weniger noch mochte einen Unterschied bedeuten -, es war schlichtweg Gracchus' Verlangen, irgendetwas tun, irgendetwas noch ändern zu können, und nicht jedes Schicksal auf Gedeih und Verderb den Launen der Fortuna ausgeliefert zu wissen, nachdem seine eigenen Hände ihr Rad hatten angetrieben. In seiner Audienz bei Palma hatte der Augustus ihm zu verstehen gegeben, dass er selbst mit dem Wissen um die Zukunft nichts an ihrem Plan hätte ändern wollen, doch Gracchus war von diesem Standpunkt nicht überzeugt. Könnte er das Rad der Zeit zurückdrehen, noch einmal zum Beginn der Konspiration zurück springen, er würde einen Weg finden, die Notwendigkeit dieser zu verhindern, er würde einen Weg finden, den Vescularier selbst zu eliminieren, und mochte es auf noch so unehrenhafte Art und Weise geschehen, mochte er seine eigene Familie damit opfern - denn ohne Vescularius Salinator würde der Anlass zur Konspiration verlustig gehen. Mochte Rom hernach auch noch Jahrzehnte lang unter der Lethargie des Valerianus' verkümmern - alles wäre besser als auch nur ein einziger Tag des Bürgerkrieges. Doch Gracchus konnte die Zeit nicht zurückdrehen. Er konnte nurmehr die Scherben der Devastation zusammenkehren, die Last der Schuld auf seinen Schultern zu balancieren, und ohne Hoffnung auf ein Ende dieser Tage an die kleinen Glücksmomente der Vergangenheit sich zu klammern suchen - ob dessen er auch nun die Flucht in medias res antrat.
    "Ich bitte dich gleichwohl, den Anlass meines Besu'hes zu exkulpieren, Aurelia, mag dies dich in Gedanken doch in jene unglückselige Zeit zurückführen - doch … dies Ansinnen ist … für mich von ... überaus bedeutsamer Relevanz."
    Gracchus' Blick hielt sich an der spiegelnden Oberfläche seines Weines fest, war ihm die gesamte Angelegenheit überaus unangenehm, doch ohne den schriftlichen Beweis würde sein Geist nie mehr zur Ruhe kommen, sich niemals mehr von seiner eigenen Vergangenheit überzeugen lassen.
    "Kurz nachdem meine Familie und ich Rom hatten ver..lassen, wurde unser Anwesen durch die Cohortes Urbane durchsucht"
    , begann er darob ohne seinen Blick zu heben, sorgsam seine Worte wählend, als müsse er ein jedes davon in Semantik und Dimension abwägen.
    "Selbstredend fand sich nichts als unser alltägliches Leben dort, doch … im Zuge dessen wurde aus meinem Cubiculum eine ... Schatulle entwendet. Eine Szene der Mythologie zierte das Holz, ge..arbeitet aus irisierendem Perlmutt."
    Ein flüchtiges Lächeln legte sich für einen Augenblick über Gracchus' Lippen, ehedem er seinen Blick hob und den der Aurelia suchte.
    "Augenscheinlich wurde es in deinem Beisein geöffnet, herna'h jedoch ward es nicht mehr gesehen - obgleich es laut unserer Sklavenschaft nicht Teil jener Dinge war, welche die Urbaner konfiszierten. Kannst du … kannst du allfällig dich noch dessen ent..sinnen, was mit dieser Schatulle ... und … und ihrem Inhalt hernach geschehen ist?"
    Er konnte spüren wie eine Hand um seine Innereien sich legte, zu zerren und reißen begann, fürchtete Gracchus doch das schlimmste Übel - dass die Urbaner dies Kleinod als wertlos erachtet, aus Zorn, keine Beweise zu finden, es samt seines Inhaltes in eine der Feuerschalen geworfen und für alle Zeiten vernichtet hatten - und mit ihm jeglichen Beweis an alle Hingabe und Leidenschaft seines Hephaistion.

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  • "Ich danke dir, Senator, für deine Anteilnahme und für deine guten Wünsche für meinen Cousin. … Ebenso will ich die Götter darum bitten, dass sie dich und deine Familie auch in Zukunft vor allem Leid und Unheil verschonen und stattdessen Glück und Gesundheit allzeit euren Weg begleiten mögen", bedankte sich Prisca für die Beileidsbekundung mit einem warmen und offenem Lächeln. Mochten die Worte des Falviers auch rein des Anstands geschuldet sein, so klangen sie zumindest ehrlich und keineswegs derart förmlich und gekünstelt wie manch andere Kondolenz, weshalb Prisca den Drang verspürte ihre Verbundenheit gegenüber den Flaviern mit einem Gegenopfer zum Ausdruck zu bringen. Nicht zuletzt diente es auch der Pflege der guten Beziehungen zwischen den Familien, die hoffentlich irgendwann wieder durch eheliche Bande gefestigt würden, auch wenn es beiden Seiten derzeit an potenziellen Kandidat(inn)en mangeln mochte.


    Eine weitere Möglichkeit zur Pflege der guten Beziehungen eröffnete sich kurz darauf mit dem eigentlichen Anlass des Besuches. Als ob ich es geahnt hätte, dachte Prisca sofort während sie dem Flavier zu hörte. Seine Haltung und die Bedächtigkeit und Schwere seiner Stimme ließen unschwer erkennen wie wertvoll der Inhalt des Kästchen für ihn sein musste. Oder war es ihm gar peinlich, dass dieses einst gut behütete Geheimnis womöglich keines mehr war? Prisca konnte sich irren, aber sie tippte auf eine Mischung aus beidem als sie sein flüchtiges Lächeln und den leicht hilflos wirkenden Ausdruck in seinen Augen sah.


    "Das Kästchen das du beschrieben hast, Senator, ist mir wohl bekannt und es stimmt auch, dass es in meinem Beisein geöffnet worden ist", nickte Prisca und da es ihr fern lag den Flavier über den Verbleib seines Kleinods auf die Folter zu spannen, gab sie ihm bereitwillig Auskunft: "Das Kästchen samt Inhalt ist noch immer in meinem Besitz. Beziehungsweise habe ich es damals, nach der Durchsuchung, an einen sicheren Ort bringen lassen , da ich … ich", kurz stockte die Stimme der Aurelia, da sie nun zugeben musste die Briefe gelesen zu haben. Sollte sie außerdem gestehen, dass sie ernsthaft in Erwägung gezogen hatte die Briefe als Druckmittel gegen den Schreiber selbiger ein zusetzen? Damit hätte sie am Ende wohl auch dem Ruf des Flavier geschadet. Aber hätte es das wirklich? Oder würde sich am Ende gar niemand dafür interessieren, welche Beziehung zwischen den beiden bestand (oder bestanden hatte)? Damals wie heute? Letztendlich waren die Briefe doch nur für denjenigen von Bedeutung, für den sie einst bestimmt waren, oder?


    Nachdem Prisca mit einem Räuspern gedanklich abgewogen hatte, wie weit sie mit ihren Erklärungen gehen sollte, hielt sie es für das Beste die ganze Wahrheit zu sagen: "Ich dachte das sei die beste Lösung, da der Inhalt der Briefe womöglich deinem guten Ruf geschadet hätte. Allerdings muss ich auch gestehen, dass ich später in Erwägung gezogen habe mit diesen Briefen Decimus Serapio zu erpressen und ihn in der Öffentlichkeit zu diffamieren. Allerdings nur, weil er mich und meine Familie des Hochverrats beschuldigt hat und er mich verhaften ließ, um mich als Geisel mit auf seinen Feldzug zu schleppen…." Ob Gracchus von dieser Geschichte wusste und er deshalb Verständnis für ihre Handlung gehabt hätte? Fragend und entschuldigend zugleich blickte Prisca den Flavier an, da sie nicht wusste wie (gut) das Verhältnis der beiden heute zueinander war und gleichzeitig vollendete sie aber das, was sie ihm sagen wollte: "Glücklicherweise ist es nie soweit gekommen und bin ich froh, dass ich dir nun dein Eigentum unbeschadet zurück geben kann. ... Ich werde sofort veranlassen, dass die Briefe auf sicherem Wege zurück in deinen Besitz gelangen." Dagegen gab es wohl kaum etwas einzuwenden und deshalb winkte Prisca sogleich ihre beiden germanischen Leibwächter Einar und Bernulf, sowie ihre Leibsklavin Mara herbei: "Es wird höchstens eine Stunde dauern bis meine Sklaven zurück sind. Darf ich dir so lange die Gastfreundschaft anbieten, Senator? Oder soll das Kästchen direkt zur villa Flavia gebracht werden?", erkundigte sich Prisca nun abschließend bei Gracchus in der Hoffnung, dass die Vorgehensweise in seinem Sinne wäre.

  • Eine Woge der Erleichterung überkam Gracchus mit Priscas Eröffnung, dass sein kleiner Schatz ihr nicht nur bekannt war, sondern gleichsam gar in ihrer Obhut sich befand, und für einige Herzschläge war er beinahe in Versuchung ihr dankend um den Hals zu fallen - indes nur bis zu jenem Augenblicke da sie begann von seinem guten Ruf zu sprechen, letztlich gar Serapios Namen nannte. Bis zuletzt hatte er gehofft, dass die Briefe für niemanden einen Sinn mochten ergeben haben - war er doch nicht mehr gänzlich sicher, welche Namen tatsächlich auf ihnen waren festgeschrieben, hatte gehofft, die offiziellen Schreiben des Decimus nicht gemeinsam mit den Liebesbriefen aufbewahrt zu haben, obgleich er tief im Innersten hatte gewusst, hatte befürchtet, jeden einzelnen Buchstaben, dessen er von Faustus war habhaft geworden, beieinander verwahrt zu haben, so dass mit jedem Buchstaben mehr die Nähe zu seinem Geliebten wuchs, als müsse er eine Straße pflastern zu Faustus hin und jedes Zeichen wäre ein weiterer Stein, seinem Ziel näher zu gelangen. Welch Leichtsinn, augenscheinlich ausgelöst durch die Narretei der Liebe! Gewöhnliche Urbaner wussten nun um die intimsten Geheimnisse, welche er mit Faustus hatte ausgetauscht, verlachten allfällig dies hehre Gefühl zwischen ihnen, beschmutzten diese Liebe - zu sehr hielt er noch immer an diesem Glauben fest - mit ihren Worten und Gedanken. Und schlimmer noch, Aurelia Prisca hatte ebenfalls Kenntnis dessen, was indes nicht in Hinblick auf die Reinheit des Gefühls als eine Katastrophe war anzusehen - sie selbst war viel zu hehr, dem Schaden zufügen zu können -, sondern gegenteilig in Hinblick auf ihre eigene Reinheit. Gleich seiner Gemahlin Antonia war Prisca Gracchus stets erschienen wie die makellose Perfektion der römischen Gemahlin, gänzlich untadelig, unschuldig und vollkommen, ein lebendes Abbild der Iuno - darob war es nicht einmal die Liebe zwischen Männern, welche schlussendlich nicht allzu ungewöhnlich war, sondern schlichtweg die Tatsache eines Geliebten, welche zweifelsohne nicht Teil des perfekten römischen Hausstandes war. Nicht auszudenken, würde diese Tatsache an die Öffentlichkeit gelangen, so dass auch Antonia dies würde erfahren - Gracchus würde nie wieder seiner Gemahlin gegenüber treten können! Zwischen Prisca und ihm war indes zweifellos nun aller Anschein perfekter Vollkommenheit dahin.
    "Ich … würde gerne hier verweilen, ... sofern dir dies nicht zur Last fällt"
    beantwortete er zuvorderst ihre Frage, da dies der einfachste Teil aller Worte zu sein schien. Nun, da er dem Zeugnis Faustus' Liebe so nahe war, wollte er nicht die Distanz erneut vergrößern, indem er zur Villa Flavia zurückkehrte, wollte nicht auf die Sklaven der Aurelia vertrauen, das Wagnis nicht eingehen, dass zwischen ihrem Hause und dem seinen noch ein Unglück geschah, gleichwohl schien es ihm ohnehin unter der erdrückenden Last der Wahrheiten augenblicklich unmöglich, seinen Körper auch nur empor zu heben, geschweige denn einen Fuß vor den anderen aus der Villa hinaus zu setzen. Zuguterletzt blieben einige Fragen unbeantwortet, musste er gleichsam suchen, den Schaden zumindest einzudämmen, welcher nicht mehr abzuwenden war. Er wartete bis dass die Sklaven das Tablinum hatten verlassen, suchte, sammelte derweil seine Worte.
    "Es gerei'ht dir zur Ehre, wiewohl ich dir überaus dankbar bin, dass du … dass du diese Dokumente, wiewohl ihren Inhalt bewahrt hast. Indes ..."
    Letzlich war sein gesamtes Leben ohnehin weit entfernt von perfekter Vollkommenheit, so dass die öffentliche Kompromittierung seiner Ehe, seiner Beziehung und seiner Neigungen kaum wohl einen ernsthaften Schaden hätte anrichten können, dies gegenteilig kaum nur an jenen Wert konnte heranreichen, welchen das Leben der Aurelia besaß - welches genau genommen letztlich auch nur ob seiner Schuld am Bürgerkriege wegen in Gefahr war geraten.
    "Sofern das Wissen darum hätte ausgereicht, auch nur einen Bru'hteil dazu beizutragen, deine Unversehrtheit zu garantieren, so wäre jeglicher Verlust meines Rufes leichthin zu verschmerzen gewesen."
    Er atmete tief ein und aus, ehedem er fortfuhr.
    "Da dies jedoch nun nicht mehr von Belang ist, so möchte ich dich gleichsam darum bitten, diese Angelegenheit fürderhin in der Ver..gangenheit zu belassen."
    Einige Augenblicke zögerte er, ob er Antonia explizit sollte benennen, doch widerstrebte es ihm ihren Namen im gleichen Atemzuge auszusprechen, mit welchem er über Faustus sprach, selbst wenn dies nun ein offizieller Faustus war, über welchen er kaum nur etwas wusste.
    "Gab es ... gab es denn einen konkreten Grund, weshalb Decimus Serapio auf den Gedanken kam, selbst dich des Ho'hverrates zu inkriminieren?"
    Hatte es schlichtweg genügt, dass ihre Verwandten Lupus und Urusus auf der Liste der Proskription waren genannt worden - von Serapios Standpunkt aus durchaus zurecht -, oder hatte einer der beiden Prisca am Ende gar eingeweiht? In diesem Falle würde sie zweifelsohne auch von Gracchus' Beteiligung an der Konspiration wissen, und dies Wissen wäre letztlich für ihn weitaus gefährlicher als jede klandestine Liaison.

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  • …. Mir zu Last fallen? Der Grund für die Anwesenheit des Flaviers weckte zweifellos einige Erinnerungen in Prisca und manchmal fragte sie sich, ob alles so gekommen wäre, wenn die Briefe nicht in ihren Besitz gelangt wären. Jene Liebesbekundungen unter Gleichen, wegen denen es dem Flavier womöglich selbst unangenehm war hier zu verweilen ind er Gewissheit, dieses "kleine Geheimnis" fortan mit ihr zu teilen. Aber zur Last fallen? ... - "Ich bitte dich, Senator, wie könnte mir deine Gesellschaft je zur Last fallen?! … Vielmehr freue ich mich, dass du mir die Ehre erweist mein Gast zu sein", begrüßte Prisca schließlich mit einem erfreuten Gesichtsausdruck die Entscheidung des Flavier, in der Hoffnung durch ein offenes Gespräch, viele Missverständnisse und offene Fragen für immer aus dem Weg räumen zu können.


    Dem Senator schien ebenso daran gelegen zu sein diese "Angelegenheit" ein für allemal zu klären und sicher hatte er gute Gründe, weshalb ihm ihre Verschwiegenheit für die Zukunft wichtiger war als sein Ruf in der Vergangenheit. Leicht gesagt, nachdem es so gekommen war wie es ist, dachte Prisca, wenngleich sie seine Sorge um ihre Unversehrtheit als edle Geste wertete. Sein Anliegen konnte und wollte sie ihm indes gerne erfüllen. Schließlich hatte sie nur dem Decimer schaden wollen und nicht Flavius Gracchus. Und abgesehen davon wären ohnehin bald alle Beweise, für die Existenz dieser Beziehung, ihrem rechtmäßigen Besitzer zurück gegeben, von daher…:"Deine Sorge um meine Unversehrtheit ehrt dich, Flavius und deiner Bitte werde ich selbstverständlich sehr gerne nachkommen. Es ist auch mein persönliches Anliegen, das Vergangene und all die unschönen Erinnerungen an das Geschehene endlich hinter mir lassen zu können ", versicherte ihm Prisca, ohne es aber für erforderlich zu erachten ihre Worte mit einem Schwur zu untermauern .


    Ob Gracchus deshalb kurz zögerte? Zweifelte er womöglich an der Ehrlichkeit ihrer Worte? Scheinbar beschäftigte ihn eine andere Sache, die schließlich in einer Frage mündete, bei der es Prisca regelrecht die Nackenhaare aufstellte. Decimus Serapio! Allein der Name dieses Verrückten war wie ein rotes Tuch für sie und neben der unschönen Erinnerung an die Begegnungen mit ihm, fragte sie sich ernsthaft wie ein Mann wie Flavius Gracchus - ein Patrizier von edelster Abstammung - einen solch widerlichen Kerl nur anziehend finden konnte. Naja, das war natürlich Geschmackssache und in Bezug auf Decimus Serapio war Priscas Meinung zweifellos negativ vorbelastet.


    "Was diesen Irren dazu getrieben hat? Mich mit seinen haltlosen Anschuldigungen zu diffamieren, … mich in meinem eignen Haus einzusperren, ... mich als Geisel durchs halbe Imperium zu schleifen???", formulierte Prisca die Frage dennoch emotional um, wobei ihr verächtliches Schnauben ihre niedere Meinung von dem Decimer unschwer erkennen ließ: "Was genau er sich davon versprochen haben mag, kann ich dir leider nicht sagen, Senator. Ich kann es mir nur so erklären, dass dieser verblendete Fanatiker in mir die Hochverräterin sehen wollte um seinem Herrn einen Erfolg präsentieren zu können. Der Name Aurelia stand schließlich mit ganz oben auf der Proskriptionsliste und ich war zufälligerweise die Einzige aus der Familie, die zu dieser Zeit in Rom weilte und der er somit habhaft werden konnte. Das hätte dem Vescularier sicher gut in den Kram gepasst, mich als Mitwisserin des Mordes am Kaisers öffentlich an den Pranger zu stellen, um so uns Aurelier an seiner Stelle ans Messer zu liefern. Schließlich gingen damals genügend Gerüchte in der Stadt um, dass Salinator aus reiner Machtgier nach dem Thron gegriffen hat. … Den Göttern sei Dank, dass dieser Widerling dafür seine gerechte Strafe erhalten hat ", teilte Prisca Flavius Gracchus ihre Vermutungen mit und ließ kaum Zweifel daran, wen sie persönlich für den Mord an der Kaiserfamilie verantwortlich machte.


    Apropos Strafe … Ein Strafe hätte der Decimer in Priscas Augen auch verdient, nachdem sie ihm schon zig Male den Tod gewünscht hatte. Nur leider war sein Name bislang auf keiner der zahllosen Gefallenen-Liste aufgetaucht, die Prisca von ihren Sklaven regelmäßig prüfen ließ, noch hatte es irgendeine Ankündigung zu einer Hinrichtung gegeben. Ob der Senator mehr weiß? Ob die beiden am Ende gar noch miteinander …. , grübelte Prisca kurz darüber nach ob sie es wagen sollte, Gracchus direkt auf seinen Liebhaber anzusprechen. Er wird mir wohl kaum sagen, wo ich diesen Decimer finde Einen Versuch war es aber allemal wert, allein der Mechanik des Zufalls wegen: "Hat der Senat - beziehungsweise unser neuer Kaiser - eigentlich darüber entschieden, was mit ehemaligen Handlangern des Vesculariers geschehen soll, sofern sie nicht gefallen oder geflohen sind?...Will man sie zur Rechenschaft ziehen? Oder erhalten sie die Absolution, nachdem der Bürgerkrieg vorbei ist?", stellte Prisca diese Frage ganz unscheinbar und beiläufig klingend, als sei es der Plauderei geschuldet, derweil sie an ihrem Becher mit Essigwasser nippte und den Flavier neugierig über den Rand hinweg anblickte, in der Hoffnung eine aufschlussreiche Antwort zu erhalten ...

  • Einige Augenblicke lächelte Gracchus still in sich hinein über Priscas formvollendete, makellose Art und es dauerte ihn einmal mehr, dass sie nicht mehr im flavischen Hause beheimatet war, gleichwohl legte über ihr Einverständnis des Schweigens ein Hauch von Erleichterung sich über sein Gemüt.
    "Mein Dank sei dir gewiss"
    , versicherte er darob ihr noch einmal auf ihre Zusage hin, so dass jene Causa erfreulicherweise als abgeschlossen zu betrachten war, zudem recht abrupt aus seinen Gedanken wurde verdrängt durch die ungestüme Reaktion der Aurelia auf die bloße Erwähnung Serapios, auf welche hin sie gar ein wenig die Contenance verlor, was indes die Ursache dessen und die ihr zugemuteten und widerfahrenen Vorkommnisse um so abominabler erscheinen ließ. Gracchus wusste nicht, was ihn mehr schmerzte - die Titulierung Faustus als einen Irren oder die Widrigkeiten, mit welchen dieser Prisca augenscheinlich aus der Sorglosigkeit ihres Lebens hatte hinausgerissen. Ein Schauder kroch über sein Rückgrat bei dem Gedanken, was die Aurelia mochte erlebt haben in dieser Zeit, denn in der ausschweifenden Blüte seiner Phantasie mochten Gräuel und Schrecken gar noch größer sein als sie es in der Realität ohnehin gewesen waren.
    Kaisermörder!
    stachen schlussendlich die Larven und Lemuren die Wahrheit ihren spitzen Klauen gleich ihm in den Leib während Prisca über den Vescuarier und dessen Verbrechen sich echauffierte - und gleichwohl schien diese - die seine - Schuld Gracchus diesen Tages gering im Vergleich zu seiner Schuld an der mannigfachen Zerrüttung unzähliger Leben, von welchen es schien, dass tagtäglich einige weitere in das Register seines Bewusstsein mussten aufgelistet werden. Ein wenig wich die Farbe aus seinem Antlitz, ganz so als würde all sein Lebenssaft benötigt werden in der Muskulatur seiner Schultern, mit welchen er verzweifelt suchte all die Last zu stützen, welche ob dessen auf ihm lag, sein Blick weilte in unergründlicher Ferne, zum wiederholten Male evaluierend, ob der Freitod nach alledem, was geschehen war, ihm zur Ehre würde gereichen, oder letztlich als feige Flucht gewertet den verbliebenen Rest seiner Ehre würde hinfort wischen, da er somit nicht geneigt würde sein, die Konsequenzen seines Handelns zu tragen, respektive zu nivellieren versuchen. Der Ausgleich war eines der höchsten Prinzipien römischen Lebens - do ut des mit den Göttern, Patronat und Klientel in der Politik, Strafgesetze der Rechtsprechung, Geben und Nehmen in allen Bereichen täglichen Schaffens - doch wie sollte er jemals abgelten, was er hatte getan?
    "Ich ... bedaure sehr, was dir wider..fahren ist"
    , sprach er leise, ohne Prisca dabei anblicken zu können, als diese geendet hatte.
    "Dies sind ... die schlimmsten Übel des Bürgerkrieges, dass ... dass niemand eine Wahl hat hinsichtlich seiner Pfli'hten, ... dass niemand gefeit ist, sich inmitten der Fährnis vorzufinden und ... gleich auf welcher Seite ein einzelner mag stehen, er ist stets ebenso im Recht wie im Unre'ht."
    Gracchus blickte auf, und nur in dem dunklen, braunfarbenen Schimmer seinen Augen mochte allfällig die Qual zu erblicken sein, welche sein Herz torquierte.
    "Bis auf wenige Ausnahmen hatte ein jeder Römer in diesem Kriege - auch Decimus Serapio - zweifels..ohne gute Gründe, zu tun, was er tat - seine Pflicht gegenüber Rom -, denn ... es gab wohl nur sehr wenige Männer, welche von Beginn an, oder auch später, in alle Wahrheit waren eingeweiht, welche ob dessen die vollumfängli'he Verantwortung tragen für dies alles, was geschehen ist."
    Obgleich es allfällig schien als spreche er über Vescularius und dessen gefälschtes Testament, sprach Gracchus de facto von Palma und dem Kreis der Konspiranten um Tiberius Durus, eingeschlossen sich selbst.
    "Cornelius Palma zeigt sich darob überaus gnädig gegenüber jenen, welche der Fluss aus Lügen, Halb..wahrheiten und falschen Beweisen, aber auch aus Gewalt und Pression mit sich hat gerissen, und letztlich ist dies wohl auch eine strategische Entscheidung, wäre er anderenfalles doch gezwungen einen Großteil aller Einheiten neu auszuheben, sowie die Hälfte des ohnehin ausgedünnten Senates und des staatli'hen Verwaltungsapparates neu zu besetzen. Jenen Männern, welche die Treue ihm schwören oder ihre Unterstützung ihm zusichern, ist er ob dessen gewillt eine Chance zu gewähren, jene welche hierzu nicht bereit sind, entbindet er schli'htweg ihrer Aufgaben."
    Und sandte sie nach Hause, von wo aus sie verschwanden, sich buchstäblich in Luft auflösten ohne ein Lebenszeichen - wie in Faustus' Falle.
    "Denn mit dem Tode des Vescularius verbleibt letztlich nurmehr eine Seite des Imperium Romanum."
    Und damit nurmehr eine Wahrheit, nurmehr eine Geschichte.
    "Der Senat indes wird voraussichtlich nur die in der Zeit des Bürgerkrieges gefällten offiziellen Entscheidungen auf ihre Re'htmäßigkeit hin prüfen, sie revidieren oder bestätigen, gegebenenfalls dem Imperator zur neuerlichen Entscheidung vorlegen. Gerichtliche Prozesse im Namen des Staates werden wohl eher die Ausnahme darstellen, sofern überhaupt noch Männer aus des Vescularius' Ver..trautenkreis arripiert werden können, und an privaten Prozessen scheint mit Blick auf die vergangenen Monate glückli'herweise wenig Notwendigkeit zu bestehen."
    Es war beinahe ein wenig beruhigend, derart rational über die Folgen des Krieges zu berichten, die Harmlosigkeit der letztendlichen Konsequenzen dabei hervorzuheben, so als wäre dies alles nur ein nächtlicher Albtraum, welcher während seiner Existenz zwar über alle Maßen gräulich und entsetzlich mochte erscheinen, nach dem Erwachen indes schlichtweg aus der Erinnerung wurde verdrängt, um schnellstmöglichst zu vergessen und zur Normalität zurückzukehren. Deplorablerweise indes konnte Gracchus sich selbst keinen noch so winzigen Augenblick lang täuschen, denn sein Erwachen war gegenteilig mehr von einem Traum in einen Albtraum geschehen.

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  • Tja, die Antworten die Prisca erhielt waren nicht ganz nach ihrem Geschmack, klangen sie doch fast wie eine Rechtfertigung für die schändlichen Taten derer, die auf der falschen Seite gestanden hatten. Natürlich war das Ansichtssache. Und in einem Bürgerkrieg gab es nun mal keine klare Trennung zwischen Freund und Feind - zwischen richtig oder falsch. Wenigstens hatte sie endlich Gewissheit, dass die Gerüchte über den Vescularier stimmten. Dieser widerliche Glatzkopf hatte also das Testament des Kaisers gefälscht und ihn und dessen Familie heimtückisch dahin gemeuchelt. "Unglaublich, … dass so viele Römer sich von dem Vescularier haben täuschen und blenden lassen ", kommentierte Prisca kopfschüttelnd die Worte ihres Gegenübers und sie zweifelte keine Sekunde deren Wahrheitsgehalt an.


    Soweit so gut. Die Entscheidung des Kaisers konnte Prisca allerdings nur bedingt nachvollziehen, gleichwohl sie es akzeptieren musste, dass die ehemals "Bösen" auf ihren Treueschwur hin von ihm die Absolution erhielten. Also auch dieser Mistkerl von Decimer, sofern sein Stolz und sein vernebelter Verstand es zu ließen, dem neuen Kaiser die Treue zu schwören. So hatte es sich aber nicht angehört. Vielmehr deutete Prisca die Auskunft von Gracchus dahingehend, dass der Decimer einfach spurlos verschwunden war. Einfach so? … Wie schade! Die Hoffnung war somit dahin, den Decimer am Kreuze hängen zu sehen, zwischen all den anderen Verbrechern, deren Leichen als Mahnung für alle die via Appia zierten. Wirklich schade … Allein des Anblickes wegen, wie sein langsam verwesender Leichnam von den Krähen und Geiern aufgepickt wurde. Naja, lieber bleibt er verschwunden als, dass er sich mit neuen Ämtern schmücken darf! Zumindest war das eine "kleine Genugtuung", die aber Priscas Wut und Hass auf den Decimer nicht völlig befriedigte.


    "Und der Kaiser vertraut tatsächlich auf den Schwur derer, die einst diesem glatzköpfigen Despoten die Treue geschworen haben? ...Und ...und die Anderen lässt er einfach ungeschoren davon kommen?", fragte sie ungläubigen Blickes noch einmal nach, ohne jedoch wirklich eine grundlegend anders lautende Antwort aus dem Munde des Senators zu erwarten. Es war wohl nichts daran zu ändern. Oder doch? Allein schon wegen ihrer emotional geladenen Aversion gegen den der sie entführt hatte, konnte und wollte Prisca sich nicht damit abfinden, dass er für seine Tat nicht büßen sollte. Ob es eine Möglichkeit gäbe, ihn irgendwie ausfindig zu machen? Ich müsste wohl jemanden anheuern, einen Spezialisten, der sich mit dieser Materie auskennt. So eine Art Sklavenjäger, überlegte Prisca für sich während sie dem Senator zu hörte und fand den Gedanken gar nicht so übel.


    Irgendwo musste der Decimer ja abgeblieben sein und irgendwer wüsste sicher darüber Bescheid. Aber lohnt sich der Aufwand? Kurz wog Prisca auch diese Frage ab und kam zu dem Entschluss, dass es sich allemal lohnen würde. Dieser Kerl durfte einfach nicht ungeschoren davon kommen für das was er ihr angetan hat!!


    "Nun ich hoffe ja sehr, dass einige Entscheidungen baldmöglichst revidiert werden.", führte Prisca indes das Gespräch, fern ihrer dunklen Gedanken, im Plauderton fort: "Zum Beispiel die Vermögenssteuer für Senatoren und Patrizier! ...Findest du nicht auch, dass diese Abgabe schnellstmöglich abgeschafft werden sollte? ", sprach sie dabei ein Thema an, das die Flavier wie die Aurelier gleichermaßen "traf". Und unter Gleichen konnte und durfte man doch ruhig offen sprechen. Von daher interessierte es Prisca durchaus wie der Senator darüber dachte und - auch auf die Gefahr hin ihn mit ihrem Problem zu langweilen - ließ sie dabei nicht aus, ihm ihren "Schmerz" zu klagen, den sie mit dieser Steuer hatte:


    "Ich will mich ja nicht beklagen und es geht mir auch nicht schlecht, … aber dennoch, … durch diese Steuer war ich gezwungen den Großteil des Erbes meines Onkels in Handelsgüter und sonstige Sachwerten anzulegen. Sonst wäre das Meiste von seinem baren Vermächtnis im Rachen dieses Widerlings gelandet. … Und nun lagern diese Güter im halben Imperium verstreut, ohne, dass sie uns Aureliern direkten Nutzen bringen würden. Entweder sie verderben, oder sie werden unserer Familie gestohlen. Erst kürzlich erreichte mich die Nachricht hier in Rom, dass einer von unseren Gutsverwaltern auf Sardinia Waren, im Wert von mehreren tausend Aurei veruntreut hat und mit dem Geld spurlos verschwunden ist", erzählte Prisca ganz offen von einem Vorfall, der sich jüngst am Rande ereignet hatte und es kam ihr nun durchaus gelegen, diesen nebenbei zur Sprache bringen zu können.


    "Du kennst nicht zufällig jemanden, der diesen Betrüger ausfindig machen könnte? Oder wie man ihm und dem Geld sonst irgendwie habhaft werden könnte? Ich weiß, eigentlich sollte ich mich als Frau nicht um derlei Dinge kümmern, doch möchte ich meinen Cousin Lupus nicht auch noch mit diesem Problem belasten, nachdem er als Oberhaupt der Familie ohnehin schon genügend Last auf seinen Schultern trägt", versuchte Prisca mit einem bezaubernden und offenen Lächeln ihre Beweggründe zu erklären, wobei sie mit der letzten Frage natürlich noch einen ganz anderen Hintergedanken hegte. Wer es schafft einen flüchtigen Betrüger aufzuspüren, kann sicher auch einen untergetauchten Mistkerl wie diesen Decimer ausfindig machen …, von daher:"Ich wäre dir auf ewig zu Dank verpflichtet, Senator, wenn du mir einen Rat geben könntest, was ich tun soll."

  • "Täuschen und blenden lassen haben sich allfällig nicht einmal allzu viele"
    , warf Gracchus ein, obgleich die Frage der Aurelia womöglich nur rhetorischer Natur gewesen war, und ergriff noch einmal Position für all jene, welche in einem Kriege stets nur folgten.
    "Die Majorität der Soldaten hat schli'htweg jenem Kaiser ihren Schwur beeidet, welchen ihr Kommandant präferierte, und hernach folgsam dessen Befehlen gehorcht, so wie es die Pflicht eines jeden römischen Soldaten ist. Es gibt für Cornelius keinen Anlass, diesen Männern zu zürnen, im Gegenteil hätte er mehr Grund ihnen zu misstrauen, hätten sie gegen ihre Befehlshaber und gegen einen Kaiser sich auf..gelehnt, welcher schlussendlich durch Ulpius bestimmt schien und durch den Senat, sowie die Götter war ratifiziert worden."
    Letztlich empfand der Flavius es weit mehr Besorgnis erregend wie einfach solcherlei Trug auf höchster Ebene sich konnte gestalten - sowohl in Hinblick auf den Vescularius, doch auch bezüglich Cornelius und der Konspiration des Tiberius.
    "Die Vermögenssteuer?"
    fragte er sodann ein wenig derangiert, nickte jedoch sogleich verständnisvoll als Prisca ihr Leid klagte und ihre Verluste präzisierte. Tatsächlich war Gracchus gänzlich ahnungslos hin Hinblick darauf, was diese Steuer für das Vermögen seiner Familie bedeutete, denn seitdem seine ersten Schritte auf dem finanziellen Parkett zu übermäßigen Kalamitäten - auch und insbesondere in Hinblick auf persönliche Aspekte - hatten geführt, hatte er tunlichst vermieden, sich allzu intensiv mit Geld zu beschäftigen, sondern dies stets anderen überlassen - zuerst seinem Vilicus, hernach seiner Gemahlin. Da er indes von letzterer bisherig keine Klagen über die Steuer hatte vernommen, schloss er, dass sie irgendeinen Weg hatte gefunden, das Vermögen auch weiterhin bestmöglich zu verwalten - nicht im mindesten dessen gewahr, dass ihr Schweigen auch andere Gründe mochte haben.
    "Ich bin sicher, der Senat wird sich baldigst mit dieser Thematik aus..einandersetzen"
    , bekräftigte er sodann, dabei jedoch nicht wirklich dessen gewiss, wann dies tatsächlich würde geschehen, wiewohl er durchaus einige Hemmnis sah in Hinblick darauf, dieses Gesetz wieder außer Kraft zu setzen - selbst so es durch den Vescularius war verfügt worden.
    "Das Ungemach euren Verwalter be..treffend ist indes wahrhaft deplorabel! Allfällig solltet ihr in die Sklavenzucht investieren - die flavische Familie betreibt die ihre seit mehreren Generationen und es ist dies ein überaus zweckdienliches Unterfangen, sind die Resultate doch nicht nur treulich und reliabel, sondern lassen sich gleichwohl für alle erdenkliche Berei'he spezialisieren. Wir hatten noch nie Schwierigkeiten mit einem Sklaven aus unserer eigenen Zucht."
    Einen Augenblick hielt er inne.
    "Allerdings löst dies selbstredend nicht eure gegenwärtige Problematik."
    Dass Aurelia Prisca sich selbst um diese Angelegenheit bemühte erachtete Gracchus nicht im Geringsten als ungebührlich, gegenteilig würdigte er ihr Engagement, mit welchem sie ihren Cousin entlastet, und war darob mehr als geneigt, ihr seine Hilfe anzubieten - insbesondere da die Mechanik des Zufalles bezüglich des Tatortes ihm eine derart günstige Vorlage gewährte.
    "Flü'htige Sklaven und Betrüger aufzuspüren ist zweifelsohne nicht unmöglich, allerdings zumeist auch nicht einfach. Doch du hast Glück, mein Vetter Felix lebt seit langem schon auf Corsica, in der gleichen - dazu nicht sonderlich großen - Provinz somit. Ich bin sicher, er kennt einen geeigneten Mann vor Ort, welcher mit solchen Angelegenheiten sich befasst und auch auf Sardinia sich aus..kennt. Sofern du mir einen Namen nennst, an wen er sich bezüglich dieses Sachverhaltes auf eurem Gut wenden kann, werde ich noch heute meinem Vetter einen Brief senden!"

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  • Die Erklärungen des Flaviers klangen zweifelsohne logisch, zumindest in Bezug auf die einfachen Soldaten, die brav und ohne Widerworte jeden Befehl befolgten und die in jede Richtung marschierten, die ihnen vorgegeben wurde. Aus Priscas Sicht zeugte das zwar von keiner sonderlich hohen Intelligenz des gemeinen Fußvolkes, aber dennoch zollte sie all diesen Männern durchaus Respekt und Anerkennung in Bezug auf deren selbstlose Aufopferung und Hingabe für jene Befehlshaber, von denen sie unter Umständen sinnlos "verheizt" wurden. Jeder muss wissen was er tut und der Kaiser wird ebenfalls wissen was er tut und wem er vertrauen kann, schloss Prisca gedanklich das Thema ab und flüchtig musste sie an den alten Soldaten denken, dem sie ihr Leben verdankte. Ob der alte Griesgram noch lebt? Prisca wünschte es ihm wirklich, obgleich sie seinen Namen längst vergessen hatte und sein Schicksal ihr im Grunde völlig egal war.


    Ganz anders verhielt es sich da bei dem Decimer, über dessen Verbleib sie sich immer wieder Gedanken machte. Auch auf die Gefahr hin sich hier in eine Sache hineinzusteigern, aber - Befehlsgehorsam und Treue hin oder her - Ich muss einfach herausfinden was aus ihm geworden ist! Und wenn er nicht schon genug geblutet hat für seine schändlichen Taten, dann … dann wird er es noch tun!! Solche Rachegelüste kannte Prisca zwar nur selten, aber wenn sie einmal davon angesteckt war dann wollte sie diese auch stillen.


    Ähnliche Rachegelüste hegte Prisca im Augenblick eigentlich nur noch gegenüber den flüchtigen Verwalter, namens Alexandros Geminus, der es gwagt hatte sich an ihrem Vermögen zu vergreifen. Zumindest gab es hier zwei Lichtblicke. Einerseits die Hoffnung, dass der Senat die unliebsame Steuer, die ihr Vermögen schmälerte bald wieder abschaffen würde und andererseits die Möglichkeit, dem flüchtigen Betrüger irgendwann habhaft zu werden. Umso mehr freute es Prisca, dass Flavius Gracchus ihr in letzterer Angelegenheit seine Hilfe anbot: "Das ist wirklich sehr nett von dir, Senator, dass du extra wegen mir deinen Vetter kontaktieren willst", entgegnete Prisca mit einem erleichterten Seufzer und einem glücklichen und offenen Lächeln. "Ich stehe wirklich tief in deiner Schuld und mein Dank ist dir auf ewig gewiss.", versicherte sie ihm sogleich ihre aufrichtige und tiefe Verbundenheit, ehe sie leicht die Mundwinkel nach unten verzog, was allerdings allein der Nennung des Namens des Missetäters geschuldet war: "Sein Name ist Alexandros Geminus. Er ist Grieche und wenn man den Aussagen der zurück gelassenen Sklaven glauben darf, so hat er sich in Richtung Süden abgesetzt, mit der Absicht nach Africa zu gelangen."


    Angesichts dieser vagen Angaben hatte Prisca so ihre Zweifel, dass man den Kerl tatsächlich aufspüren könnte, doch wenn es jemand schaffen konnte dann wäre das mit Sicherheit ein Flavier. "Ich bitte dich jedoch deinem Vetter nicht allzu viel Mühe und Zeit für diese Angelegenheit aufzubürden, denn sicher hat er genügend andere wichtige Dinge zu tun. Für sämtliche entstehende Kosten komme ich selbstverständlich im vollen Umfang auf! … Und deinen Rat will ich im übrigen gerne beherzigen und künftig lieber in die Sklavenzucht investieren, nach dieser Erfahrung. Ich habe schon immer bewundert, wie ihr Flavier es schafft eure Sklaven durch Zucht und Ordnung zum absoluten Gehorsam zu trimmen." Prisca kam regelrecht ins schwärmen und umso ungehaltener reagierte sie, als sie plötzlich von einem ihrer Sklaven direkt angesprochen wurde.


    "Herrin?! …" - "Was fällt dir ein, …was ist?" - "bi..bi..bitte Herrin, i..i..i.ich sollte di..di..dir doch Be..be..bescheid geben, sobald das Kä..kä..kästchen hier ist" Völlig eingeschüchtert von dem strengen Blick der Herrin brachte der Sklave stammelnd die Nachricht vor, die sogleich wieder ein Lächeln auf Priscas Lippen zauberte: "Oh, das ist allerdings etwas anderes. So bringt es endlich her!", klatschte die Aurelia erfreut in die Hände und fast zeitgleich betrat Mara den Raum. Mit beiden Händen das kleine Kästchen haltend , so vorsichtig, als würde sie einen Korb voller roher Eiter tragen, huschte das Mädchen fast lautlos über den Marmorboden, um schließlich neben ihrer Herrin anzuhalten. "Bitte Herrin!" Mit demütig gesenktem Kopf präsentierte Mara das Kästchen.


    Prisca warf einen Blick auf das hingehaltene Kleinod und nickte zufrieden, als sie das Kästchen erkannte . Mit einem Wink gab sie ihrer Sklavin dann zu verstehen, dass sie es nicht ihr sondern dem Flavier hinhalten sollte: "Senator Flavius, bitte überzeuge dich von der Unversehrtheit des Inhalts. Einzig das Schloss des Kästchens ist bei der Öffnung durch die Urbaner zerstört worden. "Ein hoffentlich zu verkraftender Verlust. Und hier und jetzt, da einzig er und sie sein Geheimnis miteinander teilten und außer ihnen niemand zugegen war (die Sklaven zählten nicht), könnte Gracchus seine Briefe völlig unbehelligt und in Ruhe in Augenschein nehmen - sofern er denn wollte.


    Prisca würde sich derweil in Geduld üben und ein wenig von den Köstlichkeiten naschen, die um sie herum drapiert worden waren …

  • Mit einem kurzen - indes gänzlich überflüssigen - Blicke vergewisserte Gracchus sich, dass sein Vilicus Sciurus, welcher stumm seinem Herrn in das Haus gefolgt und bis zu diesem Augenblicke ebenso stumm, dabei jedoch nicht weniger aufmerksam im Hintergrund war positioniert, den Namen des Verwalters sich würde merken und dafür Sorge tragen, dass auch Gracchus auf dieses Anliegen nicht vergaß. Sodann wollte er eine Bemerkung bezüglich der absolut gehorsamen Sklaven anbringen als ein solches Exemplar der Aurelia diese unterbrach - und somit sich dafür verantwortlich zeichnete, dass eine jener überaus seltenen Gelegenheiten, bei welchen Gracchus seine Tante Agrippina in lobender Art und Weise erwähnte, ungeschehen vorüberzog. Doch auch Gracchus mochte ihm augenblicklich verzeihen, brachte die Aussicht, jenes kostbare Kleinod, ob dessen er letztlich diesen Besuch hatte gewagt, endlich in Händen zu halten, sein Herz dazu einige Takte schneller zu schlagen, seinen Atem sich zu beschleunigen. Ein wohliger Schauer durchzog seinen Leib als seine Finger endlich das Holz berührten, über die feinen Linien der Einlegearbeit fuhren, schlussendlich den Deckel anhoben und er der Schriftstücke selbst wurde angesichtig. Hier lag die Wahrheit vor ihm, zum Greifen nahe, der Beweis seiner Liebe, der Beweis Faustus' Liebe, der Garant seiner Erinnerung.
    'Geliebter Aton'
    , schlug die Grußformel des ersten Briefes in seine Gedanken ein dem Geschosse eines Katapultes gleich, denn nicht nur die Zuneigung und Hingabe, die tiefe Emotion und Verbundenheit, die klandestine Liaison zwischen Hephaistion und Aton wallten in ihm empor, sondern zudem im selben Augenblicke jene Zeit des Verhehlens seiner eigenen Identität, jene Zeit, in welcher die Welt um ihn her war zerbrochen, zerfasert, zerrissen, in welcher er selbst sich hatte nicht nur verloren, sondern letztlich eingebüßt, koinzident mit Faustus' Vertrauen. Erinnerung, ein fader Abglanz der Realität, welcher ebenso wenig lebendig war wie ein Gemälde oder eine Statue, und schöne Worte - dies war alles, was übrig geblieben war von ihrer hehren, reinen Liebe. Von allem, was er in seinem Leben hatte zerstört, war dies das kostbarste gewesen, und um so schmerzlicher wog dieser Verlust. Sorgsam, auf seinem Antlitz eine Maske verlogener Ruhe tragend, legte Gracchus das Schriftstück zurück in das Kästchen, schloss, den übrigen Inhalt keines weiteren Blickes würdigend - denn dies konnte unweigerlich nur dazu führen, dass er seine Contenance würde einbüßen -, den Deckel und zwang ein Lächeln um seine Lippen als er den Blick zurück zu Prisca hob.
    "Weder ziehe ich die Unver..sehrtheit des Inhaltes in Zweifel, noch dessen Vollständigkeit, denn wahrlich könnte ich kaum eine Person mir erdenken, in deren Obhut vertrauli'he Objekte ich lieber hätte wissen wollen."
    Obgleich Sciurus im Hintergrund sich bereit hielt, das Kästchen seinem Herrn abzunehmen, zeigte Gracchus keinerlei Absicht es allzu schnell wieder aus seinen Händen zu entlassen, hielt es fest als könne es sich jeden Augenblicke in Luft auflösen und doch noch als Trug seiner Erinnerung herausstellen so er den physischen Kontakt dazu verlor.
    "Ich möchte dir noch einmal meinen Dank aussprechen, Aurelia."
    Gleichwohl drängte es Gracchus danach, jedes Wort, welches er in Händen hielt, sich einzuverleiben, in sich aufzusaugen, darin sich zu baden und zu wiegen, zu vertiefen und zu verlieren bis dass der Nebel der Erinnerung ihn würde umwölken, ihm die Sicht versperren auf die Grausamkeit der Realität - nur einige Stunden, eine Nacht allfällig. Und würde er den Tod der Wahrheit sterben müssen, jeden Morgen auf ein Neues, es würde dies erträglicher ihm sein, als sein Herz zu begraben. Er räusperte sich, ein wenig verlegen über das eigene Drängen, welches die Unruhe der Sehnsucht nun in ihm umhertrieb.
    "Ich danke dir ebenso für deine Gastfreundschaft, welche ich indes nicht länger möchte stra..pazieren."

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  • Die Mimik ihres Gastes verriet nur wenig von den Emotionen des Senators und dennoch waren es kleine Details (z.B. das Streichen über das Kästchen und sein beschleunigte Atem), die den Flavier verrieten. Prisca konnte solche Gefühle sehr wohl nachvollziehen, nicht aber was der Senator jemals an diesem Widerling von Decimer hatte finden können. Aber gut, darüber zu urteilen stand ihr nicht zu und da mit der Übergabe des Kästchens nunmehr der Mantel des Schweigens über die Sache gezogen wurde, gab es diesbezüglich auch nichts mehr zu besprechen. Außerdem schien es Flavius Gracchus nun zurück in seine eigenen Hallen zu ziehen, um ungestört den Inhalt nach so langer Zeit wieder in Augenschein zu nehmen. Das war zumindest Prisca´s Vermutung, weshalb sie ihn auch nicht zurück halten wollte.


    "Ich fühle mich sehr geehrt von deinem Vertrauen und ich freue mich umso mehr, dass ich dir heute dein Eigentum zurück geben konnte. …. Ebenso habe ich deine Gesellschaft und unser Gespräch sehr genossen. Du bist mir und unserem Hause ein stets willkommener Gast und Freund", mit einem herzlichen Lächeln senkte Prisca das Haupt der Ehrerbietung wegen etwas tiefer als sonst, als sie ihren Gast mit den üblichen guten Wünschen verabschiedete: "Auf ein baldiges Wiedersehen Senator Flavius! Mögen die Götter dich und deine Familie vor allem Leid behüten, auf dass euch allzeit Glück und Gesundheit vergönnt ist." Zum Zeichen des Aufbruchs erhob sich Prisca aus ihrem Sessel, ohne dadurch zur allgemeinen Eile drängen zu wollen. Sicher gäbe es bald schon weitere Gelegenheiten für ein Wiedersehen - ob nun aus einem fröhlichem oder (leider) traurigem Anlass, das konnte zu dem Zeitpunkt natürlich niemand sagen.

  • "Ich danke dir"
    , nahm Gracchus das stete Willkommensein entgegen, um es gleichermaßen zu retournieren.
    "Und möchte dir ebenso versi'hern, dass es mir gleichwohl eine Freude wäre, dich wieder einmal als Gast in unserem Hause begrüßen zu dürfen."
    Er erhob sich ebenfalls, um sich zu verabschieden.
    "Vale bene, Aurelia, mögen die Götter auch dich und die deinen stets mit ihrem Wohlwollen bedenken!"
    Auch nach der Verabschiedung und selbst als er das Haus bereits hatte verlassen ließ Gracchus sich nicht das Kästchen mit den Briefen aus den Händen nehmen, hielt daran fest als würde sein Leben davon abhängen.

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