Auf der Suche - Ein Sklave auf Abwegen II

  • Mit meinem Geschenk in der Tasche, welches ich einige Tage zuvor von meinem bescheidenen Peculium gekauft hatte, schlenderte ich wieder über die Märkte. Die Besorgungen, die ich machen sollte und die überhaupt der Grund gewesen waren, weshalb ich losgeschickt worden war, hatte ich bereits getätigt. Ein paar Rollen Papyrus, frisches Wachs und noch ein paar andere Dinge befanden sich schon in der leinenen Umhängetasche, die ich übergestreift hatte.
    Mein Interesse galt nun noch den persischen Händlern, denn ich musste sie endlich wieder sehen. Immer vormittags sei sie auf den Märkten zu finden, ich sollte mich bei den persischen Händlern erkundigen, erinnerte ich mich an ihre Worte. Genau das hatte ich nun vor.
    Schließlich erblickte ich einige Männer in seltsam anmutenden Gewändern, die eine Kopfbedeckung trugen, wie ich es auch schon bei anderen Händlern aus dem Osten gesehen hatte. Ein exotischer Geruch der von allerlei Gewürzen herrührte, drang in meine Nase. Fremde Wortfetzen, die mit kehligen Lauten durchsetzt waren, schnappte ich auf. Zwar hatte ich keine Ahnung, was die Männer untereinander sprachen, doch ich war mir sicher, hier richtig zu sein.
    Ich näherte mich einem Stand, an dem edle Stoffe in allen möglichen Farben feilgeboten wurden. Da ich ja nichts kaufen wollte, kam ich gleich zur Sache, als der Händler mich mit seiner aufgesetzten Freundlichkeit nach meinen Wünschen fragte. „Ich bin auf der Suche nach Morrigan. Sie sagte mir, ich solle mich an die persischen Händler wenden.“ Noch war ich etwas skeptisch, ob ich auf diese Weise mein Rabenmädchen wieder sehen würde. Doch ich wollte mich überraschen lassen.

  • Der junge Mann wurde von oben bis unten begutachtet. Die Minen der Händler jedoch blieben nichtssagend, bis er Morrigans Namen aussprach. Nun wurde er genauer unter die Lupe genommen, könnte er einer sein, der nach ihr suchte, weil sie den Claudier weggelaufen war? Erst jetzt wurde seinen Worten mehr Bedeutung zugedacht. Sie hatte es ihm also gesagt? Angus, das hier musste Angus sein. Morrigan hatte es ihnen gesagt, dass vielleicht eines Tage ein Sklave Namens Angus nach ihr fragen würde. Ihm und nur ihm durften sie Auskunft erteilen.


    „Setzt dich.“ wurde ihm knapp ein Platz angeboten, kurz danach hatte er einen Tee vor sich stehen. „Du bist Angus? Wenn ja dann hast du Glück. Morrigan wird bald kommen. Sie hat jetzt nicht mehr so viel Zeit wie früher, aber ein oder zwei Tage die Woche tanzt sie noch hier. Und heute ist einer dieser Tage.“


    Der ältere Mann , dessen Gesicht von der Sonne gegerbt und deshalb ledern wirkte starrte Angus regelrecht an.


    Nach ein Weile platze es schließlich aus ihm heraus. „Du weißt das sie inzwischen als Lupa arbeitet?“


    Der Händler schien fast schon enttäuscht, denn die Antwort würde Angus ihm wohl schuldig bleiben, denn genau in diesem Moment rauschte Morrigan heran.


    Sie bemerkte Angus zunächst nicht, sondern legte den Umhang ab und nur ein paar Handgriff und schon sah sie aus wie eine Erscheinung aus tausend und einer Nacht.
    „He Omar, wo soll ich heute tanzen?“ sprach sie den Alten keck an, plötzlich blieb ihr der Mund offen stehen. „Angus...“ flüsterte sie fast schon erschrocken.


    Ja sie hatte ihm gesagt wo er sie finden konnte, aber sie hatte nicht damit gerechnete, dass er sie wirklich hier suchen würde. Ach du... vor allem war Angus es, der wusste was sie gewesen war... Er konnte sie verraten, konnte....


    „Wir müssen reden!“ ohne Umschweife packte sie Angus am Arm und zog ihn hinter die Stände, dort wo es ruhig und menschenleer war.

  • Das letzte Mal, als ich so gemustert wurde, wie es der Händler es gerade tat, war der Tag, an dem ich auf einem Podest stand und selbst zum Verkauf gestanden hatte. Verständlicherweise war mir das Ganze etwas unangenehm. Jedoch wurde ich belohnt, indem er mich nicht einfach nur davonjagte, sondern mir einen Platz anbot. Kurz darauf reichte er mir einen Becher mit heißem Wasser. Ein wenig kritisch beäugte ich das Gefäß. Ob ich das jetzt trinken sollte? Anstandshalber führte ich es zu meinem Mund und wollte etwas davon kosten. Au, verdammt! Ich hatte mir meine Lippe verbrannt. Den Schmerz ließ ich mir natürlich nicht anmerken, doch ich stellte den Becher schnell wieder beiseite. Warum in aller Welt sollte man auch heißes Wasser trinken?!


    „Ja, genau. Ich bin Angus,“ antwortete ich mit einem verschmitzten Lächeln. Anscheinend hatte ich tatsächlich Glück. Wenn man dem Händler Glauben schenken konnte, dann würde sie heute hier sein. Mein Herz schlug vor Aufregung schneller. Endlich würde ich sie wieder in die Arme schließen können und…
    Der Händler irritierte mich, er starrte mich immer noch so an, als ob er mich gleich in sein Sortiment aufnehmen wollte. Mein Glück, dass er es sich dann doch anders überlegt hatte. Ich schreckte förmlich auf, als er einfach so plötzlich weitersprach. Die Information, die er mir anvertraute, musste erst einmal richtig sacken, bevor ich überhaupt darauf etwas erwidern konnte. Als Lupa arbeitete sie jetzt. Hatte dieser Lackaffe sie etwa an ein Hurenhaus verhökert?!
    Bevor ich noch nachfragen konnte, stand sie plötzlich vor mir. Sie sah so wundervoll aus, so exotisch. Sie bemerkte mich erst gar nicht, doch als ich mich von meinem Platz erhob, realisierte sie meine Anwesenheit. Fast schon erschrocken flüsterte sie meinen Namen, was in mir ein Kribbeln verursachte. „Morrigan, mein Rabenmädchen…“ Ich breitete schon meine Arme aus, um sie zu umarmen, da packte sie mich grob am Arm und zog mich mit sich fort. Wir müssen reden! Das klang so… anders, als ich es erwartet hatte. Ich verstand jetzt gar nichts mehr.
    Hinter den Ständen blieb sie endlich stehen. „Was ist los, Morrigan? Was hat dieser Mistkerl dir angetan? Wieso zwingt er dich, als Lupa zu arbeiten?“ War es etwa meine Schuld? Wenn mir der verdammte Claudier noch einmal über den Weg laufen würde, dann…

  • Sie waren allein, hier hinter den Ständen herrschte eine erstaunliche Ruhe, nur gedämpft drangen die Geräusche des Marktes hier her.


    Jetzt schenkte sie Angus auch ein Lächeln, eines der ehrlichen Art, ja sie freute sich ihn wieder zu sehen, obwohl sie glaubte, dass er nun ja spätestens nach dem Gespräch wohl eher auf Abstand gehen würde, aber wer wusste das schon.


    Langsam schüttelte sie den Kopf. Als ob sie sich zwingen lassen würde... Ja Angus kannte sie nicht wirklich, eigentlich kannten sie sich beiden gar nicht. Nur diese eine Nacht hatten sie zusammen verbracht.
    Sie wusste nicht ob sie ihm trauen konnte, aber sie musste wohl oder übel, denn er kannte ihr früheres Ich.


    Sie hob die Hand und streichelte ihm zärtlich über die Wange. „Nein Angus, er zwingt mich zu nichts. Nie mehr wird er das.“ Sie holte tief Luft, dass was sie jetzt zu sagen beabsichtigte, bedeutete, dass er zum Mitwisser wurde und wer weiß, vielleicht war er es, der sie eines Tages verraten würde. „Ich bin weggelaufen Angus.“ Sie ließ dieses Aussage erst mal ihre volle Wirkung entfalten. „Ich arbeite als Lupa, ja, aber es zwingt mich keiner dazu, ich verdiene mein eigenes Geld damit.“ Sie schaute ihm tief in die Augen. „Ich bin frei Angus, ich arbeite nicht nur in dem Lupaner, nein der Besitzer dieses Etablissement hat mit gestattet ihn zu leiten.“
    Welche Qualitäten Morrigan eingesetzt hatte um den Besitzer zu überzeugen, konnte Angus sich bestimmt vorstellen, beziehungsweise kam genau in diesem Moment in den Genuss ihrer verführerischen Lippen, die die seinen zu einem leidenschaftlichen Kuss trafen. „Frei Angus... ich bin frei.“ Ihre Augen glänzten, als sie ihn nun wieder anschaute. „Und eines Tages habe ich genug Geld verdient um dich frei zu kaufen.“ Jetzt zog sie ihn zu sich umarmte und küsste ihn voller Leidenschaft.


    Sie wollte nicht das er darüber nachdachte, was sie und mit wem sie es tat. Wollte nicht das er sie verachtete für das was sie tat. Und vor allem wollte sie nicht das er sie vertraten würde.

  • Mein Rabenmädchen sah so entzückend aus, wenn sie lächelte. Kein Wunder, dass ich mich sofort in sie verguckt hatte. Selbst jetzt noch konnte sie es, obwohl sich ihr Leben so dramatisch verändert hatte, wie ich glaubte. Aber dann schüttelte sie den Kopf und damit verwirrte sie mich noch mehr. Wenn der Claudier sie nicht an ein Lupanar verkauft hatte, wer war es dann sonst?


    Morrigans Hand strich langsam über meine Wange, ehe sie sich zu erklären versuchte. Ich ergriff sie und liebkoste sie. Ganz gleich, was ihr widerfahren war, es würde nichts daran ändern, was ich für sie empfand. Doch als sie zu reden begann, musste ich erst einmal schlucken. Es verschlug mir die Sprache, was ich da hörte! Wie es den Anschein hatte, fiel es auch ihr nicht leicht, mir davon zu berichten. Sicher fürchtete sie, ich könnte sie verraten. Aber da hatte sie von mir nichts zu befürchten.
    Ich bin weggelaufen… diese vier Worte hatten wahrhaftig ihre Wirkung. Meine Kinnlade klappte nach unten, während sich mein Kopf damit abmühte, die soeben erhaltenen Informationen richtig zu verarbeiten. Was sie gerade gesagt hatte, das war so ungeheuerlich, dass ich es nicht recht glauben konnte.
    Als ich meine Sprache wiederfand, versuchte ich einen vernünftigen Satz zu bilden, was aber angesichts der Situation immer noch ziemlich schwierig war.
    „Du bist… weggelaufen?!“ Ich hatte Mühe die Lautstärke meiner Stimme im Zaun zu halten. Aber kaum hatte ich mich von dem ersten Schreck erholt, bombardierte sie mich bereits mit der nächsten Ungeheuerlichkeit: Sie hatte sich freiwillig zu einer Hure gemacht, um Geld zu verdienen… Anfangs erschütterte mich das, doch als ich begann, darüber nachzudenken, musste ich einsehen, dass dies ein notwendiges Übel war, um überhaupt zu überleben, wenn sie nun frei und auf der Flucht war. Doch Morrigans Überraschungen wollten einfach nicht enden. Noch sah sie mir tief in die Augen, so dass ich eigentlich nur hätte dahin schmelzen müssen. Doch ich war nur noch irritiert, als sie weitersprach. Sie war frei… sie war eine Lupa… und sie leitete das Lupanar…? Das war zu viel. Noch ehe ich irgendetwas antworten konnte, nahm sie mich mit ihren Lippen gefangen und küsste mich leidenschaftlich. Eigentlich hätte ich mich wehren müssen, doch genau deshalb, weil es mich nach ihren Zärtlichkeiten gedürstet hatte, war ich doch hergekommen. So ließ ich sie gewähren und umarmte sie schließlich, um ihre Küsse zu erwidern.
    Nach einer Weile sah sie mich wieder an. Ihre Augen glänzten so, wie sie noch nie geglänzt hatten. Ja, sie war frei… frei… FREI! Nichts Sehnlicheres wünschte ich mir selbst für mich, doch mir war auch sehr wohl bewusst, welche Risiken ihre Flucht mit sich brachten, für sie… und auch für mich.
    Ich erwiderte nichts, als sie mir eröffnete, dass sie mich eines Tages freikaufen wollte. Mein Geschenk, welches ich unter meiner Tunika bei mir trug, erschien mir plötzlich so wertlos. Ein billiges Lederbändchen, an dem ein billiger Bronzeanhänger befestigt war. Jetzt, da sie ihr eigenes Geld hatte, würde sie mich dafür auslachen. Trotzdem versuchte ich sie nicht daran zu hindern, als sie mich wieder umarmte und diesmal noch heftiger küsste. Dennoch ließen mich ihre Worte einfach nicht mehr los. Sie wollte mich freikaufen! Ich wusste nicht, ob ich mich darüber freuen sollte, denn es bereitete mir große Sorgen, wenn ich darüber nachsann, wie sie das Geld dafür verdienen würde. Außerdem widersprach es dem, was ich mir für mich selbst vorgenommen hatte. Ich wollte es doch aus eigener Kraft schaffen, wollte in niemandes Schuld mehr stehen müssen… Und nun kam sie und wollte mich freikaufen mit ihrem Hurengeld...


    „Ja, mein Herz…“ antwortete ich endlich bedrückt nach einer ganzen Weile darauf, und ganz sicher merkte sie mir bereits an, dass mir nicht wohl dabei war. Ihre Umgarnungen und ihre Küsse gefielen mir und unter normalen Umständen wäre ich der Letzte gewesen, der sie unterbunden hätte. Doch Die Umstände waren ganz plötzlich andere geworden. Deshalb schob ich sie sanft nach einer Weile von mir.
    „Hast du eine Ahnung, was sie mit dir machen werden, wenn sie dich finden?“ Ich sprach ruhig und leise auf sie ein und sah sie dabei mit einem ernsten Ausdruck auf dem Gesicht an.
    „Sie werden dich umbringen, Morrigan… irgendwann, wenn sie mit dir fertig sind.“ Mir fröstelte bei diesem Gedanken. Eine Stimme in mir drängte mich, sie so schnell wie möglich zu verlassen, doch ich ignorierte sie einfach und blieb. Sie war doch noch immer mein Rabenmädchen und ich liebte sie und ich sehnte mich so nach ihr. Vielleicht war es ein riesengroßer Fehler, sie dennoch sanft zur Hauswand hin zu schieben und sie voller Verlangen zu küssen. Ich konnte einfach nicht anders.

  • Morrigan hatte es gewusst, er würde damit nicht klar kommen. Ihr Blick wurde traurig, als er sie von sich wegschob. Fast schön könnte man meinen in ihren Augen Tränen zu sehen. Hatte sie eine andere Wahl gehabt, ja hatte sie, sie hätte bei dem Claudier bleiben könne, sie weiter unterdrücken lassen könne, demütigen und wer weiß was noch alles. Nein sie stand zu ihrer Entscheidung. Ob sie wusste...? Ob sie wusste was man mit ihr machen würde? Natürlich wusste sie es. Sie hat das Für und Wider immer wieder gegeneinander abgewogen. War dann aber zu dem Entschluss gekommen, doch lieber das Risiko zu wählen.
    Ihre Gedanken wurden zerstreut, als er sie gegen die Wand und seine Lippen gierig auf die seinen presste.
    Sie erwiderte den Kuss mit all ihrer Leidenschaft. Und dieser Kuss hier war anders, es war so gänzlich anders als im Lupaner, dort war es ein Pflicht, hier jedoch wollte sie es ebenso wie er.
    Sie löste dennoch nach einer Weile ihre Lippen von den seinen und nahm sein Gesicht in ihre Hände.
    „Angus, ich weiß sehr wohl, was sie mit mir machen werden, wenn sie mich erwischen und das der Tod dann wohl mein geringstes Problem ist. Aber Angus ich war doch schon tot, ich war nur noch ein Schatten meiner Selbst, jeden Tag in diesem Haushalt bin ich ein bisschen mehr gestorben. Die Saturnalien haben mir die Augen geöffnet, dort habe ich erkannt, dass ich nicht länger als Sklavin leben kann. Ich hatte also die Wahl zwischen dem Tod und einem freien Leben.“
    Sie küsste ihm sanft die Lippen. „In meinem Herzen Angus, wird nie ein anderer Mann wohnen außer dir.“ Sie wusste es war ein Fehler, aber eine Letzte Chance würde sie der Liebe noch geben.
    Morrigan war es nun, die Angus weiter zu sich zog und ihn küsste, als hing ihr Leben davon ab. Nein sie wollte ihn nicht verlieren, wollte nicht, dass er sie verachtete.
    Das einzig wirklich Gute daran war, das es ja selbst Sklaven gestattet war Lupas aufzusuchen, also würde niemand Verdacht hegen, wenn Angus sie öfter mal „besuchen“ würde.

  • Natürlich war mir nicht entgangen, dass sich ihre schönen dunklen Augen mit Tränen füllen wollten. Ein Grund mehr, sie nicht einfach so wegzuschieben. Meine Hände gruben sich in ihr seidiges dunkles Haar. Alle meine Bedenken waren endgültig beiseitegeschoben. Nur dieser Augenblick zählte und da mir bewusst war, wie bemessen unsere Zeit war, wollte ich den Moment, der uns gegönnt war in vollen Zügen genießen.
    Morrigans Worte ließen keinen Zweifel daran, dass ihr wohl sehr genau die Konsequenzen ihres Handelns bewusst gewesen waren, als sie den Claudier verlassen hatte. Wenn man keine Perspektive mehr hatte wie sie, dann waren der Tod oder aber die Flucht die einzig noch verbleibenden Optionen. Sie hatte sich für letzteres entschieden. Wie gut ihre Wahl war, würde sich eines Tages zeigen. Ich jedoch begann sie für ihren Mut zu bewundern. Falls mir der Flavier eines Tages, aus welchem Grund auch immer, die Aussicht auf eine Zukunft in Freiheit nehmen würde, dann müsste ich den gleichen Mut aufbringen. Ob ich dazu fähig sein würde?


    Als sie mir gestand, ich sei der Einzige, der in ihrem Herzen wohne und mich küsste drückte ich sie fest an mich. Auch sie war für mich die Einzige, die mein Herz berühren konnte, seit meine Frau tot war. Sie hatte mir gezeigt, dass ich noch lebte und mein Körper keine leblose Hülle war. „Bevor ich dich getroffen habe dachte ich, ich könne nie wieder jemanden so lieben, wie ich dich liebe. Du bist die Eine für mich.“ Nichts und niemand würde uns mehr trennen können und auch wenn es uns verwehrt war, wie Mann und Frau zu leben, würde ich von nun an versuchen, jede freie Minute mit ihr zu verbringen. Ich fragte mich, ob sie mir vertrauen würde und mich mit zu ihrer Unterkunft nehmen würde. Auch wenn wir hier vor den Augen der Marktbesucher sicher waren, war dies nicht der Ort, an dem ich mit ihr allein sein wollte.
    „Lass uns irgendwo hingehen, wo wir ungestört sind,“ wisperte ich ihr leise ins Ohr und vergrub mein Gesicht in ihrem Haar. Ich hatte meine Wahl getroffen und wollte mich der Gefahr ergeben, bei ihr zu bleiben, auch wenn sie mich mit in den Abgrund reißen würde, wenn man sie fangen sollte.

  • Nun füllte sich ihre Augen doch mit Tränen und eine davon suchte sich ihren Weg über ihre Wange bis hin zu ihrem Kinn. Die ganze Anspannung löste sich von ihr, erst jetzt konnte man ihr anmerken, wie wichtig es ihr war, das er sie nicht verurteilte, sie nicht von sich schob. Morrigan wäre wohl an dieser Ablehnung zerbrochen.
    Sie schmiegte sich an ihn und genoss sein Nähe, genoss wieder die Sicherheit und das Gefühl geborgen zu sein, denn genau das Gefühl gab er ihr.
    Sie küsste ihn leidenschaftlich, dann zog sie ihn jedoch mit sich, vor den Stand.
    Nein nicht wieder in einer Gasse, nicht wieder eine schnelle Nummer auf der Straße, nein dass wollte sie nicht.
    Kurz sprach sie mit dem persischen Händler in ihrer Muttersprache. Sie verabschiedete sich für heute und versprach morgen wieder zu kommen. Der alte Händler nickte nur mit einem gutmütigen Lächeln nur Angus traf ein warnender Blick und ihm wurde zugeflüstert.
    „Mach sie nicht unglücklich, sie ist was Besonderes.“
    „Lass ihn in Ruhe.“ sagte Morrigan lachend und winkte dem Händler zum Abschied zu.
    Ihr Vertrauen in Angus war grenzenlos, ja sie würde ihn mit in den Lupaner nehmen, sie würde ihm ihre Welt, in der sie nun lebte zeigen. Würde ihm zeigen, wo er sie immer besuchen und finden könnte. Wenn er in den Lupaner ging, dann würde auch niemand Verdacht schöpfen, schließlich war es hier in Rom üblich, dass auch Sklaven in den Lupaner gingen. Sie hatte ja schon viele Sklaven in ihrem Haus begrüßt.
    „Angus... Ich nehme dich mit, ich zeige dir, wo ich jetzt lebe, wo du mich immer finden kannst. Wo wir uns ungestört treffen können, wann immer du es willst.“
    Sie griff seine Hand. Geschickt manövrierte sie sich und Angus durch die Gassen des orientalischen Marktes, von allen Seiten winkten ihr die Händler freundlich zu. Riefen ihr ab und ein ein paar für Angus unverständlich Worte zu, die Morrigan ein Schmunzeln entlockten.
    „Sie wünschen uns viel Spaß.“ sagte sie schließlich lächelnd zu ihm.
    Unweit des Lupaners blieb sie stehen.
    "Siehst du dort, die unscheinbare Tür? Dort geht es hinein. Bist du bereit?“ Eine Spur von Unsicherheit lag in ihrem Blick, ihre Hand drückte fest die seine.

  • Sie ergriff meine Hand und ich ließ mich mitreißen. Beschwingt folgte ich ihr, wo immer sie mich auch hinführen wollte. Wir hatten den Markt schon längst hinter uns gelassen und hatten einen Teil der Stadt erreicht, den ich inzwischen auch gut kannte. Manchmal, wenn ich nicht wusste, was ich mit meiner freien Zeit anstellen sollte, hatte ich mich auch in den Gassen der Subura herumgetrieben. Doch bis zu jenem Tag hatte ich mich von den dort ansässigen Lupanaren und Tavernen ferngehalten, weil ich mir eingeredet hatte, das wenige Geld, das ich zur Verfügung hatte, sparen zu müssen… für den großen Tag, der wohl sicher noch in weiter Ferne lag, an dem ich wieder frei war. Mit dieser Einstellung würde ich sicher ein reicher Mann sein, wenn der Flavier mich dereinst in die Freiheit entließ.


    Schließlich blieb mein Rabenmädchen vor einer unscheinbaren Insula stehen und wies auf eine Tür, hinter der sich sozusagen ihr neues Leben verbarg. Sie fragte mich, ob ich bereit sei und ich zögerte einen Augenblick. War ich wirklich bereit? Sollte ich da hineingehen ... mit ihr oder sollte ich mit ihr fortgehen… davonlaufen… irgendwohin… fort von ihrem und meinem Leben. Aber ich begriff sehr schnell, dass anderswo kein besseres Leben auf uns wartete. So nickte ich ihr zu und lächelte, um meine letzten Bedenken damit zur Seite zu schieben. Schließlich war ich es, der sie sanft an ihrem Handgelenk zog und auf die unscheinbare Tür zuging.

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