Eine Nacht kann wie im Flug vorüber gehen, sie kann aber auch wie eine Ewigkeit wirken. Das mag mitunter daran liegen, aus welchem Grund man in einer solchen Nacht keinen Schlaf findet.
In der Nacht auf den heutigen Tag hatte Prisca jedenfalls das Gefühl, als würden die Schatten der Dunkelheit nie mehr verschwinden, wann immer ihre erschöpften Augen - den Blick starr zur Decke ihres cubiculums gerichtet - die Finsternis zu durchdringen versucht hatten. Unzählige Male hatte sie sich in dieser einen Nacht auf ihrem Bett herum gewälzt, in der Hoffnung Morpheus würde sie irgendwann in sein Reich holen, doch sollte ihr Wunsch nicht in Erfüllung gehen. Stattdessen war Prisca dazu verdammt gewesen die ganze Nacht über auf ihr pochendes Herz zu horchen und ihrem keuchenden Atem zu lauschen, während sie schweißgebadet da lag, als wäre sie im Fieber. Ein Arzt hätte ihr aber kaum helfen können. Er hätte bestenfalls eine Diagnose stellen können, wobei Prisca auch ohne ärztliche Hilfe wusste, woher dieses seltsame Gefühl in der Magengegend rührte.
Es war die Aufregung über das bevorstehende Treffen, die Angst vor dem Ungewissen, die Vorfreude auf das Unerwartete und eventuell noch viel mehr als das …
Erst als der Morgen bereits graute, zeigte Morpheus sich gnädig und holte Prisca in sein Reich, nur, um sie kurze Zeit später bereits wieder daraus zu verstoßen. Entsprechend erschöpft fühlte sich Prisca nach dem Aufstehen, was aber ihrer guten Laune an diesem Morgen keinen Abbruch tat. Darüber konnten sich ihre Leibsklavinnen nur wundern, so wie über die Tatsache, dass ihre Herrin heute ihre Haare lediglich zu einem einfachen Zopf geflochten haben wollte und sie außerdem ein einfaches Kleid und nur wenig Schmuck wählte, sodass sie äußerlich wie eine einfache Bürgerin aus sah, nicht aber wie eine wohlhabende Patrizierin.
So gekleidet machte Prisca sich auf dem Weg zum Tempel der Diana, um dort ein Opfer darzubringen. Ganz ohne Sänfte und lediglich in Begleitung zweier Sklavinnen und eines Leibwächters, worüber sich die Sklaven noch mehr wunderten.
Als die Aurelia nach dem Tempelbesuch ihrem Gefolge den Befehl gab alleine zurück zur villa zu gehen, wich die Verwunderung aber der Besorgnis um den Gesundheitszustand der Herrin:
"Herrin, was ist denn heute nur mit dir los? Bist du krank? Du kannst doch nicht ganz allein hier bleiben. Das ist viel zu gefährlich. Lass wenigstens uns bei dir bleiben", baten die beiden Leibsklavinnen bleiben zu dürfen, doch Prisca schüttelte nur den Kopf und zeigte mit dem Finger in Richtung Straße.
"Mir geht es gut. Macht euch keine Sorgen. … Nun geht endlich. Sofort!", befahl Prisca mit bestimmter Stimme und scheuchte die Sklavinnen samt Leibwächter davon, ehe sie sich in die entgegengesetzte Richtung auf den Weg zu den Gärten, nahe des Tempels der Diana machte.
Das seltsame Gefühl in der Magengegend war immer noch da. Nur stärker. Das pochende Herz ebenfalls. Und dazu sich ständig wiederholende Fragen, die durch Prisca´s Kopf schwirrten: Ob die Frist zu kurz war, die ich ihm gesetzt habe? ..Wird er überhaupt kommen? … Ob er mich in meiner Aufmachung erkennen wird?
So in Gedanken versunken bog Prisca durch das Tor in den kleinen Park ein, der idyllisch angelegt worden war: Mit Schatten spendenen Bäumen, verschlungenen Wegen, einem kleinen Bachlauf und vielen Bänken, die zum verweilen einluden. Umrahmt wurde der Park von einem Säulengang, von dem aus man das idyllische Fleckchen gut überblicken konnte. In der Nähe des Eingangs fand Prisca eine Bank, auf der sie sich nieder ließ in der Hoffnung, dass dieser Treffpunkt der Richtige wäre ... Ob er mich hier finden wird? Verstohlen blickte Prisca sich um. Noch konnte sie nirgends sein Gesicht entdecken. Leise seufzend beugte Prisca sich nach vorne, pflückte eine Blume von der Wiese und begann die Blütenblätter einzeln abzurupfen: "Er findet mich hier, … er findet mich nicht, … ", summte sie leise vor sich hin:"… er findet mich, … er findet mich nicht, … er findet mich, … er findet mich nicht, … mmmh, findet er mich hübsch?, … oder findet er es nicht, … Oh! Nur noch ein Blatt ist übrig. ….hmmmm" Angesichts dieser Tatsache überlegte Prisca genau, ehe sie das letzte Blatt mit einem versonnenen Lächeln abzupfte.
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reserviert
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