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Unzählige Wochen war Aislin unterwegs gewesen, seitdem sie ihrem größten Feind entwischt war, von dem einen Ziel getrieben, Angus wieder zu finden und wieder mit ihm vereint zu sein. Manchmal hatte sie geglaubt, der Mut wolle sie verlassen, wenn sich einmal wieder eine schier unüberwindbare Hürde vor ihr aufgetan hatte oder wenn sie wieder einen Rückschlag erlitten hatte. Immer hatte sie die Augen und Ohren aufgehalten, um herauszufinden, wohin Mitros, der Sklavenhändler ihren Mann und all die anderen hingebracht hatte. Die Spur hatte sie immer weiter nach Süden geführt, bis sie schließlich die Britannische Südküste erreicht hatte. Für ein paar Sesterzen und etwas mehr hatte Aislin schließlich erfahren, dass man die Sklaven in Portus Dubris auf ein Schiff verfrachtet hatte, welches sie nach Gallia bringen sollte.
Irgendwie hatte auch sie es auf ein Schiff geschafft, mit dem sie den Ocanus Britannicus überwinden konnte und schließlich ebenfalls die Küste Gallias erreichte. Mehr schlecht als recht konnte sie ihre Reise gen Süden fortsetzen. Manchmal tagelang ohne Essen hatte sie immer wieder einen Schritt vor dem anderen gesetzt. In den herbstlichen Wäldern Galliens hatte sie einige Früchte, Nüsse und Samen sammeln können, die ein wenig ihren Hunger stillen konnten. Manchmal aber traf sie auch auf einen gutmütigen Menschen, der ihr etwas zu essen zusteckte. Sie wusste, wenn sie überleben wollte, dann musste sie vor dem Winter Italia erreichen...
An einem grauen Herbsttag schließlich erreichte sie Massilia. Draußen auf dem Meer tobten bereits die ersten Herbststürme. So entschied sie sich, einem Tross Händler anzuschließen, die Italia auf dem Landweg zu erreichen versuchten. Über die Via Iulia Augusta, die Via Aemilia Scaurae und schließlich die Via Aurelia erreichte sie schließlich nach einigen Wochen endlich Rom.
Von der Größe der Stadt und ihrer Exotik beeindruckt, irrte sie tagelang durch die Gassen des Molochs, um eine Bleibe zu finden. Vor allem aber musste sie Angus finden. Angesichts der Größe dieser Stadt erschien ihr diese Aufgabe als schier unlösbar. Eine Nadel im Heuhaufen zu finden war sicher viel einfacher.
Tagelang trieb sie sich auf den Sklavenmärkten der Stadt herum. Stundenlang beobachtete sie, wie Unmengen von Sklaven wie Vieh auf den Brettergerüsten der Händler zur Schau gestellt wurden, um dann verkauft zu werden. Ob es so auch den Leuten aus ihrem Dorf ergangen war?
Aislin musste Mitros den Sklavenhändler finden!
Irgendwo musste der Grieche doch seine Ware an den Mann bringen. Schließlich fand sie ihn, als er gerade dabei war, eine frische Ladung hochgewachsener Germanen zu begutachten. Brennus, ein gallischer Sklavenhändler, der ursprünglich aus Lugdunum stammte, hatte ihm ein Angebot gemacht, dem er nur schwer widerstehen konnte. Acht muskelbepackte Chatten, allesamt frisch gefangen und kerngesund, so behauptete es Brennus zumindest, für nicht mal 3000 Sesterzen! Wenn das kein Schnäppchen war. Die Burschen sahen allesamt gut aus, hatten noch alle Zähne im Mund und lahmten nicht. Mitros malte sich bereits aus, wie er die Germanen zu saftigen Preisen als angehende Gladiatoren verhökern würde und dabei einen ordentlichen Reibach machte. „Gut, ich nehme sie. Alle acht!“, meinte er nach einer kurzen Bedenkzeit und besiegelte das Geschäft mit einem Handschlag.
Aislin beobachtete noch eine Weile das Geschehen. Dann, als sich Mitros´ Gehilfen um die neuerworbene Ware kümmerten und er sich von den ganzen Strapazen des Alltags etwas ausruhen wollte, wagte sich die junge Frau hervor und sprach den Sklavenhändler an. „Ich bitte vielmals um Verzeihung. Aber ich suche einen Sklaven.“ Entnervt wandte sich Mitros um und wollte die lästige Frau schon verscheuchen. Schließlich begann die nächste Auktion erst in einer Stunde. Doch von der Attraktivität der jungen Frau geblendet, ließ er davon ab, sie wegzuschicken. Ein geübter Blick musterte sie von Kopf bis Fuß. Jung, attraktiv, blond und blauäugig - eine Frau wie sie würde einen satten Gewinn einbringen. „Einen Sklaven suchst du?“ Seiner Frage haftete etwas Abschätziges an. sie sah nicht gerade aus, als könne sie sich einen Sklaven leisten. Doch all die Jahre in seinem Metier hatten ihn gelehrt, sich nicht von Äußerlichkeiten blenden zu lassen.
„Ja, genau. Man sagte mir, du hättest vor einigen Monaten Sklaven aus Britannia hier in Rom verkauft. “ Aislin sprach mit zittriger Stimme. Die Anspannung überwältigte sie fast. Der Grieche war ihre einzige Hoffnung. Wenn er ihr nicht half, dann war alles umsonst gewesen.
Mitros starrte sieeine Weile wortlos an. Er verstand nicht, was sie von ihm wollte und wo das Problem lag. Außerdem hatte er in den letzten Monaten dutzende, ach was, hunderte von Slaven aus Britannia verkauft. „So, hat man dir das gesagt! Und wenn schon, ich verkaufe ständig Sklaven aus Britannia, Gallia oder Germania. Wenn du willst, kannst du sie dir später bei der Auktion anschauen… und auch kaufen.“ Mitros setzte noch ein aufgesetztes Lachen hinterher und wollte sich schon von ihr abwenden. Aislin aber wollte noch nicht so schnell aufgeben. „Nein, ich suche einen bestimmten Sklaven… Einen Sklaven aus Britannia, den du vor einigen Monaten hier verkauft hast. Ich muss unbedingt wissen, was aus ihm geworden ist. Bitte!“
Langsam wurde der Grieche ungehalten. Seufzend dreht er sich noch einmal zu der jungen Frau um. Ihm war es vollkommen egal, weshalb sie auf der Suche nach diesem einen Sklaven war. Ihn interessierte es nicht, was aus seiner Ware wurde, nachdem er sie an den Mann gebracht hatte. Und auch wenn die Kleine ihn nun mit ihrer mitleidigen Stimme und dem Hundebabyblick anbettelte, ihr zu helfen, würde er einen feuchten Kehricht tun. Selbst dann nicht, wenn sie ihm nun noch mit einer rührseligen Geschichte kam. „Mach dass du fortkommst! Ich kann dir nicht helfen. Verschwinde!“ Der Grieche kehrte ihr den Rücken zu und ließ sie einfach stehen.
Aislin, die den Tränen nah war, rannte davon. Weinend streifte an den Marktständen und den Kolonaden vorbei. Sie lief immer weiter, ohne darauf zu achten, wohin sie ihr Weg führte. Sie war verloren in dieser riesigen Stadt und gleichteitig darin gefangen.
Immer weiter lief sie, auf der Suche nach einer Bleibe, nach etwas essbarem und der Antwort, was sie denn nun noch tun konnte. Es hatte sie schließlich in eine Gegend verschlagen, die nicht mehr mit den imposanten Bauwerken bestückt war, wie sie sie auf dem Forum gesehen hatte. Insulae an Insulae, soweit das Auge reichte. Bewohnt wurden diese Häuser von den einfachen Menschen der Stadt, die tagtäglich für ihr Brot arbeiteten. Hier würde sie ganz sicher nicht Angus finden, das war ihr bewusst. Doch hier fanden sich ein paar gute Leute, die ein Schälchen Puls für sie übrig hatte. Im Gegenzug ging sie ihren Wohltätern zur Hand und schlug sich auf diese Weise durch.
Schließlich mussten die Götter doch Mitleid mit ihr empfunden haben, als sie sie eines Abends, es war an einem der letzten Saturnalienabende, in die Gassen der Subura führten. Aislin konnte mit all dem Trubel auf den Straßen nichts anfangen. Unbeeindruckt von den feiernden Menschen streifte sie durch die Gassen, bis sie den Klang einer längst verloren geglaubten Stimme vernahm. Ein Mann in Begleitung einer Frau, die gerade aus einer Taberna herausgekommen waren und die Straße entlang schlenderten. Sie folgte ihnen....