Bei der Hitze des Sommers durfte die Aufbahrungszeit eines Leichnams nicht zu lange dauern. Entsprechend hatte Crispus sich bereit erklärt, die Bestattung für Domitius Massula zu organisieren, der so jäh einer kurzen, aber heftigen Krankheit erlegen war. Denn leider gab es keinen anderen Domitier in Mogontiacum, der diese Aufgabe hätte übernehmen können - Clemens, Massulas Sohn, war schon vor ein paar Jahren verstorben, seine Frau war nie in der Stadt gewesen und an seinen anderen Sohn Elbergiso hatte man zwar einen Boten geschickt, doch wohnte er in Autunnacum viele Bootsstunden den Rhenus hinab. So hatte der alte Petronier die Vorbereitungen übernommen und als der verbliebene Sohn Massulas schließlich ankam, war alles vorbereitet. Elbergiso war allerdings ein ziemliches Häufchen Elend - offensichtlich schmerzte ihn der Tod seines Vaters sehr, denn er war sehr still und brach in Tränen aus, als er am Leichenbett des Domitiers stand. Schließlich erklärte er, dass er nicht in der Verfassung war, die Grabrede auf seinen alten Herrn zu halten. So übernahm auch diese Aufgabe Crispus, der sich sowieso schon etwas mit den Hausangestellten unterhalten und ein paar Worte vorbereitet hatte.
Am Abend war es dann schließlich so weit: der Leichenzug sollte beginnen. Und natürlich waren alle gekommen, um von ihrem Freund und Mentor Abschied zu nehmen:
http://img851.imageshack.us/img851/9981/mella1.jpg Zuerst kamen wie üblich die Flötenspielern, die Crispus von den Tempeln angeheuert hatte - Pontifex zu sein hatte in diesem Sinne doch einige Vorteile. Sie spielten eine getragene Musik, die gut zu dem Geheule der Klageweiber passte. Angeführt wurden diese von Mella, der Frau des Schusters, der damals in Massulas Haus seinen Laden gehabt hatte. Jahrelang hatte sie sich um den Domitier gesorgt, als sei er ihr Sohn, hatte ihn gemaßregelt und auf ihn Acht gegeben. Nach Bekanntwerden seines Todes war sie dann eine der ersten gewesen, die in der Casa Domitia Totenwache hielten,
http://www.bilder-hochladen.net/files/hlfb-30-65b9.jpgund dem Leichnam nicht mehr von der Seite gewichen. Doch jetzt, wo es ans endgültige Abschied nehmen ging, war sie tränenüberströmt und klagte: "Valgiso, warum hast du nicht auf mich gehört? Hättest du ein bisschen auf deine Gesundheit geachtet! So musste es ja kommen, du dummes...dummes Mannsbild!" Die letzten Worte erstickten in einem Heulen und Schniefen. Wieder schneuzte sie sich in ihr Taschentuch, wobei sie fast stolperte. Dann ging sie weiter.
Etwas weiter hinten folgte auch Mellita im Block der Klageweiber. Die Sklavin war erst vor kurzem in den Haushalt Massulas gekommen, hatte aber genug Zeit in der Casa Domitia verbracht, dass sie wusste, was für ein guter Herr der Gallier gewesen war. Entsprechend war auch sie bedrückt, ohne dies aber so offen zu zeigen wie Mella. Sie ging mit gesenktem Haupt, eingehüllt in ein dunkelbraunes Tuch und voller Sorge, was die Zukunft bringen mochte - sie würde wohl in den Besitz eines anderen wechseln. Aber wie würde der neue Herr sein? Man sagte, Massulas zweiter Sohn war ein Bauer - aber das Landleben war nichts, worauf die junge Sklavin sich wirklich freute...
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http://img825.imageshack.us/img825/749/msufak.jpg Hinter den Klageweibern folgte auch schon das Totenbett, das auch von engen Vertrauten des Domitiers getragen wurde: Links trugen Pannphilos und Homer, rechts Sufa und Boduognatus. Alle vier machten einen miserablen Eindruck: Der bärtige Ianitor hatte die Augen wie üblich zu Schlitzen verkniffen, musste jedoch hin und wieder mit seiner freien Pranke darüber wischen, um die Tränen herauszubekommen, damit er überhaupt etwas sah. Auch sein Bart und sein Haar waren zerzaust und er wankte langsam hin und her, sodass seine Mitträger ihre liebe Mühe hatten, die Balance der Trage zu halten. Nicht besser sah es auch bei Homer aus, der heute irgendwie besonders dürr wirkte und den Kopf hängen ließ, um ständig irgendetwas wie "Pourquoi lui?" vor sich hinzumurmeln. Auf der anderen Seite stolperte Boduognatus einfach nur dahin und blickte trübselig umher - seine herunterhängenden Mundwinkel wie immer versteckt hinter dem prächtigen Schnurrbart. Der gutherzige Sufa dagegen machte wieder keinen Hehl daraus, wie nahe ihm der Tod des Domitiers ging: Er trug zur Feier des Tages eine dunkle Kappe und weinte einfach stumm, sodass die Tränen sein langes Gesicht hinabkullerten und sich am Kinn sammelten. Er war es auch gewesen, der am Morgen ein paar nagelneue Schuhe vorbeigebracht hatte, die der Tote jetzt auf seiner letzten Reise trug.
Tatsächlich wirkte der Leichnam am ruhigsten von allen Umstehenden, geradezu als würde er sich still und leise darüber amüsieren, wie man ihn so durch die Abendsonne trug. Denn obwohl seine Augen bereits etwas eingefallen und seine Muskeln vollständig erschlafft waren, machte er doch den Eindruck eines Schlafenden.
Hinter ihm kam seine verbliebene Verwandtschaft, das hieß Ebergiso, der sich trotz des Sonnenscheins in einen dunkel Mantel gehüllt hatte, der von einer Bronzefiebel gehalten wurde. Ihn stützte Atto, der auch zum Haushalt des Domitiers gehört hatte. Danach kamen schließlich die verbliebenen Trauergäste: Crispus und einige andere Decurionen, dann verschiedene Geschäftsfreunde, Freunde und Bekannte, darunter
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http://img710.imageshack.us/img710/4316/calvuskl.jpgTasgetius, der ihm am Morgen noch einmal die Haare geordnet hatte, Notker, Laelius Cinna und Teutomalius, mit denen er damals auf der Suche nach dem Banditen Hermipus um Bernstein gefeilscht hatte und natürlich alle,
http://imageshack.us/a/img64/7180/euphorbuskl.jpgdie in seinem Obstgarten, seiner Fischerhütte und der Töpferei gearbeitet hatten. Natürlich durfte aber auch die Provinzverwaltung nicht fehlen, der der Domitier vorgestanden hatte: Allen voran ging Euphorbus, der jahrelang sein persönlicher Sekretär gewesen war. Er schien bemüht, besonders würdevoll zu wirken, wie er in einer dunkelgrauen, fast schwarzen Tunica dahinstolzierte und dabei ein etwas seltsames Gesicht machte - offensichtlich versuchte er seine Gefühle einfach zu verbergen. Der dicke Ovius Rectus dagegen trottete dagegen einfach vor sich hin, das Doppelkinn auf die Brust gestützt und mit halb geschlossenen Augen, als würde er schlafen. Und Furnius Calvus mit seinen wie immer völlig verstrubbelten Haaren blickte drein wie ein begossener Pudel. Auch sie vermissten ihren alten Kameraden und Vorgesetzten.
Nach diesen engeren Bekannten, Kollegen und Freunden folgten zahlreiche Bewohner Mogontiacums. Viele kannten den kauzigen Gallier vom Sehen, manche hatten schon mit ihm zu tun gehabt, wenn es um Fragen der Provinzverwaltung oder persönliche Anliegen im Ordo Decurionum ging und jeder wusste um die wichtige Rolle, die er für die Stadt und die Verwaltung gespielt hatte.
So schob sich ein beachtlicher Trauerzug von der Casa Domitia hin zum Forum, wo die Trauerrede stattfinden sollte, ehe man die sterblichen Überreste dieses großen, und doch so volksnahen Mannes vor den Toren der Stadt den Flammen übergeben würde...