Stadtgespräche

  • In den frühen Morgenstunden kam Borkan endlich nach Hause. Voller Sorge schauten Apolonia und Ines ihn an, denn sie erwarteten einen Bericht über den Verbleib von Morrigan. Leider hatte er noch keine wirkliche Spur von ihr gefunden, dafür wartete er aber mit einer anderen Nachricht auf.
    Er hatte in der Nacht im Park am Tiber ein Pärchen entdeckt und beobachtet.


    Ines
    [Blockierte Grafik: http://www.bilder-hochladen.net/files/4l83-39-5fd0.jpg]


    „Wir brauchten noch Oliven und Trauben“, meinte Ines zu Greta auf dem Markt, da die beiden seit Morrigans Abwesenheit den Einkauf übernommen hatten. „Ach ich habe dir noch gar nicht erzählt was Borkan in der Nacht beobachtet hat“, fing Ines an Greta zu erzählen.
    „Stell die vor, er hat doch die Tochter von jenem scharfen Hund, der bei uns im Lupanar war, wegen der Überprüfung, dem Tribun, wie war doch gleich sein Name, ach ja richtig Markus Iulia Dives, mit einem Kerl da rummachen sehen. Stell dir das vor. …Eine Frau alleine im nächtlichen Rom, wann hat es so was schon gegeben? Dazu noch aus dem Hause, sie ruiniert ja nicht nur ihren eigenen Ruf, sondern auch den der ganzen Familie. ….Weißt du ich frage mich ob er das überhaupt weiß? Irgendwer sollte ihm das stecken. … Da macht er bei uns so auf Sittsam um Tugendhaft und hat selber ein Flittchen in der Familie. Aber über uns die Nase rümpfen.“ Ines spürte selber wie sie sich langsam in Rage redete und immer mehr Marktbesucher stehen blieben, zuhörten und sie anschauten. „Ist doch wahr, ich hab doch recht oder?“ wandte sie sich an die Zuhörer.
    Von dem ein oder anderen kam ein zustimmendes Kopfnicken und ein allgemeines Gerede fing zu dem Thema an.

  • So ziemlich genau eine Woche war vergangen, seit man dieses üble Gerücht über "T", wie ich sie nur abschätzig nannte, in Umlauf gebracht hatte. Einige Händler vor allem aus dem östlichen Teil des Imperiums und dabei allen voran ein gewisser Syrer * ließen es sich seither nicht nehmen, den Namen der "T" zusammen gleich auch noch mit dem meines Mannes (!) ganz offen und unverholen in den Dreck zu ziehen. Und machte man das? Nein, das machte man nicht. Man überlegte erst, bevor man handelte. Oder man musste eben auch bereit sein, entsprechende Konsequenzen zu tragen.
    Tja, und was sollte ich sagen? Der Zufall wollte es, dass ich eine gewisse Fausta Ultrix ganz gut kannte und zu meinen Freundinnen zählte. Ganz genau genommen war sie sogar die beste und engste Freundin, die ich hatte und kannte! Wen also wunderte es da, dass mir meine liebste Freundin ein bisschen unter die Arme griff dabei, gegen dieses kleine Problemchen vorzugehen? (Antwort: Es würde jeden wundern, der nicht von dieser Verbindung wusste. Also: Praktisch wohl sehr, sehr, sehr viele.)


    Sim-Off:

    * Dieser NPC-Händler wurde von Torquata ins Leben erfunden, sodass ich seinen Namen an dieser Stelle einmal offen lasse.


    Und so baute der Syrer heute zum letzten Mal kurz vor Sonnenaufgang seinen Stand auf. Zum letzten Mal erlebte er, wie sich die Sonne über den Horizont in die Höhe schob. Zum letzten Mal spürte er im Verlaufe des Vormittags einen leichten Nieselregen auf seiner Haut. Und auch als sich "Syrus" zur Mittagszeit dem Stand des Syrers nährte, war der Himmel noch locker bedeckt. Der durchschnittlich gekleidete Fremde zeigte sich interessiert an den Tuniken, verwickelte den Händler in ein kleines Verkaufsgespräch und einigte sich mit ihm am Ende auf einen Preis von 75 Sesterzen für eine rote und zwei blaue Tuniken. Dann bot der Linkshänder dem Syrer die rechte Hand zum Einschlag. Der ahnungslose Händler tappte in die Falle: Mit einem kräftigen Ruck zog der Scheinkunde den Syrer halb über den Verkaufsstand, um ihm mit seiner starken Linken gekonnt und professionell mit einem flink aus einer Falte seiner Kleidung gezückten Dolch exakt vier Mal in den Oberkörper zu stechen.
    Schon der erste Stich traf den Händler dabei tödlich in den rechten Lungenflügel. Der zweite ging kurz daneben und verletzte die Leber. Nach dem dritten Stich, der in die gut durchbluteten Gedärme des Opfers traf, krümmte sich der Getroffene vor Schmerz, bevor ihn der vierte Stich im Übergang seiner rechten Schulter zum Hals traf. Das Blut spritzte pulsierend und weit, nachdem der Dolch auch diese Wunde wieder verlassen hatte und der Syrer erst auf einige Kleider seines Standes und anschließend auch richtig zu Boden ging. Er kämpfte nicht lange, bis ihn das Leben verließ. Und noch währenddessen rammte sich der Attentäter auch höchst selbst den Pugio in die Brust, krümmte sich vor Schmerz, ging zu Boden und hauchte nicht ganz so schnell doch dabei genauso sicher sein Leben aus....


    "DER HAT DEN HÄNDLER ABGESTOCHEN! DER KERL HAT DEN HÄNDLER ABGESTOCHEN! RETTET EUCH UND RUFT DIE COHORTES!!", brüllte ein nicht ganz zufällig gerade interessiert am Nachbarstand guckender Passant lauthals, bevor er seinen eigenen Worten Folge leistete und sich schleunigst etwa zwei Dutzend flotte Schritte vom Tatort weg flüchtete. Vorgeblich erst da merkte er, dass sich auch der Täter selbst das Leben genommen hatte. Im Schutze einer kleineren Gruppe zweier weiterer (echter) Passanten blieb er dann mit schockiertem Blick stehen und beobachtete, was hier wohl als nächstes passieren würde.
    Wer auch immer sich, nachdem sich die nun ausbrechende Panik wieder etwas gelegt haben würde, der Leiche des Attentäters annehmen würde, er würde nicht viel finden: Die durchschnittliche Kleidung des trainierten Mannes mittleren Alters war praktisch an jeder Ecke zu bekommen. Auch der ganz in seiner Nähe liegende Dolch war absolut handelsüblich, ohne Verzierungen oder sonstigen Schnickschnack. Ansonsten hatte er fünf Sesterzen und drei Asse bei sich, ein billiges Glücksamulett aus irgendeinem dunklen Holz sowie in einer Falte seiner Kleidung versteckt eine auf den ersten Blick leere Wachstafel. Erst bei genauerer Betrachtung könnte ein jeder halbwegs gute Ermittler die zuletzt auf dieser Tafel eingeritzten Worte rekonstruieren. Sie lauteten wie folgt:



    DER SYRER HAT SEINEN ZWECK ERFÜLLT. DAS GERÜCHT IST IM UMLAUF. JETZT LASS IHN SEINE BEZAHLUNG ERHALTEN UND BEREITE SEINEM LEBEN EIN ENDE. DANACH, WENN DIR DIE LEBEN DEINER FRAU UND KINDER DAS WERT SIND, BEENDE AUCH DEIN EIGENES LEBEN. SEI GRÜNDLICH UND LÖSCHE AUCH DIESE TABULA, BEVOR DU ZUR TAT SCHREITEST.


    MIT ERWARTUNGSVOLLEM GRUSS DEINES KLEINEN SOHNES,
    Q. VALENTINA

  • [Blockierte Grafik: http://www.bilder-hochladen.net/files/k2r8-g-c74d.jpg]


    Panik brach aus. Menschen stoben auseinander und rannten wild umher. Ich stand etwas weiter weg, wollte ich doch eigentlich noch mal mit dem Händler reden, doch dann brach hier förmlich die Hölle los. Zum Glück hatte ich darauf verzichtet heute zu auffällige Kleidung zu tragen. Meine Augen waren Schreckens geweitet. In der Ganzen Chaos fiel nicht weiter auf, dass ich die am Boden liegenden Tabula aufhob und an mich nahm.
    Scheinbar lebt wohl jeder gefährlich, der von diesem nächtlichen Besuch wusste, der Tribun schien seine Schergen zu schicken um alle mundtot zu machen. Ich würde also heute noch auf ein Angebot zurückkommen, von dem ich nie gedacht hätte, dass ich dies wirklich tun würde.
    Mit der Tabula


    DER SYRER HAT SEINEN ZWECK ERFÜLLT. DAS GERÜCHT IST IM UMLAUF. JETZT LASS IHN SEINE BEZAHLUNG ERHALTEN UND BEREITE SEINEM LEBEN EIN ENDE. DANACH, WENN DIR DIE LEBEN DEINER FRAU UND KINDER DAS WERT SIND, BEENDE AUCH DEIN EIGENES LEBEN. SEI GRÜNDLICH UND LÖSCHE AUCH DIESE TABULA, BEVOR DU ZUR TAT SCHREITEST.


    MIT ERWARTUNGSVOLLEM GRUSS DEINES KLEINEN SOHNES,
    Q. VALENTINA


    in der Tasche machte ich mich also auf den Weg zum Tempel des Serapis, dort würde ich Hilfe finden.

  • Der junge Hesiodorus, Haussklave seines Zeichens, stand starr vor Schreck mit seinem Korb da, presste sich nach den ersten Schreien und aufgeregt umher rennenden Menschen an die Wand. Schockiert von dem, was er gerade miterlebt hatte, wagte er kaum Luft zu holen. Alles um ihn rückte in weiter Ferne. Er sah die zwei Toden da liegen. Den einen kannte er von seinen Marktbesuchen und dem was er ständig an Gerüchten unter die Leute brachte. Der zweite war ihm völlig fremd. Das Blut kroch über das Pflaster. Was für ein Irrwitz. Der Fremde brachte erst den Händler um und dann sich selbst. Aus welchem Grund? Der Junge riss sich von der Szenerie los. Das musste er sofort brühwarm in der casa erzählen.

  • Sim-Off:

    Tut mir Leid, Morrigan. Aber lies selbst:


    Zitat

    Original von Sergia Fausta
    Ansonsten hatte er fünf Sesterzen und drei Asse bei sich, ein billiges Glücksamulett aus irgendeinem dunklen Holz sowie in einer Falte seiner Kleidung versteckt eine auf den ersten Blick leere Wachstafel. Erst bei genauerer Betrachtung könnte ein jeder halbwegs gute Ermittler die zuletzt auf dieser Tafel eingeritzten Worte rekonstruieren.


    Der nicht ganz zufällige Schreihals beobachtete die Szenerie (wie gesagt) genau. Machte sich da etwa jemand an dem toten Attentäter zu schaffen? "EY WAS MACHT DER DA!", setzte der Mann also einmal mehr seine kräftige Stimme ein und zeigte in Richtung der beiden Leichen. Das war ja wohl mehr als nur verdächtig! "Ich verfolge ihn!", ließ er die beiden Passanten neben ihm anschließend nur noch wissen, bevor er flinken Fußes (und ich engagierte keine Stümper; der Kerl kannte sich aus in der Stadt und wusste sehr wohl, wie man sich nicht so schnell hier abhängen ließ!) die verdächtige Gestalt verfolgte....

  • Zitat

    Original von Sergia Fausta


    ... RETTET EUCH UND RUFT DIE COHORTES!! ...


    Und da waren sie auch schon. Schlussendlich war die Nachricht, dass irgendein Wahnsinniger einen Händler und sich selbst abgestochen hatte, tatsächlich bis zu den Cohortes Urbanae durchgedrungen, und eine kleine Truppe hatte sich auf den Weg gemacht, um zumindest die Toten wegzuschaffen. Ob sich auch herausfinden ließ, ob vielleicht mehr hinter der Sache steckte, war nämlich vorerst fraglich. Einen toten Täter konnte man schließlich schlecht verhören.
    Avianus betrachtete seufzend zwei Leichen, die, der eine Kerl hinter dem Verkaufsstand, der andere davor, noch immer in Pfützen ihres eigenen Blutes, vermischt mit dem Dreck der Straße, lagen. Ein unschönes Ende, keine Frage. Und vermutlich hatten ihnen irgendwelche Gauner bereits die Taschen geleert, als das Blut noch warm war.
    "Auf den Karren mit den beiden", sagte er nur schlicht. "Und seht vorher nach, ob sie noch was in den Taschen haben." ... wenn er auch nicht daran glaubte, dass sich noch was finden ließ.
    Den Lieblingstiro des Tribunus hatte er gleich mitgenommen, dann konnte der Optio sich gleich ein Bild davon machen, ob sich dieser auch bei den weniger glorreichen Aufgaben ihrer alltäglichen Arbeit nicht zierte. Und wenn er es denn tat, war es bestimmt ein guter Anfang, es ihm auszutreiben. Denn abgestochene Leute würde der Germanicus in seiner Dienstzeit noch sehr viel öfter zu Gesicht bekommen.

  • „Verstanden, Optio!“ Antias lehnte Scutum und Hasta an den mit Blut bespritzen Stand des ermordeten Händlers und sah eine Weile unschlüssig auf die Toten hinab. Beide Männer starrten mit gebrochenem Blick aus verzerrten Zügen ins Leere, doch im Gegensatz zum syrischen Händler, dem der Ausdruck ungläubigen Entsetzens in die Mine gegraben war, wirkte das Gesicht des Angreifers unter der Maske des Schmerzes seltsam gefasst. Wie ein Irrer sah der Kerl jedenfalls nicht aus, aber irre musste man schon sein, um eine solche Tat zu begehen, oder? Stöhnend ließ sich Antias auf die Knie sinken. Wie auch immer, irre oder nicht, in erster Linie war der Bursche tot, und er würde sich jetzt mit seinem Blut besudeln müssen, mit Blut, das noch kaum geronnen war, den Göttern sei Dank. Das Blut einer frischen Leiche war ihm immer noch lieber als die Fäulnissäfte eines halbverwesten Kadavers, von den Ausdünstungen ganz zu schweigen. Hier vernahm er nur den sauren Geruch von Angstschweiß, Mord schien kein leichtes Geschäft zu sein. Vorsichtig zog er die blutigen Falten der schlichten weißen Wolltoga auseinander. Vom Hals des Toten hing an einem Lederband ein kleiner Phallus aus Walnussholz. Manneskraft und Fruchtbarkeit, dachte Antias bitter, wie sinnig für einen schwachen Charakter, der anderen und sich selbst das Leben nimmt.


    „So einen hab ich auch.“ hörte er plötzlich Hispo hinter sich sagen und fuhr erschrocken herum. Sein Kamerad stand mit geweiteten Augen über die Leiche gebeugt und beobachtete interessiert, was Antias da anstellte. „Was hast du auch?“ zischte dieser nervös. „So'nen Holzschwengel. Also .. als Amulett mein ich.“ Ja, so was passte zu Hispo wie der Arsch in den Holzeimer. „Billiger Krempel .. wirkt aber.“
    Das war ja hoch erfreulich. Schnaufend befasste sich Antias wieder mit der Leiche. Am Gürtel entdeckte er einen alten Lederbeutel, nahm ihn ab, öffnete ihn: Eine Handvoll Kleingeld, sonst nichts. „Armes Schwein .. da hab ja sogar ich noch mehr im Sack.“ kommentierte Hispo mitfühlend. „Kein Wunder, dass der so verzweifelt war.“ Antias ignorierte Hispos Geschwätz, riss das Amulett ab, legte ies neben den Toten und hob den Pugio auf. Keine sehr gute Arbeit. Der Griff war grob geschnitzt und die bluttriefende Klinge leicht schartig. "Für 'nen dritten Mann hätt's mit dem Ding nicht mehr gereicht.“ Das mochte sogar stimmen, dennoch war Antias der fachkundigen Kommentare aus der zweiten Reihe langsam überdrüssig. „Hispo! Bitte! Da drüben liegt noch einer. Wenn du die Güte hättest?“ Murrend schob Hispo ab und begann sich widerwillig am Leichnam des Händlers zu schaffen zu machen. Antias suchte unter der Toga weiter nach persönlichen Gegenständen des Angreifers, fand aber nichts bis auf ein paar dünne Wachsplättchen, die teils an der Innenseite der Toga, teils an der Tunica klebten. Hispo hatte recht behalten, das war zu Lebzeiten wohl wirklich ein armes Schwein gewesen. Aber ein durchtrainiertes armes Schwein, das genau gewusst hatte, wohin es seine Stiche setzten musste, um einen schnellen Tod herbeizuführen. Antias nahm die wenigen Habseligkeiten zusammen, stemmte sich hoch und ging zum Optio hinüber.
    „Optio Iunius Avianus! Leiche des Angreifers durchsucht. Ein billiges Amulett, Dutzendware. Ein lederner Geldbeutel mit fünf Sesterzen und drei Assen. Ein mäßig verarbeiteter Pugio, keiner von unseren. Und ein paar Plättchen Wachs, vielleicht von einer Kerze oder einer Tabula. Die Leiche des Händlers wird noch untersucht!“

  • Die Stadtkohorten trafen ein, untersuchten einen Moment lang die beiden Leichen und sahen sich um. Zwei Passanten, ein junger Handwerker und seine Tante, eine alte Näherin, nährten sich dem Kopf der Truppe. Dem Optio wurden gerade die neusten Erkenntnisse mitgeteilt. "Entschuldigung?", fragte der junge Mann vorsichtig. "Das war nicht alles, was dieser tote Angreifer dabei hatte!", fiel ihm seine alte Tante weitaus selbstbewusster ins Wort und machte große, überzeugte Augen. Sie war schließlich nach eigener Überzeugung eine wichtige Zeugin hier! "Ich habe genau gesehen, wie.. Also, das heißt, zuerst war da ja.. Ich meine.. also das war so." Der Neffe ergriff die ihm zugewandte Hand seiner Tante und drückte sie einmal beruhigend. Die alte Dame atmete einmal tief durch. "Also, da war dieser Mann. Er kam erst angerannt und hat dann angehalten bei uns. Es sah so aus, als ob er wahrscheinlich noch näher an diesem Verbrecher dran gewesen war als wir beide. Wahrscheinlich war er geflüchtet, und hat dann gesehen, dass dann auch der Täter zu Boden gegangen ist. Dann hat er angehalten.. und zwar direkt neben uns.", redete die alte Dame nun wie ein Wasserfall. "Ich hab noch so bei mir gedacht, "Mensch, der hat da aber einen hübschen grauen Umhang!" Genau so einen wollten wir heute nämlich auch für meinen Neffen hier besorgen. Nicht zu fein, aber auch nicht zu billig. Und so richtig schön silbergrau. Mein Neffe muss nämlich bald beim Vater seiner zukünfigen Frau vorstellig werden und ihn um seine Zustimmung zu dieser Ehe bitten. Und da hat mich seine Mutter beauftragt, dass wir einen ansehnlichen, jungen Burschen aus ihm machen, nicht wahr?" Der Neffe lächelte ein wenig peinlich berührt in Richtung der Soldaten, bevor er sich einmal an sein Tantchen gewandt räusperte.
    Aber die alte Tante winkte nur ab. "Jaja, ich weiß, ich weiß. Also ich habe gerade so von diesem hübschen silbergrauen Mantel geschwärmt, da ruft dieser Typ plötzlich, dass sich jemand an den Leichen zu schaffen machte.", deutete die Dame zu den Toten. "An dem Täter.", berichtigte der Neffe vorsichtig. "Naja, wie auch immer. Da war eben dieser Mann mit dieser östlichen Kopfbedeckung. Und ich sage euch, soeiner käme uns ja niemals ins Haus, nicht wahr? Denn man hört ja die schlimmsten Dinge über diese Leute. Ihre Kinder sollen sie opfern und in irgendwelchen Höhlen sollen sie leben! Und ohne Ausnahme sollen sie allesamt dieser komischen Christianer-Sekte angehören, die nichts als Unruhe und Ärger bringt!" Beinahe hätte die Dame jetzt auch noch davon berichtet, was sie erst vor vier Tagen drei Straßen weiter von hier erlebt hatte. Aber sie konnte sich gerade noch so bremsen und kam nach einem kurzen Stocken zum Thema zurück. "Naja, als dieser Mann mit dem silbergrauen Mantel so laut gerufen hatte und auf den Mann mit der östlichen Kopfbedeckung gezeigt hatte, da hatte der Mann mit der östlichen Kopfbedeckung offensichtlich schon gefunden, was er gesucht hatte und hat sich mit einer kleinen Schatulle" Vielleicht. "Oder einer zusammengeklappten Wachstafel oder so.", spekulierte der Neffe, dessen Augen natürlich auch noch etwas besser waren, mit. "ja, oder so. Damit hat er sich dann jedenfalls aus dem Staub gemacht. Und der Mann mit dem silbergrauen Mantel ist direkt hinterher und hat uns noch gesagt, dass er den Kerl verfolgen will. Und dann verschwanden die beiden in diese Richtung dort.", zeigte sie dann zielsicher auf eine der Straßen, die irgendwann auch nach Trans Tiberim führte. Aber ob die beiden Männer wirklich so weit gelaufen waren oder vielleicht schon an der nächsten Kreuzung wieder in eine völlig andere Richtung abgebogen waren, konnte sie natürlich weder sagen noch wissen. "Hilft euch das weiter?", fragte sie aber dennoch erwartungsvoll.

  • [Blockierte Grafik: http://oi58.tinypic.com/2zggn7o.jpg]
    Sextus Peducaeus Hispo



    Götter! Was für eine verfluchte Sauerei! Mit spitzen Fingern löste Hispo den glitschigen Geldbeutel des Händlers vom Gürtel. Prall gefüllt. Ein kurzer Blick offenbarte Münzen in stattlicher Anzahl, fünfzig Sesterzen waren das mindestens. Der hier war also kein so armes Schwein gewesen wie sein Mörder. Tot war er trotzdem. Zum gefühlt hundertsten Mal wischte sich Hispo die blutigen Hände am Mantel ab und warf den Beutel zu den anderen Gegenständen, die er bei dem Toten gefunden hatte: Ein kurzes Schälmesser mit stumpfer Klinge, ein Faltmaßstab aus Holz, ein kleiner Drehschlüssel an einer Hanfschnur. Dazu kamen noch zwei Ringe, die Hispo auch beim besten Willen nicht von den blutverschmierten Wurstfingern bekommen hatte. Wer die Dinger haben wollte, musste die Finger dazu nehmen, und er war verdammt nochmal kein Metzger. Angewidert sammelte er die Fundstücke auf und erhob sich. Die Luft zwischen all den Schaulustigen schien plötzlich stickig geworden zu sein, ein paar Augenblicke drehte sich der Markt vor seinen Augen. Dann wurde es wieder besser und er erkannte die Kameraden in der Menge. Der Optio wurde von einer alten Matrone belagert, Antias war dabei, die Leiche des Angreifers zum Karren zu ziehen und Sulca wühlte am Verkaufsstand des Händlers herum. Mit etwas unsicheren Schritten stakste Hispo zum Optio, ließ den Redefluß der Alten verebben und machte schließlich mit belegter Stimme Meldung. „Optio Iunius Avianus! Leiche des Opfers durchsucht. Ein Beutel mit fünfzig bis sechzig Sesterzen. Ein Schälmesser. Ein Ellenmaß. Ein Schlüssel. Zwei versilberte Fingerringe .. äh .. festsitzend. Bitte kurz wegtreten zu dürfen.“

  • In der Zwischenzeit schaute der Optio seinen Leuten bei der Arbeit auf die Finger oder beobachtete Schlichtweg die Schaulustigen. Wie er diese Gaffer hasste. Standen bloß im Weg, glotzten blöd und brachten einen nicht weiter.
    Endlich kam dann Antias mit seiner Ausbeute an, nicht besonders viel, und ob sich damit was anfangen ließ, wagte Avianus zu bezweifeln. "Gute Arbeit", sagte er dennoch mit einem Nicken, denn der Tiro konnte schließlich wenig dafür, wenn der Mörder nicht viel dabei hatte. Und ganz davon abgesehen war ihm aufgefallen, dass er mit Lob bisher sehr sparsam umgegangen war. "Auf dem Karren müssten irgendwo Beutel sein, verstaue alles in einem davon."
    Kaum hatte er geendet, wurde er bereits von zwei Zivilisten angesprochen. "Ja?", fragte er nur kurz, denn er hatte sich den beiden noch gar nicht recht zugewandt, als die Alte einen Wasserfall an Gerede über ihn hereinbrechen ließ. Spätestens als das Weib von dem silbergrauen Mantel anfing, hörte er nur noch mit halbem Ohr zu. Seh' ich so aus, als hätte ich Zeit für den Blödsinn?, rutschte es ihm fast lautstark heraus, doch dann erinnerte er sich, dass es nicht schaden konnte, wenn die Cohortes Urbanae vor der Menschenmenge, die um sie herumstand, eine gute Figur machte. Deshalb fasste er sich nur kurz an die Stirn, als bekäme er langsam Kopfschmerzen und ließ die Frau vor sich hin schwafeln. Erst als sie auf die Schatulle zu sprechen kam, horchte er wieder auf. Obwohl er bereits vermutet hatte, dass sich mit Sicherheit bereits Leute an den Leichen zu schaffen gemacht hatten, dass jemand lediglich eine Wachstafel stahl, und das Geld unangetastet ließ, schien ihm doch sehr auffällig.
    "Vielleicht. Es ist jedenfalls besser als nichts. Danke", gab er zurück. Wenigstens war die Geduld, die er gerade bewiesen hatte, auch für etwas gut gewesen. Die Informationen brachten ihnen aber nur dann etwas, wenn sie den Dieb mit dem gestohlenen Gegenstand auch gefasst bekämen, und Rom war leider verdammt groß. Doch vielleicht hatte ja sonst noch irgendwer den Mann gesehen, möglicherweise ließ sich damit also wirklich noch etwas anfangen.
    Und weil er als Optio scheinbar ein gefragter Mann war, hatte er im Anschluss auch gleich wieder einen Tiro an der Backe. Vorgesetzter zu sein war eben nicht immer nur angenehm - musste ja irgendeinen Grund dafür geben, dass man besser bezahlt wurde.
    "Pack das Zeug in einen der Beutel auf dem Karren", gab er erst automatisch zurück. "Wegtreten? Aus welchem Grund, Tiro Peducaeus?", fragte er Hispo dann skeptisch. Was könnte ausgerechnet jetzt so wichtig sein, dass er seine Arbeit unterbrechen musste?

  • Der Messerstecher war ein ganz schöner Brocken. Ein armes Schwein, vielleicht, aber keinesfalls unterernährt. Antias ließ schnaufend die Füße des Mannes los, an denen er ihn durch den Dreck gezogen hatte. Ob sich einer der Kameraden dazu herablassen mochte, ihm beim Beladen des Karrens behilflich zu sein? Wohl eher nicht. Forschend blickte er sich um. Der Cluvier stöberte in der Ware des Händlers, Hispo stand etwas schwankend beim Optio, die restlichen Milites hatten sich regungslos zwischen den Schaulustigen postiert und glotzten kaum intelligenter auf die Szenerie als das umstehende Volk. Natürlich. Warum sich die Finger schmutzig machen, wenn man Tirones dabei hatte, dämliche Mistbande. Seufzend packte Antias den Toten unter den Schultern und wuchtete ihm mühsam auf den Karren. Während er die gefundenen Habseligkeiten in einen der Beutel stopfte, drängte sich schon wieder die Gaffer um den Karren. Derlei Verhalten war ihm schon immer ein Rätsel gewesen, man sollte doch annehmen, dass es in einem lebendigen Gesicht weit mehr zu bestaunen gab als in dem einer Leiche. „Kennt jemand den Mann?“ fragte er ohne große Hoffnung in die Runde. Wie erwartet: Aufgeregtes Gemurmel, keine Antwort. Man kannte das, jeder wusste genau, was passiert war, aber keiner hatte irgendetwas gesehen. „Dacht ich mir. Dann lasst mich wenigsten durch, verdammt nochmal!“ Fluchend schob er sich durch die Menge auf die Leiche des Syrers zu. Kein Wunder, dass Hispo so blass um die Nase war, der Händler schwamm geradezu in seinem Blut. Widerliche Sache das, ging es ihm durch den Kopf, und schwerer als der andere ist er auch, verflucht. Nach ein paar tiefen Atemzügen packte er den Syrer an den Fußknöcheln um ihn in einer breiten braunen Blutspur davon zu schleifen. Zurück am Karren trat unvermittelt Sulca hinzu, griff die Hände der Leiche und sah den Tiro herausfordernd an. Lieber hätte Antias den massigen Leichnam alleine auf den Karren bugsiert als sich von diesem Drecksack helfen zu lassen, aber Sulca schien fest entschlossen, dem Rekruten zur Hand zu gehen, warum auch immer. Mit vereinten Kräften schwangen sie den toten Händler zu seinem Mörder auf den Karren. Das war also erledigt. Den Karren würde er nicht alleine schieben, so viel stand fest. Um der unerwünschten Gesellschaft des Cluvius zu entgehen, machte er ein paar Schritte in die Menge und hielt nach Hispo Ausschau. Der stand noch immer bleich vor dem Optio und präsentierte seine Fundstücke. Gut, dann würde er eben warten, die Leichen liefen ja nicht mehr weg. Als er zurück an den Karren kam, war Sulca verschwunden. Antias atmete erleichtert auf und stellte im gleichen Moment fest, dass dem Syrer zwei Finger fehlten.



    ***



    [Blockierte Grafik: http://oi58.tinypic.com/2zggn7o.jpg]
    Sextus Peducaeus Hispo



    Hispo leckte sich einen unangenehmen Schweißfilm von der Oberlippe. Aus welchem Grund? Was genau wollte der Optio hören? Dass ihm sein Tiro jeden Moment über die Caligae kotzen würde? „Es würde nicht lange dauern, Optio .. mir .. ist nur etwas .. blümerant zumute.“ Hispo schluckte. „Da muss irgendwas im Essen gewesen sein .. ich, äh ..“ Er schluckte nochmal und war sich dabei erschreckend bewusst, dass es nicht mehr lange beim Schlucken bleiben würde

  • Überall hatten sich nun Grüppchen von Schaulustigen gebildet. Jeder gab gefragt oder ungefragt seinen Senf dazu.
    „Der trug ein Grünes Tuch.“
    „Nein ein Blaues.“
    „Nein was ihr Kindsköpfe gesehen haben wollt. Es war rot.“
    „Quatsch. Schwarz wie die Nacht war es.“
    Mal wer der Mann der weggelaufen war 1,60 mal ein 2 Meter großer Hüne. Das Einzige worin sie sich einig waren, ist das es ein Mann war, der sich an den Leichen zu schaffen gemacht hatte.
    Ja ja man hat schon seine liebe Not mit den Augenzeugen, jeder meint das er das was er gesehen haben will auch wirklich gesehen hat, es hat halt jeder seine eigenen Wahrnehmung.


    Unweit der Leichen, standen zwei Marktweiber und sie schnatterten aufgeregt, in der für Marktfrauen typischen Lautstärke. ( ja das konnte man wahrscheinlich am anderen Ende des Marktes noch hören, was die beiden sagten)
    „Hast du das gesehen? Bei den Göttern hast du das gehen?“
    „Ja doch ich bin ja nicht blind.“
    „Meinst du...?“
    „Ja ich meine..!“
    „Du meinst wirklich...?“
    „Ja...“
    „Du meinst er wurde ermordet, von dem Handlanger des Iulius Dives? Weil er erzählt hat, dass die Tochter von dem hier Nachts mit Soldaten herumhurt?“
    „Halt die Klappe. Oder willst du die nächste sein? Da sind doch schon seine Handlanger.“ Die Frau deutete auf die Urbaner.

  • Zitat

    Original von Aulus Iunius Avianus
    "Vielleicht. Es ist jedenfalls besser als nichts. Danke"


    Die alte Dame, die nicht merkte, dass man sie nicht einmal nach ihrem Namen oder ähnlichem befragte, nickte zufrieden. "Bitte. Keine Ursache.", lächelte sie und wandte sich dann an ihren Neffen. "So, dann lass uns gehen. Da hinten beim Iudaeer gibts immer gute Ware. Da ist bestimmt auch so ein Mantel bei, den wir für dich suchen!" Und gerade, wenn die Leute hier abgelenkt waren, dann standen die Chancen gut, dass man auch mal etwas ungedrängter dort gucken konnte!
    Im Gehen begriffen, schnappte die rüstige Tante dann noch ein kleine Farbdiskussion auf, in die sie sich natürlich nur allzu gerne ganz kurz einmischte: "Verzeihung. Aber ich glaube, das Tuch war eindeutig fliederfarben." Ihr jüngerer Begleiter lächelte entschuldigend, bevor sie langsam weiter gingen. "Bist du dir sicher, dass es nicht eher ins Dunkelblaue ging?" Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. "Aber auf keinen Fall war es grün." Und das war es dann letztlich auch, worauf sie sich in ihrer gemeinsamen Beobachtung anschließend einigten.


    An den Spekulationen über die Hintergründe der Tat beteiligten sich der Neffe und seine Tante unterdessen nicht. Erstens: Jetzt galt es erstmal einzukaufen! Morgen las man dann einfach mal die neuste Acta-Ausgabe mit deren Meinung zum Geschehen und dann konnte man auch schön fundiert klatschen und tratschen! Zweitens: Diese Händler verbreiteten doch so viele Dinge, wer wollte sich da nun zu diesem Zeitpunkt schon ausgerechnet auf diese eine Möglichkeit von vielen festlegen? Und drittens: Hätte nicht gerade ein Stadtkohortentribun weit bessere Möglichkeiten, um einen Händler zum Schweigen zu bringen? Vorwand finden, verhaften, schmoren lassen, verhören, schmoren lassen, verhören, .. und dann irgendwann wieder freilassen, wenn sich die Sache wieder erledigt hatte? Billiger und sicherer als ein Auftragsmord wäre das doch bestimmt....

  • Das Interesse an dem blutigen Zwischenfall hatte sich schnell wieder gelegt. Laut und träge wie zuvor schob sich der bunte Menschenstrom weiter, nur vereinzelt blieben Passanten kurz am Karren stehen, starrten teilnahmslos auf die Toten, und gingen kopfschüttelnd weiter. Da Antias bei den Leichen nicht mehr viel ausrichten konnte, quetsche er sich unsanft zum Stand des Händlers durch, um Scutum und Hasta wieder an sich zu nehmen. Der Warenvorrat des Syrers war inzwischen deutlich zusammengeschmolzen. Außer einigen Stoffballen, die der Händler in weiser Voraussicht schwer erreichbar unter den Tisch gestopft hatte, waren nur noch die blutbespritzen Kleidungsstücke übrig, und selbst die wurden von wenig wählerischen Interessenten Teil für Teil davon geschleppt. Eigentlich hätte er dem Treiben Einhalt gebieten sollen, aber wozu? Der Großteil der Ware war bereits verschwunden, zudem gab es keinen Eigentümer mehr, der seines Schutzes bedurft hätte. Es war ihm völlig klar, dass auch die Ballen binnen kürzester Zeit neue Besitzer finden würden, und seien es die eigenen Kameraden oder eine paar Vigiles. Natürlich hätte er sich auch selbst bedienen können, niemand hätte daran Anstoß genommen. Allerdings konnte er mit Stoffballen nicht das geringste anfangen und außerdem war ein Tiro in diesem Fall der letzte in der Verteilungskette.


    Seufzend blickte er auf den sich leerenden Warenbestand. Wie Apolonia wohl dieses sanfte Grün stehen würde, träumte er vor sich hin, oder dieses dunkle Kupfer? Während er im Geiste Apolonias’ meergrüne Augen über den verschiedensten Stoffen leuchten sah, trat ihm jemand in die Wade und zerrte gleichzeitig an seinem Mantel. „Hee du Miles!“ erklang eine ungeduldige hohe Stimme hinter ihm. Antias drehte sich ungehalten um. Vor ihm stand eine Gruppe neugierig glotzender Knirpse, Schulkinder vermutlich, die ihrem Lehrer irgendwie abhanden gekommen waren. Einer der Jungen hatte die Hände herausfordernd in Seite gestemmt und grinste ihn unverfroren an. Da war wohl ein etwas strengerer Ton angebracht. Antias beugte sich mit glühenden Augen vor. „Tritt mich noch einmal, du kleiner Scheißer, und ich trete zurück! Was wollt ihr?“ Sichtlich unbeeindruckt ließ der Bengel zwei unvollständige Zahnreihen aufblitzen. „Ich weiß was, aber ich will was dafür.“ Antias fluchte. Für derlei Spielchen hatte er weder Zeit noch Nerven. „Das ist hier nichts für euch! Geht zu eurem Ludimagister zurück.“ Die Jungen brachen unisono in schrilles Gelächter aus. Erst auf den zweiten Blick erkannte Antias den leicht verwahrlosten Zustand der Kinder. Allesamt steckten sie in fleckigen teilweise zerrissenen Tunicae, hatten entweder gar keine Schuhe oder mehrfach geflickte Calcei an den Füßen und schienen schon seit geraumer Zeit keine Bekanntschaft mehr mit Kamm oder Strigilis gemacht zu haben, von der erzieherischen Hand eines Lehrers ganz zu schweigen. Was er da vor sich hatte war keine ausgebüxte Schulklasse, sondern eine halbverwilderte Bande diebischer Rotznasen, die eine Tracht Prügel nur so lange beeindruckte, bis der Hintern wieder abgeschwollen war. Entsprechend selbstbewusst trat der schwarzhaarige Wortführer noch einen Schritt näher. "Ich weiß, wo er hin ist, was krieg ich dafür?“ lispelte er durch die Zahnlücken. Antias lehnte sich gähnend auf sein Scutum. „Wo wer hin ist?“
    „Der flinke Orientale mit der geklauten Wachstafel. Was gibst du mir dafür?“
    Schau an, der Kleine hatte wohl wirklich etwas beobachtet, also stammten die Wachsplättchen an der Kleidung des Mörders tatsächlich von einer Tabula. Betont gleichgültig fragte Antias nach. „Dann hast du gesehen was passiert ist, oder?“
    „Vielleicht. Was krieg ich?"
    Bei den Titten der Fecunditas, war das Bürschchen hartnäckig! „Ich hab kein Geld dabei, tut mir leid.“
    „Macht nix, dann nehm ich deinen Helm.“
    „Meinen .... was willst du denn damit?“ lachte Antias schallend auf. „Drin baden?“
    „Brauchst gar nicht so blöd zu lachen!“ maulte der Kleine beleidigt. „So schön isser auch nicht. Eigentlich will ich nen Centuriohelm.“ Antias konnte sich vor Lachen kaum mehr aufrecht halten. Er malte sich aus, wie das Kerlchen mit schaukelndem Cassis blind durch die Menge tappte, den Busch der Crista bis über die Ohren hängend und die Wangenklappen waagerecht auf den schmalen Schultern balancierend. Wütend blickte der verhöhnte Rotzlöffel auf seine Freunde, richtete sich zu seiner ganzen eher geringen Größe auf und entgegnete großspurig: „Nun gut, Urbaner, wie du wünschst. Dann teil ich mein Wissen eben mit einem deiner Kameraden.“
    „Tu das.“ prustete Antias. „Aber ich fürchte, einen Helm wirst du trotzdem nicht kriegen.“
    „Aber vielleicht einen der Ringe." triumphierte der kleine Bandenführer, gab den anderen Jungen Zeichen, ihm zu folgen und setzte sich in Bewegung. Das Lachen blieb Antias jäh im Hals stecken. „Wartet mal!“ Die Burschen dachten gar nicht daran, geschickt schlängelten sie sich durch die Menge und drohten, ihn ihr zu verschwinden. Antias pflügte mit vorgehaltenem Scutum hinterher und bekam das Früchtchen schließlich an der Tunica zu fassen. „Welche Ringe?“ fauchte er den Kleinen an. Der zappelte und spuckte, was freilich wenig half. Die anderen Jungen waren nun ebenfalls stehen geblieben und starrten ratlos auf ihren Anführer. Offenbar galt es hier, vor den Gefolgsleuten Haltung zu bewahren, denn der zappelnde Bursche wurde plötzlich ruhig und nahm einen Gesichtsausdruck an, den er wohl für würdevoll hielt. „Welche Ringe?“ wiederholte Antias nun auch etwas sanftmütiger.
    „Na, die dein Kumpel da drüben dem dicken Händler abgenommen hat!“ Ein schmutziger kleiner Finger zeigte durch die Passanten zu einer Hauswand hinüber, an der kauend Cluvius Sulca lehnte. „Der ist sicher großzügiger als du! Und jetzt lass mich los!“ Antias ließ nicht los. Sulca. Natürlich. Der würde dem kleinen Gassenjungen seine Großzügigkeit zeigen, indem er ihn windelweich prügelte, so lange, bis der ihm bereitwillig alles erzählen würde, was er gesehen hatte. „Das wirst du schön bleiben lassen.“


    Götter! Was sollte er mit den Kindern anfangen? Schön, sie hatten also gesehen, dass jemand eine Tabula entwendet hatte. Na und? Es würde sicher keine Nachforschungen geben. Nicht eines gemeuchelten Händlers wegen, eines Syrers zumal, dessen Mörder noch dazu bereits tot neben dem Opfer lag. Andererseits war das Ganze so bizarr, dass er selbst gern mehr darüber erfahren hätte, der Optio vielleicht auch. „Wie heißt du, Junge? Oder kostet die Information auch schon was?“ fragte Antias gutmütig. Der Kleine schien ernsthaft über einen entsprechenden Preis nachzudenken, besann sich dann wohl eines besseren und presste bockig „Mustela.“ hervor. „Also, hör zu Mustela. Das mit den Ringen des Händlers vergisst du sofort! Hast du mich verstanden?“ Zaghaftes Nicken. „Gut. Was den Mann mit der Tabula angeht .. ich mach dir einen Vorschlag: Du erzählst mir genau, was ihr gesehen habt, und ich versuche, eine Crista für dich zu organisieren .. irgendwie. In Ordnung?“ Scheinbar nicht. Der Kleine glaubte ihm offensichtlich kein Wort. Antias glaubte ja selbst kaum, was er da erzählte. „Ich geb’ dir mein Wort.“ redete er trotzdem weiter geduldig auf Mustela ein. „Von den anderen bekommst du höchstens einen Arschtritt, davon hättest du auch nix, oder?“ Nach einigen Augenblicken des Nachdenkens fragte Mustela halb ungläubig halb hoffnungsvoll: „Und wie willst du das machen mit dem Helm?“ Ausgesprochen gute Frage. Antias hatte einfach kein Talent für ersonnene Geschichten. „Ich hab’ noch keine Ahnung.“ gab er stöhnend zu. „Überleg’s dir.“ Mustela blickte wieder seine Freunde an und kaute auf der Unterlippe. „Na gut. Also, ich weiß wie er aussieht und wo er hin ist.“

  • Je länger sie versuchten, in Gegenwart der Schaulustigen, die mit ihrem Geschwätz teilweise nicht unerheblichen Lärm verursachten, ihrer Arbeit nachzugehen, desto weiter sank die Laune des Optios immer weiter dem Keller entgegen. Das würde auch gleich der Tiro bemerken, der so blass vor ihm stand, dass er zwischen den zwei Leichen kaum aufgefallen wäre. Die Sorte Anfänger hatte ihm gerade noch gefehlt.
    "Reiß' dich zusammen. Was wenn du mal selbst deinen Gladius in der Brust eines Mannes versenken musst? Kotzt du dir danach auch selbst auf die Füße?", kommentierte Avianus staubtrocken und hatte das Thema für sich abgehakt. Abgesehen davon waren die Toten bereits verladen, was sollte das Drama also?
    Ebenfalls gab es wichtigeres zu klären, wie etwa die Leute, die sie hier bei ihren Aufgaben mehr behinderten als in irgendeiner Weise eine Hilfe zu sein, vor allem, wenn die Hälfte von ihnen den Soldaten im Weg stand und jeder etwas vollkommen anderes von sich gab. Am einen Ende der Menge wurde über Farben diskutiert, am anderen über den Tribunus Iulius und seine Tochter… Wie? Torquata? Unmöglich. Eine andere Tochter? Der Iunius runzelte die Stirn. Bloßes Geschwätz, nichts weiter.
    "Hier gibt es nichts mehr zu sehen! Geht nach Hause und lasst die Cohortes Urbanae ihre Arbeit machen!", rief er deshalb lautstark über die Menge hinweg und versuchte dabei so wenig gereizt wie möglich zu klingen. Was ihm wie so oft natürlich nicht recht gelingen wollte, denn die Sache hier ging ihm inzwischen anständig auf den Sack.
    "Tiro, sieh zu, dass die Leute verschwinden. Nimm dir wenn nötig den Germanicus zu Hilfe", erteilte er dem Peducaeus eine neue Aufgabe. "Aber ohne Gewalt", fügte er noch an, wer wusste schon was seinen Leuten für Ideen in den Sinn kamen. Dass es auch in den Reihen der Soldaten Roms unfähige Schwachköpfe geben konnte, denen man besser jeden Schritt einzeln erklärte, hatte er inzwischen gelernt. Und was auch immer diese Art Miles anstellte, er wollte nicht die Schuld daran tragen, also ging er lieber auf Nummer sicher.
    Der schneeweiße Hispo und sein Kamerad hatten ja scheinbar nichts Besseres zu tun. Dass der andere Rekrut sich am Rande des Geschehens schon eine ganze Weile mit irgendeinem Kind unterhielt, war ihm nämlich nicht entgangen. Vermutlich nur irgendein Ablenkungsmanöver, damit ihm ein anderer Bengel währenddessen die Taschen leeren konnte.
    Unterdessen warf er einen Blick in den Karren, ob soweit alles in Ordnung war. Doch das war es selbstverständlich nicht. Wieder mal. Denn da fehlte eindeutig etwas, das vorher noch da gewesen war. Zwei festsitzende Silberringe, hatte Antias gesagt. Und als der Syrer auf dem Boden gelegen hatte, waren seine Finger noch vollzählig gewesen. Ohne sich lange den Kopf darüber zu zerbrechen, wandte er sich wieder an seine Soldaten:
    "Milites, Tirones, kann mir jemand das hier erklären?!" Dabei zog er die verunstaltete Hand des Händlers hoch, sodass den Männern vollkommen unmissverständlich klar gemacht wurde, was gemeint war.

  • Antias war äußerst erstaunt. Anstatt ihn wie befürchtet mit sämtlichen wilden Spielarten kindlicher Phantasie zu überschütten, gab Mustela eine prägnant detaillierte Schilderung dessen ab, was er selbst oder seine kleinen Freunde beobachtet hatten. Zwar machten die Informationen das Bild von Motiv und Hintergrund der Tat kein bisschen klarer, aber dafür konnte der Junge nichts. Aufgewecktes Kerlchen, dachte Antias beeindruckt, vielleicht sollte ich ihm wirklich meinen Helm geben und verschwinden. Der Bengel würde mit seinen Begabungen einen hervorragenden Urbaner abgeben: Scharfe Augen, wacher Geist und ein untrüglicher Blick für das Wesentliche. Zudem schien Mustela über einen ausgeprägten Orientierungssinn zu verfügen, der im chaotischen Gassenwirrwarr der Stadt nicht mit Gold aufzuwiegen war. Nachdenklich betrachtete er die Jungen. „Ich bin Tiro Germanicus Antias.“ sagte er schließlich. „Wo die Urbaner stationiert sind, weißt du ja.“ Mustela blickte mit unverhohlener Enttäuschung zu ihm auf. „Ein Tiro?“ „Ja, Kleiner, nur ein Tiro.“ lächelte Antias bitter. „Aber einer, der dir vielleicht eine Crista besorgen kann ... und für Burschen wie euch möglicherweise irgendwann mal ein paar lohnende Aufgaben haben könnte.“ Mustela zog einen Flunsch. „Jaaa, jaaa .. vielleicht .. möglicherweise .. irgendwann mal .. wann krieg ich den Helm?“ Tja, wann? Vor allem wie? Um Zeit zu gewinnen sah Antias sich nach den Kameraden um. Hispos’ käsiges Gesicht wippte verbissen über die Köpfe der Passanten, die lethargischen Miles hatten sich endlich dazu aufgerafft, den Strom der Menge mithilfe ihrer Scuta eher schlecht als recht zu kanalisieren, der Optio stand sichtlich angespannt am Leichenkarren und hielt die verstümmelte Hand des Syrers in die Höhe. Höchste Zeit, die Zeugenvernehmung zu beenden. „Wird ‚ne Weile dauern.“ wandte er sich knapp an Mustela. „Kannst ja mal am Tor nachfragen, ich muss weg.“


    Kopfschüttelnd arbeitete er sich durch die Menge auf den Optio zu. Eine Crista für den Jungen, hatte er den Verstand verloren? Optio Avianus forderte gerade in ausgesprochen übellaunigem Tonfall eine Erklärung für die verschwundenen Finger des Händlers. Der Cluvier stand ein wenig abseits und verzog keine Mine. Antias mahlte wutentbrannt mit den Backenzähnen, blutverschmiert wie er war, würde man am Ende noch ihn selbst verdächtigen, der Leiche die Finger abgeschnitten zu haben. Aber immer eines nach dem anderen, irgendwann würde er sich diese elende Ratte von Miles vorknöpfen.
    „Optio Iunius Avianus!“ machte er verkniffen Meldung, „Einige Augenzeugen befragt! Über den Hergang selbst nichts Neues! Die Ringfinger des Opfers ...“ Einen unmerklich kurzen Augenblick sah er zu Sulca hinüber. Im Gesicht des Miles stand nun eine Mischung aus Neugier und Belustigung. Natürlich würde das miese Schwein alles ableugnen und sein Wort gegen das eines unbedarften Rekruten stellen. Wem von beiden man in diesem Fall Glauben schenken würde, stand außer Frage. „ .. da scheint sich ein gewissenloser Straßendieb im Schutz der Menge bedient zu haben.“


    ***


    [Blockierte Grafik: http://oi58.tinypic.com/2zggn7o.jpg]
    Sextus Peducaeus Hispo



    Bedeutend wohler war Hispo nach wie vor nicht zumute. Immerhin hatte der Tadel des Optio wenigstens wieder etwas Leben in ihn gebracht, auch wenn ihm der Befehl, die Leute zu vertreiben, beunruhigend kryptisch in den Ohren hallte. Die Menge auflösen? Auf einem Markt? Mitten in Rom? Eben so gut hätte man ihm befehlen können, mit einer Schaufel voll Sand den Tiberis aufzustauen. Aber was befohlen wurde, musste irgendwie auch ausführbar sein, oder nicht? Missmutig begann er damit, die Schaulustigen vom Karren abzudrängen, kaum hatte er allerdings etwas Platz hinter sich geschaffen, strömten neue Gaffer in den freien Raum nach, da waren die restlichen Milites mit ihren aufgestellten Scuta auch keine große Hilfe. Endlich kam ihm eine Idee. Mit gewichtigem Blick und Dringlichkeit in der Stimme mahnte er die herbeiströmenden Gaffer: „Vorsicht! Haltet Abstand! Es besteht Ansteckungsgefahr!“ Das wirkte schließlich, und je lichter es um den Karren wurde, desto freier konnte Hispo durchatmen. Die Übelkeit legte sich zusehends, stattdessen beschlich ihn der dumpfe Verdacht, dass es nicht das Blut gewesen war, was ihn fast umgeworfen hatte, sondern die schiere Menge der drückenden schiebenden Leiber um ihn her.

  • Er nickte Antias zu. Besonders überraschend war es für Avianus nicht, dass er nicht viel mehr herausgefunden hatte. Nicht, weil er am Können des Tiros zweifelte, sondern vielmehr, weil zufällige Beobachter generell nur selten mehr mitbekamen, als ihnen die Zeugen inzwischen berichtet hatten.
    "Ach tatsächlich?", entgegnete er dann noch immer wenig begeistert auf Antias Erklärung wegen der Finger hin. Wer auch immer sich jene in die Tasche gesteckt hatte, war vermutlich schon lange in einer der unzähligen Seitengassen verschwunden, und vermutlich waren sie ohnehin nicht von Bedeutung. Doch es ging hier mehr ums Prinzip. Er konnte wohl kaum gutheißen, dass sich hier irgendwer an Toten und Beweisstücken vergriff.
    "Meine Leute schaffen es also nicht mal, auf zwei Leichen aufzupassen", murmelte er mehr zu sich selbst. Die Finger inklusive der beiden Ringe waren jedenfalls weg, daran ließ sich nur noch wenig ändern.
    Im Anschluss schickte er zwei Milites mit dem Karren zurück zur Castra. Erst dachte er daran, den Peducaeus vielleicht gemeinsam mit dem Karren nach Hause zu schicken, für den Fall, dass der Tiro vielleicht doch noch umkippte. Andererseits stand dieser wieder vergleichsweise fest auf den Beinen. Der wird's schon überleben, verwarf er seine Idee wieder, und wollte seine Leute schließlich auch nicht verhätscheln.
    Währenddessen hatte er vor, sich mit dem Rest der Truppe noch in der Gegend umzusehen… vielleicht hatte ja wer den Dieb mit der Schatulle oder dessen Verfolger beobachtet und konnte ihnen weiterhelfen.
    Und dann war da noch der Cluvius, den er meistens wegen dessen langjähriger Erfahrung mitnahm, welcher aber regelmäßig den Eindruck machte, als hielte er es nicht für nötig sich einzubringen, wenn man ihm einen Moment lang mal keinen Befehl entgegenbellte.
    "Du da! Wer hat was von Pause gesagt?!", rief er Sulca deshalb zu, der die letzten Minuten faulenzend an einer Wand lehnend verbracht hatte.
    "Wir suchen einen Mann mit östlicher Kopfbedeckung, der sich mit einer Art Schatulle - vermutlich eine Tabula – aus dem Staub gemacht hat. Außerdem hat ihn ein weiterer Mann mit silbergrauem Mantel verfolgt", wiederholte er noch einmal für alle die Informationen, die ihm die alte Frau zuerst vorgetragen hatte. " Ich weiß es ist nicht viel, aber einen Versuch werden wir dennoch wagen. Befragt die Leute, ob vielleicht jemand etwas gesehen hat."
    Dann machte er auf dem Absatz kehrt und marschierte in Straße, die ihm die Frau gewiesen hatte.

  • Das erste mal an diesem Tag empfand Antias so etwas wie Freude an seiner Arbeit. Der Cluvier hatte einen längst überfälligen Rüffel vom Optio erhalten, überdies bereitete es ihm eine gewisse Genugtuung, mit der Befragung des Jungen letztlich den richtigen Riecher gehabt zu haben, auch wenn er sich selbst über den Nutzen der Informationen bislang nicht ganz klar gewesen war. Es schien also doch von Interesse, was der Mörder bei sich getragen hatte und wer es jetzt bei such trug. Die Milites schwärmten aus, auch der Cluvius. Mit unübersehbarem Zorn in den Augen zwar, aber er fügte sich widerspruchslos. Führen zu wollen und führen zu können waren eben zwei völlig unterschiedliche Dinge, stellte Antias tief befriedigt fest.


    Noch etwas bleich im Gesicht schlurfte Hispo heran. „So, und wir gehen jetzt also einen silbergrauen Mantel und eine östliche Kopfbedeckung suchen, seh’ ich das richtig?“ Antias blickte sich forschend in der Menge um. Wo war Mustela jetzt? Verschwunden. Mit einem Kopfschütteln wandte er sich an Hispo. „Der Mantel ist zweitrangig. Wozu den Verfolger verfolgen. Wir beschränken uns auf den Orientalen. Der Junge hat mir genau beschrieben, wie der Kerl aussieht und wo er hin ist.“ Hispo stutzte. „Welcher Junge?“ „So eine kleine Gassenratte von der rotzfrechen Sorte.“ Antias grinste unwillkürlich. Ein Früchtchen fürwahr, aber ein verdammt pfiffiges. „So einer?“ Hispos’ lange Finger deuteten auf ein paar lachende Jungen, die den Stand eines Gemüsehändlers umschwärmten. Mustelas’ Freunde. „Genau. So einer.“ Hispo lachte dröhnend auf. „Und das glaubst du? Nimm’s mir nicht übel, aber du kannst manchmal ein solcher Trottel sein!“ Nein, er nahm es ihm nicht übel. Erstens hätte er selbst ebenso reagiert und zweitens hatte Hispo den Trottel betreffend vollkommen recht. Trotzdem glaubte er Mustela, ohne freilich genau zu wissen weshalb. „Mit der östlichen Kopfbedeckung lag er aber völlig richtig, und der Rest seiner Beschreibung war erheblich ausführlicher als das, was der Optio an Informationen rausgegeben hat.“ Hispos’ Lachen bekam einen sarkastischen Unterton. „Ach was? Ein Kind mit einer regen Phantasie? Ist nicht wahr, oder? Und das mit der östlichen Kopfbedeckung .. schau dich doch mal um!“ Das brauchte er gar nicht, er wusste auch so, worauf Hispo hinaus wollte. Auf den Märkten und Gassen der Stadt wimmelte es geradezu von Kopfbedeckungen jeglicher Form, Farbe und Herkunft, die allermeisten davon „östlich.“ Unzählige Variationen geschlungener Kopftücher von Syrern, Hebräern und Ägyptern tanzten da durch die Menge, groteske dakische oder skythische Spitzmützen, armenische und illyrische Rundkappen, Hauben, Schleier, Kapuzen, Filz, Wolle, Seide .... Hispo hatte eindeutig die besseren Argumente. Sicher, Mustelas’ Beschreibung ging über die Kopfbedeckung weit hinaus, aber auch ein mittelgroßer schlanker gepflegt wirkender bärtiger jüngerer Mann mit hellbrauner Hautfarbe würde ihnen in diesem Menschenmeer nicht gerade von alleine in’s Auge springen.


    Seufzend lenkte Antias ein. „Also machen wir gar nichts, oder was?“ Hispo schüttelte mit neu erlangtem Ernst den Kopf. „Das hab ich nicht gesagt. Aber wir machen auch nicht mehr als alle anderen, diesmal. Wir sind hier nur die Tirones, und wenn wir irgendwas für unseren Einsatz kriegen, dann höchstens auf’s Maul, schon vergessen? Wie geht’s deiner Hand?“ Antias war zwar nicht restlos überzeugt aber immerhin einsichtig. „In Ordnung, Hispo. Du hast recht. Dann folgen wir am besten dem Optio. Der geht zumindest in die Richtung, die der Junge mir beschrieben hat.“ „Nichts dagegen.“ Bemüht um einen gebührenden Abstand stapften die Tirones langsam durch die Marktgasse ihrem Optio hinterher.

  • Eine ganze Weile waren sie nun schon wachen Auges hinter Optio Avianus her getrottet und hatten dabei eingehend die Menge gemustert. An östlichen Kopfbedeckungen herrschte in den Gassen wahrlich kein Mangel, an bärtigen jüngeren Männern erst recht nicht. Der eine oder andere Passant schien sogar mehrere der beschriebenen Attribute auf sich zu vereinigen, einem zweiten prüfenden Blick allerdings hielt keiner davon stand. Entweder waren sie zu klein, zu groß, zu breit oder schlicht zu einfältig, um nach Mustela’s Beschreibung in Frage zu kommen. Etwas anderes hatte Antias auch nicht erwartet. Es erschien ihm äußerst unwahrscheinlich, dass der Flüchtige nach Erreichen seines Zieles noch einmal den Rückweg zum Markt eingeschlagen hatte. Immer wieder hielt er den eifrigen Hispo kopfschüttelnd von eingehenderen Untersuchungen ab. Der widerum reagierte zusehends gereizter auf die wortlosen abwinkenden Gesten seines Kameraden und schnauzte schließlich beleidigt: „Na schön! Also sag schon, was genau hat der Junge dir erzählt?“ Antias konnte sich ein süffisantes Lächeln nicht verkneifen. „Ach? Interessiert’s dich jetzt doch?“ Hispo schnaubte verächtlich. „Da du dir ja so sicher bist. Ich höre.“ Also erzählte er es ihm in allen Einzelheiten.


    „In den Tempel?“ Hispo wirkte zwar ausgesprochen befriedigt darüber, endlich eingeweiht zu sein, seine Skepsis jedoch schien noch nicht verflogen. „Woher will er das wissen?“ „Weil er und ein paar seiner Freunde den Burschen bis dahin verfolgt haben.“ „Soso.“ Zweifelnd nahm Hispo den Helm ab und kratzte sich ausgiebig am Kopf. „Und wieso sollten die sowas machen?“ Antias zuckte die Achseln. „Neugier? Abenteuerlust? Vermutlich haben die gewitzten Bengel einfach ein Näschen für Informationen, aus denen sich Kapital schlagen lässt.“ „Oh ja! Vermutlich!“ lachte Hispo spöttisch auf. „Was hast du ihm gegeben?“ „Bis jetzt gar nichts. Auch ein Grund, ihm erstmal zu glauben, oder?“ Statt zu antworten stülpte sich Hispo nur brummend den Helm wieder über den Kopf. „Und was ist mit diesen Gerüchten?“ fuhr Antias fort. „Die hast du doch auch gehört.“ „Gerüchte..“ Hispo spuckte das Wort heraus wie einen dampfenden Pferdeapfel. „.. die vermehren sich hier schneller als Sackläuse.“ Das war natürlich korrekt. Wenn es irgendeine Brutstätte für Gerüchte aller Art gab, dann die Foren und Märkte Roms. Tief in Gedanken versunken stapften sie weiter. „Meinst du, der Optio nimmt dir diesen Mist ab?“ brach Hispo nach einiger Zeit das Schweigen. Antias hatte keine Ahnung. Aber das ließ sich ja herausfinden. „Das werden wir gleich wissen.“ Mit einem aufmunternden Blick zu Hispo beschleunigte er seine Schritte bis er den Optio fast eingeholt hatte. „Optio? Optio Iunius Avianus!“

  • Große Hoffnungen hegnte er nicht gerade, als er die Straße hinabschritt, während seine Leute hinter ihm hermarschierten. Die Beschreibung der Zeugin war mehr als vage, und auch wenn er sich hier umsah, sah die Lage der ermittelnden Urbaner nicht wirklich vielversprechend aus. Doch zumindest einen Versuch würde er wagen. Avianus trat an den Stand eines Straßenverkäufers, der vor allen Dingen billigen Schmuck und bunte Steinchen auf dem Verkaufstisch liegen hatte. Händler waren immer eine gute Anlaufstelle, bei denen konnte man sich zumindest sicher sein, dass sie hier schon eine Weile herumstanden.
    "Salve, ich bin Optio Cohortes Urbanae. Wir suchen einen Mann, er trug eine östliche Kopfbedeckung, womöglich ein Peregrinus. Er hat eine Art Schatulle gestohlen und soll in diese Richtung geflohen sein. Er wurde verfolgt, vermutlich hatte er es also recht eilig."
    "Tut mir leid, Optio, aber hier laufen ständig Männer mit irgendwelchen Kopfbedeckungen herum...", antwortete der Händler und musterte die Soldaten neugierig, "Aber, wenn ich fragen darf, hat es etwas mit dem Menschenauflauf zu tun, der sich vorhin dort hinten gebildet hat? Ihr seid doch aus der Richtung gekommen, nicht wahr? Meine Frau sagte mir eben erst, da wurde wer abgestochen."
    "Ja. Ein Syrer, er hat dort an seinem Stand Tuniken verkauft", erklärte der Iunius schlicht und erwartete eigentlich nicht, dass ihn dieses Gespräch noch viel weiter brachte.
    "Der Syrer? Den kenne ich! Das hat sicher was mit dieser Iulia zu tun!"
    "Iulia Torquata? Was hat der mit einer Iulia zu tun?", bohrte Avianus weiter nach, als er sich das Gerede der Leute am Tatort wieder ins Gedächtnis rief.
    "Torquata? Keine Ahnung, kann sein. Auf jeden Fall sind da solche Gerüchte, die soll nachts mit einem Soldaten treffen und... alles mögliche erzählt man sich von der!", begann der Händler plötzlich nervös. "Und der Syrer, der hat die zwei doch auch gesehen! Der hat doch letztens mit dem Wirt gegenüber darüber geredet, und der hat mir davon erzählt!"
    "Ist das alles was du weißt?"
    "Das ist alles, aber ich hab nichts damit zu tun, ich schwör's. Jeder weiß doch, mit diesen Iulii legt man sich nicht an! Ich bin doch nicht verrückt!"
    "Gut, danke", sagte Avianus schlicht und ließ den inzwischen etwas panischen Händler wieder an seinem Stand alleine. So langsam bekam er ein ungutes Gefühl. Wenn es hier wirklich um Torquata ging... aber sie würde doch nie... ? Irgendetwas stimmte nicht. Seine Stirn runzelte sich nachdenklich. Und dann war da noch der Tribunus. Er hatte das Gefühl, er sollte sich am besten aus der Sache heraushalten, doch was sich die Leute über Torquata - wenn denn tatsächlich sie gemeint war - erzählten, konnte unmöglich wahr sein, und wenn sich diese Gerüchte noch mehr verbreiteten, würde es für sie mehr als nur unangenehm werden...
    Der Ruf des Tiros riss ihn aus seinen Gedanken, als er weiter die Straße hinunterwanderte. "Ja, Tiro Germanicus Antias?"

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!