[Nahe dem Stadttor]|In der Menschenschlange stadtauswärts …

  • Diffamo … oder, wenn Gerüchte auf Reisen gehen ...


    Es ist ein sonniger Morgen, an einem Tag wie heute, oder wie gestern oder morgen. Ein Tag eben, wie jeder andere auch. Es ist noch früh am Morgen, aber bereits um diese Zeit drängen zahllose Reisende, Bauern und übriges Volk zu den geöffneten Stadttoren herein - oder hinaus - vorbei an den Wachen, wobei die Abfertigung stadtauswärts heute deutlich schneller voranzugehen scheint als auf der linken Seite stadteinwärts. Trotz der allgemeinen Hektik und des Trubels, bleibt eben gerade in jenen Schlangen, die sich an den Stadttoren bilden, Zeit für so manchen Plausch unter den Menschen egal, ob man sich nun kennt oder nicht, denn Namen sind hier ohnehin nicht von Bedeutung. Ein Beispiel:


    Eine Person (sich zu seinem Hintermann umdrehend, und freundlich grüßend. Das Vorankommen stockt gerade etwas - das Stadttor ist noch etwa 500 Fuß entfernt):
    "Salve Bürger! Na wie geht’s? … Führen dich die Geschäfte auch weg von Rom?"


    Eine andere Person (freundlich zurück nickend, aber ein wenig reserviert):
    "Salve Bürger! Danke gut und selbst? … Ja so kann man es nennen. ..Geschäfte eben ..."


    Die erste Person wieder (lächelnd und neugierig los plaudernd):
    "Oh danke, mir geht es ebenfalls gut. … Geschäfte also, aha . So wie bei mir. Ich muss nach Ostia … und du. Wohin führt dich deine Reise?"


    Die zweite Person (herum drucksend und leicht nervös in Richtung Stadttor blickend, das in etwa 350 Fuß Entfernung zu sehen ist):
    "Och nur nach Misenum … zum fischen. Nichts weiter. "


    Die erste Person (überrascht von der Antwort, die Augenbraue hebt und neugierig nach hakt):
    "Zum fischen nach Misenum??? … Mit Verlaub da nimmst du ja eine ganz schön lange Reise in Kauf. Sind denn die Fische dort um so viel besser als vor Ostia?"


    Die zweite Person (abwesend, in seinen Gedanken bereits beim fischen, sich daher vershaspelt):
    "Hmm, pffff. … Naja, das weiß ich nicht, … aber ich reise ja auch nicht nach Misenum , um nach Fischen zu fischen"


    Die erste Person (noch verwunderter und neugieriger nach hakt):
    "Nicht zum Fische fischen? Aber sag, Bürger, wonach sollte man denn sonst fischen, wenn nicht nach Fischen? "


    Die zweite Person (die Erste zuerst irritiert und dann genervt anblickend):
    "Also, weißt du, Bürger, du stellst aber ganz schön viele Fragen. Aber gut, wenn du es unbedingt wissen willst. Es ist eh kein Geheimnis mehr, da halb Rom bereits davon spricht. … Ich will nach Misenum, um dort nach Schätzen zu fischen!"


    Die erste Person (mit großen Augen die Zweite anstarrt, nun hellhörig geworden ist und laut ausruft)
    "Nach Schätzen fischen??? Und halb Rom weiß davon? Aber ...aber ...aber, warum weiß ich dann nicht Bescheid?! ...Nun erzähl aber mal genau, um was für Schätze es sich da handelt?!"


    Eine dritte, vierte und fünfte Person (hinter der Ersten und Zweiten, in der Schlange voran gehend. Das Tor ist nur noch 150 Fuß entfernt):
    "Schatz? Hat da jemand was von einem Schatz gesagt"
    "Ja ich auch sowas vernommen. Angeblich liegt da was vor Misenum, aber so genau hab ich nicht aufgepasst. Außerdem ist es zu laut hier"
    "He ihr Beiden … sprecht gefälligst lauter!!!!"


    Die zweite Person (wütend schnaubt, sich kurz umdreht und dann die Erste am Kragen packt):
    "Na bravo! Bürger, … musst du hier so rum brüllen? Dank dir weiß jetzt bald GANZ Rom von dem Gerücht."


    Die erste Person (hebt beschwichtigend die Arme):
    "Aber bitte, wer wird denn gleich handgreiflich werden. Wenn es doch eh schon halb Rom kennt, das Gerücht, wie du sagst, dann ... dann kannst du es mir doch auch erzählen, oder?"


    Die zweite Person (die Erste wieder loslässt und resignierend die Arme in die Luft hebt):
    "Na gut, na gut … dann hör zu und vergiss es am besten gleich wieder. Man erzählt sich, dass ein Lastensegler, in einer Sturmnacht, vor Misenum, mit Mann, Maus und Ladung gesunken sein soll. Ganz nahe dem Ufer, im seichten Wasser, soll das Schiff liegen und es soll derart viel Reichtümer an Bord gehabt haben, von einem Patrizier so sagt man, dass das Wasser im Licht der Sonne - so weit das Auge reicht - golden glänzen soll."


    Die dritte, vierte und fünfte Person (aus den hinteren Reihen):
    "Hört, hört!"
    "Das Wasser glänzend voller Gold? Und von einem Patrizier soll der unermessliche Reichtum stammen? Das glaub ich nicht. Nur die Götter vermögen derart reich zu sein!"
    "Beim Neptun, das muss ich unbedingt meiner Frau erzählen. … Wir wollten ohnehin schon seit langem einmal nach Misenum, meine Tante besuchen."
    ~~~


    Sie haben ihr Ziel erreicht. Das Stadttor! Mit seinen riesigen Flügeln, weit offen um hindurch zu schreiten und an dieser Stelle war soweit alles Entscheidende gesagt. Die Menschen wurden der Reihe nach durch das Tor geschleust und was anschließend aus der ersten und zweiten, der dritten, vierten und fünften Person wurde, ist nicht bekannt. Doch wer weiß, vielleicht weiß eines weiteren schönen Tages das eine oder andere Gerücht davon zu berichten ...

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