http://s14.directupload.net/images/141030/kt46lzaw.gifMit den ersten morgendlichen Sonnenstrahlen hatte ich die Villa hinter mir gelassen. Hoch zu Ross ritt ich durch die Straßen der Stadt, von denen einige zu dieser allzu frühen Stunde noch recht verwaist wirkten. Auf den Straßen jedoch, die zu den Märkten führten, ging es jedoch schon etwas mehr geschäftiger zu. Händler, Sklaven und Urbaniciani begegneten mir auf meinem Weg zur Via Flaminia.
Die Via Flaminia, so hatte mir einer der flavischen Sklaven erklärt, führte mich von Rom, über den Apennin nach Ariminum. Von dort aus sollte ich immer nach Norden reiten, entlang der Küste des Mare Adriaticum, bis ich Ravenna erreichte. Ich hatte mir ausgerechnet, dass ich etwa drei Tage für diese Strecke brauchte, vorausgesetzt ich kam gut voran. Schließlich hatte ich keine Ahnung, was mich unterwegs erwartete. Natürlich hatte ich meine ganz eigenen Vorstellungen von meiner bevorstehenden Reise. Ich hielt die Via Flaminia für einen schmalen Gebirgspfad, der mich durch eine menschenleere und unberührte Landschaft führte, so wie ich es von zu Hause gewohnt war. Eine Landschaft mit fischreichen Gebirgsbächen und dichte Wälder, in denen es nur so von Wild wimmelte. Ich sah mich bereits, wie ich mir mein eigenes Abendessen erjagte und im Schein des Mondes mein Lager aufschlug. Ich freute mich schon darauf, am Morgen im kühlen Wasser eines Bergsees zu schwimmen, bevor ich wieder weiter, gen Ravenna ritt.
Verständlicherweise hatte ich in der Nacht vor meiner Abreise nur wenig Schlaf gefunden. Dementsprechend fühlte ich mich, als ich zu sehr früher Stunde mein Lager im Schlafraum der Sklaven verließ. Doch ein Guss kalten Wassers über den Kopf sorgte dafür, dass ich richtig wach wurde.
Endlich nun, nachdem ich den Tiber über die Pons Mulvius überquert hatte, warf ich noch einmal einen letzten Blick auf Rom. Mich überfiel ein Gefühl, welches ich lange nicht mehr empfunden hatte. Das Gefühl, frei zu sein, auch wenn dies nur ein einziger Trug war. Denn schließlich gab es einen Auftrag, den ich zu erfüllen hatte und dieser war es auch dann, der mich wieder band und mir meine Sklavenketten wieder vor Augen hielt. Doch wenigstens gönnte ich es mir, den Moment der scheinbaren Freiheit zu genießen.
Ich sog die frische Luft ein und erfreute mich an dem würzigen Duft wilder Kräuter, die am Wegesrand wuchsen. So lange war ich in dieser Stadt gefangen gewesen und hatte täglich ihren stinkigen Atem einatmen müssen. Genau so roch die Freiheit! Was hätte der Flavier denn schon groß unternehmen können, wenn ich jetzt einfach davongelaufen wäre und seinen Auftrag Auftrag hätte sein lassen? Aber ich hatte ihm mein Wort gegeben und offenbar vertraute er mir.
Der Morgen war bereits voran geschritten, als ich, was meine Vorstellungen von der Via Flaminia betraf, eines besseren belehrt wurde. Der vermeintliche Gebirgspfad entpuppte sich sehr schnell als viel befahrene Verkehrsstraße, auf der mir bereits etliche vollbeladene Ochsenkarren entgegen kamen, die auf dem Weg nach Rom waren. Auch mit der dichten Bewaldung lag ich völlig falsch, zumindest was die ersten dreißig, vierzig Meilen der Straße betraf. Zypressen und Pinienbäume, gelegentlich ein Olivenhain. Allerdings fand ich auch später keine wirklich großen Wälder vor. Aber wenigstens säumte ab und an der Tiberis meinen Weg.
Noch kam ich gut voran und trieb mein Pferd an, noch schneller zu laufen. Bis zum Abend wollte ich Carsulae erreicht haben. Dort, so hatte man mir gesagt, gab es eine Mansio, eine Raststätte für Reisende, wo ich auch mein Pferd versorgen konnte. Bis dahin lag aber noch ein langer Weg vor mir. Und ehrlich gesagt, war mir eine Übernachtung im Freien lieber. Noch waren die Nächte nicht zu kalt dafür. Vorrangig aber wollte ich auf die Bedürfnisse meines Pferdes achten, das unmöglich stundenlang dieses Tempo beibehalten konnte. Ich musste also für ausreichend viele Pausen sorgen, wenn ich das Tier auch wieder lebend zurückbringen wollte. Doch noch schien Sirius gut bei Kräften zu sein und das wollte ich für mich nutzen.
Ich war wohl schon einige Stunden unterwegs, als ich zum ersten Mal stoppte. Das Pferd ließ ich grasen, während ich mir ein Stück der lukanischen Wurst abschnitt, die ich in meinem Proviant dabei hatte. Vorbeiziehende Reisende glotzten mich verwundert an. Wahrscheinlich hatten sie vorher noch nie einen Mann gesehen, der im Gras saß und Wurst kaute und dazu gelegentlich aus einen Schluck Posca aus einem Trinkschlauch trank.
http://s14.directupload.net/images/141030/6kpm5uw5.gif Ein weiteres Mal querte ich den Tiber bis ich dann Ocriculum erreicht hatte. Die Sonne hatte längst ihren Zenit überschritten. Es war bereits Nachmittag. Bisher hatte ich Glück gehabt mit meiner Reise. Dem Pferd, das zwar schon etwas müde wirkte, ging es noch verhältnismäßig gut. Die Landschaft gefiel mir gut. Sie war ganz anders, als ich es bisher gewohnt war. Die Stadt, auf einem Hügel erbaut, war ein weiterer Handelsposten auf der Via Flaminia. Aber ich hielt mich nicht lange auf, sondern ritt weiter nach Narni, überquerte dort den Nera, einen Zufluss des Tibers und erreichte ein paar Stunden später, gerade noch rechtzeitig bevor die Sonne unterging, Carsulae. Hier nun suchte ich jenes Mansio auf, denn mir erschien es doch sinnvoller dort an einem sicheren Platz für die Nacht unterzukommen und mein Pferd versorgen zu lassen. Carsulae verfügte wie jede größere Stadt über ein Bad, ein Amphitheater, Tempel und sogar ein Theater. Allerdings war ich viel zu müde, um mir die Stadt am Abend noch anzuschauen.
Der nächste Morgen begann wieder sehr früh. Sobald es hell wurde, verließ ich Carsulae. Auf mich und mein Pferd wartete wohl der anstrengendste Teil meiner Reise - die Überquerung des Apenninen Hauptgrades. Stetig bergauf ging es über Mevania und Forum Flaminii bis Nuceria. Dort gönnte ich mir und meinem Pferd eine weitere Pause. Ich hatte nur wenig Zeit, mich an der herrlichen Landschaft zu erfreuen. Mein Weg ging weiter auf der vielbereisten Strecke. Selbst auf der Passhöhe, wo sich ein Heiligtum des Iupiter Apenninus befand, traf ich geschäftiges Leben an.
http://s14.directupload.net/images/141030/q495cnc4.gif Von hier aus ging die Straße wieder hinunter nach Cales, weiter über den Intercisa-Pass und den Furlo-Pass. Sehr beeindruckend fand ich den Tunnel, den ich dort vorfand und durch den ich natürlich auch hindurch ritt. Vor wenigen Jahrzehnten hatte ausgerechnet ein flavischer Kaiser hier diesen Tunnel durch den Berg treiben lassen. Am Abend erreichte ich endlich Forum Sempronii. Ich war dankbar dafür, dort noch eine Unterkunft gefunden zu haben. Ein warmes Essen und ein Bett. Mehr brauchte ich nicht.
Am dritten Tag fiel es mir schon erheblich schwerer, am frühen Morgen aufzustehen. Ein Bad im kalten Wasser aber sorgte dafür, dass ich blitzschnell wach wurde. Ich tröstete mich damit, am Abend in Ravenna zu sein. Auch wenn ich müde war, so beflügelte mich doch die Erwartung, bald das Meer zu sehen.
Zwei, drei Stunden später war es dann endlich soweit. In Fanum Fortunae erreichte ich endlich das Mare Adriaticum. Nun war ich mir gewiss, das Schlimmste überstanden zu haben. Von dort aus führte mich mein Weg nach Pisaurum und Ariminum bis ich endlich am frühen Abend die Gegend um Ravenna erreichte. Von einem flavischen Sklaven wusste ich, dass sich das Anwesen des Flavius Aetius außerhalb der Stadt auf einem Hügel befand. Eine weiße pompöse Villa rustica, hatte er gesagt, umgeben von weitläufigen Ländereien.
Ich musste mich einfach nur durchfragen, sagte ich mir. Doch es erwies sich als recht schwierig. Das Gebiet um Ravenna war recht weitläufig. Als ich fast schon aufgeben wollte, traf ich einen Bauer, der mir schließlich den Weg beschreiben konnte.
Vorbei an üppigen Obstgarten und riesigen Olivenhainen, in denen um diese Zeit noch immer Sklaven schufteten, erreichte ich endlich die Villa.