[TRICLINIUM] | Familienangelegenheiten

  • Es waren nun einige Tage vergangen in denen sich so vieles ereignet hatte. Fast schon unheimlich, wenn man bedachte, dass die junge Quintilia sonst ein eher ruhigeres und bescheideneres Leben führte. Man konnte regelrecht davon sprechen, dass es in den letzten Tagen stressig war. Wenngleich aber auch ein angenehmer Stress dabei war. Sie hatte nicht nur Varus wiedergefunden, nein sie war auch bei ihm eingeladen gewesen wo er bereits zum ersten Mal ein Angebot gemacht hatte und beim Leichenzug des Kaisers hatte er sie erneut etwas gefragt, was sie aber dazu brachte heute ihre Liebsten zusammen zu berufen und mit ihnen zu reden.


    So hatte sie also das Triclinium gewählt und es sich bereits auf einer der Liegen bequem gemacht. Der schöne Blumenstrauß, den sie von Serapio geschenkt bekommen hatte, der stand auf dem kleinen Beistelltisch. Schade, dass etwas so schönes mit etwas so hässlichem verbunden werden musste. Aber auch darüber wollte sie mit ihrer Familie reden. Sie gehörten zusammen also konnte jedem alles passieren. Es war nochmal gut gegangen und doch wollte Valentina es auf kein zweites Mal ankommen lassen. Noch ein Grund warum sie eine starke Verbindung brauchten und vielleicht hatte sie diese ja in Varus gefunden.


    Die Hausherrin hatte sich sogar die Mühe gemacht ein paar kleine Häppchen zuzubereiten und auf dem Tisch standen bereits drei gefüllte Becher mit verdünntem Wein. Ihren eigenen hielt sie bereits in den Händen und betrachtete sich den Inhalt, während sie auf das Eintreffen der restlichen Familie wartete.

  • Sila freute sich, endlich kamen sie wieder mal dazu, sich zusammenzusetzen. Sie kam also frisch aufgehübscht im Triclinium an. Ja sie sah schon fast aus wie eine junge Frau, auf jeden Fall war sie weiter davon entfernt ein Mädchen zu sein, denn eine Frau. Ja schon bald würde man für sie wohl nach einem geeigneten Heiratskandidaten schauen müssen. Aber noch war ja etwas Zeit.
    Sila ging lächelnd zu ihre Tante und warf einen Blick auf die kleinen, wirklich verdammt lecker aussehenden Häppchen.“Salve Tante, Oh haben wir was zu feiern?“ fragte sie mit einem Lächeln.

  • Pina trat aus ihrem Zimmer und sah gerade noch ihrer Schwester wie sie umgezogen und zurechtgemacht in Richtung Triclinium verschwand. Seufzend murmelte sie. “Auch das noch“, um gleich kehrt in ihr Zimmer zu machen. Nachdem wie Sila aussah musste sie sich noch umziehen und zurechtmachen. Dann müssen sieben noch etwas auf mich warten, immer solch ein Zirkus.
    Fertig umgezogen, kurz durch die Haare gefahren, kam sie dann auch etwas später an. „Tschuldigt bitte, ich musste mich ja schließlich noch umziehen“, kam kurz mit einem etwas vorwurfsvollen Blick in Richtung Sila. „ Achso, ja Salve ihr beiden, was gibt es denn heute besonderes?“ Bei dem Anblick der Häppchen verbesserte sich ihre Laune schlagartig. „Das schaut aber sehr lecker aus, bestimmt liegt etwas besonders an.

  • Als ihre beiden Nichten den Raum betraten, richtete Valentina sich etwas auf und betrachtete sich die Beiden. Sie waren nun schon eine Weile bei ihr und sie hatten sich prächtig entwickelt. Sie waren zwei wunderschöne, junge Frauen und wie sie sich die Zwei so ansah, wurde es ihr ein bisschen leichter, den Beiden ihre Entscheidung mitzuteilen.
    Sie hatte auch nach Reweel schicken lassen, doch dieser schien noch mit seinen Arbeiten beschäftigt zu sein. Nun, er würde früh genug erfahren, was der Familie bevorstand.
    „Danke, dass ihr zwei gekommen seid, ihr habt euch wirklich hübsch gemacht, Ihr seid bereits richtige Frauen geworden. Bitte, setzt euch.“
    Sie deutete auf die Klinen und fuhr dann fort.
    „Ohne lange Umschweife möchte ich euch gleich erzählen warum ich euch hergebeten habe. Es ist, weil ich eine Entscheidung getroffen habe. Ihr beide wart zugegen, als mir Tiberius Helvetius Varus einen Heiratsantrag gemacht hat.“
    Valentina hielt kurz inne und atmete tief durch.
    „Bitte denkt nicht schlecht von mir, ich empfinde wirklich etwas für diesen Mann. Er ist ehrenwert und liebevoll. Er war für mich da als ich es dringendsten gebraucht habe. Und doch hat mich etwas davon abgehalten, ihm sofort mein Wort zu geben. Und zwar war dies die Freundschaft zu Faustus Decimus Serapio. Irgendein kindischer Teil in mir hatte wohl auf etwas gehofft von dem ich nicht glaubte, dass es passieren würde und deswegen habe ich gezögert. Nun weiß ich, dass es die Götter waren, die mich haben zögern lassen. Und das alles aus einem guten Grund. Besagter Freund nämlich hat mir auf dem Minervafest ebenfalls einen Antrag gemacht.“


    Valentina langte neben sich auf einen kleinen Beistelltisch und nahm das Schmuckkästchen auf welches dort stand, klappte sie auf und reichte sie an die Nichte weiter, die ihr am nächsten saß, sodass die Beiden den darin befindlichen Ring betrachten konnten.
    Sie lies den beiden einen Moment Zeit, dann fuhr sie fort.
    „Gerade sind zwei Boten unterwegs. Einer ist auf dem Weg zum Varus, der Andere zu Serapio. Der Bote, der auf dem Weg zu Serapio unterwegs ist, wird diesem mitteilen, dass ich seinen Antrag annehmen werde. Denn obwohl meine Gefühle für Varus immer noch da sind und ich diese nicht leugnen kann und will, so ist Serapio dennoch für uns alle eindeutig die bessere Partie. So unromantisch sich das anhört, aber ich muss nicht nur an mich denken sondern auch an euch. Wir haben kein Geld, kein Ansehen und nicht mal einen Patron, der in der Nähe ist. Mein Cousin weilt schon so lange ein Mogontiacum. Wir müssen zusehen, dass der Name Quintilia nicht in Vergessenheit gerät und deswegen habe ich mich so entschieden.“

  • Seitdem dieser Praetorianer hier gewesen war und Pina allerlei Dinge gefragt hatte, war erst ein Tag vergangen. Nachdem diese unangenehme Person das Haus verlassen hatte, hatte Valentina sich zurück gezogen. Sie musste nachdenken wie sie zukünftig mit den beiden Mädchen umging. Scheinbar war sie nicht streng genug gewesen. Viel zu nachlässig in ihrem Umgang und der Erziehung in dieser großen Stadt klar zu kommen. Kurz gesagt, Valentina hatte das Gefühl vollkommen versagt zu haben und Angst, dass sich das nun schrecklich rächen würde. Sie selber war wohl das beste Beispiel war sie in ihrem Alter immer noch nicht verheiratet und ob ihre zaghaften Versuche mit einem weiteren Mitglied der hoch angesehenen Familie der Decima in näheren Kontakt zu treten, waren bisher auch noch nichts anderes als eben zaghaft gewesen.
    Nun saß sie gedankenverloren im Clinium auf einer der Liegen und nippte hin und wieder von ihrem verdünnten Wein. Ihr Blick war in die Ferne gerichtet und ihre Gedanken kreisten darum, was sie in Zukunft tun sollte um diese Familie nicht gänzlich in den Ruin zu treiben.

  • Es war für Canus durchaus merkwürdig nach all den Jahren wieder in Roma zu sein, viel merkwürdiger fühlte es sich aber an wieder zu seiner Familie zurückzukehren. Es war gleichermaßen ein merkwürdiges Gefühl wie viel sich in der Casa verändert hatte, wie viel wiederum aber auch nicht... vor allem der ältere, zungenlose Sklave war ihm neu, doch er schien die nötigen Manieren zu haben und seinen Preis wert gewesen zu sein. Canus freute sich, dass seine Schwester Valentina wohl zugegen war, andererseits verspürte er auch ein wenig Angst und Nervosität bei dem Gedanken, sie nach all der langen Zeit auf einmal wieder zu sehen. Dabei war ihm gar nicht bewusst, welche Probleme hier derzeit vorherrschten... doch das wäre für ihn gerade auch einigermaßen nebensächlich gewesen.


    So ließ er sich von dem Sklaven zu seiner Schwester führen, welche gerade scheinbar in Gedanken war und dabei ein wenig Wein genoss. Mit ernstem Blick sah Canus den Sklaven an, nickte diesem zu um ihm zu signalisieren, dass er sich nicht weiter bemerkbar machen musste und auch nicht mehr gebraucht wurde. Anschließend legte sich sein Blick wieder auf seine Schwester und er atmete tief durch, trat schließlich noch ein paar Schritt näher, doch behielt eine gewisse respektvolle Distanz bei. Schließlich hatte er absolut keine Ahnung, wie sie nach seiner langen Abwesenheit auf ihn reagieren würde. „Valentina,“ sagte er schließlich mit fester Stimme, wenngleich seine Gefühlslage nicht wirklich dermaßen fest war, um sie auf sich aufmerksam zu machen.


    Er versuchte irgendwie ein leichtes Lächeln aufzusetzen, bemerkte dabei aber nicht dass dieser Versuch eher weniger von Erfolg gekrönt war. „Es... ist lange her, ich wünschte meine Abwesenheit wäre nicht dermaßen lange gewesen,“ fügte Canus schließlich hinzu und blickte sie an. Seine Nervosität stieg, er wusste nicht wie sie reagieren würde und irgendwie... ja irgendwie hatte er auch leichte Angst davor. Doch so oder so würde er es über sich ergehen lassen, das war er seiner Familie, seiner jüngeren Schwester irgendwo schuldig. Würde sie ihm Vorwürfe machen? Er wusste es nicht, doch er hätte vollstes Verständnis dafür gehabt. Aber trotz all dieser Unsicherheiten war er froh, Valentina endlich wiedersehen zu können und das war ihm auch irgendwo anzusehen.

  • Unbewusst hörte Valentina zwar die Schritte, die sich näherten doch sie gab nicht all zu viel darauf. Schließlich lebte sie hier nicht alleine. Als sie jedoch eine männliche Stimme hörte die ihr im ersten Moment vollkommen fremd erschien, fuhr sie auf ihrer Liege herum und starrte den hochgewachsenen Mann erschrocken an. Wie kam er hier rein? War er gefährlich und warum kannte er ihren Namen? All diese Fragen schossen der jungen Quintilia durch den Kopf. Aber dann, bei einem zweiten Blick und als der Mann weitersprach, kamen Zweifel ob Valentina den Mann wirklich nicht kannte. Sie kniff die Augen zusammen und stand langsam auf. Den Kopf etwas zur Seite gelegt, kam sie langsam und vorsichtig näher.
    Das Lächeln kam ihr bekannt vor, auch wenn es momentan etwas unpassend wirkte. Es waren auch diese Augen, die sie wiedererkannte. Und dann fiel es ihr wieder ein. Erschrocken blieb sie stehen. "Canus?" Fragte sie zweifelnd, denn sie hatte gerade das Gefühl einem Geist gegenüber zu stehen. Seit er damals vor so langer Zeit die Familie verlassen hatte, hatte niemand mehr über ihn gesprochen und irgendwann glaubte Valentina, dass er sie verlassen hatte. Genau wie jeder andere ihrer Brüder.


    Doch er stand nun vor ihr, lebendig und alles andere als abwesend. Noch einen Moment blieb sie so stehen wie sie war, dann aber warf sie sich mit wenigen Schritten um den Hals des großen Bruders. Tränen liefen über ihre Wangen und die Umarmung die der Bruder bekam war erstaunlich fest für ihre zierliche Statur. "Canus!" Weinte sie erneut. "Ich bin so froh, das du wieder hier bist. Wo warst du so lange? Warum hast du mich so lange alleine gelassen? Ich hätte dich hier so dringend gebraucht." Obwohl es Vorwürfe waren, hielt Valentina ihren Bruder ganz fest, fast so als wollte sie ihn nie wieder loslassen.

  • Ja, Canus hatte Angst vor diesem Moment und er war nicht gerade der Typ Mensch, der vor vielen Dingen Angst hatte oder sich ständig um alle möglichen Dinge unnötige Sorgen machte. Doch das hier war etwas ganz anderes, es ging um seine Familie – etwas, was ihm trotz allem verdammt wichtig war. So war er mit etwas Abstand zu seiner Schwester stehen geblieben und er war gespannt, wie sie auf seine Stimme, seine Worte reagieren würde. In dieser Situation rechnete er tatsächlich mit dem Schlimmsten, war nervös, auch wenn er versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, sondern dies mit einem leichten Lächeln auf seinen Lippen zu überspielen. Sie hatte sich verändert, natürlich, es war eine lange Zeit gewesen, doch der Sklave hatte ihn schließlich zu ihr geführt und so brauchte er nicht lange, um sie wieder zu erkennen. Ihr erging es jedoch etwas anders, sie schien sich zunächst zu fragen, wer der Mann war, der hier nun vor ihr stand – doch verübeln konnte er es ihr nicht.


    Als sie seinen Namen sagte, lief Canus ein leichter Schauer über seinen Rücken und er nickte langsam, in diesem Moment nicht sofort fähig etwas zu sagen. Die Reaktion, die dann von Valentina folgte, hätte er jedoch nicht erwartet. Nicht weil sie ein schlechter Mensch war, viel mehr aber weil es auf ihn zutraf und er alle Verachtung der Welt von ihr verdient hätte. Doch... Valentina war einfach nicht so ein Mensch. Er war überrascht, als sie ihm um den Hals fiel und erstaunlich fest an sich drückte. An ihrer Stimme war deutlich hörbar dass sie weinte, auch spürte er etwas feuchtes auf seiner Haut an seinem Hals. Canus schloss für einen Moment die Augen um selbst seine Tränen zu unterdrücken, doch seine Augen wurden merklich feucht, auch wenn er es nicht wollte – er hasste es vor anderen Menschen. Aber dieses Wiedersehen, Valentinas Gefühlsausbruch... es rührte ihn einfach zu sehr, wühlte ihn innerlich auf.


    Er legte seine Arme um seine jüngere, kleinere Schwester und erwiderte den Druck, atmete tief durch und öffnete seine Augen wieder. „Verzeih mir Valentina... bitte, verzeih mir. Ich war dumm dich hier alleine zu lassen, dich im Stich zu lassen. Ich weiß dass ich für dich hätte da sein, für dich hätte bleiben sollen, trotz allem was passiert ist. Ich... war irgendwann an einem Punkt, an dem ich mich zu sehr geschämt habe wieder zu kommen, zu viele Schuldgefühle hatte gegangen zu sein,“ versuchte Canus sein Handeln irgendwie zu erklären. „Aber... ich wollte dich nicht weiter im Stich lassen. Ich weiß dass ich mich allem stellen muss. Aber das ist es wert, solange ich dich wieder in meiner Nähe weiß, solange wir wieder füreinander da sein können.“ Tief atmete er wieder durch, es war nicht leicht für ihn eigene Fehler einzugestehen, all dies zu sagen fiel ihm verdammt schwer. „Ich werde dich nie wieder im Stich lassen, kleine Schwester, nie wieder, ob du es willst oder nicht,“ sagte er dann mit deutlich leiserer Stimme und legte seine rechte Hand vorsichtig an ihren Hinterkopf, um sanft über ihr Haar zu streicheln. Dabei spürte er, wie auch ihm schließlich die ein oder andere Träne über die Wange lief. Er hatte so eine große Angst vor diesem Moment gehabt, eine derartige Angst, die ihn so lange davon abgehalten hatte, zurück zu kehren – bis heute.

  • Er roch so ganz anders als sie ihn in Erinnerung hatte. Als Valentina so nahe bei ihrem Bruder stand, versuchte sie sich zu erinnern. Sie hatte vergessen wie es damals war, wenn er sie in den Arm genommen hatte. Gut, zugegeben das war nicht all zu oft vorgekommen. Viele hundert Jahre später, würden die Kinder sagen, das war einfach nicht cool. Damals gab es das Wort noch nicht aber die Empfindungen waren die Gleichen. Der ältere Bruder musste einen nicht in den Arm nehmen. Jetzt und hier aber wünschte sich Valentina, dass Canus sie nie wieder loslassen sollte. Sie hatte fast alles vergessen was mit ihm in Verbindung war. Zu lange war er weg gewesen und sie war damals noch so jung gewesen. Doch er war und blieb ihr Bruder und gerade jetzt in diesen schweren Zeiten brauchte sie einen starken Mann an ihrer Seite.


    Lange hielt sie ihn im Arm, konnte zuerst nicht glauben, dass er wirklich da war oder ob sie sich das nur einbildete. Jetzt, da sie so dringend jemanden brauchte. Doch die Einbildung blieb und er begann zu erzählen. Nach einer ganzen Weile, löste sich Valentina von ihrem Bruder, wischte sich mit dem Handrücken über die nassen Augen und blickte zu ihm auf. Er war so erwachsen geworden, wirkte so stark und es schien als könnte ihm nichts und niemand etwas anhaben. Genau das was die Casa Quintilia so dringend brauchte.
    Eine ganze Weile schwieg die junge Quintilia und betrachtete ihren Bruder. Ganz so als müsste sie sich alles neu einprägen.


    "Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht mehr was damals war." Schluchzte sie nach einer Weile. "Du bist gegangen und niemand hat mehr darüber gesprochen. Alle sind meinen Fragen ausgewichen und irgendwann warst du nicht mehr als eine Erinnerung. Eine Erinnerung die mit jedem Jahr ein bisschen mehr verblasste." Meinte sie dann leise und sah wieder zu Canus auf. "Schön, dass du wieder da bist. Du kommst genau richtig." Und obwohl sie ihn weiterhin anlächelte, konnte man an ihrem Blick sehen, dass sie hinter dem Lächeln eine tiefe Traurigkeit versteckte.

  • Canus erging es genau wie seiner jüngeren Schwester. Als er die Familie in Roma verlassen hatte, war es ihm eher peinlich seine Schwester in den Arm zu nehmen. Aber jetzt? Jetzt wollte er Valentina am besten einfach nicht mehr los lassen, ihr zeigen dass er ab jetzt immer für sie da sein und auch bleiben würde. Er wollte ihr in diesem Punkt Sicherheit geben, ihr zur Seite stehen und er hoffte inständig dass sie dieses annehmen und ihn nicht vielleicht doch aus Wut und Trauer über seinen Weggang beiseite stoßen würde - was Canus aber absolut hätte nachvollziehen können.


    Nach einer gefühlten Ewigkeit löste sie sich jedoch von ihm und wischte ihre Tränen beiseite, was er ihr dann gleichtat. Tief atmete er durch, am liebsten hätte er sie doch nie los gelassen und er erwiderte ihren Blick, sah sie an. Es war merkwürdig für ihn diese Gefühle rauszulassen... aber er konnte sie nicht zurückhalten, nicht wenn es um Valentina ging. Schließlich aber begann sie zu sprechen und er atmete wieder durch, lauschte in Ruhe ihren Worten, ehe er antwortete: "Es... es war damals einfach alles schwierig. Ich... ich war kein Musterknabe und nachdem unsere Eltern... ich.. ich habe das nicht verkraften können, habe immer nur für Streit in der restlichen Familie gesorgt," erwiderte er zunächst, um ihre Erinnerung ein wenig zu wecken... auch wenn es ihm wehtat. Dann aber hob er seine Augenbrauen etwas, legte kurz eine Hand an ihre Wange und strich mit seinem Daumen über diese, ehe er sie quälend langsam wieder losließ. "Wieso genau richtig, kleine Schwester? Was ist hier vorgefallen, was beschäftigt dich?" fragte Canus anschließend und blickte Valentina besorgt an. Er hoffte nur, dass er ihr tatsächlich eine Hilfe und Stütze sein konnte.

  • Sie genoss seine Berührung und als er seine Hand an ihre Wange legte, neigte sie den Kopf entgegen. "Das mit der nicht mustergültigen Kind hat dann wohl auf mich abgefärbt." Meinte sie zwar im Scherz, doch es war nicht lustig. "Bald nachdem du weggegangen bist, waren wir alleine und Valerian hat mich mehr oder weniger mit aufgezogen. Leider habe ich ihm das dann später nicht sonderlich gedankt, denn ich habe mich in einen Mann verliebt, den er nicht für gut genug für mich hielt." Sie hielt inne und atmete tief durch. Es war nicht leicht all ihre Verfehlungen und Vergehen der Vergangenheit zu erzählen. Doch Canus musste es wissen.
    "Damals habe ich wegen diesem Mann mit Valerian gebrochen und habe die Familie verlassen. Doch die Götter hatten einen anderen Weg für mich vorhergesehen. Ich verlor die Liebe zu diesem Mann wie zu den zweien die auf ihn folgen sollten. Nach diesen schweren Verlusten hatte ich keinen Lebenswillen mehr und ich stieg auf ein Schiff nach Ägypten. Ich dachte in der Ferne wäre es schöner, doch ich saß die ganze Zeit in einem abgedunkelten Zimmer und wollte nicht mehr sein." Sie schloss die Augen und eine einzelne Träne rann ihre Wange hinab.


    "Es dauerte lange bis ich wieder meinen Weg zurück nach Rom fand. Damals machte sich Valerian, mit dem ich mich nie ganz versöhnen konnte, gerade auf den Weg nach Mogontiacum mit seiner Frau. Er sollte dort nie ankommen. Ich habe nie erfahren was mit ihm geschehen ist."
    Sie sah zu Canus auf.
    "Mittlerweile war ich zweimal verlobt, beide Männer haben die Verlobung aufgelöst und ich stehe mit leeren Händen vor dir. Wir haben kaum Geld und meine... unsere Nichten wohnen seit einiger Zeit bei mir und ich versuche mein bestes ihnen ein gutes, ein besseres Leben zu bieten, doch ich bin darin nicht sonderlich gut. Ich habe keinen Mann, kein Ansehen und versuche unsere Casa mitsamt unserem Namen aufrecht zu halten." Sie stockte kurz und sah ihrem Bruder dann in die Augen. "Bitte denke nicht schlecht von mir, ich habe es wirklich versucht, doch bisher hatten die Götter in mir wohl noch nicht die Ehefrau gesehen die ich eigentlich sein sollte."

  • Was hatte die Tante da gesagt? Meine unsere Nichten. Überhaupt wer war das mit dem die Tante da sprach, hatte sie doch gedacht es wäre wieder einer der Prätorianer. All das wirbelte durch Pinas Kopf, als sie stehen blieb und versuchte an der Stimme zu erkennen wer der Besucher war. Eindeutig nein, die Stimme war ihr unbekannt. Aber wer mochte er sein? Tantchen schien ja sehr vertraut mit ihm zu sein. Leider hatte sie bis auf das Letzte was sie gesagt hatte nicht mehr mitbekommen und bei den Göttern, zu lauschen hatte sie nicht vorgehabt. Doch so vieles war passiert was ihre Tante traurig gemacht hatte und sie wollte nicht, dass irgendwer sie schon wieder verletzte.
    Pina gab sich einen Ruck, ging weiter und trat dann zum Triclinium ein. Sie wollte ja nicht unhöflich sein, dennoch konnte sie nicht anders und starrte den Fremden an. Er kam ihr irgendwie bekannt vor.

  • Canus bemerkte nur zu deutlich dass seine Schwester die Berührungen wohl genoss und auch wenn er es in jüngeren Jahren wohl nie zugegeben, nie gedacht hätte, so genoss auch er ihre Nähe... vor allem nach all der Zeit. Er wollte endlich wieder für sie da sein, ihr Kraft geben und sie schien dies auch bitter nötig zu haben. In Ruhe ließ der Quintilier seine Schwester ihre Geschichte erzählen und als eine einsame Träne ihre Wange hinablief, strich er diese mit seiner Hand vorsichtig beiseite, hörte ihr weiter zu und allein an seinem Gesicht konnte man erkennen wie sehr auch ihn all dies traf. Allein die Nachricht, dass Valerian wohl verschollen schien... was wohl noch die günstigere aller Möglichkeiten war, verstimmte Canus sichtlich. Auch der aktuelle Stand um die Gens schien tatsächlich sehr besorgniserregend und allerlei Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Tief atmete er durch, erwiderte den Blick seiner Schwester.


    "Ich... natürlich denke ich nicht schlecht von dir, Valentina," erwiderte Canus zunächst leise. "Es... es ist doch nicht deine Schuld, mach dir darum jetzt bitte keine Gedanken, ja?" versuchte er sie ein wenig zu beruhigen und nahm sie wieder für einen Moment in den Arm, drückte sie fest an sich, ehe er sich nach einer kleinen, gefühlten Ewigkeit wieder von ihr löste und seine Hände auf ihrer Hüfte liegen blieben. "Unsere ganze Familie hat eine Menge Schicksalsschläge durchmachen müssen... jeder einzelne von uns. Und ich habe sicherlich nicht gerade etwas positives zu dieser Situation beigetragen, jedenfalls bisher nicht. Du müsstest diejenige sein, die sauer auf mich sein müsste. Aber sag, Valerian... gibt es wirklich keinen Anhaltspunkt?" Canus schien tatsächlich davon getroffen, damit hätte er nach seiner Rückkehr hierher absolut nicht gerechnet. "Wenn ich doch nur gewusst hätte was du hier durchmachen musst, ich wäre schon viel früher zurück gekehrt. Es tut mir leid, Schwester. Ich... ich will dir, der Familie, so gut helfen wie ich nur kann, das schwöre ich bei den Göttern," fügte er leise, sichtlich beschämt hinzu und er senkte kurz seinen Blick.


    Schließlich aber erregte eine Bewegung in seinem Augenwinkel seine Aufmerksamkeit und er blickte auf. Canus erkannte eine ihm fremde Frau, einigermaßen fremd jedenfalls. Sein Gefühl sagte ihm, dass er sie irgendwie kennen müsste, dass sie irgendwie mit der Umgebung hier vertraut schien. Doch er wusste absolut nicht wer sie war, in welchem Verhältnis sie zu ihm stand und vor allem was sie hier gerade tat. Es war nicht so, dass er misstrauisch war - viel mehr neugierig. Fragend blickte er Valentina an, deutete mit einem kurzen Nicken in die Richtung der jungen Frau - zu getroffen war er noch von der ganzen Situation, als dass er die junge Frau vernünftig hätte begrüßen können.

  • Obwohl die Neuigkeiten die sie zu berichten hatte nicht gut waren, tat es dennoch gut sie endlich mal auszusprechen, sie jemandem anzuvertrauen, der sie nicht verurteilte und der ihr vielleicht sogar helfen konnte. In letzter Zeit hatte Valentina von mehreren Seiten Hilfe angeboten bekommen. Teilweise sogar von sehr hoher Seite aber keiner von denen war so eng vertraut mit ihr wie ihr eigener Bruder. Leider, auch wenn Valentina sich erhoffte mit dem ein oder anderen, der ihr die Hilfe angeboten hatte in engeren Kontakt kommen konnte. Doch leider war ihr das bisher nicht gelungen und so war es einfach so schön ihren Bruder wieder bei sich zu haben. Ein Mann, der sie nicht einfach so wieder verlassen würde, wie es ihr schon so oft geschehen ist. So genoss sie die weitere Umarmung umso mehr und drückte Canus an sich. Er verurteilte sie nicht, obwohl sie es noch nicht geschafft hatte einen Mann an sich zu binden, der für sie und ihre Familie sorgen konnte. Sie legte ihren Kopf an seine Schulter und schon kam es ihr vor als wäre die Last, die auf ihren Schultern lag, nicht mehr so schwer. Lautlos flüsterte sie ein Danke, das nur für ihren Bruder hörbar war.


    Als sie sich wieder von einander gelöst hatten und sich Canus noch einmal nach Valerian erkundigte, schüttelte Valentina den Kopf und wischte sich vorsichtig mit dem Handrücken die Tränen weg. Darauf bedacht die schwarzen Bleistriche um ihre Augen nicht zu verwischen. "Du bist jetzt hier, das ist alles was zählt." Sah sie auf und schenkte Canus ein Lächeln.
    Fast zeitgleich mit Canus bemerkte auch sie Pina und sofort straffte sie sich wieder ein bisschen. Vor der Nichte wollte Valentina stark wirken. So wie sie es ihr immer vormachte, dass Frauen das sein mussten. "Pina..." Begrüßte sie ihre Nichte und deutete ihr näher zu kommen. An Canus gewandt meinte sie erklärend. "Das ist deine Nichte Pina." An Pina gewandt meinte sie. "Pina, das ist Titus Quintilius Canus. Mein Bruder."

  • „Entschuldigung, ich ...ich wollte nicht neugierig oder aufdringlich erscheinen“, stotterte Pina verlegen herum. „doch ich hörte eine Männerstimme und dachte es wäre einer von den... du weißt schon. Doch wieso Nichte und Onkel? Ich dachte wir drei sind alleine?“
    Stirnrunzelnd betrachte Pina ihren Onkel.
    Wo war er gewesen, wieso hatte er ihr Tantchen alleine gelassen? Hatte er ihre Liebenswürdigkeit und Gutmütigkeit ausgenutzt? Wie konnte man nur als Mann so verantwortungslos sein. Sie hatte die Allmacht wollten alles können, besser können, bestimmen und dann lies er sie alleine.
    Einen nicht gerade freundlicher Blick warf sie ihrem Onkel zu. Seit den Spielen hatten Männer in Pinas Augen ihren Stellenwert fast gänzlich verloren und jetzt das noch. Das zeigte ihr doch, dass sie mit ihrer Meinung richtig gelegen hatte.

  • Nein, Canus hätte seine Schwester niemals für das verurteilt, was sie ihm gerade erzählt hatte. Niemals hätte er ihr vorgeworfen noch keinen Mann für's Leben gefunden zu haben, niemals hätte er ihr die schlechte Situation der Familie vorgeworfen, für sie die sicher nichts konnte - gegen welche sie viel mehr mit aller Kraft anzukämpfen versuchte. Er kannte seine Schwester, auch wenn sie sich lange nicht gesehen hatten und er war sich absolut sicher, dass sie ihr bestes tat und das erst zuletzt für sich selbst.


    Kurz nickte er auf ihre Worte hin und versuchte ihr Lächeln zu erwidern, was jedoch nach all den schlechten Nachrichten eher gequält als alles andere wirkte. "Ja, das ist alles was zählt," kam es leise über seine Lippen und er hatte inständig gehofft, dass es Valentina besser ergangen war.


    Doch ihm war schließlich die Frau aufgefallen, die sich noch als seine Nichte herausstellen sollte. Für eine Sklavin, irgendeine Bedienstete, schien sie allerdings viel zu neugierig und glücklicherweise klärte seine Schwester die Situation auch gleich auf. Er lauschte zunächst den Worten von Pina, deren Namen Canus gerade durch seine Schwester erfahren hatte, und musterte sie für einen Moment. Ein leichtes Lächeln lag dabei auf seinen Lippen, er wollte einen einigermaßen vernünftigen Eindruck machen und durch die Worte seiner Nichte erkannte er, dass es wohl wirklich schlecht um die Familie stand, wenn Valentina mit ihren beiden Nichten alleine über die Runden hatte kommen müssen.


    "Jetzt nicht mehr," erwiderte Canus auf die Worte seiner Nichte hin als diese meinte dass sie dachte, dass sie allein zu dritt hier in Roma gewesen wären. Dabei wusste er gar nicht um all die negativen, misstrauischen Gedanken seiner Nichte, die er ansonsten beiseite zu wischen versucht hätte. "Ich... weiß nicht was Valentina dir alles erzählt hat, aber ich bin nun wieder da um sie endlich wieder zu unterstützen. Hätte ich gewusst, wie es um die Familie steht, wäre ich wesentlich früher wiedergekommen," versuchte er sich gleich zu rechtfertigen, denn dass es schlecht um die Quintilier stand war sicherlich auch seiner Nichte bewusst. Langsam richtete er seinen Blick wieder auf seine Schwester und blickte ihr in die Augen. "Haben wir etwas Wein?" fragte er leise, denn den konnte er gerade tatsächlich ein wenig gebrauchen. All diese Eindrücke, dazu gleich die neue Bekanntschaft eines bisher eher unbekannten Familienmitgliedes... das war doch alles etwas viel, selbst für ihn, der auch viel hatte durchmachen müssen.

  • Die kleine Unterbrechung nutzte Valentina dafür tief durchzuatmen und sich wieder etwas zu sammeln. Ihren Bruder an ihrer Seite zu haben war so befreiend, so ein gutes Gefühl und gleichzeitig so fremd. All die Jahre hatte sie die Verantwortung tragen müssen. Sie jetzt teilweise auf ihren Bruder abgeben zu können würde einen langen Gewöhnungsprozess mit sich bringen. Nicht weil Valentina diese Aufgaben nicht liebend gerne ablegte. Sie war es einfach nicht gewohnt nicht mehr für alles Verantwortlich zu sein. Doch sie wusste Canus würde ihr helfen. Auch wenn sie damals noch ein Kind war und sie beide heute erwachsen, so hatte sin Zurückkommen doch schon bewiesen, dass er nicht mehr derjenige war der damals die Familie verlassen hatte. Sie war auch nicht mehr das kleine, naive Mädchen. Das Gefühl nicht mehr alleine zu sein war noch so fremd, dass Valentina fast noch etwas Angst davor hatte. Angst davor, dass sich auch diese Hoffnung wieder zerstreuen könnte.


    An Pinas Haltung erkannte sie allerdings, dass diese ebenfalls nicht sofort in Freudentaumel ausbrechen würde. So gut kannte Valentina ihre Nichte mittlerweile und vor allem ihr Temperament. Die Frage nach dem Wein wurde mit einem Nicken beantwortet und Valentina gab dem stummen, alten Diener, der regungslos an der Wand neben der Türe verharrt hatte einen Wink. Er entfernte sich und man konnte seine schweren Schritte bald nicht mehr hören.
    Valentina atmete nochmal tief durch. "Viel habe ich Pina nicht von dir erzählt, wenn ich ehrlich bin eigentlich gar nichts, denn ich wusste nicht was ich erzählen soll. Nachdem ich Valerian verloren habe, den Pina hier gar nicht kennen gelernt hatte, hatte ich es nicht für nötig empfunden dich zu erwähnen." Sie sah Canus entschuldigend an. Unterbrochen wurde dieser Moment von den schlurfenden Schritten des Dieners, der wieder hereintrat und ein Tablett mit einer Weinkaraffe und drei Gläsern auf einen Tisch stellte. Valentina schenkte allen ein und reichte die Gläser weiter. "Dafür haben wir jetzt Zeit uns alle kennen zu lernen und gemeinsam an einer besseren Zukunft für unsere Familie zu arbeiten."

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