Eine beschwerliche Reise lag hinter dem jungen Flavier, ein gewaltiger Gewittersturm im Ionischen Meer, am Höhepunkt dessen eine gigantische Wasserhose, von den Wolken bis zum Meer reichend, gierig nach dem Schiff gegriffen hatte, welches diesen Urgewalten nur mit knapper Not entkommen war, hatte Dexters philosophische Gelassenheit in nicht geringem Maße erodiert. Auch als der junge Flavier nach der Landung in Tarentum endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, und in einem geräumigen Reisewagen die Via Appia entlang durch die trockene campanische Landschaft fuhr, inmitten seiner Bücherkisten, da meinte er, über das Rattern der Räder hinweg, noch immer das wimmernde Beten der Seeleute hören zu können, erstickt im tosenden Brausen der Naturgewalten , welche begierig waren das stolze Schiff zu zerschmettern, so mühelos als wäre es eine Nußschale... oder eines der Rindenboote, die er einst als Knabe mit seinen Brüdern in den sardischen Bergbächen hatten schwimmen lassen.
Im Tusculum, dem Wohnsitz seiner Mutter, machte er halt, und verweilte in dieser lieblichen kleinen Stadt einige Tage bei ihr, bei seinem Stiefvater, der dort Duumvir war, und seinen jungen Halbgeschwistern. Ungestüm ward er in die Arme geschlossen von seiner Mutter Aemilia Lepida. Obschon Flavius Dexter sie freilich auf gebührende Weise liebte und achtete, und er in seiner Kindheit hitzig mit den Brüdern, insbesondere Fusus, um ihre Zuneigung gebuhlt hatte, so war seine Frau Mama ihm doch solange er zurückdenken konnte auf eine unbestimmbare Weise fremd gewesen. Ihre warmherzige Freundlichkeit gegenüber Jedermann, dazu ihre Freude an künstlerischen Ergüssen (welche Dexter wertlos und unsinnig, ja, an der Schwelle zur frivolen Nichtigkeit dünkten), zudem die Großzügigkeit mit der sie ihr Vermögen aufwendete um nichtsnutzige arme Künstler zu fördern, und nicht zuletzt eine gewisses laissez-faire in der Führung ihres feudalen Anwesens.... all dies war Dexters strengem, grüblerischen und bisweilen schwerfälligen Wesen fern.
Er müsse wohl mehr nach seinem Vater kommen, sagte er sich (und hörte es auch immer wieder aus dem Munde der Familie seit langen Jahren dienender, vertrauter Sklaven.) Eine Einschätzung, welche seine Mutter wiederum nicht gerne hörte, denn sie hielt wenig von der Familie ihres früheren Gemahls, sprach es zwar nie direkt aus, wurde jedoch uncharakteristisch ingrimmig wenn die Sprache auf die Gens Flavia kam. Obschon sie ihre Söhne in der Politik der Hauptstadt reüssieren sehen wollte, und die Vorteile der Verbindung zu jener einflussreichen Gens nicht leugnete, so hatte sie bereits die zwei älteren nur ungerne ziehen lassen, bei Dexter war es nicht anders.
Der betagte Tarquitius hingegen versah den Stiefsohn freundlich mit allerlei Ratschlägen darüber wie man sich 'zu seiner Zeit' in Rom gut geschlagen hatte, und die kleinen Stiefgeschwister gingen ihm mit ihrem Gerenne und Gezanke auf den Geist, wurden auch nicht müde nach abenteuerlichen Geschichten aus dem fernen Ägypten zu verlangen.
Gerüchte über den Sturz des Kaisers waren nach Tusculum gelangt, die Tore seien verschlossen hieß es, die Republik sei ausgerufen worden. Aemilia und Tarquitius beschworen Dexter, die Zeit der Unruhen in Tusculum abzuwarten, doch gerade diese Zeiten exzeptioneller Umwälzungen wollte er nicht verpassen. Alsbald brach er wieder auf, ließ lediglich das schwere Gepäck vorerst zurück, entzog sich zügig der allzu gefühlvollen Verabschiedung, und ritt, nur von drei Sklaven begleitet, gen Rom...