Mit schweren Schritten trat Antias aus dem Schankraum von Rufo’s Elysium und zog sich erst einmal stöhnend Ziviltunika und Cingulum zurecht. Es war spät geworden. Längst rumpelten die Fuhrwerke durch die Gassen und auf den Wehrgängen der Castra war sicher schon die dritte Nachtwache in Stellung gegangen. Stunde um Stunde hatte er mit diesem schlüpfrigen Veturier verhandelt, ihm amphorenweise Wein spendiert, sich von dessen absurden Preisvorstellungen nicht beirren lassen, nur um am Ende doch das Gefühl zu haben, hoffnungslos über den Tisch gezogen worden zu sein. Woher sollte Antias auch wissen, welche Miete für ein Zimmer in Nähe der Castra als angebracht galt? Derlei Gedanken hatte er sich bislang nie zu machen brauchen, er wohnte genau genommen auch nicht mietfrei, aber in jedem Fall unschlagbar günstig, zumal für urbane Verhältnisse. Auf fünfunddreissig Sesterzen hatten sie sich schließlich geeinigt, zu zahlen jeweils an den Kalenden. Also machbar, wenn auch gerade so. Das Zimmer lag zwei Gassen weiter im Obergeschoss eines dreistöckigen Hauses in der Vorstadt. Riesig war es nicht gerade, dafür sauber und ebensogut zu lüften wie zu beheizen. Er selbst hätte sich auch mit einem zugigen Verschlag zufrieden gegeben, aber das schmucke kleine Zimmer war nicht für ihn gedacht, sondern für Apolonia, und dafür waren fünfunddreissig Sesterzen nun wirklich nicht zu viel. Er würde sich künftig ohne große Geheimnistuerei mit ihr treffen und sogar die Nacht mit ihr verbringen können und sie würde einen Platz ganz allein für sich haben, den sie aufsuchen konnte, wann immer und solange ihr danach war, abseits von Trastevere und Subura, jenseits ihrer üblichen Kundenfanggründe. Antias war zwar erschöpft aber glücklich. Allmählich begann sich so etwas wie Struktur in seinem Leben zwischen Pflicht und Leidenschaft abzuzeichnen.
Hinter ihm knarrte die Wirtshaustür. Drei sichtlich zugeschüttete Cives purzelten in die Nacht heraus. Den Göttern sei Dank war dieser Veturius nicht dabei, von dem hatte Antias für heute die Nase gestrichen voll. Der sollte die erste Miete ruhig in Rufo’s widerliche Tresterbrühe investieren, wenn ihm danach gelüstete. Es war ja sein Schädel, der am nächsten Morgen platzen würde. Antias für sein Teil war mit anderthalb Amphoren intus schon mehr als bedient. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten sie den Abschluss auch bei einem Becher Quellwasser in Apolonias zukünftigem Zimmer tätigen können, aber nein, Cives Veturius Asina hatte ja auf Rufo’s Kaschemme bestanden. Eigentlich hätte der erneute Besuch beim lispelnden Glatzkopf ein Gefühl der Nostalgie in Antias heraufbeschwören müssen, immerhin war viel passiert, seit er hier als nasser Tiro einige denkwürdige Stunden verbracht hatte. Damals war ihm die Zeit der Grundausbildung endlos erschienen, daran, jemals Optio zu werden hatte er im Traum nicht gedacht und Apolonia war noch eine unbekannte ferne Sehnsucht gewesen. Trotzdem hatte der Abend rein gar nichts nostalgisches in ihm ausgelöst, höchstens Verwunderung über das Tempo der dahin strömenden Zeit. Nichts blieb wie es war. Rufo war dünn und schwächlich geworden, Saserna hatte sich längst schon davongemacht, die verdreckten Tische waren nicht mehr von lärmenden Soldaten sondern verstohlen murmelndem Pack bevölkert, das jeden neuen Gast musterte wie ein Frosch die Fliege. Nostalgie? Nein, dieser Ort hatte auch das letzte bisschen Reiz verloren.
Ohne sich noch einmal umzudrehen ging Antias langsam die dunkle Gasse hinauf. Nur noch eben um ein paar Ecken zum angemieteten Zimmer, um sich zu vergewissern, dass der schmierige Veturius ihm auch das richtige Schließwerkzeug ausgehändigt hatte, und dann heim die Castra. Vor allen anderen aufzustehen war ihm mittlerweile zur Gewohnheit geworden, da wollte er am nächsten Morgen keine Ausnahme machen. Ein Rudel abgemagerter Köter kreuzt knurrend seinen Weg, zwei Fullonicagehilfen karrten die stinkende Ausbeute unzähliger entleerter Blasen vorbei, ansonsten war Antias allein mit sich und seinen Gedanken. Seine Caligae schrappten dumpf und gleichmäßig über den gestampften Boden, nur untermalt vom Klappern der Plättchen an den Pteruges. Nachdem er um die letzte Ecke gebogen war, musste er nach ein paar Schritten feststellen, dass die nachtschwarze Gasse von einem mit allerlei schwerem Gerümpel beladenen quer gestellten Karren blockiert war. Fluchend machte er kehrt. Bis zum Haus des Veturiers waren es höchstens drei Perticae. Nun musste er entweder einen entnervenden Umweg machen oder sich durch die Hinterhöfe schlagen. Nach kurzem Nachsinnen entschloss er sich für die Hinterhöfe.