IUD PRIV - Die Feststellungsklage des C. Duccius Call. hinsichtlich des Betr. v. Bäck. d. Senatoren

  • Modestus quittierte die Vorstellung des Advocatus mit einem kurzen nicken und antwortete dann seiner Nichte. "Und ein Weingut benötigt Traubensaft für die Herstellung von Wein, was ebenso ein weiterverarbeitetes Produkt ist. Hier gibt es jedoch keine Einschränkungen. Das Lex Mercatus definiert nicht, mit wie vielen Arbeitsschritten landwirtschaftliche Güter weiterverarbeitet werden dürfen, bevor das Verbot greift. Daher ist es letztlich Ansichtssache. Und dass hier eine Meinungsverschiedenheit vorherrscht ist wohl offensichtlich." Damit war die Diskussion für Modestus erst einmal abgeschlossen. Dass man die Sachverhalte unterschiedlich interpretierte war klar, weitere Diskussionen konnte man sich erst einmal sparen. Schließlich war man nicht selbst vor Gericht, sondern unter den Zuschauern, und es galt den Prozess nicht zu stören.


    "Es ist wohl an der Zeit das Lex Mercatus zu reformieren. Sicherlich ein herausforderndes Projekt für ein Consulat" sinnierte Modestus und hatte dabei noch eine andere Idee. Da es hier darum ging, wie das Gesetz zu interpretieren war, brauchte es eigentlich keine Gesetzesänderung. Ein Consul konnte die Aediles per Prohibitio anweisen, wie sie die Passage zu interpretieren hatten. So würde den Senatoren auch ohne Gesetzesänderung der Besitz von Bäckereien gestattet werden. Trotzdem war deine Reform des Lex Mercatus ein wichtiger Punkt, den man in Zukunft in Angriff nehmen musste. "Caius Duccius Callistus ist ein Verwandter des scheidenden Consuls. Ich kenne seine Familie von meiner Zeit als Statthalter gut. Sie gehört zu den einflussreichsten in Germanien."

  • "..Mit großen dem Unterschied, dass für Wein niemals ein römisches Gericht festgestellt hat, dass dieser aus einem weiterverarbeiteten Produkt hergestellt wird.", wollte ich meinem Onkel am liebsten noch antworten. Denn genau das war ja der Punkt. Zu Mehl und Brot existierte ein gültiges Urteil, zu Traubensaft und Wein nicht. (Und ich bezweifelte irgendwie auch, dass es da so ein Urteil je geben würde. Aber das wussten andere, die sich auch ein bisschen mehr mit der Weinproduktion auskannten, bestimmt besser.)
    Am Ende widersprach ich meinem Onkel jedoch nicht. Denn ich wollte mich mit ihm nicht streiten. (Und ich wusste ja auch nichts von seinem Gedanken, dass sich ein Konsul gegen ein seit Jahrzehnte gültiges Gerichtsurteil stellen sollte - sowas stank in meinen Augen gewaltig nach Amtsmissbrauch. Ein gerichtliches Urteil hob man sauber nur durch ein anderes Gerichtsurteil auf; nicht durch eine Anweisung, das Urteil künftig einfach zu ignorieren.) "Ich denke, jedes Projekt, bei dem es direkt um das Geld und Vermögen der Bürger geht, ist sehr herausfordernd.", kommentierte ich stattdessen. Denn für mich lag auf der Hand: Man sagte nicht umsonst, dass bei Geld die Freundschaft aufhörte. Solche Themen waren also prädestiniert dafür, dass man sich darüber stritt und dass 300 Senatoren mindestens 200 verschiedene Meinungen dazu hatten. Da fand man bestimmt nicht leicht einen mehrheitsfähigen Konsens.


    "Ach was." Mehr sagte ich nicht dazu, dass der Kläger mit dem duccischen Konsul verwandt war. Das erklärte natürlich sofort, warum die Rede des Germanen so begonnen hatte, wie sie begonnen hatte.. ohne Einleitung, ohne Vorstellung, gleich brachial mit dem Hauptteil. "Wusstest du, dass die letzte Änderung der Lex Mercatus auch aus dieser Richtung kam?", bemerkte ich stattdessen spitz. "Da gab es noch kurz vor den Wahlen ein öffentliches Edikt der Ädilen, weil jemand gegen die Lex Mercatus verstieß. Und dreimal darfst du raten, welche Gesetzesänderung als eine der ersten im neuen Amtsjahr auf Initiative genau dieser Person durch den Senat ging." Ich war nicht ungespannt auf den Tag, an dem der Duccier vor dem Senat Bericht ablegte über seine Amtszeit als Konsul.

  • "Ich muss sagen, dass mir bis gerade eben nicht klar war, was für eine scharfsinnige Nichte ich da habe. Vielleicht sollte ich meine zukünftigen Initiativen im Senat vorher mit dir besprechen." sagte Modestus äußerst zufrieden, denn die kleine Diskussion hatte ihm im Nachhinein wirklich gefallen. Selbst wenn sie nicht seiner Meinung war, scheute sie es nicht ihm zu sagen und nur so konnte man die Lücken und Fehler in der eigenen Logik bemerken. Noch dazu hatte er bei ihr nicht das Gefühl, dass es gleich in einen verbissenen Kampf darum ausartete, wer recht hatte und wer nicht. Im Senat war das nicht immer der Fall.


    "Nun, wenn ich die richtige Änderung meine, dann kommt es mir gar nicht ungelegen. Ich habe für die Zukunft noch die eine oder andere Großveranstaltung mit Volksspeisung geplant. Die Munera für Lucius Annaeus Florus stehen noch aus." sagte Modestus und sah seine Nichte freundlich an. Ob sie noch wusste, wer Lucius Annaeus Florus war? Dass Ducius Vala den Absatz selbst zur Änderung vorgeschlagen hatte, der ihm eine Strafe aufgebrummt hatte, hatte natürlich ein Geschmäckle, wie man in Mantua sagte. "Davon abgesehen geht es mir aber nicht darum einzelne stellen abzuändern. Ich denke ein vollständig neues Gesetz muss her. Damit nicht erst Gerichte entscheiden müssen, wie ein Passus zu interpretieren ist... Das ist auf jeden Fall etwas, das ich für mein Consulat im Hinterkopf behalten muss."

  • Tja, Caius. Da hast du wohl nicht präzise genug formuliert. Der Kläger ärgerte sich über seine eigene Nachlässigkeit, als der Iudex nochmal nachfragte. Ebenfalls ärgerte Caius sich über die Störenfriede, die es wagten seinen Prozess mit Zwischenrufen zu stören. Caius unterdrückte jedoch den Drang sich umzuwenden und böse Blicke in die Zuschauermenge zu werfen. Das hätte ihn wohl völlig aus dem Konzept gebracht. Statt dessen konzentrierte er sich auf die Frage des Purgitiers.


    "Ähm... also mein Antrag lautet festzustellen, dass ein Senator einen Bäckerladen betreiben darf, ohne dass § 4 Absatz 5 Lex Mercatus dem weiterhin entgegensteht." In der Erwartung weiterer erregter Zwischenrufe horchte Caius kurz nach hinten. Er fand es wirklich dreist, was manchereiner sich in einer Gerichtsverhandlung leistete. Aber letzten Endes war es der Iudex, der für die Ordnung im Saal verantwortlich war und nicht Caius.

  • Insgeheim hatte Macer befürchtet, dass der Kläger so antworten würde, denn es bedeutete deutlich mehr Arbeit für Macer beziehungsweise zumindest potenziell eine längere Sitzung. Bei einer anderen Feststellung hätte er sich wesentlich schneller aus der Affäre ziehen können. Nun sah er sich aber genötigt, zu einer längeren Antwort anzusetzen.


    "Dann muss ich dich bitten, mir noch einige Punkte darzulegen", begann er daher und wollte natürlich auf eine ausführliche Begründung für diesen Wunsch nicht verzichten. "Bisher liegt es im Ermessen des jeweiligen Aedils, ob er die gesetzlichen Voraussetzung für die Zulassung eines Betriebes für erfüllt hält. Er hat dazu die von dir zitierten Kommentare und Urteile als Anhalt, aber diese haben unterschiedlichen Charakter. Ein Gesetzeskommentar ist ein Leitfaden, aber auch wenn er von sehr kundiger Seite geschrieben wurde, hat er keinerlei verbindlichen Charakter. Im von dir zitierte Urteil wiederum legt der urteilende Praetor fest, dass eine Bäckerei kein landwirtschaftlicher Betrieb ist. Dies ist jedoch nur ein Teil der gesetzlich festgelegten Kriterien und zudem hat sich die Situation gegenüber damals geändert, wie du eben darlegtest. Das heißt, wir sind wieder in der Situation, dass die Entscheidung der Aedile, die sich zweifellos am bisherigen Usus orientieren, die bisher höchste Instanz ist", legte er erst einmal die Ausgangslage aus seiner Sicht dar. Dann kam er zum für ihn entscheidenen Punkt. "Gegen die Entscheidung der Aedil kann vor dem Praetor geklagt werden, gegen meine Entscheidung in dieser Feststellungsklage muss die nächsthöhere Instanz angerufen werden. Ich muss daher an mein Urteil höhere Ansprüche stellen, da es eine weitreichendere Wirkung und höhere Hürden für eine Anfechtung hat als die Einzelfallentscheidung eines Aedils. Dies wiederum bedeutet, dass ich die Entscheidung sehr sorgfältig treffen möchte. Leider lässt das Gesetz einen gewissen Interpretationsspielraum und ich möchte dich daher bitten, mir darzulegen, wieso die Tatsachen nur so sein können, wie von dir dargelegt."


    Da er annahm, dass seine Worte vielleicht noch etwas abstrakt sein könnten, schloss er nach einer kurzen Pause noch einige Hinweise auf seine konkreten Zweifel an. "Das geltende Gesetz spricht bei den zulässigen Betrieben von jenen, welche der Produktion landwirtschaftlicher Güter und deren Weiterverarbeitung dienen. Dies kann man so interpretieren, dass ein Betrieb beides leisten muss oder aber nur eines von beiden bereits ausreicht. Ferner kann man es so interpretieren, dass ein zulässiger Betrieb ausschließlich dies tun darf, oder unter anderem dies. Solange nicht einwandfrei feststeht, welche Interpretation die einzig korrekte ist, kann die allgemeine Feststellung meines Erachtens nicht getroffen werden."


    Zweifellos waren dieser Ausführungen ein Hinweis an den Senat, an dieser Stelle im Gesetz nachzubessern, aber es war vor allem erst einmal eine Aufforderung an den Kläger, zu diesen Punkten Stellung zu beziehen und seine Interpretation des Gesetzes vorzutragen.

  • Zitat

    Original von Kaeso Annaeus Modestus


    Lucius Annaeus Florus. Der zweite von zwei Senatoren in meiner näheren Verwandtschaft der letzten Generationen. Sein Name war mir deshalb natürlich vertraut, auch wenn er nicht ganz den Stellenwert bei mir einnahm wie mein Onkel Kaeso. Denn nicht nur, dass Florus nie unter die Prätorier aufgestiegen war. Florus hatte auch keine Flaminia geheiratet, sondern nur eine irgendeine niedere Peregrine. Und ja, die war zwar vor ihrer Ehe noch schnell adoptiert worden (ausgerechnet von der Familie meines Mannes). Aber deshalb war sie noch lange keine vollwertige Römerin gewesen in meinen Augen. Denn immer warf die Vergangenheit ihre Schatten auf die Gegenwart. Und dabei warf die eigene Herkunft und Abstammung so mit den längsten und kräftigsten Schatten.
    Eine Sache war mir zum Schluss aber auch über Florus sehr positiv zu Ohren gekommen: Er hatte es irgendwie geschafft, das Erbe so eines peregrinen "Königs von Tylus" an Land zu ziehen. Wie? Das hatte ich leider auf keiner Familienfeier irgendwie herausfinden können. Angeblich gab es kein gefälschtes (oder echtes) Testament dieses Königs. Und weil dieser König ein Peregriner und darum kein Annaeer und kein agnatischer Verwandter von Florus sein konnte, schied auch das als Erklärung aus. Was blieb, war höchstwahrscheinlich irgendeine Küngelei, mit der sich Florus diese Erbschaft gesichert hatte. Und das zeigte Charakter und Durchsetzungskraft. Und das fand ich gut, auch wenn ich leider nach all der Zeit kaum noch herausfinden könnte, welchen Prätor oder Vigintivir Florus da vor etlichen Jahren mal geschmiert hatte....


    Naja. "Totenspiele fünfzehn, sechszehn Jahre nach seinem Tod?" Ich sah meinen Onkel erstaunt an. Denn diese Idee hatte ich wirklich nicht kommen sehen. Wer richtete so lange nach dem Tod eines bekannten Verwandten noch teure Totenspiele aus? "Das.. ist.." Ich wusste nicht genau, was ich sagen sollte. "überraschend. Also, gut überraschend natürlich. Aber überraschend." Direkt im Anschluss kündigte er zwischen den Zeilen an, dass er sich begann auf das Konsulat vorzubereiten. Ich lächelte verstehend. Denn das machte die Sache nun wieder ein bisschen klarer für mich. "Du planst die Spiele im Vorfeld einer Kandidatur zum Konsulat stattfinden zu lassen?" Das war keine schlechte Idee. Es betonte die Taten der Annaeer für Rom. Es zeigte seine Verbundenheit mit der römischen Religion, den Göttern, Geistern, Riten und Traditionen. Dazu konnte er sich großzügig und spendabel dem Volk gegenüber zeigen. Und wenn er dann noch auf seine Erfolg als Feldherr verwies, dann hatte er alle Bereiche von der Religion bis zum Militär, vom Brot bis zu den Spielen abgedeckt. "Falls", nein, "wenn du meine Unterstützung brauchst, werde ich natürlich ganz hinter dir stehen, Onkel."

  • Die Zeit verging wie im Fluge, während ich mit meinem Onkel so über diese Totenspiele mehr als zehn, fast zwanzig Jahre nach dem Tod dieses Annaeus Florus sprach. Zwischendurch wagte ich hin und wieder aber natürlich trotzdem mal einen Blick nach vorne zum Kläger. "Na, ob das noch was wird?", ließ ich mich irgendwann dann zu einer eher beiläufigen Bemerkung herab. Und obwohl ich mir hier meinen kostbar zarten Hintern ganz zäh gesessen hätte (wenn ich nicht glücklicherweise an mein Sitzkissen gedacht hätte - das rettete mir gerade wirklich den Tag!), klang ich bei dieser Bemerkung trotzdem alles andere als sauer. Im Gegenteil: Ich freute mich sogar fast ein bisschen. Denn je länger dieser Duccius da vorne nach den passenden Worten suchte, umso wahrscheinlicher war es, dass aus der ganzen Sache heute nichts mehr wurde. Und wenn heute daraus nichts mehr wurde, dann war vermutlich eher ungewiss, ob überhaupt so schnell nochmal etwas daraus werden würde. Und das wieder hieß: Wenn heute nichts mehr daraus wurde, blieb auf unbestimmte Zeit erstmal alles genau so, wie es war. - Tja, und damit.. damit konnte ich eigentlich ganz prima leben. Denn ich wollte ja, dass hier alles beim Alten blieb und sich nicht schon wieder so ein Duccier an der schönen Lex Mercatus verging.

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