Über den Vormittag hinweg hatte die Sonne Rom aus einer milchigweißfarbenen Schicht aus Nebel befreit, so dass sie nun die Straßen der Stadt aufwärmte und bereits in diesen Tagen einen Anflug von erster Sommerlichkeit erahnen ließ. Da indes der Frühling noch nicht vorüber war zirpten in den Kronen der vereinzelten Bäume einige Vögel und freiten umeinander oder aber turtelten bereits munter gemeinsam in ihren Nestern. Obgleich sein Anliegen ganz ähnlicher Natur war hatte Gracchus indes keinen Blick für Vögel und Sommer als er von der Curia Iulia her kommend das Forum überquerte, das zur Mittagszeit nun voller Menschen war, welche von hier nach dort oder von dorthin nach da strömten, voller Händler, welche aus Bauchläden oder kleinen Karren ihre Waren feilboten - vorwiegend essbare Kleinigkeiten -, dazwischen immer wieder selbsternannte Propheten oder Politiker, welche die vorbeigehenden Menschen für dies oder das oder jenes wollten begeistern oder unterrichten. Obgleich Rom seine einzig wahre Heimat war, obgleich er die Stadt und ihr Stadtsein liebte, so hatte Gracchus an den Massen, welche darin wohnten und insbesondere auf den öffentlichen Plätzen sich stets akkumulierten, nur wenig gefallen, selbst dann wenn wie an diesem Tage einige Klienten dafür Sorge trugen, dass er auf seinem Wege nicht einmal mit diesen Massen in Berührung kam. Vor der Regia des Cultus Deorum - ein ihm überaus vertrauter Ort - richtete sein Vilicus noch einmal die toga praetexta, während Gracchus bereits Ausschau hielt nach der Sänfte der Aurelia Prisca. Er war durchaus ein wenig angespannt - einerseits in banger Beklemmung ob der Aussicht auf die neuerliche Ehe, andererseits in freudiger Erwartung, da diesmalig alles anders würde sein. Er hegte nicht den geringsten Zweifel an den Worten Faustus' über Prisca, und doch zwang er sich schlussendlich dazu, sie nicht allzu deutlich in seine Gedanken einfließen zu lassen. Wie auch sollte er der Aurelia einen Vorwurf machen ob einer Erpressung im Bürgerkrieg - er, der er weitaus schlimmere Dinge hatte angestiftet und getan? Die erwähnte Orgie hinwieder war zweifelsohne nur ein Missverständnis, und was den Pathicus anbelangte - auch in Hinblick auf Schmähungen hatten der Bürgerkrieg und seine Nachwehen einiges hervorgebracht - nicht zuletzt Serapio selbst hatte für Gracchus überaus deutliche Worte gefunden, welche schlussendlich nur der Wahrheit hatten entsprochen, und letztendlich war der Flavier selbst sich nicht mehr sicher, was dies überhaupt bedeutete. Er wusste nur, dass all das der Vergangenheit sollte angehören - restlos alles, jede Verfehlung, jede Beleidigung und jede Pression, welche ihn an diesem Tage an diesen Ort hatte geführt. Wie an den Lemuria galt es, keinen Blick zurück zu werfen, um die Geister der Vergangenheit zu bannen - es gab nurmehr einen Blick nach vorn.
[Vor der Regia] Aurelia & Flavius
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Am sechzehnten Tage vor den Kalenden des Iunius (pünktlich zur Mittagszeit) "kämpfte" sich ein Tross von Sklaven langsam durch die Menschenmenge vorwärts. Das Ziel lag bereits vor ihren Augen doch - angesichts der Vielzahl herum schwirrender Menschen und der überall herum stehenden Wägen und Stände - war es gar nicht so einfach, die mitgeführte Sänfte sicher, heil und gleichzeitig zügig durch das chaotische Treiben hindurch zu lotsen. Zumal der wertvolle Inhalt auf keinen Fall zu sehr durchgeschüttelt werden durfte, denn wie sähe das denn aus, wenn eine völlig zerzauste Aurelia, auf den Stufen der Regia, ihrem künftigen Gemahl gegenüber treten müsste?! … Fünfzehn Peitschenhiebe, für jede verrutschte Haarlocke. Diese Strafe hatte die Aurelia allen Sklaven in Aussicht gestellt und deshalb bewegten sich die mobilen Haushaltsutensilien (insbesondere die Sänftenträger) auch alle so, als ob sie auf rohen Eiern laufen würden.
Die Anstrengungen wurden am Ende jedoch belohnt. Kaum hatten die Träger die Sänfte vor den Stufen abgestellt, da ertönte aus dem Inneren auch schon der Befehl die Vorhänge zurück zu schlagen und kaum, dass die Sklaven diese Order ausgeführt hatten, entstieg (oder besser gesagt entschwebte) Prisca bereits dem Trage-Gefährt.
Gehüllt in ein weißes Kleid aus purer Seide und behangen mit güldenem Schmuck, "erstrahlte" Prisca im Glanz der aufkeimenden Frühlingssonne, als sie die letzten Meter, die Stufen hinauf zur Regia "schwebte". Wahrlich ein Wunder, dass sie dabei nicht stolperte angesichts der inneren Anspannung, die ihre Knie weich wie Wachs werden ließen, je näher sie ihrem künftigen Ehemann kam.
Du meine Güte, … er sieht wahrlich gut aus für sein Alter und seine edle Erscheinung lässt keinerlei Zweifel an seiner Herkunft und an seinem Stand, kam Prisca regelrecht ins schwärmen, als sie Gracchus verstohlen musterte. Hoffentlich bemerkt er nicht wie aufgeregt ich bin, dachte sie im selben Atemzug, mit dem sie sogleich zur Begrüßung ansetzte:
"Salve verehrter Flavius. ….Ich hoffe du musstest nicht zu lange auf mich warten? ...Dabei hoffte ich so sehr, dir zuvor zu kommen nur um dir zu zeigen, wie sehr ich mich auf diesen Tag gefreut habe." Mit einem offenem und strahlendem Lächeln grüßte Prisca ihren künftigen Gemahl und ihre schmeichelnden Worte klangen allesamt so ehrlich, wie sie es es mit ihren bewundernden Blicken, auf seine Person zu beziehen vermochte. Gracchus mochte zwar bei weitem nicht der Traummann sein, den Prisca insgeheim erhofft hatte, dennoch faszinierte er sie dermaßen, dass sie aufrichtig bereit war ihm keine Hörner aufsetzen zu wollen. Wenn ich je ein Kind zur Welt bringen werde, so soll es von ihm sein und seinen Namen tragen! So zumindest lautete aktuell der innere Schwur, an den Prisca sich halten wollte, sofern die Götter endlich ein Einsehen mit ihr haben würden. Ich will doch nur ein Kind ...von ihm … für Rom!
Mit diesem gedanklichen Wunsch auf der Seele trat Prisca ihrem künftigen Gemahl gegenüber und die innere Anspannung drohte all ihre Contenance aufzufressen während sie einfach nur da stand und ihn erwartungsvoll und bewundernd ansah.
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Einem Wesen aus sphärischen Höhen gleich erschien Prisca am Fuße der Regia und umweht von dem weich fließenden Stoffe ihres Kleides schien es beinahe als berührten ihre Füße nicht einmal die Stufen, welche sie empor kam. Tatsächlich betrachtete Gracchus die Aurelia durchaus ein wenig intensiver als sonstig und suchte dabei irgendeine Regung in seinem Leibe oder Gemüt zu verspüren. Sie war anmutig und schön, unbezweifelt außergewöhnlich schön, so dass tatsächlich etwas in ihm anklang - jenes feinsinnige Gespür welches sich am Anblicke der goldrotfarbenen Sonne ergötzte, die hinter einem sanft wogenden Meer vor der Küste Baiaes herabsank und die Wasseroberfläche in einen einzig schimmernden Kristall verwandelte, jenes reagible Gespür, welches das tief purpurfarbene Kribbeln delektierte, das eine in Essig eingelegte Kapaunenleber auf seiner Zunge hinterließ, sich am filigranen Klang eines Zaunkönigs weidete, der seine liebliche Weise durch den Hortus der Villa Flavia trug, oder sich am liebsten baden wollte in der mitreißenden Wonne, welche im Genuss eines pathetischen Theaterstückes ihn überkam. Zweifelsohne hatte der Anblick Priscas eine Wirkung auf ihn, doch sie ging längstens nicht tief genug hinab. Dennoch kräuselte ein veritables Lächeln seine Lippen - denn ein Tor wäre jeder Manne, welcher in Trübsinn würde verfallen ob der Aussicht einer solchen Gemahlin an seiner Seite.
"Werte Aurelia, es ist mir eine überaus große Freude dich zu sehen. Indes sei unbesorgt - deiner angesi'htig zu werden ist mir jeden Augenblicke des Ausharrens wert. Beileibe, Iulius Caesar mag behauptet haben, seine Sippe auf die Ahnherrschaft der Venus be..gründen zu können, doch weitaus wahrscheinlicher scheint mir diese Abstammung im Falle der Aurelia - denn wo würde Venus solche Schönheit tolerieren, wenn nicht unter ihren eigenen Töchtern?"
Es war durchaus deplorabel, dass die Götter nicht geneigt waren, diese Anmut weitergeben zu lassen - wobei ein einfältiger Mensch dies gar mit dem Neid der Venus würde begründen mögen -, doch in Gracchus' Falle nicht gar so bedauerlich, da ihn diese Tatsache schlussendlich auch von allzu häufiger Ausübung der ehelichen Pflicht würde entbinden - denn wozu sich mühen wenn ohnehin kein Nachkomme in Aussicht stand? Über ihre Schönheit hinaus suchte Gracchus im Antlitz der Aurelia auch deren Gedanken zu erahnen - was ihm wie stets überaus schwer fiel, denn so umfassend und reichhaltig auch sein eigenes Inneres war, das eines anderen zu erspüren gehörte nicht zu seinen Stärken, im Gegenteil. Allfällig härmte sie sich bereits ob ihrer Zukunft an der Seite des Pathicus - ein Gram, welchen Gracchus nach dem endgültigen Abschied von seiner Liebe nun mehr als entschlossen zu beseitigen war, indem er diese Ehe weit über die Aurea Mediocritas würde hinaus führen!
"Gleichwohl bin ich ebenso erfreut, dass wir nun diesen ersten Schritt gehen können. Deplorablerweise haben Domitilla und Tiberius noch keinen neuen Termin für ihre Ho'hzeit bekannt gegeben, doch dies ist zweifelsohne nurmehr eine Frage kurzer Dauer, so dass auch der Zelebrierung der unsrigen nicht mehr viel im Wege steht."
Sofern seine Base und Lepidus sich nicht würden einigen können, würde Gracchus die Hochzeit mit Prisca schlichtweg vorziehen, da er seine Kandidatur um das Consulat nicht mehr allzu lange wollte aufschieben - der Rex Sacrorum wurde schlussendlich nicht jünger und es war nurmehr eine Frage der Zeit, wann dieser Posten würde vakant werden. Er würde nicht zulassen, noch einmal eine Gelegenheit solchen Ausmaßes zu verpassen. -
Du meine Güte … Wo würde Venus solche Schönheit tolerieren? … "D...d..Danke …", da blieb Prisca gleich zu Beginn die Stimme weg, angesichts dieses wundervoll schmeichelnden Komplimentes und unschwer war an ihren leicht geröteten Wangen zu erkennen, wie sehr sie davon angetan war. Es gab eben Männer die es schafften, sie mit nur einem einzigen Kompliment derart zu beeindrucken, während andere es selbst mit einem Dutzend selbiger nicht schafften. Gracchus gehörte eindeutig zu Ersteren, denn seine Worte klangen stets mit sehr viel Bedacht gewählt, als hätte er sie vorweg hundert Mal bezüglich ihrer Wirkung abgewogen, ehe er sie aus seinem Mund entließ. Daran konnten selbst die (nicht gar so) leisen Zweifel an der Ehrlichkeit seiner Worte etwas ändern.
Irgendwie fühlte Prisca sich zu dem Flavier hingezogen und woran genau das lag, blieb selbst für sie ein Mysterium. Am ehesten hätte sie es wohl dem unbestreitbaren Altersunterschied zwischen ihm und ihr zugeschrieben, sofern sich die Aussagen einiger ihrer Freundinnen tatsächlich bewahrheiten sollten, die allesamt behaupteten, dass ältere Männer eindeutig zu den BESTEN zählten: Weil sie eben in jederlei Hinsicht MEHR Erfahrung vorzuweisen haben …
Prisca hatte nie so richtig darüber nachgedacht, so lange sie sich nur für Gleichaltrige oder jüngere Männer interessiert hatte. Doch fortan müsste sie sich wohl (oder übel) näher damit auseinander setzen, dass sie bald schon ihr Leben an der Seite eines älteren Mann verbringen würde. Nun lag es ja nicht allein an dem Altersunterschied, doch stellte Prisca ganz spontan fest, dass sie sich sehr wohl mit dem Gedanken anfreunden konnte und daran vermochte selbst der sehnsüchtige Gedanke an Scato und die schöne Zeit mit ihm nichts (mehr) zu verändern.
"Ich bin mir bewusst, dass sich unsere Hochzeit womöglich noch etwas hinziehen wird. Nichtsdestotrotz möchte ich, dass du folgendes weißt: Ich werde dir wohl niemals deine erste Frau ersetzen können und gleichwohl gehe ich davon aus, dass ich - als Frau - kaum im Stande sein werde, dich derart zu faszinieren wie andere es womöglich können. … Gleichwohl wünsche ich mir - aus tiefsten Herzen heraus - dir dieses Versprechen erfüllen zu können (hier und heute), indem ich dir stets eine gute Ehefrau sein will, ... in guten-, wie in schlechten Zeiten", fand Prisca schließlich einige Worte zur Antwort wieder, die sie dem Flavier auch so aus tiefster Überzeugung heraus mitteilen wollte, während sie ihm ein offenes und ehrlich gemeintes Lächeln schenkte.
Versprechen waren seit jeher nur soviel wert, wie sie tatsächlich auch eingehalten wurden, ebenso, wie selbiger Erfüllung ein inniger (zumal sogar fanatischer) Wunsch inne wohnen musste, wie beispielsweise: Ich will ... deine Frau werden und, ...ich will unbedindgt ein Kind von DIR!!! ...
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Die gewichtigen Worte, welche Prisca bereits auf den Stufen zur Eintragung ihrer Verlobung fand, waren es, welche nun Gracchus ein wenig sprachlos zurückließen. War dies ihre Überzeugung, schlichtweg der gebotene Anstand, eine rechte Täuschung oder gar eine versteckte Drohung?
'Die klauenbewehrte Harpie, die schamlose Schlampe'
, echoten Serapios Worte durch seine Sinne, saßen den Larven gleich in seinem Nacken, nicht sichtbar und doch unumstößlich dort vorhanden.
'Pathicus'
, - wie dies wohl klang, wenn die Aurelia es aussprach, wie es wohl hatte geklungen als sie es Faustus an den Kopf hatte geworfen? Gracchus suchte beides aus seinem Geiste zu verdrängen, denn letztlich hatte der Bürgerkrieg ihnen aufgezwungen, was notwendig war, jede Tat, jedes Wort. Zu seinem eigenen Vorteile mochte gereichen, dass Prisca zwar sich sicher mochte sein, dass er am anderen Ufer Gefallen fand, doch letztendlich nicht, ob er nicht auf beiden Seiten des Flusses beheimatet war.
"Andere gehören der Vergangenheit an"
, warf er mit mehr Überzeugung ein als er selbst verspürte. Ein jedes Mal wenn er diesen Gedanken hegte - und mehr noch so er ihn aussprach - fühlte dies in seinem Inneren sich an als würde er eigenhändig jemanden umbringen. Er konnte spüren wie seine Finger sich kraftvoll um den Hals eines ebenso anmutigen, wie fragilen Menschen sich schlossen, wie seine Hände Kraft aufbauten und unter ihm der zarte Leib zu zucken und sich zu winden begann, wie über die köstlichen Lippen nurmehr ein seufzendes Röcheln seinen Wege fand, wie die einst so strahlenden Augen allmählich fahl hervortraten - nicht, dass Gracchus je eines solchen Todes war angesichtig geworden, geschweige denn ihn hatte herbeigeführt, doch die klandestine Lektüre Sklave Gaius ist der Beste hatte ihn mit so manch phantasievollem Gedankenbilde ausgestattet. Doch während das mentale Abbild seiner Hände den Mord an seiner eigenen Person fortführte, wandte sein Bewusstsein sich ab, suchten seine Augen den Anblick einer Theaterkulisse, welche dem Betrachter die größtmögliche Schönheit versprach, suchten die Verheißungen einer Droge, welche die Schatten der Wahrheit kaschierte.
"Die Zukunft gehört uns."
Es konnte nicht genügend Pathos geben in dieser Angelegenheit, das Ziel nicht hoch genug gesteckt, die Zukunft nicht gülden genug ausgemalt werden! Nach all den vergeblichen Mühen, dem hoffnungslosen Sehnen und von Anbeginn an zum Scheitern verurteilten Beziehungen würde Gracchus diesmalig den einzig erfolgreichen Weg der Liebe bis zu ihrem famosen Zenit beschreiten - er würde Aurelia Prisca lieben, koste es, was es wolle. Und mochte sein Verstand, sein Herz und seine Seele noch so viele Einwände und Bedenken anbringen - er hielt die Zügel seines Leben und er hatte sie lange genug schleifen lassen! Mit einem ein wenig schiefen Lächeln hielt er Prisca seine Hand hin, um sie in die Regia hinein zu geleiten.
"Und nichts wird uns davon abhalten."
Ein eher geringes Hindernis war der Empfang der Regia, denn sofern der Pontifex pro magistro ein Anliegen hatte abzuwickeln, so wurden sonstige Besucher sogleich aus jedem Officium komplimentiert - zumindest sofern nicht der Augustus selbst oder einer der Flamines maiores gerade dort beschäftigt waren -, so dass sie direkt zum Eheofficium konnten gelangen. -
Bei der Nennung der anderen hielt Prisca innerlich kurz den Atem an. Natürlich meinte sie einen ganz bestimmten "anderen" und prompt hatte sie dessen Fratze wieder vor Augen. Lächerlich, aber Prisca dachte tatsächlich, er (der andere) würde - wie auf ein Stichwort hin - jeden Moment aus irgendeinem verborgenen Winkel hervor springen, sich an Gracchus Togazipfel klammern und jammernd ausrufen: Oh nein, mein geliebter Aton ...tu es nicht ...ich bitte dich, Ich liebe dch, komm mit mir! Ähnlich wie bei der Szene auf der Hochzeit der Sergia, vor den Augen von hunderten von Gästen. Prisca schüttelte es, als sie an den Decimer dachte. Diesen Widerling, diesen Handlanger des Vesculariers, ...diesen Pathicus!
Letztere Bezeichnung hatte der Mistkerl wahrlich verdient - der sich gleich bei mehreren Männern als Freudenknabe anbiederte nur, weil er anscheinend seinen A … nicht voll genug bekommen konnte. Er und Gracchus und auch mit dem Iulius und mit wem sonst noch alles??? Igitt … Doch Stop! Mäßige bitte deine Gedanken Prisca. Du verlobst dich heute und nichts und niemand soll dir diesen Tag verderben, mahnte sich Prisca selbst zur Räson. Was allerdings nur schwer möglich war, da ausgerechnet dieser Pathicus es gewagt hatte sie als Hochverräterin zu bezeichnen und als Giftmischerin, als Spionin und Kollaborateurin der Kaisermörder und als was auch immer ... Dieses Schwein!
Und Gracchus? Hätte sie ihn nicht auch in ähnlicher Weise bezeichnen müssen, angesichts des Wissens um die Briefe, in denen er seine Gefühle für den Decimer eindeutig kund getan hat? Nein! Prisca horchte ganz genau hin und ihr Herz sagte etwas anderes. Und als Gracchus überdies noch betonte, dass andere der Vergangenheit angehörten war sie sich sicher, dass sie ihn niemals in die gleiche Wagschale werfen würde.
Die Zukunft gehört uns! … und nichts wird uns davon abhalten
"So soll es sein!", stimmte Prisca ihm mit einem (innerlich umso erleichterten) Lächeln zu und ohne zu zögern ergriff sie seine Hand, um ihm die Führung zu überlassen. Es war im übrigen ein sehr schönes Gefühl, endlich wieder einen Mann an der Seite zu wissen. Einen Mann wie Gracchus! Mochte er auch nicht gerade so jung und attraktiv sein wie manch andere, doch ….Andere gehören der Vergangenheit an. Uns gehört die Zukunft und nichts wird uns davon abhalten. … nichts wird uns davon abhalten ...nichts und niemand ... Die fortwährende Wiederholung seiner Worte würde das Versprechen (das sie in wenigen Minuten abgeben würde) hoffentlich für alle Zeit besiegeln und damit die gemeinsame Zukunft mit Gracchus, auf die sich Prisca tatsächlich freute, als sie zusammen mit ihm - Hand in Hand - dem Beamten entgegen trat ...
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Am Ende der Stufen von der Regia hinab kommend hielt Gracchus nach der Eintragung noch einmal inne und wandte sich Prisca zu.
"Teuerste Aurelia … teuerste Prisca. Nun da die Ver..lobung offiziell ist, erlaube mir, dies Kleinod dir zu überlassen."
Von der Seite her trat ein flavischer Sklave heran, präsentierte ein Kästchen aus Kirschholz, welches Gracchus öffnete. Darin lag auf dunklem, samtenem Tuche ein Geschmeide aus goldenen Kettengliedern, kleinen Kugeln aus Granat und cremefarbenen Perlen. Im Gegensatz zu den Dingen des täglichen Lebens, für welche er kaum nur sich je interessierte, wählte Gracchus schöne Dinge stets selbst aus - gleich ob sie für ihn oder als Präsente für andere waren gedacht - ob dessen die Kette keinesfalls prätentiös anmutete, sondern eher der Kategorie exquisiter Unaufdringlichkeiten zuzurechnen war. -
Die Eintragung der Verlobung verlief - wie nicht anders erwartet - unspektakulär und sie dauerte auch nicht sehr lange, womit sich für Prisca die Frage stellte was mit dem angebrochenen Tag nun weiter geschehen sollte. Würde sich ihr Verlobter nun umgehend verabschieden, um seinen Geschäften weiter nachzugehen oder würde er (wie Prisca insgeheim hoffte) mit ihr gemeinsam den Tag ihrer Verlobung feiern wollen. Dabei dachte Prisca an nichts Außergewöhnliches, lediglich an einem kleinen Bummel vielleicht, der sie über die Märkte führen würde, an einen gemeinsamen Theaterbesuch oder gar, an ein gemütliches Picknick in einem der vielen Gärten, die angesichts des schönen Wetters regelrecht zum verweilen einluden.
Doch zunächst überraschte ihr Verlobter sie mit einem wunderschönen Geschmeide, welches augenblicklich ein strahlendes Lächeln auf Prisca´s Gesicht zauberte: "Oh du meine Güte … es ist wunderschön", hauchte sie andächtig, während ihre Finger vorsichtig über das edle Geschmeide (mit den vielen kleinen Perlen und Edelsteinkugeln) glitten.
Ohne zu zögern winkte Prisca ihre (stets im Hintergrund wartende) Leibsklavin herbei, die ihr sogleich den Schmuck abnehmen sollte, welchen sie ursprünglich angelegt hatte. Heute will ich nur noch sein Geschenk tragen … nur für ihn!, freute sich Prisca ehrlich über die Aufmerksamkeit ihres Verlobten und da es für sie gewissermaßen symbolischen Charakter hatte, fragte sie ihn sogleich mit erwartungsvoller Stimme: "Würdest du sie mir bitte umlegen, … jetzt gleich?!" Denn Prisca´s Meinung nach oblag allein ihm die Aufgabe, sie mit dem Zeichen seiner Wertschätzung zu schmücken und demzufolge drehte sie ihm sogleich den Rücken zu, den Kopf dabei leicht in den Nacken legend, damit es ihm ein leichtes wäre den Akt zu vollenden ...
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Die Aufforderung seiner Verlobten derangierte Gracchus für einen kurzen Augenblick, denn letztendlich war er schlichtweg nicht gewohnt, Hand an eine Frau zu legen. Womöglich hatte er auch Antonia einstmals ein Geschmeide angelegt, doch konnte er sich dessen nicht entsinnen, wiewohl selbst jedwede andere physische Berührung ihrer Person sehr lange bereits zurück lag - er konnte, oder wollte, nicht einmal mehr jenen Augenblick ihres Abschiedes in Erinnerung sich rufen als er an der Hintertüre der Villa Flavia sie aus der Stadt hinfort hatte dekretiert, denn es war nur allzu wahrscheinlich, dass er zu diesem Zeitpunkt es versäumt hatte, hinlänglich Lebewohl zu sagen.
"Selbst..verständlich."
Beherzt ergriff er die Kette - er hatte so vieles versäumt und würde diesen Fehler nicht noch einmal begehen - und nestelte einige Augenblicke an dem filigranen Schließmechanismus, welcher der epikritischen Sensibilität seiner Fingerspitzen beinahe mehr abverlangten als sie zu geben bereit waren. Schlussendlich jedoch lösten die verhakten Kettenglieder sich, so dass die Perlen und Steine sich kühl um den schlanken Hals der Aurelia konnten betten, und als würde dies gänzlich unbeabsichtigt und zufällig geschehen berührten Gracchus' Finger dabei für einen kurzen Augenblick die blasse Haut, spürte er dabei in sich hinein nach einer Regung, welche sich jedoch nicht wollte einstellen. Da er indes im nächsten Moment bereits seine gesamte Konzentration wieder auf den Kampf mit dem Verschluss der Kette hatte zu verwenden, lastete er schlichtweg dieser enervierenden Handlung seinen Mangel an emotionaler Regung an. Ein erleichtertes Seufzen echappierte schlussendlich seiner Kehle als das Geschmeide sicher um Priscas Hals lag, und er einen halben Schritt um sie herum trat, um die Perfektion dieser Kombination zu bewundern.
"Nun, ich muss gestehen, es ist mir nicht geglückt, deine Anmut noch zu mehren, lässt sich ein Extremum doch schli'htweg nicht steigern, doch möchte ich behaupten, dass dies Kleinod zumindest sie noch zu unterstreichen vermag"
, beurteilte er das Gesamtwerk mit einem sublimen Lächeln.
"Darüber hinaus bedaure ich, dass meine weiteren Pfli'hten dieses Tages mir nicht gestatten, diesen Anblick allzu lange weiterhin zu genießen. Dennoch möchte ich nicht ohne eine determinierte Perspektive mich von dir ver..abschieden, denn ich habe bereits den Kalender studiert, sowie die Götter befragt nach einem adäquaten Datum für unsere Eheschließung. Am sechzehnten Tage vor den Kalenden des Oktobers* wäre ein opportuner Tag, so dir dies konveniert."Sim-Off: * 16.9.
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Den Blick von ihrem Verlobten abgewandt und auf einer nahestehenden Marmorstatue des Gottes Merkur ruhend, wartete Prisca geduldig und gleichzeitig gespannt auf den Moment da er ihr das Kleinod, als Zeichen seiner Wertschätzung höchstpersönlich umlegen würde. Dieses kleine Ritual musste einfach sein, auch wenn ihm diese ungewohnte Aufgabe eventuell schwerer fallen mochte wie das anschließende Kompliment, als er sein "Werk" in Augenschein nahm. Seine Worte und Blicke waren sehr schmeichelhaft und nur zu gerne hätte Prisca gewusst, wie viel Ehrlichkeit und stilles Verlangen wohl dahinter lagen. Ach gäbe es doch nur einen Funken - einen Hauch von Hoffnung, dass ich ihm wenigstens ein bisschen gefalle, dachte Prisca während sie lächelnd den Blick leicht verlegen senkte und gleichzeitig die Enttäuschung dahinter verbarg, als ihr Verlobter sich sogleich wegen seiner Geschäfte von ihr verabschiedete.
Wirklich schade … denn zu gerne hätte Prisca seinen Ausspruch von vorhin: "Uns gehört die Zukunft" zum Motto dieses Tages gemacht, doch wenn ihn seine Pflichten riefen so war es selbstverständlich, dass sie dafür vollstes Verständnis hatte (oder es zumindest vor gab).
Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen stellte sich Prisca kurzerhand auf die Zehenspitzen und gab ihrem Verlobten einen Kuss auf die Wange: "Der sechzehnte Tag vor den Kalenden des Oktobers … ja, das soll unser Tag sein!" An dem geplanten Hochzeitsdatum gab es absolut nichts auszusetzen, zumal ihr künftiger Gemahl bereits die Götter befragt hatte. Vielmehr hatte Prisca Bedenken, dass sie ihn bis dahin nicht mehr sehen würde so wie er klang, doch unterdrückte sie schnell die Frage danach und verabschiedete ihn mit ein paar ehrlich gemeinten Worten:
"Mögen die Götter dir bei deinen Pflichten und Geschäften eine glückliche Hand bescheren, sodass du am Ende dieses Tages zufrieden und glücklich sein wirst, so wie ich es bin. … Ich freue mich darauf, dich bald wieder zu sehen und werde dich bis dahin stets in meinen Gedanken tragen." Damit löste sich Prisca wieder von ihrem Ehemann in spe, in der Hoffnung ihm mit ihren Worten zu verdeutlichen, dass sie immer zu ihm stehen würde so wie es sich für eine gute Ehefrau gehörte.
Und was fange ich nun mit dem angebrochenen Tag an? So ganz allein? Diese Frage stellte sich für Prisca natürlich und sie hatte da schon eine Idee: Tja, dann werde ich wohl ein bisschen einkaufen gehen … Ein- zwei neue Kleider oder ein paar Duftwässerchen vielleicht, … irgendetwas würde sie sicher finden.
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Einige Augenblicke war Gracchus gänzlich derangiert ob des Kusses der Aurelia - nicht nur der Art der Berührung wegen, welche durch eine Vertreterin des weiblichen Geschlechtes gewährt ihn stets verunsicherte und irritierte, sondern mehr noch ob der Öffentlichkeit dieser Geste, welche für ein verlobtes Paar zweifelsohne nicht als unbotmäßig zu erachten war, ihm jedoch schlichtweg derart ungewohnt, dass sie ihn tatsächlich sprachlos zurück ließ. Allein Priscas Abschiedsworte mochten verhindern, dass dies allzu auffällig war, denn an deren Klang sich festhaltend fand auch Gracchus schlussendlich einige Worte zur einstweiligen Trennung, wenn auch nicht gar so eloquent wie es sonstig seine Art war.
“Mögen ... die Götter über dich wachen, ...“
Er öffnete bereits seinen Mund ein wenig mehr für das A der Aurelia, stockte jedoch und brachte seine Lippen schlussendlich zusammen.
“Prisca. Auch ich ... werde dich in Ge..danken tragen ... Auf bald!“
Der sechzehnte Tag vor den Kalendes des Oktobers - dieser Tag würde zweifelsohne schneller über sie hereinbrechen als es an diesem Tage noch schien.
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